DVS-Berichteband-351-Leseprobe
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Vom Klang einer Orgel und von der Technik des Lötens<br />
J. Schmidt, Berlin<br />
Der Bau einer Orgel verlangt musikalisches Empfinden, metallkundliches Wissen und die handwerkliche Kunst des<br />
Lötens. Der Klang einer Orgel ist Harmonie des Geists, ist Philosophie und Mathematik.<br />
Die Geschichte der Orgel beginnt vor über 2000 Jahren. Der griechische Mechaniker Ktesibios baut in Alexandria<br />
Wasseruhren mit Zahnrädern aus Bronze, einem konstanten Wasserdruck und einer erstaunlichen Genauigkeit. Mit<br />
der „Hydraulis“ des Ktesibios entsteht die Bauform einer Orgelpfeife. Im Jahr 800 wird Karl der Große in Rom zum<br />
Kaiser gekrönt. Er ist der erste Herrscher, der Europa politisch und religiös einigt. Als Kaiser bekommt er viele und<br />
kostbare Geschenke, aus Byzanz ist es eine Orgel. Im 14. und 15. Jahrhundert erkennt die Kirche die Bedeutung<br />
der Orgel für die Darstellung der Macht. Die Orgel bekommt in der Kirche den sichtbaren Platz gegenüber dem Altar.<br />
Johann Sebastian Bach und Dietrich Buxtehude komponieren für sie die begleitende Musik. Im 19. Jahrhundert wird<br />
die Orgelmusik romantisch und findet Eingang in die Konzerthäuser. Orgelbauer müssen den Klang der Orgel kleinen<br />
Räumen, großen Hallen und Konzertsälen anpassen. So wird jede Orgel einzigartig.<br />
Die Orgel wird Welterbe<br />
Im Jahr 2017 wurden der Orgelbau und die Orgelmusik in Deutschland in die Unesco-Liste des „Immateriellen Kulturerbes“<br />
aufgenommen. Es ist die Würdigung einer langen kulturellen Geschichte, der Respekt vor einem Handwerk,<br />
das in der Vergangenheit Schönes, Wertvolles und Dauerhaftes miteinander verbunden hat, und es ist die Erinnerung<br />
an Menschen, die den Klang einer Orgel in Gotteshäuser und Konzertsäle brachten. Die Orgel spielt in der Kirche<br />
für die Seele und erreicht das Herz, im Konzertsaal spielt sie für das Herz und erreicht die Seele. Mit der Schönheit<br />
ihres Baus und dem Klang ihrer Musik wird sie die Königin der musikalischen Instrumente.<br />
Große Organisten und bedeutende Männer der Geschichte begleiten ihren Ruf. Johann Sebastian Bach wird mit<br />
seinen Kompositionen Teil des Erbes. Anton Bruckner hat seine Orgelimprovisationen in neun große Sinfonien eingearbeitet.<br />
Albert Einstein hat beim Orgelspielen Gedanken ordnen können, und der Theologe, Philosoph, Arzt und<br />
Organist Albert Schweitzer ermahnte die Menschen: „Eine große Schuld lastet auf uns und unserer Kultur“. [1] Für<br />
seinen weltweiten Einsatz zur Völkerverständigung und gegen jede Form der kolonialen Ausbeutung erhielt er 1952<br />
den Friedensnobelpreis. Die musikalische Kraft der Orgel und die Vielfalt ihres Klangs zum „Immateriellen Kulturerbe“<br />
zu machen, ist der Hinweis auf eine gesellschaftliche Entwicklung, die zur Monotonisierung der Welt und zu einer<br />
Wegwerfkultur führt. [2]<br />
Der Klang einer Orgel<br />
Die Orgel ist ein Tasteninstrument in der Gruppe der Aerophone. Der Klang setzt sich aus den Tönen zusammen,<br />
die durch Luftschwingungen in Labialpfeifen und Lingualpfeifen entstehen. In einer Labialpfeife ist es ein von Hand<br />
eingeschlagener Kernspalt, der die durchströmende Luft (Wind) zum Schwingen bringt, in der Lingualpfeife ist es<br />
eine metallene Zunge (Bild 1). Die Frequenz der Schwingungen hängt von der Länge der Pfeife und von ihrem<br />
Durchmesser sowie von den Ausführungen des Labiums, des Kernspalts und der Zunge ab. So sind es zum Beispiel<br />
in einer 6 m langen Pfeife 16 Schwingungen, in einer nur 11 mm langen Pfeife 15.600 Schwingungen in der Sekunde.<br />
Die Herstellung der Pfeifen ist bis auf das Umformen zu einem Rohr Handarbeit.<br />
Der Wind für die vielen Pfeifen, die in Registern aufgeteilt sind, entsteht in einem Gebläse, wird in einem Magazinblock<br />
auf einen konstanten Druck eingestellt und über das Herz der Orgel, die Windlade, und über Windführungen<br />
den Pfeifen zugeführt. Die Steuerung des Winds erfolgt vom Organisten am Spieltisch. Der Klang einer Orgel wird<br />
von der Anzahl der Register bestimmt. Beispielsweise hat die Orgel im Stephansdom von Passau 233 Register, die<br />
Orgel im Leipziger Gewandhaus hat 91 Register, und die Orgel in der Musikhochschule in Weimar hat zehn Register.<br />
Der Klang trägt aufgrund der handwerklichen Fertigung der Orgel den Namen seines Schöpfers. Er ist oft mit Geheimnissen<br />
verbunden, die zusammen mit dem Namen den nächsten Generationen weitergegeben werden. In Hessen<br />
ist es Georg Wagner, der im 17. Jahrhundert seine erste Orgel herstellt. In Frankfurt an der Oder baut Wilhelm<br />
Sauer für die Jahrhundert-Halle in Breslau 1913 die größte Orgel der Welt. Gottfried Silbermann erwirbt in Sachsen<br />
den Ruf eines bedeutenden Orgelbauers. Die Silbermann-Orgel im Freiberger Dom ist heute, nach 300 Jahren, die<br />
berühmteste Barockorgel. Die Geschichte der Schuke-Orgel beginnt am Anfang des 19. Jahrhunderts. Schuke-Orgeln<br />
gehören zu den Ausrüstungen großer Konzerthäuser. In den Potsdamer Werkstätten des Unternehmens (Bild 2)<br />
hat eine junge Generation mit der Bewahrung der handwerklichen Tradition die Verpflichtung übernommen, das<br />
Weltkulturgut Orgel zu schützen und zu erhalten.<br />
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