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DVS-Berichteband-351-Leseprobe

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Weichlöten 2019<br />

Präzise Montage von<br />

Sensoren und<br />

optoelektronischen<br />

Bauelementen<br />

Vorträge der gleichnamigen Tagung<br />

in Hanau am 8. Oktober 2019<br />

Veranstaltung des <strong>DVS</strong> – Deutscher Verband für<br />

Schweißen und verwandte Verfahren e. V.,<br />

Düsseldorf, und der Fachgesellschaft „Löten“<br />

im <strong>DVS</strong>


Bibliographic information published by the Deutsche Nationalbibliothek<br />

The Deutsche Nationalbibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie;<br />

detailed bibliographic data are available in the Internet at http://dnb.dnb.de.<br />

<strong>DVS</strong>-Berichte Band <strong>351</strong><br />

ISBN 978-3-96144-056-6<br />

Die Vorträge wurden als Manuskript gedruckt.<br />

Alle Rechte, einschließlich Übersetzungsrecht, vorbehalten. Nachdruck und Vervielfältigung dieses<br />

Bandes oder von Teilen desselben nur mit Genehmigung der <strong>DVS</strong> Media GmbH, Düsseldorf.<br />

© <strong>DVS</strong> Media GmbH, Düsseldorf ⋅ 2019<br />

Herstellung: rewi Druckhaus, Reiner Winters GmbH, Wissen/Sieg


Vorwort<br />

Weichlöten 2019 – Präzise Lötmontage von Sensoren und optoelektronischen Bauelementen<br />

Der <strong>DVS</strong> – Deutscher Verband für Schweißen und verwandte Verfahren e. V. führt zusammen<br />

mit der Fachgesellschaft Löten im <strong>DVS</strong> am 8. Oktober 2019 im Richard-Küch-Forum in Hanau<br />

die Tagung „Weichlöten 2019“ durch.<br />

Elektronische Baugruppen entwickeln sich immer weiter zur multifunktionalen Baugruppe.<br />

Optische Komponenten, Sensoren und Aktoren erfordern Lötverbindungen, die nicht nur<br />

leitfähig, mechanisch stabil und zuverlässig sind, sondern auch eine präzise Ausrichtung<br />

gewährleisten. Während in der Standard-SMT das sogenannte "Self-Alignment" Toleranzen<br />

beim Bestücken ausgleicht, kann für fokussierte LEDs oder Sensoren gerade dieser Effekt die<br />

präzise Justierung verhindern. Auch nach dem Lötprozess muss oftmals eine Genauigkeit von<br />

wenigen Mikrometern in x-, y- und z-Richtung gewährleistet werden.<br />

Referenten aus Industrie und Forschung geben auf der Weichlöten 2019 einen kompetenten<br />

Einblick über spezielle Montage- und Lötverfahren mit hoher Präzision sowie Anwendungen mit<br />

besonderen Anforderungen an eine genaue Positionierung der Komponenten mit hoher<br />

Reinheit und geringem thermischen Stress.<br />

Die Veranstalter bedanken sich bei der Programmkommission für die Zusammenstellung der<br />

Vorträge sowie bei den Referenten und Sponsoren für die Unterstützung bei der Durchführung<br />

der Tagung.<br />

Wir sind sicher, eine attraktive Veranstaltung bieten zu können.<br />

Mathias Nowottnick<br />

Vorsitzender der Programmkommission<br />

Michael M. Weinreich<br />

Geschäftsführer Fachgesellschaft „Löten“ im<br />

<strong>DVS</strong>


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort<br />

Vom Klang einer Orgel und von der Technik des Lötens ........................................................... 1<br />

J. Schmidt, Berlin<br />

Flussmittel- und Feststoffanteile in modernen Lötmitteln – Visionen und (Mindest-)<br />

Anforderungen ........................................................................................................................... 4<br />

U. Grimmer-Herklotz, Oberhausen<br />

Optimierung der SMT-Prozesse für die Reel-to-Reel-Fertigung ............................................... 11<br />

J. Niemeier, Berlin<br />

Wie genau müssen SMT-Bauteile bestückt werden? ............................................................... 17<br />

Norbert Heilmann, München<br />

Induktionserwärmung für das Cu-Sn SLID-Waferbonden zum Packaging in der<br />

Mikrosystemtechnik .................................................................................................................. 23<br />

C. Hofmann, M. Wiemer, A. Fröhlich und M. Kroll, Chemnitz<br />

Reaktive Multilagensysteme als interne Wärmequelle zum Fügen auf Wafer-, Chip- und<br />

Komponentenebene .................................................................................................................. 29<br />

K. Vogel, S. Hertel, F. Roscher, M. Wiemer und S. Zimmermann, Chemnitz<br />

Materialien und Materialkombinationen zur präzisen Positioniergenauigkeit ............................ 35<br />

J. Trodler, S. Gunst, J. Ehmes und Stefan Merlau, Hanau; H. Wohlrabe und O. Albrecht, Dresden<br />

Autorenverzeichnis…………………………………………………………………………………... 46


Vom Klang einer Orgel und von der Technik des Lötens<br />

J. Schmidt, Berlin<br />

Der Bau einer Orgel verlangt musikalisches Empfinden, metallkundliches Wissen und die handwerkliche Kunst des<br />

Lötens. Der Klang einer Orgel ist Harmonie des Geists, ist Philosophie und Mathematik.<br />

Die Geschichte der Orgel beginnt vor über 2000 Jahren. Der griechische Mechaniker Ktesibios baut in Alexandria<br />

Wasseruhren mit Zahnrädern aus Bronze, einem konstanten Wasserdruck und einer erstaunlichen Genauigkeit. Mit<br />

der „Hydraulis“ des Ktesibios entsteht die Bauform einer Orgelpfeife. Im Jahr 800 wird Karl der Große in Rom zum<br />

Kaiser gekrönt. Er ist der erste Herrscher, der Europa politisch und religiös einigt. Als Kaiser bekommt er viele und<br />

kostbare Geschenke, aus Byzanz ist es eine Orgel. Im 14. und 15. Jahrhundert erkennt die Kirche die Bedeutung<br />

der Orgel für die Darstellung der Macht. Die Orgel bekommt in der Kirche den sichtbaren Platz gegenüber dem Altar.<br />

Johann Sebastian Bach und Dietrich Buxtehude komponieren für sie die begleitende Musik. Im 19. Jahrhundert wird<br />

die Orgelmusik romantisch und findet Eingang in die Konzerthäuser. Orgelbauer müssen den Klang der Orgel kleinen<br />

Räumen, großen Hallen und Konzertsälen anpassen. So wird jede Orgel einzigartig.<br />

Die Orgel wird Welterbe<br />

Im Jahr 2017 wurden der Orgelbau und die Orgelmusik in Deutschland in die Unesco-Liste des „Immateriellen Kulturerbes“<br />

aufgenommen. Es ist die Würdigung einer langen kulturellen Geschichte, der Respekt vor einem Handwerk,<br />

das in der Vergangenheit Schönes, Wertvolles und Dauerhaftes miteinander verbunden hat, und es ist die Erinnerung<br />

an Menschen, die den Klang einer Orgel in Gotteshäuser und Konzertsäle brachten. Die Orgel spielt in der Kirche<br />

für die Seele und erreicht das Herz, im Konzertsaal spielt sie für das Herz und erreicht die Seele. Mit der Schönheit<br />

ihres Baus und dem Klang ihrer Musik wird sie die Königin der musikalischen Instrumente.<br />

Große Organisten und bedeutende Männer der Geschichte begleiten ihren Ruf. Johann Sebastian Bach wird mit<br />

seinen Kompositionen Teil des Erbes. Anton Bruckner hat seine Orgelimprovisationen in neun große Sinfonien eingearbeitet.<br />

Albert Einstein hat beim Orgelspielen Gedanken ordnen können, und der Theologe, Philosoph, Arzt und<br />

Organist Albert Schweitzer ermahnte die Menschen: „Eine große Schuld lastet auf uns und unserer Kultur“. [1] Für<br />

seinen weltweiten Einsatz zur Völkerverständigung und gegen jede Form der kolonialen Ausbeutung erhielt er 1952<br />

den Friedensnobelpreis. Die musikalische Kraft der Orgel und die Vielfalt ihres Klangs zum „Immateriellen Kulturerbe“<br />

zu machen, ist der Hinweis auf eine gesellschaftliche Entwicklung, die zur Monotonisierung der Welt und zu einer<br />

Wegwerfkultur führt. [2]<br />

Der Klang einer Orgel<br />

Die Orgel ist ein Tasteninstrument in der Gruppe der Aerophone. Der Klang setzt sich aus den Tönen zusammen,<br />

die durch Luftschwingungen in Labialpfeifen und Lingualpfeifen entstehen. In einer Labialpfeife ist es ein von Hand<br />

eingeschlagener Kernspalt, der die durchströmende Luft (Wind) zum Schwingen bringt, in der Lingualpfeife ist es<br />

eine metallene Zunge (Bild 1). Die Frequenz der Schwingungen hängt von der Länge der Pfeife und von ihrem<br />

Durchmesser sowie von den Ausführungen des Labiums, des Kernspalts und der Zunge ab. So sind es zum Beispiel<br />

in einer 6 m langen Pfeife 16 Schwingungen, in einer nur 11 mm langen Pfeife 15.600 Schwingungen in der Sekunde.<br />

Die Herstellung der Pfeifen ist bis auf das Umformen zu einem Rohr Handarbeit.<br />

Der Wind für die vielen Pfeifen, die in Registern aufgeteilt sind, entsteht in einem Gebläse, wird in einem Magazinblock<br />

auf einen konstanten Druck eingestellt und über das Herz der Orgel, die Windlade, und über Windführungen<br />

den Pfeifen zugeführt. Die Steuerung des Winds erfolgt vom Organisten am Spieltisch. Der Klang einer Orgel wird<br />

von der Anzahl der Register bestimmt. Beispielsweise hat die Orgel im Stephansdom von Passau 233 Register, die<br />

Orgel im Leipziger Gewandhaus hat 91 Register, und die Orgel in der Musikhochschule in Weimar hat zehn Register.<br />

Der Klang trägt aufgrund der handwerklichen Fertigung der Orgel den Namen seines Schöpfers. Er ist oft mit Geheimnissen<br />

verbunden, die zusammen mit dem Namen den nächsten Generationen weitergegeben werden. In Hessen<br />

ist es Georg Wagner, der im 17. Jahrhundert seine erste Orgel herstellt. In Frankfurt an der Oder baut Wilhelm<br />

Sauer für die Jahrhundert-Halle in Breslau 1913 die größte Orgel der Welt. Gottfried Silbermann erwirbt in Sachsen<br />

den Ruf eines bedeutenden Orgelbauers. Die Silbermann-Orgel im Freiberger Dom ist heute, nach 300 Jahren, die<br />

berühmteste Barockorgel. Die Geschichte der Schuke-Orgel beginnt am Anfang des 19. Jahrhunderts. Schuke-Orgeln<br />

gehören zu den Ausrüstungen großer Konzerthäuser. In den Potsdamer Werkstätten des Unternehmens (Bild 2)<br />

hat eine junge Generation mit der Bewahrung der handwerklichen Tradition die Verpflichtung übernommen, das<br />

Weltkulturgut Orgel zu schützen und zu erhalten.<br />

<strong>DVS</strong> <strong>351</strong> 1


) b)<br />

a)<br />

a)<br />

Bild 1. In der Labialpfeife (a) bringt ein von Hand eingeschlagener Kernspalt die durchströmende Luft zum Schwingen, in der<br />

Lingualpfeife (b) ist es eine metallene Zunge.<br />

Bild 2. Alexander Schuke<br />

Orgelbau wurde 1820<br />

gegründet und existiert<br />

mittlerweile in der vierten<br />

Generation.<br />

Bild 3. In einem<br />

Schmelzofen erschmilzt<br />

der Orgelbauer die<br />

Blei-Zinn-Legierung<br />

für die Orgelpfeifen.<br />

2 <strong>DVS</strong> <strong>351</strong>


Legierung aus Blei und Zinn<br />

Die Herstellung einer Labial- oder einer Lingualpfeife ist auch heute noch handwerkliche Arbeit. Ausgenommen davon<br />

ist nur das Umformen des gegossenen Blechs zur Pfeife. Die Herstellung beginnt am Schmelzofen (Bild 3), in<br />

dem nach dem persönlichen Rezept der Orgelbauer seine Blei-Zinn-Legierung erschmilzt. Auf einem Band entsteht<br />

ein Gießblech (Bild 4), dessen Dicke mit handwerklicher Kunst eingestellt wird. Aus statischen Gründen kann bei<br />

langen Pfeifen eine nach oben zugehende Verdünnung notwendig sein.<br />

Nach dem Umformen des Blechs zu einer Pfeife werden die Längs- und Rundnähte in Handarbeit weichgelötet<br />

(Bild 5). Das Weichlot mit der geringsten Arbeitstemperatur hat die eutektische Zusammensetzung aus 63% Zinn<br />

und 37% Blei. Die Löttemperatur beträgt 168°C. Im 3. Jahrhundert v. Chr. baute der griechische Mechaniker Ktesibios<br />

eine Wasserorgel, im 1. Jahrhundert n. Chr. beschrieb Plinius eine Legierung aus Blei und Zinn zum Löten. Die<br />

Kirche entdeckte im 14. Jahrhundert die Orgel als Ausdruck ihrer Macht. Am Anfang des 18. Jahrhunderts machte<br />

Johann Sebastian Bach die Orgel zur Königin der Instrumente. Im 21. Jahrhundert wird sie Weltkulturgut. Als „Immaterielles<br />

Kulturerbe“ wird daraus die Verpflichtung, alte handwerkliche Kunst zu erhalten und sie den nächsten<br />

Generationen zu übergeben.<br />

Bild 4. Herstellung<br />

des Gießblechs.<br />

Bild 5. Die Längs- und Rundnähte<br />

der Orgelpfeifen werden in Handarbeit<br />

weichgelötet. (Bilder: Schmidt)<br />

Literatur<br />

[1] Schweitzer, A.: Kultur und Ethik. Verlag C.H. Beck, München 1990.<br />

[2] Zweig, S.: Die Monotonisierung der Welt. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1988.<br />

<strong>DVS</strong> <strong>351</strong> 3


Flussmittel- und Feststoffanteile in modernen Lötmitteln – Visionen und (Mindest-)<br />

Anforderungen<br />

U. Grimmer-Herklotz, Oberhausen<br />

„Wir sind auf der Suche nach einem rückstandsfreien Flussmittel!“ oder „Gibt es nicht auch eine SMD-Lötpaste ohne<br />

Flussmittel?“. Anfragen, die in der Lötmittelbranche ihren Seltenheitswert längst verloren haben. Die Vision von einem<br />

Lötprozess der ohne lästige Flussmittel und deren Rückstände auskommt, beschäftigt seit Jahrzehnten gleichermaßen<br />

Lötmittelhersteller, Lötanlagenbauer und Baugruppenfertiger. Sauerstoffarme Lötatmosphären wie Vakuum,<br />

Schutzgas, oder gesättigter Dampf (Dampfphase) reduzieren oder vermeiden zwar die Entstehung von Oxiden<br />

im Lötprozess, können aber bestehende Oxidschichten auf den Lötpartnern nicht beseitigen. Lötverfahren mit<br />

aktiven Prozessgasen, wie z.B. in Niederdruckplasma, sind in der Lage die Oxide aufzubrechen, verlangen aber eine<br />

aufwändige und kostenintensive Ofentechnologie, die zudem (wie auch die Dampfphasentechnologie) nur eingeschränkt<br />

inlinefähig sind. „State of the Art“ in der Baugruppenfertigung sind also flussmittelbasierende Lötprozesse<br />

und die entsprechenden Lötmittel. Die wichtigsten sind Lötpasten für das Reflowlöten von oberflächenmontierbaren<br />

Bauteilen (SMD), feststoffarme Flussmittel für das Schwalllöten von THT-Bauteilen in Wellen- und Selektivlötanlagen,<br />

sowie Lötdrähte mit Flussmittelseele(n) für händische und automatisierte Kolben-, Induktions-, Heißluft- und<br />

Laserlötprozesse. Die aktuell sinnvollen Flussmittelanteile in Lötdrähten und SMD-Lötpasten sowie die Feststoffanteile<br />

in Flussmitteln für besagte Schwalllötprozesse sollen hier aus der Sicht eines Lötmittelherstellers aufgezeigt<br />

werden. Hautsächlich sollen sogenannte No-Clean-Flussmitteltypen betrachtet werden.<br />

1 Flussmittelgefüllte Weichlotdrähte (Röhrenlote)<br />

Weichlotdrähte mit Flussmittelseele(n) müssen nach der Norm DIN EN ISO 12224-1 „Massive Lötdrähte und flußmittelgefüllte<br />

Röhrenlote – Festlegung und Prüfverfahren - Teil 1: Einteilung und Anforderungen“, die Anforderungen<br />

an die entsprechende Legierung nach ISO 9453 und den entsprechenden Flussmitteltyp nach ISO 9454-1 erfüllen.<br />

Die aktuelle EN ISO 9454-1:2016 und die Prüfnormen EN ISO 9455-1 ff. bestimmen die Eigenschaften der Flussmittel.<br />

Beschränkt man die Auswahl der Flussmittel auf die in der Baugruppenfertigung gängigen Typen (Flussmittelrückstände<br />

mit einen hohen SIR-Wert (Oberflächenwiderstandswert) >100 MΩ und keinerlei Korrosionswirkung),<br />

dann sind das die halogenidfreien Typen 1111, 1131, 1231, 2231 und die schwach halogenidaktivierten Typen<br />

1122,1222 und 2222.<br />

Tabelle 1. Klassifizierung von Flussmitteln nach der EN ISO 9454-1:2016<br />

Die in der DIN EN ISO 12224-1:1998 beschriebene Ausbreitungsprüfung und die darin aufgeführten Mindestausbreitungswerte,<br />

bezogen auf spezielle Röhrenlote, sind ausschließlich für bleihaltige Legierungen (Sn63Pb37(E),<br />

Sn60Pb40(E) oder Sn62Pb36Ag2) zulässig. Da die Ausbreitung bleifreier Lote grundsätzlich etwas schlechter ist als<br />

die von bleihaltigen Loten, würden die in Tabelle 2 aufgeführten Werte evtl. nicht erreicht werden können.<br />

4 <strong>DVS</strong> <strong>351</strong>


Tabelle 2. Mindestausbreitung für spezielle flussmittelgefüllte Röhrenlote nach der EN ISO 12224-1:1998<br />

Art der Flussmittelfüllung<br />

(ISO 9454-1:1990)<br />

1.1.1 und 1.2.1<br />

1.1.2 und 1.2.2<br />

1.1.3 und 1.2.3<br />

2.1.1 und 2.2.1<br />

2.1.2 und 2.2.2<br />

2.1.3 und 2.2.3<br />

Mindestausbreitungsfläche<br />

mm²<br />

80<br />

200<br />

110<br />

80<br />

150<br />

100<br />

Mindestausbreitungsverhältnis<br />

%<br />

65<br />

85<br />

80<br />

65<br />

85<br />

80<br />

Die wesentlich aktuellere EN ISO 9455-10:2013 ermöglicht neben Sn60Pb40 und Sn96,5Ag3Cu0,5 auch „jede andere<br />

Lot- und Testtemperatur-Kombination, wie zwischen Kunde und Hersteller vereinbart.“ Eine Mindestausbreitungsfläche<br />

bzw. ein Mindestausbreitungsverhältnis wird allerdings nicht vorgegeben. Die Wirksamkeit des Flussmittels<br />

wird durch das Ausbreitungsverhältnis im Vergleich zu vorgegebenen Standard-Referenzflussmitteln bestimmt.<br />

Die „typgerechte“ Wirksamkeit zu erreichen, ist nicht nur von der qualitativen Aktivierung, sondern auch vom Feststoffgehalt<br />

im Flussmittel, bzw. vom Flussmittelanteil (in Draht oder Paste) abhängig. Der Feststoffgehalt gängiger<br />

No-Clean Flussmittel für den Wellen- und Selektivlötprozess liegt zwischen 2,0 und 5,0 Gew.-%. SMD-Lötpasten<br />

haben, abhängig von der Applikation, einen Flussmittelanteil von 10 bis 30 Gew.-% und flussmittelgefüllte Lötdrähte<br />

werden, heute wie gestern, also bleihaltig oder bleifrei, mit Flussmittelanteilen von 0,7 bis 3,5 Gew.-% angeboten.<br />

Die in der „Bleizeit“ entwickelten Flussmittelrezepturen und Flussmittelgehalte für Röhrenlote waren perfekt abgestimmt<br />

auf die, durch die Schmelztemperatur der bleihaltigen Lotlegierungen, vorgegebenen Prozesstemperaturen<br />

beim Kolbenlöten. Bei einer Lötspitzentemperatur von 330 bis 350 °C sind die, im Flussmittel enthaltenen, Aktivatoren<br />

über die komplette Lötprozesslaufzeit funktionstüchtig und auch die Harzkomponente(n) verfärben sich kaum.<br />

Je nach Flussmitteltyp, Aktivierung oder auch Anwendung haben sich folgende Flussmittelanteile in der Baugruppenfertigung<br />

etabliert:<br />

Halogenidfreie Drähte auf Harzbasis: 2,5 – 3,5 % Flux<br />

Halogenidhaltige Drähte auf Harzbasis: 2,2 – 2,8 % Flux<br />

Spezialdrähte für SMD-Rework: 0,7 – 1,5 % Flux<br />

Mit Inkrafttreten der RoHS im Jahr 2006 wurde zunächst versucht, diese Rezepturen 1:1 auch für bleifreie Lötdrähte<br />

zu übernehmen. Da die Löttemperatur der Schmelztemperatur der bleifreien Lotlegierungen angepasst und somit<br />

um 30 – 50 K angehoben werden musste, war dies allerdings nur eine Notlösung. Die Wirksamkeit der Flussmittel<br />

war zwar ausreichend nach EN ISO 9455-10, aber die Flussmittelrückstände wurden wesentlich dunkler (Bild 1) und<br />

das Flussmittel spritzte stark beim Löten. Zudem wurden neue, kontaktlose Lötprozesse wie das Laser- oder Induktionslöten<br />

entwickelt, die noch mehr Wärmeenergie in noch kürzerer Zeit in die Lötstelle einbringen. Um diesen<br />

Anforderungen gerecht zu werden, mussten die Flussmittel nicht nur modifiziert, sondern in den meisten Fällen vollständig<br />

neu entwickelt werden. Hierzu mussten andere flussmitteltaugliche Harze (ideal mit Eigenaktivierung), Dicarbonsäuren<br />

mit passender (höherer) Aktivierungstemperatur und Additive gefunden und natürlich auch ins „richtige“<br />

Mischungsverhältnis gebracht werden.<br />

Bild 1. Flussmittelrückstand „alter“ Rezeptur<br />

Bild 2. heller Rückstand eines modernen Lötdrahtes<br />

<strong>DVS</strong> <strong>351</strong> 5


Moderne, bleifreie Röhrenlote sind stabil gegenüber den, im Lötprozess auftretenden Temperaturen, ermöglichen<br />

adäquate Prozesszeiten, hinterlassen helle, unauffällige Flussmittelrückstände (Bild 2) und gewährleisten auch einwandfreie,<br />

reproduzierbare Lötergebnisse.<br />

Die Flussmittelanteile dieser Drähte und die daraus resultierenden Flussmittelrückstandsmengen auf den Baugruppen<br />

haben sich aber nicht merklich verändert. Durch die höheren Löttemperaturen entsteht allerdings mehr Lötrauch.<br />

Dadurch verkürzen sich die Reinigungs- bzw. Wechselintervalle von Absaugeinrichtungen und von deren Filtern.<br />

Die oben aufgeführten Flussmittelanteile sind weiterhin gängig. Die Entwicklung neuer Lotlegierungen, Flussmittel<br />

und auch Löttechniken ist aber sicherlich noch nicht abgeschlossen, so dass innovative Röhrenlote mit Flux-Anteilen<br />

angeboten werden, die um 0,5 bis 1,0 % geringer sind als oben aufgeführt (mit Ausnahme der Rework-Lötdrähte).<br />

2 SMD-Lötpasten<br />

Wie die Röhrenlote sind auch SMD-Lötpasten durch entsprechende Normen reguliert. Seit die nationale Norm DIN<br />

32513-1 aus 2005 ersatzlos zurückgezogen wurde, empfiehlt der Regelsetzer die Anwendung der<br />

DIN EN 61190-1-2 “Verbindungsmaterialien für Baugruppen der Elektronik – Teil 1-2: Anforderungen an Lotpaste für<br />

hochwertige Verbindungen in der Elektronikmontage“. Bezüglich der Flussmitteleigenschaften der Pasten wird auf<br />

die DIN EN 61190-1-1 „Verbindungsmaterialien für Baugruppen der Elektronik - Teil 1-1: Anforderungen an Weichlöt-<br />

Flussmittel für hochwertige Verbindungen in der Elektronikmontage“ verwiesen, für den Metallpulveranteil gilt der<br />

Teil 1-3: „Anforderungen an Elektroniklote und an Festformlote mit oder ohne Flussmittel für das Löten von Elektronikprodukten“.<br />

Tabelle 3. Einstufung der Flussmittel nach DIN EN 61190-1-1 (ohne die anorganischen Stoffe)<br />

In der Zusammensetzung des<br />

Flussmittels enthaltene Stoffe<br />

Wirksamkeitsniveau des<br />

Flussmittels<br />

(Massenanteil Halogenid in %)<br />

Bezeichnung des<br />

Flussmittels<br />

nach IEC<br />

Bezeichnung des<br />

Flussmittels<br />

nach ISO<br />

Kolophonium (RO)<br />

Gering (< 0,01 %)<br />

Gering (< 0,01 %)<br />

Mäßig (< 0,01 %)<br />

Mäßig (0,15-2,0 %)<br />

Hoch (< 0,01 %)<br />

Gering (< 0,15 %)<br />

L0<br />

L0<br />

M0<br />

M1<br />

H0<br />

L1<br />

ROL0<br />

ROL1<br />

ROM0<br />

ROM1<br />

ROH0<br />

ROH1<br />

1111, 1131<br />

1122<br />

1131<br />

1123<br />

1131<br />

1124<br />

Harz (RE)<br />

Gering (< 0,01 %)<br />

Gering (< 0,15 %)<br />

Mäßig (< 0,01 %)<br />

Mäßig (0,15-2,0 %)<br />

Hoch (< 0,01 %)<br />

Hoch (> 2,0 %)<br />

L0<br />

L1<br />

M0<br />

M1<br />

H0<br />

H1<br />

REL0<br />

REL1<br />

REM0<br />

REM1<br />

REH0<br />

REH1<br />

1211, 1231<br />

1222<br />

1231<br />

1223<br />

1231<br />

1224<br />

Organisch (OR)<br />

Gering (< 0,01 %)<br />

Gering (< 0,15 %)<br />

Mäßig (< 0,01 %)<br />

Mäßig (0,15-2,0 %)<br />

Hoch (< 0,01 %)<br />

Hoch (> 2,0 %)<br />

L0<br />

L1<br />

M0<br />

M1<br />

H0<br />

H1<br />

ORL0<br />

ORL1<br />

ORM0<br />

ORM1<br />

ORH0<br />

ORH1<br />

2131, 2231<br />

2122, 2222<br />

2131, 2231<br />

2123, 2223<br />

2131, 2231<br />

2224<br />

Wirft man einen Blick auf die Liste der durchzuführenden Prüfungen zur Pastenqualifikation nach<br />

DIN EN 61189-5-3, dann sind neben der Lotlegierung und dem Flussmittel die Pulverpartikelgröße, -verteilung und<br />

-form, der Metallgehalt, die Viskosität, die Konturenstabilität und der Verlauf, die Aktivität (mittels Lotkugelprüfung),<br />

die Klebefähigkeit und letztlich die Benetzung der Paste zu prüfen.<br />

Eine SMD-Lötpaste stellt somit wohl das komplexeste Lötmittel dar. Lot und Flussmittel in einem Produkt, optimal<br />

abgestimmt auf mehrere Prozesse innerhalb der Baugruppen-Fertigungslinie: Pastenauftrag (Drucken /Dosieren) -<br />

Bauteilebestückung - Reflowlöten (Konvektion / Dampfphase) - Inspektion (AOI / ICT).<br />

In der Reihenfolge der Prozesse werden der Paste folgende Eigenschaften abverlangt:<br />

6 <strong>DVS</strong> <strong>351</strong>


o<br />

o<br />

o<br />

o<br />

Drucken<br />

• Konturenstabilität<br />

• konstante Druckbarkeit<br />

• konstantes Pastendepotvolumen<br />

• gutes Auslöseverhalten<br />

• gutes Abrollverhalten am Rakel<br />

• gleichmäßige Viskosität über lange Zeiträume<br />

Dosieren<br />

• kein Absetzen des Metallpulvers in der Kartusche<br />

• konstantes Pastenvolumen<br />

• kein Nachtropfen<br />

Bestücken<br />

• hohe, langanhaltende Klebrigkeit<br />

Löten<br />

• gute Benetzung und Ausbreitung<br />

• keine Lotperlenbildung<br />

• geringe Neigung zum Voiding<br />

• geringe Ausgasung<br />

Bild 3. Konturenstabilität<br />

Bild 4. Pastenvolumen und Nachtropfen<br />

o<br />

Inspektion<br />

• geringe, nicht klebrige Flussmittelrückstände<br />

• möglichst geringer Einfluss auf AOI Bild 5. AOI-Pseudofehler (Brücke?)<br />

Einzeln betrachtet sind diese Anforderungen recht leicht zu erfüllen. Die Abdeckung sämtlicher „Pflichten“ führt aber<br />

automatisch auch zu „Kompromissen“, da sich einige der maßgeblichen Eigenschaften leider widersprechen. Die für<br />

die Bestückung maßgebliche Nassklebekraft der Paste wirkt sich z.B. negativ auf die Auslösung der Paste aus der<br />

Druckschablone aus. Eine Reduzierung der Viskosität (die Paste wird flüssiger), die für die Einstellung der Druckbzw.<br />

Dosierbarkeit einer Paste maßgeblich ist, geht auch mit einer Erhöhung des Flussmittelanteils einher (also auch<br />

mehr Flussmittelrückstände), was wiederum die Konturenstabilität des Pastendepots beeinflusst. Im Umkehrschluss<br />

kann der Flussmittelanteil nicht ohne Auswirkung auf die rheologischen Eigenschaften der Paste reduziert werden.<br />

Berechnet man aus dem Gewichtsanteil des Flussmittels einer SMD-Paste mit 89 % Metallpulveranteil dessen Volumen,<br />

so ergibt sich ein Fluxanteil von ca. 50 Vol.-%! Reduziert man den Flussmittelgehalt dieser Paste um nur<br />

1 Gew.-% (was nebenbei zu einer Erhöhung der Viskosität um bis zu 100 Pa·s führen würde und erheblichen Einfluss<br />

auf die Druckeigenschaften der Paste hätte), reduziert sich die Flussmittelmenge auf dem Board auf grade einmal<br />

45 %, was im Vergleich zu allen anderen Lötprozessen mit Abstand immer noch die höchste ist!<br />

Unter bestimmten Voraussetzungen (Löten in inerten Prozessgasen, Vakuum oder Heißdampf) lassen sich die aktiven<br />

Bestandteile des Flussmittelanteils einer SMD-Lötpaste sehr wohl auf ein Mindestmaß reduzieren. Auf die<br />

Menge der Flussmittelrückstände hat dies allerdings keinen merklichen Einfluss, da die Aktivatoren und Harze im<br />

Flussmittelanteil durch Bindemittel und Füllstoffe ersetzt werden müssen, um die für die unterschiedlichen Applikationen<br />

erforderlichen rheologischen Eigenschaften zu erreichen (Tabelle 4).<br />

Tabelle 4. Gängige Flussmittelanteile in SMD-Pasten abhängig von der Applikation<br />

Schablonendruck Dispenserapplikation Dip- / Jetprintapplikation<br />

Flussmittelanteil 10,5 - 12,5 Gew.-% 15 - 17 Gew.-% 20 - 30 Gew.-%<br />

Viskosität (Brookfield) 650 - 900 Pa·s 350 - 450 Pa·s 200 - 300 Pa·s<br />

3 Flussmittel für Schwalllötprozesse<br />

Neben den Anforderungen durch Prozess und Baugruppe sollte die Auswahl des „richtigen“ Flussmittels zunächst<br />

an der Anwendungsform (Fluxersystem) festgemacht werden. Aktuelle Wellen- und Selektivlötanlagen sind mit<br />

Sprüh- (Bild 6) oder auch (Micro-/Drop-)Jetfluxern (Bild 7) ausgestattet. Um eine Verstopfung der feinen Düsen durch<br />

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klebrige Harze zu vermeiden, werden hier hauptsächlich harzfreie Flussmittel mit niedrigem Feststoffgehalt zwischen<br />

2,0 und 2,7 % verwendet. Auch die meisten erhältlichen VOC-freien Flussmittel sind ausschließlich mit Sprüh- oder<br />

Jetfluxern applizierbar. Obwohl schon mehrfach „todgesagt“, verwenden kleine und mittelständische Dienstleister<br />

aber auch immer noch Lötanlagen mit Schaumfluxersystem (Bild 8). Harzhaltige Flussmittel mit Feststoffanteilen ><br />

2,5 % gewährleisten eine stabile feinporige Schaumkrone und eine gleichmäßige Flussmittelverteilung auf der Leiterplatte.<br />

Bild 6. 2-Kopf-Sprühfluxer Bild 7. Pillarhouse Drop-Jet-Kopf Bild 8. Schaumfluxer<br />

Die qualitativen Anforderungen sollten der DIN EN 61191-1 Abschnitt 5.3 „Flussmittel“ entnommen werden. Demnach<br />

sollen für die Baugruppenfertigung Flussmittel nach DIN EN 61190-1-1 (Tabelle 3) (oder einer vergleichbaren<br />

Norm) verwendet werden, die den Typen L oder M entsprechen. Für Baugruppen, bei denen die Flussmittelrückstände<br />

nach dem Löten nicht entfernt werden (No-Clean-Lötprozesse) sollten ausschließlich Flussmittel der Gruppe<br />

L verwendet werden, die die Anforderungen nach DIN EN 61191-1 Abschnitt 9.2.2 „Reinheitsgrad“ ohne Reinigung<br />

/ Prüfung (C-00) erfüllen (Tabellen 5 und 6).<br />

Tabelle 5. Bezeichnung der zu reinigenden Flächen (Reinigungsoptionen)<br />

0 Keine Oberfläche ist zu reinigen<br />

1 Eine Seite (die Seite der Lötmittelgruppe) ist zu reinigen<br />

2 Beide Seiten der Baugruppe sind zu reinigen<br />

Tabelle 6. Prüfung der Rückstände für die Prozesssteuerung<br />

0 Keine Prüfung erforderlich<br />

1 Prüfung für Kolophonium-Rückstände erforderlich<br />

2 Prüfung für ionische Rückstände erforderlich<br />

3 Prüfen Sie den Oberflächen-Isolationswiderstand so wie es zwischen dem Anwender und dem Hersteller<br />

vereinbart wurde<br />

4 Prüfen Sie die Oberflächen auf organische Verunreinigungen so wie es zwischen dem Anwender<br />

und dem Hersteller vereinbart wurde<br />

5 Weitere Prüfungen, wie zwischen dem Anwender und dem Hersteller vereinbart wurde<br />

Auch die Anforderung an die thermische Stabilität des Flussmittels ist von Lötanlage zu Lötanlage unterschiedlich.<br />

Wellenlötanlagen mit einer Doppelwelle erfordern eine hohe thermische Stabilität des Flussmittels. Dies wird mit<br />

einem entsprechenden Feststoffanteil im Flussmittel erreicht. Ein Feststoffanteil von 2,5 - 3,5 % ist unter Normalatmosphäre<br />

ausreichend um die Funktionalität des Flussmittels über den gesamten Lötvorgang bis zum Austritt der<br />

Baugruppe aus der letzten Lötwelle zu gewährleisten.<br />

Um eine gute Benetzung und einen ausreichenden Durchstieg zu gewährleisten, ist die Lötwellentemperatur in Selektivlötanlagen<br />

höher einzustellen, als bei konventionellen Wellenlötanlagen (um bis zu 20 K). Dies basiert auf der<br />

geringeren Wärmeübertragung auf die Lötstelle durch eine wesentlich geringere Kontaktzeit mit der kleinen Lötwelle.<br />

Einerseits muss das Flussmittel diesem Anspruch gerecht werden (Aktivität, Quantität), andererseits besteht die<br />

Gefahr, dass die Flussmittelrückstände, die nicht vollständig der Löttemperatur ausgesetzt und somit nicht ausreichend<br />

ausreagiert sind, zu Ausfällen der Baugruppe durch Korrosion oder Migration führen können! Flussmittel für<br />

selektive Lötprozesse sollten dementsprechend abgestimmt sein.<br />

Prozessunterstützenden Schutzgase, die den Löttiegel abdecken und im Bereich um die Lötwellen für eine Reduzierung<br />

des Sauerstoffeinflusses sorgen, ermöglichen die Verwendung feststoffärmerer Flussmittel. Insbesondere bei<br />

den sogenannten N2-Volltunnel-Wellenlötanlagen sind Flussmittel mit Feststoffgehalten zwischen 1,8 und 2,2 %<br />

„state of the art“. Da aber, abgesehen von Leiterplatten und Bauteilen mit ENIG-Oberfläche, sämtliche<br />

8 <strong>DVS</strong> <strong>351</strong>


Metallisierungen von elektronischen Bauteilen und PCBs bereits vor dem Eintritt in den inerten Prozessraum einer<br />

Volltunnel-Wellenlötanlage eine mehr oder weniger starke Oxidschicht aufweisen, kann auf eine Befluxung nicht<br />

vollständig verzichtet werden.<br />

4 Zusammenfassung<br />

Entwicklungstechnisch sind die bleifreie Löttechnik und die dazugehörenden Lötmittel den „Kinderschuhen“ entwachsen.<br />

Nach 13 Jahren sind wir, um bei diesem Bild zu bleiben, in der Pubertät angekommen (mit all den dazugehörenden<br />

Schwierigkeiten). Der Umgang mit bleifreien Loten ist vom Grundsatz her klar, die Prozesse mittlerweile eingefahren.<br />

Die Phase der Optimierung dieser Prozesse ist angelaufen. Mit dieser Prozessoptimierung werden nun auch<br />

die entsprechenden Lötmittel erforderlich. Insbesondere die Selektivlötprozesse stellen für die Flussmittelentwicklung<br />

eine Herausforderung dar.<br />

Die fortlaufende Miniaturisierung von Bauteilen erfordert u.a. auch eine Reduzierung der Körnung in SMD-Lötpasten<br />

oder auch der Drahtquerschnitte von Lötdrähten. Je feiner das Metallpulver, desto größer wird die Gesamtoberfläche<br />

des Pulvers im Verhältnis zu seinem Volumen. Dies erfordert eine stärkere Aktivierung des Pastenflussmittels.<br />

Neue Technologien, wie z.B. der Einzug von LEDs in der Fahrzeug- und Straßenbeleuchtung, haben die Diskussion<br />

um die Reduzierung von Löttemperaturen neu entfacht. Bismutbasierende Lotlegierungen haben einen schlechtere<br />

Lötbarkeit als Lote auf Zinn-Silber-Kupfer-Basis. Auch hier ist eine höher aktivierte Flussmittelformulierung erforderlich.<br />

Neben der Aktivierung der Metallisierung der Bauteile und des Metallpulveranteiles der SMD-Lötpaste, dient das<br />

Flussmittel in SMD-Lötpasten auch zur Einstellung der Viskosität und ist somit obligatorisch für die Druck- und Dosierbarkeit<br />

und die Klebrigkeit der Paste. Das wiederum würde den Ersatz der aktiven Bestandteile durch neutrale<br />

„Füllstoffe“ erforderlich machen, die aber ebenso verhalten müssten wie die Aktivatorenmischung. Daher gibt es<br />

keine flussmittelfreie SMD-Lötpaste die in diesem Sinne besonders für einen Vakuumprozess geeignet ist.<br />

Zwar wären die Reduzierung der Flussmittelanteile bzw. Feststoffgehalte in den einzelnen Lötmitteln und die damit<br />

einhergehende Verringerung der Rückstände auf der Baugruppe wünschenswert, allerdings nicht auf Kosten der<br />

Löt-Performance!<br />

Normen / Literatur / Quellen<br />

DIN EN ISO 12224-1:1998 „Massive Lötdrähte und flußmittelgefüllte Röhrenlote – Festlegung und Prüfverfahren –<br />

Teil 1: Einteilung und Anforderungen“<br />

EN ISO 9454-1:2016 „Flussmittel zum Weichlöten – Einteilung und Anforderungen – Teil 1: Einteilung, Kennzeichnung<br />

und Verpackung“<br />

DIN EN ISO 9453:2014 „Weichlote — Chemische Zusammensetzung und Lieferformen“<br />

DIN EN ISO 9455-10:2013 „Flussmittel zum Weichlöten – Prüfverfahren – Teil 10: Bestimmung der Wirksamkeit des<br />

Flussmittels, Ausbreitungsprüfung“<br />

DIN EN 32513-1:2005 „Weichlotpasten – Teil 1: Zusammensetzung, Technische Lieferbedingungen“<br />

DIN EN 61190-1-1:2003 „Verbindungsmaterialien für Baugruppen der Elektronik - Teil 1-1: Anforderungen an Weichlöt-Flussmittel<br />

für hochwertige Verbindungen in der Elektronikmontage“<br />

DIN EN 61190-1-2:2014 “Verbindungsmaterialien für Baugruppen der Elektronik – Teil 1-2: Anforderungen an Lotpaste<br />

für hochwertige Verbindungen in der Elektronikmontage“<br />

DIN EN 61190-1-3:2015 “Verbindungsmaterialien für Baugruppen der Elektronik – Teil 1-3: „Anforderungen an Elektroniklote<br />

und an Festformlote mit oder ohne Flussmittel für das Löten von Elektronikprodukten“<br />

DIN EN 61189-5-3:2015 „Prüfverfahren für Elektromaterialien, Leiterplatten und andere Verbindungsstrukturen und<br />

Baugruppen - Teil 5-3: Allgemeine Prüfverfahren für Materialien und Baugruppen - Lotpaste für bestückte Leiterplatten“<br />

DIN EN 61191-1:2015 „Elektronikaufbauten auf Leiterplatten - Teil 1: Fachgrundspezifikation - Anforderungen an<br />

gelötete elektrische und elektronische Baugruppen unter Verwendung der Oberflächenmontage und verwandter<br />

Montagetechniken“<br />

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Bild 1, 3, 5: FELDER GMBH Löttechnik, eigene Aufnahmen<br />

Bild 6: 2-Kopf Sprühfluxer, Pedro Ximinez, Lizenz: CC BY-SA 2.0 de<br />

Bild 7: Drop-Jet-Kopf der Fa. Pillarhouse International Ltd.<br />

Bild 8: Schaumfluxer, Pedro Ximinez, Lizenz: CC BY-SA 2.0 de<br />

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Optimierung der SMT-Prozesse für die Reel-to-Reel-Fertigung<br />

J. Niemeier, Berlin<br />

Die überwiegende Technologie zur Herstellung elektronischer Baugruppen ist die Verwendung von starren Leiterplatten<br />

(printed circuit boards). Im Zuge einer zunehmenden Produktdifferenzierung und Produktionsoptimierung<br />

werden jedoch vermehrt alternative Technologien eingesetzt. Insbesondere für kompakte Produkte eigenen sich<br />

flexible Leiterplatten oder Stanzgitter.<br />

Bild 1. Unterschiedliche Substrate im Vergleich<br />

Die Aufgabe der SMD-Fertigung ist es, auf diese Substrate elektronische Bauteile zu montieren. Dazu sind folgende<br />

Prozessschritte umzusetzen.<br />

- Lotpaste auftragen<br />

- Bauelemente bestücken<br />

- Reflowlöten, d.h. die Lotpaste aufschmelzen<br />

Durch eine Reel-to-Reel-Verarbeitung kann der Handlingsaufwand drastisch reduziert werden. Nachfolgend werden<br />

zwei Beispiele beschrieben und gezeigt wie die klassischen SMD-Prozesse auf die besonderen Gegebenheiten<br />

anzupassen sind.<br />

Prozesse<br />

Basisprozesse<br />

Lotpaste auftragen<br />

Bestücken<br />

Löten<br />

Beispiel 1: ABS-Sensor<br />

Chip-Widerstände auf Stanzgitter<br />

Beispiel 2: Beleuchtung<br />

SMD-Bauteile auf Flex-Leiterplatte<br />

Prüfprozesse<br />

SPI<br />

AOI<br />

Handling<br />

Substrathandling<br />

NIO-Handling<br />

Bild 2. Zwei Beispiele für Reel-to-Reel-Fertigung<br />

Stanzgitter 30mm breit<br />

Einzelschaltung 15mm lang<br />

Lot:<br />

SnAgCu<br />

Bauteile: 0603<br />

Geometrie: 2½D<br />

Taktzeit<br />

0,4s/Bauteil<br />

Flex-Leiterplatte 12mm breit<br />

Einzelschaltung 560mm lang<br />

Lot:<br />

Bauteile:<br />

Geometrie:<br />

Taktzeit:<br />

SnBi<br />

0402 bis SO28<br />

2D<br />

0,6s/Bauteil<br />

<strong>DVS</strong> <strong>351</strong> 11


1 Kompakte SMD-Linie für Chip-Widerstände auf Stanzgitter<br />

In klassischen Fertigungslinien wird die Lotpaste meist im Schablonendruck aufgetragen. Diese ist jedoch bei dreidimensionalen<br />

Stanzgittern nicht möglich. Da Dispensen von Lotpaste zu langsam ist, wird die Lotpaste mit einem<br />

Jet-System aufgetragen. Der AeroJet von Musashi ermöglicht das Auftragen unterschiedlicher Lotpasten. Dabei wird<br />

das Lot aus Standardkartuschen zugeführt. Die Paste wird mit gleichmäßigem Druck in die Dosierkammer gedrückt.<br />

Dort beschleunigt ein beweglicher Kolben die Paste und schleudert sie durch die Düse auf das Substrat, ähnlich wie<br />

bei einem Tintenstrahldrucker.<br />

Da ohne Dosiernadeln gearbeitet wird, ist der Prozess robust gegenüber Höhentoleranzen. Die dosierte Menge wird<br />

einzig und allein über die Dosierkammer und die Anzahl der zu dosierenden Dots definiert und ist somit präzise und<br />

reproduzierbar. Da die Dosierkammer klimatisiert wird, ist die Viskosität der Paste zum Zeitpunkt der Dosierung<br />

annährend konstant. Chargenweise Viskositätsschwankungen in der Kartusche werden kompensiert. Auch die Entleerung<br />

der Kartusche ist deutlich besser als bei den Dispens-Verfahren. Der Kartuschendruck ist gering und konstant,<br />

d.h. es muss nicht gepulst werden. Weiterhin ist für den Dosierprozess keine Z-Bewegung erforderlich. Folglich<br />

gibt es auch keine Entmischung in der Kartusche und die Paste kann komplett für die eigentliche Aufgabe verwendet<br />

werden.<br />

Bild 3. AeroJet zum Auftragen der Lotpaste<br />

Bild 4. Prinzipdarstellung AeroJet<br />

Anschließend werden die Bauteile bestückt. Sie werden über TapeFeeder zugeführt. Das Bestücken erfolgt mit dem<br />

INOPLACER von ATN. Die Bauteile werden mit einer Vakuumpipette aus der geöffneten Tasche des Zuführtapes<br />

entnommen, über der Kamera in der Position vermessen und dann passgenau auf dem LeadFrame bestückt. Der<br />

Vorteil der INOPLACER ist dabei die im Achssystem integrierten Vision-on-Fly Kamera, d.h. die Vermessung erfolgt<br />

auf dem direkten Weg zur Bestückstelle und unmittelbar in der Bewegung. Über eine Lichtschranke wird der passende<br />

Moment getriggert und der Hochleistungsblitz bringt eine ausreichende und kurze Beleuchtung für ein scharfes<br />

Bild.<br />

Bild 5. Integrierte Vision-on-Fly-Kamera (VOF)<br />

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