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syndicom magazin Nr. 14

Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.

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22 Politik<br />

«Ja, sicher fühle ich mich<br />

repräsentativ»<br />

Die Nationalratswahlen<br />

brachten Gewinne für die<br />

Frauen. Der Frauenanteil<br />

stieg auf 42 Prozent, das sind<br />

84 der 200 Sitze. Neu gewählt<br />

ist auch Tamara Funiciello,<br />

eine junge, starke Politikerin,<br />

die als Jusopräsidentin Furore<br />

machte. Was hat sie zur<br />

Politik bewegt und warum<br />

ist sie Gewerkschafterin?<br />

Interview: Patrizia Mordini<br />

Bild: Alexander Egger<br />

Jung, links und Frau. Fühlst du dich<br />

repräsentativ im neuen Parlament?<br />

Ich fühle mich sicher repräsentativ.<br />

Ins neue Parlament wurden 7 unter<br />

30-Jährige gewählt. Manche verstehen<br />

nicht, dass man als Mitglied<br />

einer bestimmten Gruppe eine bestimmte<br />

Realität erlebt. Dies schärft<br />

den Blick für Problematiken, die<br />

sonst leicht übersehen werden. Und<br />

das kann und muss man dann gut<br />

vertreten. Bei der Rentenfrage zum<br />

Beispiel stehen für lesbische Frauen<br />

spezifische Fragen im Zentrum oder<br />

bei der «Ehe für alle».<br />

Ein Riesengewinn für Frauen und<br />

Grüne, ein Verlust für SP und<br />

Gewerkschaften …<br />

Mit Corrado Pardini, Adrian Wüthrich<br />

und Philipp Hadorn wurden<br />

leider drei gestandene Politiker abgewählt.<br />

Gerade Corrado hat so viel<br />

für die gewerkschaftlichen Anliegen<br />

getan und wichtige Dossiers besetzt<br />

wie EU/flankierende Massnahmen.<br />

Seit 6 Jahren arbeite ich mit ihm zusammen.<br />

Für mich ist es krass, nun<br />

ohne ihn im Parlament zu sein. Es<br />

wurden jedoch auch neue Leute gewählt<br />

wie Pierre-Yves Maillard und<br />

Greta Gysin, die klar gewerkschaftlich<br />

politisieren und die sozialen<br />

Themen voranbringen. Insgesamt<br />

haben wir immer noch eine linke<br />

Minderheit, da die GLP nicht links<br />

ist. Dieser sogenannte Linksrutsch<br />

ist eben kein wirklicher.<br />

Was gab den Ausschlag, dich<br />

politisch zu engagieren? Wie<br />

erlebtest du die Gewerkschaft, als<br />

du jünger warst?<br />

Bis ich 10 war, lebte ich in Sardinien<br />

und mein Vater war selbständig. Zu<br />

Hause sprachen die Eltern oft über<br />

politische Themen. Ich stamme aus<br />

einer politischen, gewerkschaftsnahen<br />

Familie. In der Schweiz arbeitete<br />

meine Mutter bei der GBI.<br />

Als mein Vater bei der Wifag seine<br />

Stelle verlor und Corrado für einen<br />

guten Sozialplan sorgte, wurde ich<br />

Mitglied der Gewerkschaft. An der<br />

Uni wurde ich zur Feministin. Als<br />

ich mich im Studierendenrat engagiert<br />

hatte, erkannte ich die Wichtigkeit<br />

von Gendersprache. Und<br />

Gleichstellung heisst, dass es Frauen<br />

und Männern gleich gut gehen soll.<br />

Feminismus ist für mich aber, dass<br />

es Frauen und Männern besser geht.<br />

Marxismus analysiert übrigens nur<br />

den Widerspruch zwischen Kapital<br />

und Arbeit und lässt die unbezahlte<br />

Arbeit aus, die mehrheitlich von den<br />

Frauen geleistet wird.<br />

Wie hat dich geprägt, dass dein<br />

Vater aus Italien stammt und die<br />

Eltern Arbeiter sind?<br />

Ich weiss, was es heisst, wenn noch<br />

viele Tage bevorstehen und kein<br />

Geld auf dem Konto ist, oder zu entscheiden,<br />

ob man jetzt zum Zahnarzt<br />

geht oder nicht. Ich habe während<br />

der Schule und dem Studium<br />

viele Jobs gemacht wie Büros putzen.<br />

1 Million sind armutsgefährdet<br />

in der Schweiz!<br />

Was denkst du über die Gewerkschaften<br />

heute?<br />

Sie sind unverzichtbar. Ich wurde<br />

vor 7 Jahren bei der Unia als Zuständige<br />

für Detailhandel und Frauen<br />

angestellt und bin heute noch als<br />

Jugendzuständige im Gewerkschaftsbund<br />

Kanton Bern tätig. Die Gewerkschaften<br />

sind mein politisches<br />

Daheim. Aktuell würde ich stärker<br />

auf die Mitgliederbindung als die<br />

Gewinnung setzen. Und die Gewerkschaften<br />

attraktiver für Frauen<br />

machen.<br />

Mit Sicherheit wirst du dich im<br />

Natio nalrat mit deinen Themen<br />

Gleichstellung und soziale Gerechtigkeit<br />

einsetzen. Hast du schon<br />

Vorstösse im Köcher?<br />

Das wäre etwas vermessen. Schwerpunkte<br />

sind für mich eine Senkung<br />

der Arbeitszeit, keine Erhöhung des<br />

Rentenalters, die Revision des<br />

Sexual strafrechts und der Kampf<br />

gegen den Abbau des Service public<br />

– und es fehlen 25 000 Kitaplätze.<br />

Die Gewerkschaften beteiligten<br />

sich stark an der Organisation des<br />

Frauen streiks. Sollen sie das auch<br />

beim Klimastreik im nächsten Mai?<br />

Alle Streiks hängen zusammen!<br />

Der Klimastreik stellt die gleiche<br />

Frage, nämlich: was soll im Zentrum<br />

stehen? Es braucht einen Systemwechsel<br />

– im Dienste aller Menschen.<br />

Ich kann mir gut vorstellen,<br />

für gewerkschaftliche Themen mit<br />

den neuen Kolleg*innen zusammenzuarbeiten.<br />

Man darf Politik<br />

im Rat und auf der Strasse nicht<br />

trennen. Eine starke Bewegung auf<br />

der Strasse kann etwas im Rat verändern!

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