faktor Gesundheit Winter 2019
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Reise in<br />
die Zukunft<br />
Ein Fortschritt jagt den nächsten. Hand in Hand setzen sich<br />
Ärzte und Wissenschaftler im Bereich der Plastischen Chirurgie<br />
für eine Verbesserung der Lebenssituation vieler Menschen ein –<br />
dabei geht es um weit mehr als nur um die Ästhetik.<br />
TEXT STEFAN LIEBIG<br />
WUSSTEN SIE SCHON, DASS …<br />
... ES MÖGLICH IST, EIN OHR IM ARM<br />
WACHSEN ZU LASSEN?<br />
FOTO: OTTOBOCK<br />
Hand aufs Herz: Woran denken<br />
Sie spontan, wenn Sie den Begriff<br />
„Plastische Chirur gie“<br />
hören? Brustvergrößerung,<br />
Facelifting, Nasen-OP, Fettabsaugung –<br />
waren die Umfrageergebnisse einer nicht<br />
ganz repräsentativen Umfrage des Autors<br />
dieses Beitrags. „Aber es geht in der Plastischen<br />
Chirurgie längst nicht nur um<br />
Schönheitseingriffe, sondern vielmehr<br />
auch um die Wiederherstellung nach<br />
Krankheiten oder Unfällen“, sagt Claudia<br />
Choi-Jacobshagen, Chefärztin der Klinik<br />
für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive<br />
Chirurgie am Evangelischen<br />
Krankenhaus Göttingen-Weende (EKW).<br />
Sie verweist auf die vielen Rekonstruktionen<br />
nach Verbrennungen, Unfällen oder<br />
Krebsoperationen.<br />
Mit modernsten Techniken setzen die<br />
Mediziner alles daran, den Patienten zu<br />
helfen und verletzte oder verlorene Funktionen<br />
und Gewebe möglichst originalgetreu<br />
wiederherzustellen. „Erst in den<br />
letzten Jahren erkennen die Menschen<br />
mehr und mehr, dass wir als spezialisierte<br />
Ärzte nicht nur menschliche Eitelkeiten<br />
befriedigen, sondern sehr oft Patienten in<br />
schlimmen Notlagen helfen“, sagt auch<br />
Gunther Felmerer von der Klinik für Unfallchirurgie,<br />
Orthopädie und Plastische<br />
Chirurgie bei der Universitätsmedizin<br />
Göttingen (UMG).<br />
FELMERER ÜBERTREIBT NICHT, wenn er<br />
von Patienten in Not spricht. Denn sehr<br />
häufig versorgt der Leiter des Schwerpunktbereichs<br />
Plastische Chirurgie mit<br />
seinem interdisziplinären Team Kriegsopfer,<br />
die einen Arm oder ein Bein verloren<br />
haben. Zu diesem Team gehören unter<br />
anderem Orthobioniker Frank Braatz<br />
und Assistenzärztin Jennifer Ernst. Sie<br />
behandeln die oft nur unzureichend versorgten<br />
Verstümmelungen der Patienten<br />
und bereiten diese für die Anpassung an<br />
eine hochmoderne Prothese vor.<br />
Doch längst sind diese kein lebloses<br />
Material mehr, das nur wenige Funktionen<br />
erfüllt. Vielmehr arbeiten Experten<br />
inzwischen an der Verbindung der durch<br />
den Unfall abgetrennten Nervenbahnen<br />
Plastische Chirurgen des<br />
Armeekrankenhauses El Paso<br />
haben einer Soldatin ein neues<br />
Ohr verpflanzt, das sie zuvor<br />
ein Jahr lang in deren Unterarm<br />
herangezüchtet haben. Dafür<br />
entnahmen sie Gewebe aus ihrem<br />
Rippenknorpel, vermehrten es im<br />
Labor und modellierten es. Dann<br />
verpflanzten sie das Imitat in den<br />
Arm – die Konturen waren unter<br />
der Haut deutlich zu erkennen. Das<br />
Ohr verfügt über frische Arterien,<br />
Venen und einen frischen Nerv,<br />
sodass es auch wieder Gespür hat.<br />
Ob alle Prognosen in Erfüllung<br />
gehen, lässt sich jedoch erst nach<br />
einigen Jahren mit Bestimmtheit<br />
sagen. Der richtige Mix ist auch mit<br />
modernster Labortechnik schwierig,<br />
denn Körpergewebe besteht immer<br />
aus mehreren verschiedenen<br />
Zelltypen, und die Versorgung mit<br />
Blut- und Nervenbahnen ist extrem<br />
kompliziert. Funktionsausfall oder<br />
Wucherungen können auftreten.<br />
GESUNDHEıT 2 | <strong>2019</strong> 29