VSAO JOURNAL Nr. 1 - Februar 2020
Regeneration - Von Menschen, Korallen und Müll Diabetes - Skalpell statt Pumpe Immunologie - Immuntherapie – Übersicht Politik - 75 Jahre vsao – Am Anfang war der Lohn
Regeneration - Von Menschen, Korallen und Müll
Diabetes - Skalpell statt Pumpe
Immunologie - Immuntherapie – Übersicht
Politik - 75 Jahre vsao – Am Anfang war der Lohn
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<strong>VSAO</strong><br />
<strong>Nr</strong>. 1, <strong>Februar</strong> <strong>2020</strong><br />
Journal<br />
Das Journal des Verbandes Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte<br />
Regeneration<br />
Von Menschen, Korallen und Müll<br />
Seite 19<br />
Diabetes<br />
Skalpell statt Pumpe<br />
Seite 28<br />
Immunologie<br />
Immuntherapie – Übersicht<br />
Seite 31<br />
Politik<br />
75 Jahre vsao –<br />
Am Anfang war der Lohn<br />
Seite 8
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Das <strong>VSAO</strong>-Journal gratuliert zum 75-jährigen Bestehen<br />
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Inhalt<br />
Regeneration<br />
Von Menschen, Korallen und Müll<br />
Coverbild: Till Lauer<br />
Editorial<br />
7 Heilen und feiern<br />
Politik<br />
8 Löhne statt Lehrbuben<br />
Weiterbildung /<br />
Arbeitsbedingungen<br />
11 Auf den Punkt gebracht<br />
13 Lesen lernen<br />
vsao<br />
14 Neues aus den Sektionen<br />
16 Die swimsa hat klare Überzeugungen<br />
17 vsao-Rechtsberatung<br />
Perspektiven<br />
28 Aktuelles aus der Endokrinologie –<br />
die Diabeteschirurgie: Mit dem Skalpell<br />
gegen Diabetes<br />
31 Aus der «Therapeutischen Umschau» –<br />
Übersichtsarbeit: Immuntherapie –<br />
Übersicht, Wirkmechanismen, Anwendung<br />
39 Der besondere Patient<br />
MEDISERVICE<br />
41 Bitte lesen Sie das Kleingedruckte<br />
44 Briefkasten<br />
45 Wenn Liebe teuer wird<br />
46 Verstehen, was man einkauft<br />
48 Praxiseröffnung oder Praxisübernahme?<br />
50 Impressum<br />
Fokus: Regeneration<br />
19 7 Jahre Betrieb, 40 Jahre Sanierung<br />
22 Das ungefilterte Leben<br />
24 Meeresbiologin mit Mission<br />
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Editorial<br />
Heilen<br />
und feiern<br />
Catherine Aeschbacher<br />
Chefredaktorin <strong>VSAO</strong>-Journal<br />
«Die Zeit heilt alle Wunden», sagt ein Sprichwort. Aber wir<br />
alle wissen, dass dies so nicht stimmt: Sowohl psychische<br />
wie physische Schäden können lebenslänglich bestehen<br />
bleiben. Trotzdem ist die Regenerationskraft der Natur<br />
immer wieder erstaunlich. Warum jedoch ausgerechnet Plattwürmer,<br />
Quallen oder Zebrafische über aussergewöhnliche Selbstheilungskräfte<br />
verfügen, bleibt wohl ein Rätsel der Schöpfung. Im vergangenen<br />
Jahr hat eine internationale Forschungsgruppe rund um Prof. Nadia<br />
Mercader an der Universität Bern aber zumindest entdeckt, welche<br />
Herzmuskelzellen es den kleinen, gestreiften Fischen ermöglichen, ihr<br />
Herz nach Verletzungen flexibel zu regenerieren.<br />
In unserem Schwerpunkt «Regeneration» verzichten wir auf Würmer<br />
und Fische und wenden uns dem Menschen zu. Zum Beispiel einer<br />
jungen Forscherin an der ETH, die künstliche Korallenriffe im 3D-<br />
Drucker herstellt und damit natürliche Riffe verstärkt oder neue<br />
schafft. Während dieses Verfahren recht kostengünstig ist, bewegt<br />
sich die Sanierung der Sondermülldeponie Kölliken in ganz andern<br />
Dimensionen. Im Interview berichtet der Geschäftsführer, wie aus<br />
einem ursprünglich umweltfreundlichen Projekt der grösste Umweltskandal<br />
der Schweiz werden konnte. Und wie man seit Jahrzehnten<br />
daran arbeitet, ein verseuchtes Gelände zu regenerieren. Wer sich<br />
selbst «entgiften» will, kann das in einem sogenannten Detox Retreat<br />
tun. Die Teilnehmer gehen nicht nur in die Natur, sie gehen vor allem<br />
offline. Ein Verzicht, der oftmals gar nicht so einfach ist. Ein Aufenthalt<br />
in der Natur soll beruhigen und beim Stressabbau helfen, so denkt<br />
man. Eine Studie zeigt allerdings, dass ein Spaziergang kein Allheilmittel<br />
ist, sondern sogar kontraproduktiv sein kann.<br />
<strong>2020</strong> ist für den vsao ein besonderes Jahr. Vor 75 Jahren wurde der<br />
Verband gegründet. Er entstand quasi aus der Not und mit dem Ziel,<br />
den Assistenzärzten ein gesichertes Einkommen zu verschaffen. Die<br />
Entlöhnung sollte nicht nur die Existenz der jungen Ärzte (und<br />
vereinzelten Ärztinnen) sichern, sondern auch ein Zeichen von Anerkennung<br />
sein. Von den Arbeitszeiten war damals noch nicht wirklich<br />
die Rede. Obwohl sie an sich Bestandteil der Verträge waren, dauerte<br />
es nochmals rund sechzig Jahre, bis auch hier eine wirkliche Verbesserung<br />
errungen werden konnte. Im Politikteil wird die Vergangenheit<br />
nachgezeichnet und mit der Aktualität verbunden. Und es zeigt<br />
sich: Selbst wenn die Lohnfrage grundsätzlich geklärt ist, bleiben<br />
genügend Problemfelder, die den vsao wohl noch die nächsten 75 Jahre<br />
auf Trab halten werden – und unverzichtbar machen.<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 1/20 7
Politik<br />
Löhne<br />
statt Lehrbuben<br />
<strong>2020</strong> feiert der vsao sein 75-jähriges Bestehen. Das «Journal» blättert<br />
ab dieser Nummer in den Verbandsannalen und verknüpft Historisches<br />
mit Aktuellem. Zum Auftakt: die Gründung und die Lohnfrage.<br />
Marcel Marti, Leiter Politik und Kommunikation/stv. Geschäftsführer vsao<br />
In der Gründungszeit war der damalige VSA am Bollwerk 15 in Bern zu finden – gegenüber dem Bahnhof und<br />
nur fünf Häuser weiter als heute.<br />
Muss man Assistenzärztinnen<br />
und -ärzte für ihre Arbeit<br />
bezahlen? Worüber<br />
heute niemand ernstlich<br />
diskutieren würde, hat man Ende des<br />
Zweiten Weltkriegs in der Schweiz erbittert<br />
gefochten und gestritten. Denn damals<br />
herrschte grosser Mangel an anerkannten<br />
Assistentenstellen, was die Kliniken<br />
durch billigere ärztliche Volontäre<br />
kompensierten. Wobei «billiger» die Realität<br />
unzureichend beschreibt: Ein Gehalt<br />
war auch so nicht sicher, und Fälle, in denen<br />
die brotlosen jungen Ärzte sogar ihre<br />
Verpflegung am Arbeitsplatz selber berappen<br />
mussten, blieben keine Seltenheit.<br />
Dies brachte den Stein ins Rollen bzw.<br />
liess die Geburtsstunde des VSA schlagen<br />
– noch ohne O, also Oberärzte. Aus Sicht<br />
einer Handvoll initiativer Assistenzärzte<br />
konnte und durfte es nicht länger sein,<br />
dass dem medizinischen Nachwuchs ein<br />
Gotteslohn zum Überleben reichen sollte.<br />
Stattdessen wollte man, dass die «Lehrbuben»<br />
– so Hans-Rudolf Christen, Fürsprecher<br />
und erster Zentralsekretär des Verbands<br />
– als notwendige Glieder des Spitalbetriebs<br />
anerkannt wurden.<br />
Der richtige Mann hiess Egger<br />
Politische Vorstösse für konkrete Verbesserungen<br />
waren 1943/44 im bernischen<br />
Kantonsparlament im Sand verlaufen. Die<br />
erste VSA-Sektion entstand daher Anfang<br />
1945 in der Bundesstadt. Wenige Monate<br />
später entwickelte sich daraus ein zehnköpfiger<br />
nationaler Vorstand mit drei Vertretern<br />
aus Bern, je zwei aus Basel, Lausanne<br />
und Zürich sowie einem aus Luzern.<br />
Der frisch gegründete Verband erkannte,<br />
dass es einerseits politisches Lobbying<br />
und anderseits öffentlichen Druck brauchte,<br />
um etwas zu bewirken. Beides verband<br />
Bilder: Marcel Marti<br />
8<br />
1/20 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
Politik<br />
Die ersten Verbandsstatuten vom 3. Dezember<br />
1945<br />
sich in der Person von Walter Egger, promovierter<br />
Jurist, freisinniges Mitglied des<br />
Grossen Rats und Chefredaktor der Tageszeitung<br />
«Der Bund».<br />
Als durch die Sondierungen die Unterstützung<br />
der Ratsmehrheit feststand,<br />
reichte Egger am 15. November 1945 im<br />
Sinne des VSA eine Motion ein. Ihr Wortlaut:<br />
«Der Regierungsrat wird eingeladen,<br />
die rechtlichen Grundlagen für die Besoldungs-<br />
und Arbeitsverhältnisse der Assistenzärzte<br />
an staatlichen Kliniken und Instituten<br />
durch eine grundsätzliche Neuregelung<br />
den veränderten Lebensverhältnissen<br />
anzupassen und eine neue Wertung<br />
der Stellung und Verantwortung des Assistenzarztes<br />
vorzunehmen. Die Neuordnung,<br />
die unter Beizug der Organisationen<br />
der Ärzteschaft sowie der Leitungen der<br />
Kliniken und der Institute erfolgen muss,<br />
soll derart beschleunigt werden, dass sie<br />
im Jahr 1946 in Kraft treten kann.»<br />
Bei der Diskussion im Kantonsparlament<br />
fielen Voten, die nichts an Aktualität<br />
eingebüsst haben. Zum Beispiel: «Die Allgemeinheit<br />
ist sehr daran interessiert,<br />
dass der Assistenzarzt sich sowohl noch<br />
weiter ausbilden kann, wie aber auch dem<br />
Spitalbetrieb dient. Ohne Assistenten wäre<br />
ein solcher gar nicht aufrechtzuerhalten.<br />
Ihre Arbeit muss deshalb auch angemessen<br />
entlöhnt werden.»<br />
Schlag auf Schlag<br />
Nach der Annahme der Motion begannen<br />
Verhandlungen mit einer Delegation des<br />
Regierungsrats. Dabei brachte Sanitätsdirektor<br />
Markus Feldmann – der spätere<br />
Bundesrat – die Idee eines Normalarbeits-<br />
vertrags ins Spiel. Parallel dazu wurde der<br />
VSA auf Landesebene aktiv, wobei er nebst<br />
der Presse die Unterstützung der FMH<br />
suchte und Kontakte zum Verband schweizerischer<br />
Krankenanstalten (Veska) sowie<br />
zur Konferenz der Sanitätsdirektoren<br />
knüpfte.<br />
Die parallelen Bestrebungen mündeten<br />
in einen doppelten Erfolg: Am 25. <strong>Februar</strong><br />
1947 setzte die Berner Regierung mit<br />
rückwirkender Geltung ab 1. Januar 1947<br />
einen Normalarbeitsvertrag für Assistenzärzte<br />
in Kraft, gefolgt von einer Verordnung<br />
über ihre Anstellung und Besoldung<br />
an den staatlichen Krankenanstalten. Fast<br />
zeitgleich ebnete ein Bundesratsbeschluss<br />
den Weg zu einem Normalarbeitsvertrag<br />
für die ganze Schweiz.<br />
Normalarbeitsverträge gelten für alle<br />
Arbeitsverhältnisse der Branche, sofern<br />
Arbeitgeber und Arbeitnehmer nichts anderes<br />
vereinbart haben. Sie schaffen folglich<br />
Standards und sind ein Gradmesser<br />
für die Beurteilung – oder idealerweise<br />
Korrektur – der tatsächlichen Verhältnisse.<br />
Konkret war nun jeder Arzt, der als Assistent<br />
eine «notwendige Tätigkeit im Spital-,<br />
Klinik- oder Institutsbetrieb ausübt»,<br />
als Assistenzarzt anerkannt. Das wiederum<br />
schuf eine klare Unterscheidung zum<br />
Volontärarzt, «der als überzähliger während<br />
kurzer Zeit an einem Spital, einer Klinik<br />
oder einem Institut einzig zum Zwecke<br />
der Weiterausbildung sich aufhält und keine<br />
betriebsnotwendige Tätigkeit ausübt».<br />
Von Frauen übrigens sprach man in den<br />
Dokumenten nie – weder in der weiblichen<br />
Form noch inhaltlich.<br />
Mindestlohn 550 Franken<br />
Spezielle Beachtung verdienen bei den<br />
Normalarbeitsverträgen die Richtlinien<br />
zu Entlöhnung, Arbeits- und Ruhezeit,<br />
Ferien und Versicherung. Um zum Ausgangspunkt,<br />
den Löhnen, zurückzukehren:<br />
Neu galt im ersten Jahr als Assistenzarzt<br />
ein landesweiter Mindestlohn von<br />
550 Fran ken, welcher sich stufenweise auf<br />
die Untergrenze von 750 Franken erhöhte.<br />
Was heisst das im Vergleich? Gemäss<br />
dem statistischen Jahrbuch der Schweiz<br />
verdiente 1947 ein Angestellter in Industrie<br />
und Handwerk im Monat durchschnittlich<br />
710 Franken und eine Angestellte 429<br />
Franken. Im Bereich private Verkehrsanstalten<br />
lauteten die Zahlen 597 und 411<br />
Franken, im Handel 649 bzw. 393 Franken<br />
und bei den Banken und Versicherungen<br />
826 respektive 517 Franken.<br />
Die Gehälter des Ärztenachwuchses<br />
in den ersten Jahren nach dem Staatsexamen<br />
lassen sich also zweifellos als respektabel<br />
bezeichnen, vor allem angesichts der<br />
vorherigen Zustände und der ursprünglichen<br />
Minimallohnforderungen des VSA<br />
(zwischen 300 und 500 Franken monatlich).<br />
Wie wichtig dessen Erfolg war, zeigt<br />
auch die Zahl der Mitglieder: Lag diese<br />
1946 bereits bei rund 600 Personen, stieg<br />
sie in der Folgezeit relativ rasch um ein<br />
Drittel. Denn an Arbeit sollte es dem jungen<br />
Verband weiterhin nicht fehlen – doch<br />
dazu bei nächster Gelegenheit mehr.<br />
Wettbewerb:<br />
Wissen Sie’s?<br />
Im Text zur Entstehung unseres Verbands<br />
finden Sie spannende und<br />
überraschende Zahlen. Doch eine<br />
fehlt: der Jahresbeitrag nach der<br />
Gründung. Ob geschätzt oder gewusst:<br />
Wenn Sie uns dessen Höhe mit Ihren<br />
Kontaktangaben bis am 25. <strong>Februar</strong><br />
<strong>2020</strong> per E-Mail an marti@vsao.ch<br />
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150 Franken zu gewinnen.<br />
Ihre Daten werden ausschliesslich für<br />
den Wettbewerb verwendet. Teilnahme<br />
berechtigt sind alle vsao-Mitglieder.<br />
Bei mehreren richtigen Antworten<br />
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Differenz zur richtigen Zahl entscheidet<br />
das Los. Über den Wettbewerb wird<br />
keine Korrespondenz geführt; der<br />
Rechtsweg ist ausgeschlossen. Der<br />
Name des Gewinners/der Gewinnerin<br />
erscheint zusammen mit der Auflösung<br />
in der nächsten Ausgabe des<br />
«<strong>VSAO</strong>-Journals».<br />
Mehr zum Thema: www.vsao.ch/<br />
vsao-jubilaeum-<strong>2020</strong><br />
Am Puls der Mitglieder<br />
Ist es besser geworden? Oder am Ende<br />
sogar schlimmer? Unsere dritte grosse<br />
Mitgliederbefragung zu den Arbeitsbedingungen<br />
soll es an den Tag bringen.<br />
Sie läuft seit dem 21. Januar und<br />
dauert einen Monat. Über die Resultate<br />
werden wir voraussichtlich Ende<br />
April/Anfang Mai berichten.<br />
Mehr zu den bisherigen Erhebungen<br />
von 2017 und 2014:<br />
www.vsao.ch/medien-undpublikationen/studien-und-umfragen<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 1/20 9
Personal<br />
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Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Unschuldig im Sinne<br />
der Anklage<br />
Als Fürsprecher vertrete ich auch mal schwierige<br />
Klienten mit zweifelhaftem Ruf. Mein Klient heisst<br />
ArG, ein Kürzel, das auch zu einer fundamentalistischen<br />
Splittergruppe passen würde. Ganz so<br />
schlimm ist es aber mit dem Arbeitsgesetz nicht, auch wenn es<br />
immer wieder für Emotionen sorgt. Die Hauptanklagepunkte<br />
gegen meinen Mandanten lauten auf Behinderung der Weiterbildung,<br />
Veraltetsein und fehlende Flexibilität.<br />
Der Sachverhalt ist klar und unbestritten. Mein<br />
Klient wurde 1964 geboren und setzt sich<br />
seither für den Schutz der Arbeitnehmenden<br />
vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen<br />
ein, die mit dem Arbeitsplatz<br />
verbunden sind. Seit 2005 kümmert<br />
er sich zusätzlich um die Assistenzärztinnen<br />
und -ärzte, und auch die<br />
Oberärztinnen und -ärzte fallen in<br />
seinen Aufgabenbereich. Zu den<br />
einzelnen Anklagepunkten:<br />
– Behinderung der Weiterbildung:<br />
Die Limitierung der<br />
Arbeitszeit zwinge die Weiterzubildenden<br />
immer wieder dazu, auf<br />
wertvolle Weiterbildungen, z.B. die<br />
Teilnahme an einer bestimmten<br />
Operation, zu verzichten. Es ist klar, dass<br />
kein Raum für kurzfristige Einsätze bleibt,<br />
wenn am oder über dem zulässigen Limit<br />
geplant wird. Ein Dauerthema bei unserer<br />
vsao-Dienstplanberatung. Es ist zudem bekannt, dass die<br />
Ärzteschaft einen zu grossen Teil ihrer Zeit mit unnötiger<br />
Administration verbringen muss. Wenn dieser reduziert und<br />
für die Weiterbildung eingesetzt wird, dürfte die Rechnung<br />
anders aussehen. Ich erlaube mir schliesslich die Frage, ob<br />
einige der vorgebrachten Probleme nicht auch darauf zurückzuführen<br />
sind, dass die Planung der Einsätze der Assistenzärztinnen<br />
und -ärzte primär auf deren Präsenz und die Erbringung<br />
von Dienstleistungen und zu wenig auf deren<br />
Weiterbildung ausgelegt ist. Ein junger Arzt, der sich für die<br />
Möglichkeit längerer Arbeitszeiten ausgesprochen hat,<br />
bestätigte mir kürzlich, dass er natürlich lieber weniger als<br />
50 Stunden in der Woche arbeiten würde und die Weiterbildung,<br />
bei entsprechender Planung, in dieser Zeit auch Platz<br />
hätte.<br />
Auf den<br />
Punkt<br />
gebracht<br />
– Veraltetsein: Das Gesetz stamme aus dem letzten Jahrtausend<br />
und damit aus einer völlig anderen Zeit. Das ArG ist<br />
56 Jahre alt (nur zum Vergleich: ZGB und OR sind 108-jährig<br />
und das Strassenverkehrsgesetz feiert immerhin seinen<br />
61. Geburtstag). Auf der Website des Bundes finden sich<br />
nicht weniger als 25 revidierte Fassungen des Arbeitsgesetzes.<br />
Hinzu dürfte ein Mehrfaches an Anpassungen bei den<br />
verschiedenen Verordnungen kommen. Das blosse Alter sagt<br />
nichts über den Zustand eines Gesetzes aus. Der<br />
Vorwurf ist ebenso pauschal wie schwach.<br />
– Fehlende Flexibilität: Das ArG sei zu<br />
starr und lasse zu wenig Raum für<br />
individuelle Lösungen im Spitalalltag.<br />
Dieser immer wieder genannte<br />
Vorwurf lässt sich mit dem Verweis<br />
auf gute Beispiele entkräften. Es<br />
gibt zum Glück genügend Kliniken,<br />
die das Arbeitsgesetz einhalten<br />
und bestens funktionieren. Zudem<br />
zeigt sich in Diskussionen mit<br />
Flexibilitätsaposteln rasch, dass<br />
«Flexibilisieren» regelmässig «mehr<br />
arbeiten» bedeutet. Die Umfragen<br />
des vsao zeigen aber klar, dass die<br />
jungen Ärztinnen und Ärzte nicht noch<br />
längere Arbeitszeiten wollen. Abschliessend<br />
gilt auch hier: Eine Dienstplanung am<br />
oder über dem Limit der zulässigen Höchstarbeitszeit<br />
verunmöglicht jegliche Flexibilität, egal wie<br />
hoch die Obergrenze liegt.<br />
Fazit: Die Beweislage ist eindeutig zu dünn und lässt<br />
erhebliche Zweifel an der Redlichkeit der Klägerseite offen. Ich<br />
plädiere deshalb auf Freispruch in allen Anklagepunkten!<br />
Simon Stettler<br />
Geschäftsführer vsao<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 1/20 11
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regelmässig den Puls dazu. Dank<br />
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Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Lesen lernen<br />
Regression<br />
zur Mitte<br />
Wenn ein Laborresultat bei<br />
einem Patienten unerwartet<br />
hoch oder tief ist,<br />
sind wir geneigt, die<br />
Messung zu wiederholen. Oft ist das<br />
Ergebnis des zweiten Tests dem Normalbereich<br />
näher. Dieses Phänomen weniger<br />
extremer Werte in Folgemessungen wird<br />
Regression zum Mittelwert genannt. Sie<br />
entsteht aus rein statistischen Gründen<br />
und nicht, weil sich der Gesundheitszustand<br />
des Patienten gebessert hat.<br />
Die Regression zum Mittelwert entsteht<br />
aufgrund der zufälligen Variabilität der<br />
Messungen, etwa durch intraindividuelle<br />
Schwankungen oder Messungenauigkeiten.<br />
Die Testresultate streuen um<br />
einen unbekannten Populationsmittelwert.<br />
Einige der Patienten, die wir zur<br />
wiederholten Messung auswählen, hatten<br />
zum Zeitpunkt der ersten Messung ihren<br />
hohen Wert nur infolge Zufallsschwankung.<br />
In der Nachmessung haben diese<br />
Menschen oft niedrigere Werte als<br />
während des ersten Screenings.<br />
Die Regression zur Mitte ist auch<br />
dafür verantwortlich, dass sehr grosse<br />
Eltern im Allgemeinen Kinder mit einer<br />
im Vergleich zu ihnen geringeren Körpergrösse<br />
haben (die aber immer noch<br />
grösser als der Durchschnitt sind),<br />
während die Kinder von sehr kleinen<br />
Eltern in der Regel zwar grösser als die<br />
Eltern sind, aber immer noch kleiner als<br />
der Durchschnitt.<br />
Die Regression zur Mitte liefert also<br />
die empirische Grundlage für die Praxis,<br />
bei abnormalen Resultaten die Laboruntersuchungen<br />
zu wiederholen und das<br />
zweite Resultat für das korrekte zu halten.<br />
Je extremer aber der Wert des ersten<br />
Tests war, umso kleiner ist die Wahrscheinlichkeit<br />
eines Resultates im<br />
Normbereich bei der Wiederholung.<br />
Lukas Staub,<br />
klinischer Epidemiologe,<br />
Redaktionsmitglied<br />
des<br />
<strong>VSAO</strong>-Journals<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 1/20 13
vsao<br />
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eine monatliche Pauschale von 50 Franken<br />
bei einer Vollzeitbeschäftigung (Insel<br />
Gruppe AG 60 Franken), wenn das Umkleiden<br />
auf Weisung der Arbeitgeberin vor<br />
Dienstbeginn im Betrieb und ausserhalb<br />
der Arbeitszeit erfolgen muss. Dies wurde<br />
mit den Arbeitgeberinnen im Rahmen der<br />
jährlich stattfindenden Lohnverhandlungen<br />
vereinbart. Wir sind sehr erfreut,<br />
konnten wir die Frage mit einer Zulage für<br />
alle Mitarbeitenden einheitlich regeln. Die<br />
Zulage wird im GAV Berner Spitäler und<br />
Kliniken aufgenommen.<br />
Zusätzlich zur Umkleidepauschale<br />
werden per 1. April <strong>2020</strong> die folgenden<br />
Lohnmassnahmen umgesetzt:<br />
Regionale Spitalzentren und<br />
Psychiatrische Kliniken<br />
0,4% der Bruttolohnsumme werden<br />
individuell verteilt.<br />
Diejenigen Betriebe, welche im Jahr<br />
<strong>2020</strong> einen EBITDAR von mind. 8%<br />
erwirtschaften, schütten dem gesamten<br />
Personal 2021 eine geldwerte Prämie<br />
in der Höhe von 0,3% der Lohnsumme<br />
<strong>2020</strong> aus.<br />
Mitgliederversammlung <strong>2020</strong><br />
Die nächste ordentliche Mitgliederversammlung<br />
findet am Donnerstag,<br />
23. April <strong>2020</strong>, um 19 Uhr im Berner<br />
Generationenhaus statt. Prof. Dr. med.<br />
Catherine Gebhard wird ein Referat zum<br />
Thema «Sex and Gender in der Medizin»<br />
halten und auch die legendäre Tombola<br />
ist wieder geplant. Die Einladung wird an<br />
alle Mitglieder per Post verschickt;<br />
Anmeldungen sind ab April <strong>2020</strong> auf<br />
unserer Website möglich. Wir freuen uns<br />
über Euer zahlreiches Erscheinen.<br />
Und last, but not least: Am 13. Juni<br />
<strong>2020</strong> steigt in der «Heitere Fahne» in<br />
Wabern unser Jubiläumsfest. Auch dafür<br />
erhalten alle Mitglieder eine Einladung<br />
per Post.<br />
Janine Junker, Geschäftsführerin <strong>VSAO</strong> Bern<br />
Insel Gruppe AG<br />
0,5% der Bruttolohnsumme werden<br />
individuell verteilt.<br />
Es werden Anfang 2021, abhängig vom<br />
Geschäftsgang <strong>2020</strong>, Einmalprämien im<br />
Umfang von maximal 0,4%ausbezahlt:<br />
*0,1% bei EBITDAR-Marge von 7,5%<br />
*0,2% bei EBITDAR-Marge von 8,0%<br />
*0,3% bei EBITDAR-Marge von 8,5%<br />
*0,4% bei EBITDAR-Marge von 9,0%<br />
*% der Gesamtlohnsumme<br />
Graubünden<br />
Die neue Website ist online –<br />
schau vorbei!<br />
Pünktlich zum Jahresanfang ist unsere<br />
überarbeitete Website online gegangen<br />
(www.vsao-gr.ch). Neben dem frischen<br />
und übersichtlicheren Auftritt lädt die<br />
Website mit ausführlichen Informationen<br />
und nützlichen Funktionen zum Stöbern<br />
ein. Mit dem Weiterbildungskalender<br />
kannst Du Dich mit wenigen Klicks über<br />
die Weiterbildungsveranstaltungen in der<br />
Region sowie deren Übertragung in Dein<br />
Spital informieren und, falls gewünscht,<br />
die Termine auf Dein Smartphone<br />
im portieren. Auch für Deine Arbeitsbedingungen<br />
engagieren wir uns weiter. Mit<br />
verschiedenen erfolgreichen Dienstplanberatungen<br />
in der Region sowie einer<br />
öffentlichen Veranstaltung zur Dienstplanberatung<br />
und zum Arbeitsgesetz<br />
haben wir zusammen mit Philipp Rahm,<br />
Co-Präsident der Sektion Aargau, interessante<br />
Modelle und individuelle, konkrete<br />
Lösungen aufgezeigt. Zudem konnten bei<br />
einem Treffen mit den Klinik- und<br />
Heimverbänden für eine vertiefte<br />
Zusammenarbeit mit dem möglichen Ziel<br />
eines Gesamtarbeitsvertrags weitere<br />
kleine Schritte zur Verbesserung Deiner<br />
Arbeitsbedingungen erreicht werden. Ob<br />
elektronisch, am Verhandlungstisch oder<br />
bei Dir im Spital – wir bleiben dran!<br />
Manuel Vestner, Präsident <strong>VSAO</strong> GR<br />
14<br />
1/20 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
vsao<br />
Zürich /<br />
Schaffhausen<br />
Von Nannys und Zusatzhonoraren<br />
Der <strong>VSAO</strong> ZÜRICH hat zur Förderung der<br />
Vereinbarkeit von Familie und Beruf ab<br />
<strong>2020</strong> eine Mitgliedschaft bei profawo<br />
(profamilywork) abgeschlossen: Unsere<br />
Mitglieder profitieren ab sofort von der<br />
kostenlosen, professionellen und massgeschneiderten<br />
Kinderbetreuungsberatung<br />
durch profawo, der priorisierten Vergabe/<br />
Vermittlung von kids&co-Betreuungsplätzen,<br />
der Vermittlung von Nannys und<br />
«Notfallnannys» und auch von der<br />
Unterstützung und Beratung zur Angehörigenbetreuung.<br />
Wer bekommt wie viel?<br />
Die Beteiligung der Ärzteschaft an den<br />
Honoraren aus den Zusatzversicherungen<br />
steht medial und politisch unter Druck.<br />
Die meisten Grundlohneinstufungen für<br />
unsere Oberärztinnen und Oberärzte<br />
basieren nach wie vor auf kantonalen<br />
Richtwerttabellen, welche nur noch für<br />
die öffentlich-rechtlichen Anstalten eine<br />
gewisse Verbindlichkeit haben. Aus<br />
diesem Grund musste in den vergangenen<br />
Jahren auch auf Stufe der Oberärztinnen<br />
und Oberärzte in einzelnen<br />
Fachgebieten mit erheblicher Beteiligung<br />
an Zusatzhonoraren operiert werden, um<br />
Marktlöhne bezahlen zu können.<br />
Die effektive Beteiligung an den Zusatzhonoraren<br />
ist jedoch vielerorts eine<br />
Blackbox. Mit anderen Worten absolut<br />
willkürlich und intransparent. Sie<br />
variieren nicht nur von Spital zu Spital,<br />
sondern auch innerhalb einer Institution<br />
von Klinik zu Klinik und sogar von<br />
Oberärztin zu Oberarzt. Aufgrund des<br />
politischen und medialen Drucks wechseln<br />
aktuell viele Spitäler zu Fixlohnmodellen<br />
für die Kaderärztinnen und<br />
Kaderärzte. Mehr Transparenz, Gleichbehandlung<br />
und vor allem einen voll<br />
versicherten Lohn begrüsst auch der<br />
<strong>VSAO</strong> ZÜRICH. Der Wechsel der Lohnmodelle<br />
darf aber nicht zu einer Schlechterstellung<br />
der bisherigen und auch nicht<br />
der neu angestellten Oberärztinnen und<br />
Oberärzte führen. Wir sind der Ansicht,<br />
dass die bisherigen Grundlöhne für die<br />
Oberärztinnen und Oberärzte gemessen<br />
an der Belastung bereits am unteren<br />
Limit sind. Wenn nun die bisherigen<br />
Grundlöhne als neue Fixlöhne definiert<br />
werden sollen, so sind diese entsprechend<br />
anzuheben! Damit der <strong>VSAO</strong><br />
ZÜRICH sich für Lohnverhandlungen<br />
über Fixlohnsysteme wappnen und<br />
gewinnbringend einbringen kann,<br />
brauchen wir als Erstes Transparenz bei<br />
den Gesamtlöhnen in den entsprechenden<br />
Fachgebieten, d.h. beim Grundlohn<br />
und den Zusatzhonoraren. Deshalb<br />
starteten wir eine Lohnumfrage bei den<br />
Oberärztinnen und Oberärzten. Anfang<br />
Januar wurden die 280 Rückmeldungen<br />
ausgewertet, danach auf docdoc publiziert<br />
und unter den Mitgliedern wurde<br />
eine Diskussion dazu lanciert.<br />
Im Übrigen möchten wir unsere<br />
Mitglieder wieder einmal darauf hinweisen,<br />
dass sie jederzeit herzlich eingeladen<br />
sind, auf Voranmeldung als Gast an einer<br />
unserer Geschäftsleitungssitzungen<br />
reinzuschnuppern. In der Regel finden<br />
Anzeige<br />
diese jeweils am ersten Donnerstag im<br />
Monat statt und dauern von 19 bis 22 Uhr.<br />
Wir freuen uns, Euch kennenzulernen!<br />
Jana Siroka, Präsidentin, und<br />
Susanne Hasse, Geschäftsführerin<br />
<strong>VSAO</strong> ZÜRICH SCHAFFHAUSEN<br />
Save the date:<br />
Mitgliederversammlung <strong>2020</strong><br />
<strong>VSAO</strong> ZÜRICH SCHAFFHAUSEN<br />
Freitag, 12. Juni <strong>2020</strong>,<br />
Restaurant UniTurm ab 18.30 Uhr<br />
mit Dominique Gisin, Spitzensportlerin<br />
und Olympiasiegerin<br />
(Ist Mental Coaching für Spitzenleistungen<br />
auch für die Ärztinnen<br />
und Ärzte hilfreich?)<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 1/20 15
vsao<br />
Die swimsa<br />
hat klare<br />
Überzeugungen<br />
Mitte November kamen knapp 70 Medizinstudierende<br />
aus der ganzen Schweiz nach Zürich, um dort die neue<br />
Ausrichtung der swimsa zu definieren. swimsa steht für<br />
«Swiss Medical Students’ Association» und repräsentiert<br />
über 8000 Medizinstudierende an aktuell sieben<br />
Schweizer Universitäten.<br />
Felice Hess, Vizepräsidentin für Exchanges der swimsa<br />
Die swimsa wollte endlich wieder<br />
eine Vision haben, welche<br />
einen Leitfaden für ihre zukünftigen<br />
Handlungen und<br />
Wirkungsweisen bietet. In sorgfältiger Arbeit<br />
wurde vom neuen Vorstand ein Entwurf<br />
angefertigt, welcher von weiteren<br />
Gremien überarbeitet und am 16. November<br />
2019 von den Mitgliedern der swimsa<br />
an der Delegiertenversammlung angenommen<br />
wurde. Wir sind sehr stolz, die<br />
Vision der swimsa präsentieren zu dürfen:<br />
«Unsere Vision ist eine Gesellschaft, in der<br />
Schweizer Medizinstudierende auf einer<br />
nationalen und globalen Ebene vernetzt<br />
sind und sich befähigt und ermutigt<br />
fühlen, für hochwertige Ausbildung und<br />
Public Health einzustehen.»<br />
Positionspapiere<br />
Es wurde fleissig gearbeitet und von Mitgliedern<br />
sowie Einzelpersonen die Chance<br />
genutzt, die Meinungen der swimsa mittels<br />
Positionspapieren zu stärken:<br />
• Mentale Gesundheit: Die swimsa hält<br />
fest, dass ihre Mitglieder als Medizinstudierende<br />
und später als Assistenzärztinnen<br />
und -ärzte zu einer Bevölkerungsgruppe<br />
gehören, die laut einer 2019<br />
veröffentlichten Schweizer Studie besonders<br />
gefährdet ist, Depressionen und<br />
Angststörungen zu entwickeln. Wir fordern<br />
von den Universitäten und zukünftigen<br />
Arbeitgebern entsprechende Massnahmen:<br />
psychische Erkrankungen<br />
entstigmatisieren, Unterstützungsangebote<br />
aufbauen und die Arbeitsbedingungen<br />
zum Beispiel durch weniger Administration<br />
verbessern. Vom Bund erwarten<br />
wir, dass die 2014 formulierte nationale<br />
Strategie zur «Mentalen Gesundheit der<br />
Schweiz» möglichst bald umgesetzt wird.<br />
Darin sollen weitere Schritte zur Sensibilisierung<br />
und Information der Bevölkerung<br />
getroffen und die Prävention und Erforschung<br />
von psychischen Erkrankungen<br />
gefördert werden.<br />
• Sport- und Bewegungsmedizin: Körperliche<br />
Inaktivität ist der vierthäufigste<br />
Risikofaktor für frühzeitige Mortalität<br />
weltweit, mittlerweile wird von einer<br />
Pandemie gesprochen. Regelmässige Bewegung<br />
gilt entsprechend als eine der<br />
kostengünstigsten und effektivsten Präventions-<br />
und Therapiemassnahmen.<br />
Leider ist das einschlägige Wissen unter<br />
praktizierenden Ärztinnen und -ärzten<br />
sowie Medizinstudierenden noch immer<br />
eher gering und wird, trotz dem neuen<br />
Lernzielkatalog «PROFILES», nur ungenügend<br />
in der Aus- und Weiterbildung<br />
berücksichtigt. Die swimsa verpflichtet<br />
sich dazu, Sport- und Bewegungsmedizin<br />
aktiv zu fördern und sich an den Universitäten<br />
für eine flächendeckende Ausbildung<br />
in diesem Bereich einzusetzen.<br />
• Klimawandel und Gesundheit: Die<br />
swimsa erkennt den Klimawandel als<br />
existierende und zunehmende Bedrohung<br />
an und sieht die direkten (Hitze,<br />
Luftverschmutzung) und indirekten<br />
(wirtschaftlicher und sozialer Art) Gefahren<br />
für die Gesundheit. Wir fordern,<br />
dass die Schweiz den Klimanotstand ausruft<br />
und die Abkommen und Ziele der<br />
internationalen Gemeinschaft als Vorbild<br />
umsetzt. Die swimsa verlangt eine<br />
Eingliederung der entsprechenden Thematik<br />
ins medizinische Curriculum sowie<br />
die Unterstützung von Forschungsprojekten<br />
mit Bezug zu Klimawandel<br />
und Gesundheit.<br />
• Organspende: Die swimsa hat ab 2017<br />
die Initiative «Organspende fördern – Leben<br />
retten» mit Unterschriftenaktionen<br />
und einem Video aktiv unterstützt. Dies<br />
reicht aber noch nicht aus, und wir fordern<br />
weiterhin eine Ausgestaltung der<br />
Widerspruchslösung, die den mutmasslichen<br />
Willen der verstorbenen Person<br />
ins Zentrum stellt und die Angehörigen<br />
konsultativ miteinbezieht. Die swimsa<br />
strebt nach ausreichender Aufklärung<br />
der Bevölkerung und des Fachpersonals:<br />
Hirntod und Organspende sollen im Curriculum<br />
enthalten sein; angehende Ärztinnen<br />
und -ärzte sind für die zukünftige<br />
Herausforderung und entsprechende<br />
Kommunikation zu schulen.<br />
Neben der Vision und den Positionspapieren<br />
wurden auch das Budget des Folgejahres<br />
sowie die Semesterberichte der<br />
Vorstandsmitglieder präsentiert und bestätigt.<br />
Die Delegierten wählten den<br />
«Vice-President for Communication», womit<br />
nun alle neun Positionen des nationalen<br />
swimsa-Vorstands in ihrem Amt bestätigt<br />
wurden. Zu guter Letzt wurde eine<br />
neue nationale Position als «National Officer<br />
on Sexual and Reproductive Health<br />
and Rights including HIV and AIDS» ernannt,<br />
welche die aktuellen (und zukünftigen)<br />
Projekte im Bereich von Geschlechterfragen,<br />
sexueller Gesundheit und<br />
Aufklärung koordinieren wird. Nach einem<br />
diskussionsfreudigen und erfolgreichen<br />
Tag begaben sich die Anwesenden in<br />
das nahe gelegene Vereinslokal, um auf die<br />
neuen Errungenschaften der «Swiss Medical<br />
Students’ Association» anzustossen.<br />
Dieser Tag zeigte einmal mehr: Die<br />
swimsa besteht aus vielen jungen Leuten,<br />
die in allen Bereichen für eine bessere Gesundheit<br />
kämpfen und in deren Namen<br />
noch einiges bewirken werden.<br />
16<br />
1/20 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
vsao<br />
vsao-Rechtsberatung<br />
Angeordnete Kompensation<br />
während Freistellung<br />
Mir wurde gekündigt und<br />
ich wurde anlässlich<br />
dieser Kündigung von<br />
meinem Arbeitgeber<br />
freigestellt. Kann mein Arbeitgeber<br />
anordnen, dass ich meine Ferien, meine<br />
Überstunden- und Überzeitguthaben<br />
während der Freistellungszeit kompensieren<br />
muss?<br />
Um allfällige begriffliche Unklarheiten<br />
aus dem Weg zu räumen, muss zunächst<br />
der Unterschied zwischen Überstunden<br />
und Überzeit vor Augen geführt werden.<br />
Als Überstunden werden diejenigen<br />
Stunden bezeichnet, die über die vereinbarte<br />
Normalarbeitszeit geleistet werden.<br />
Als Überzeit gelten infolgedessen diejenigen<br />
Stunden, welche die gesetzliche<br />
Höchstarbeitszeit gemäss Arbeitsgesetz<br />
übersteigen. Für Assistenzärztinnen und<br />
-ärzte sind dies 50 Stunden pro Woche; für<br />
Oberärztinnen und -ärzte gilt im Prinzip<br />
dasselbe, ausser der entsprechende<br />
öffentlich-rechtliche Arbeitgeber unterliegt<br />
ausnahmsweise nicht dem Geltungsbereich<br />
des Arbeitsgesetzes. *<br />
Was die Abgeltung von Ferien betrifft,<br />
besteht grundsätzlich ein Verbot, Ferien<br />
durch Geldleistungen zu ersetzen. Dieses<br />
Verbot wirkt über das bestehende Arbeitsverhältnis<br />
hinaus und gilt sodann auch<br />
nach dessen Beendigung. Doch es gibt<br />
– wie fast immer im Recht – einige<br />
Ausnahmen. So ist in der Regel massgebend,<br />
in welchem Verhältnis die Freistellungsdauer<br />
zum Ferienanspruch steht und<br />
wie der Arbeitnehmer die Zeit seiner<br />
Freistellung nutzte. Generell gilt, dass je<br />
länger die Freistellung dauert, umso mehr<br />
Ferien als bezogen betrachtet werden<br />
können. Diese Ausnahme hängt mit dem<br />
Umstand zusammen, dass der Arbeitnehmer<br />
einige Zeit aufwenden muss, um sich<br />
eine neue Stelle zu suchen. Manche<br />
Gerichte gehen im Sinne einer Faustregel<br />
davon aus, dass ein Drittel der Freistellungstage<br />
als Ferienbezug angerechnet<br />
werden kann, wobei immer die konkreten<br />
Umstände des Einzelfalles beachtet<br />
werden müssen. Dies führt uns zur zweiten<br />
Ausnahme: Wenn der Arbeitnehmer die<br />
gesamte Freistellungsdauer für die<br />
Stellensuche verwenden musste und so<br />
keine Möglichkeit hatte, in die Ferien zu<br />
fahren, um sich zu erholen, muss er sich<br />
dadurch nicht die gesamten Ferien anrechnen<br />
lassen. Umgekehrt ergibt sich also,<br />
dass jener Arbeitnehmer, der während der<br />
Freistellung tatsächlich Ferien bezieht,<br />
sich die ganze Dauer als Ferienbezug<br />
anrechnen lassen muss und nicht nur die<br />
kürzere Dauer gemäss der obgenannten<br />
Faustregel.<br />
Zu der Kompensation von Überstunden<br />
während der Freistellungszeit ist<br />
Folgendes anzumerken: Von Gesetzes<br />
wegen (Artikel 321c Absatz 2 OR, Obligationenrecht)<br />
ist eine Kompensation von<br />
Überstunden durch Freizeit nur im<br />
Einverständnis mit dem Arbeitnehmer<br />
möglich. Absatz 3 des Artikels 321c OR<br />
schreibt sodann vor, dass wenn die<br />
Überstundenarbeit nicht durch Freizeit<br />
ausgeglichen wird und nichts anderes<br />
schriftlich vereinbart oder durch Normaloder<br />
Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist,<br />
der Arbeitgeber für die Überstundenarbeit<br />
Lohn zu entrichten hat. Dieser Lohn<br />
bemisst sich nach dem Normallohn mit<br />
einem Zuschlag von mindestens 25<br />
Prozent. Nach bundesgerichtlicher<br />
Rechtsprechung kann eine Kompensation<br />
der Überstunden durch Freizeit auch<br />
während der Freistellung nur mit dem<br />
Einverständnis des Arbeitnehmers<br />
erfolgen. Der Arbeitgeber kann somit die<br />
Kompensation von Überstunden während<br />
der Freistellungszeit nicht einseitig<br />
anordnen.<br />
Neben der Diskussion betreffend die<br />
Kompensation von Überstunden bietet es<br />
sich an, sich einmal die Rechtslage<br />
betreffend die Kompensation der Überzeit<br />
vor Augen zu führen. Für die Überzeit<br />
einschlägig ist der Artikel 13 ArG, in dessen<br />
Absatz 1 für die Überzeitarbeit – ähnlich<br />
wie bei den Überstunden – ein Lohnzuschlag<br />
von mindestens 25 Prozent vorgesehen<br />
ist. Absatz 2 von Artikel 13 ArG sieht<br />
ebenfalls vor, dass der Zuschlag von 25<br />
Prozent nicht zu leisten sei, wenn die<br />
Überzeit innert eines angemessenen<br />
Zeitraumes durch Freizeit von gleicher<br />
Dauer ausgeglichen wird. Wie bei den<br />
Überstunden ist auch bei der Überzeit das<br />
Einverständnis des Arbeitnehmers für eine<br />
Kompensation erforderlich. Dies gilt auch<br />
bei einer Freistellung.<br />
Um zeit-, nerven- und kostenraubende<br />
Rechtsstreitigkeiten bestmöglich vorzubeugen,<br />
empfiehlt sich aus Arbeitnehmersicht,<br />
die Modalitäten der Kompensation<br />
von Überstunden, Überzeit-, und Ferienansprüchen<br />
in einer schriftlichen Freistellungsvereinbarung<br />
mit dem jeweiligen<br />
Arbeitgeber verbindlich zu regeln. Eine<br />
zusätzliche Sicherheit schafft Art. 341 Abs.<br />
1 OR, welcher vorsieht, dass der Arbeitnehmer<br />
während der Dauer des Arbeitsverhältnisses<br />
und eines Monats nach dessen<br />
Beendigung auf Forderungen, die sich<br />
zwingend aus dem Gesetz oder einem GAV<br />
ergeben, nicht rechtsgültig verzichten<br />
kann. Vor der Unterzeichnung einer<br />
solchen Vereinbarung empfiehlt es sich<br />
sodann, diese juristisch prüfen zu lassen,<br />
wobei Ihnen die Sektionsjuristen natürlich<br />
gerne zur Verfügung stehen.<br />
* Seit geraumer Zeit gilt das Arbeitsgesetz für<br />
Assistenzärztinnen und -ärzte, unabhängig davon,<br />
ob der Betrieb als Ganzes dem Arbeitsgesetz<br />
unterstellt ist oder nicht. Für Oberärztinnen und<br />
-ärzte gelten die Arbeits- und Ruhezeitvorschriften<br />
des Arbeitgebers nur, sofern der Betrieb dem<br />
Arbeitsgesetz unterstellt ist. Dies ist in der Regel<br />
dann nicht der Fall, wenn er direkt zur kantonalen<br />
Verwaltung gehört.<br />
Samuel Nadig<br />
Sektion Graubünden<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 1/20 17
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Fokus<br />
Von der Vergangenheit ist kaum mehr<br />
etwas zu sehen: Die ehemalige<br />
Sondermülldeponie Kölliken wird bald<br />
wieder ein gewöhnliches Gelände sein.<br />
7 Jahre Betrieb,<br />
40 Jahre<br />
Sanierung<br />
Vom Pionierprojekt zum Umweltskandal und wieder zurück:<br />
Die Geschichte der Sondermülldeponie Kölliken (SMDK) ist in vielerlei<br />
Hinsicht einzigartig. Der Geologe Dr. Benjamin Müller ist<br />
Geschäftsführer der SMDK und leitet die Sanierung der Umweltsünde.<br />
Text: Catherine Aeschbacher, Chefredaktorin <strong>VSAO</strong>-Journal. Bilder: Severin Nowacki.<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 1/20 19
Fokus<br />
2011 übernahmen Sie die Geschäftsführung<br />
der Sondermülldeponie Kölliken<br />
(SMDK). Damals glaubten Sie, dass<br />
<strong>2020</strong> Ihre Arbeit beendet wäre. Sind Sie<br />
nun arbeitslos?<br />
Benjamin Müller: Nein, es gab gewisse<br />
Verzögerungen beim Rückbau. Vorgesehen<br />
war, dass der Sondermüll bis 2012 abtransportiert<br />
wäre, fertig wurden wir damit<br />
aber erst 2015. Wir haben zudem erkannt,<br />
dass die Schadstoffe um einiges<br />
tiefer als zunächst vermutet in den Untergrund<br />
eingesickert sind. Deshalb denke<br />
ich nicht, dass ich in den nächsten Jahren<br />
arbeitslos werde.<br />
Als die Deponie im Mai 1978 eröffnet<br />
wurde, galt sie als fortschrittlich und<br />
als Beitrag zum Umweltschutz. Wie<br />
kam man zu dieser Einschätzung?<br />
Das war natürlich hinsichtlich Umweltschutz<br />
und Abfallentsorgung eine völlig<br />
andere Zeit. 1978 gab es noch kein Umweltschutzgesetz,<br />
keine Altlastenverordnung<br />
usw. Es herrschte sozusagen Zustände<br />
wie im Wilden Westen. Gefährliche<br />
Abfälle wurden in der Nordsee versenkt,<br />
oder man warf sie irgendwo im<br />
Wald in eine Grube. Die Idee, sie in einer<br />
geordneten Deponie abzulagern, war fortschrittlich.<br />
Zumal man eine Bewilligung<br />
haben und dafür bezahlen musste. Die alte<br />
Tongrube in Kölliken wurde auch von<br />
Fachleuten für diesen Zweck als ideal erachtet.<br />
Nach nur sieben Jahren Betrieb erfolgte<br />
im April 1985 die sofortige Schliessung.<br />
Was führte dazu?<br />
Ausschlaggebend waren die Proteste der<br />
Bevölkerung. Das Problem war, dass die<br />
Deponie nicht ganz so fortschrittlich geführt<br />
wurde, wie zu Beginn geplant. Man<br />
lagerte flüssige Abfälle ein, was nie vorgesehen<br />
war. Diese führten zu Geruchsemissionen.<br />
Teilweise gingen Fässer bereits<br />
beim Einlagern kaputt, die Inhalte vermengten<br />
sich, und bei starkem Regen wurden<br />
die Stoffe ins Erdreich und ins Grundwasser<br />
geschwemmt. Die Gerüche drangen<br />
via Keller und Waschküchen in die Häuser<br />
der Anwohner. Es kam zu einem richtigen<br />
Umweltskandal; das Fernsehen berichtete<br />
live vor Ort. Der Gemeinderat beschloss darauf,<br />
die Deponie sofort zu schliessen. Die<br />
Verschmutzung des Grundwassers wurde<br />
allerdings erst später bekannt.<br />
Mit welchen Gefahren rechnete man<br />
und welche ersten Massnahmen wurden<br />
getroffen?<br />
Sofort nach der Schliessung begann man<br />
mit der Sicherung der Anlage. In einem<br />
ersten Schritt wurde das Wasser an verschiedensten<br />
Stellen aufgefangen und in<br />
einer eigens dafür gebauten Kläranlage gereinigt.<br />
Dann wurde die Grube abgedeckt.<br />
In den folgenden Jahren wuchs im<br />
wahrsten Sinne des Wortes Gras über<br />
die Sache. Wann und warum entschied<br />
man sich, all die Abfälle wieder auszugraben<br />
und fachgerecht zu entsorgen?<br />
Es gab zwei Gründe: Anfangs neunziger<br />
Jahre erkannte man das Problem des kontaminierten<br />
Grundwassers. Zudem traten<br />
gesetzliche Bestimmungen in Kraft, ausgelöst<br />
durch unsern Fall. Allerdings war<br />
den Besitzern der Deponie, einem Konsortium<br />
aus den Kantonen Aargau und Zürich<br />
als Haupteignern sowie der Stadt Zürich<br />
und der Basler Chemie mit Minderheitsanteilen,<br />
nicht klar, wie man vorgehen<br />
sollte. Es gab weltweit noch kein<br />
Projekt dieser Art. Schliesslich entschied<br />
man sich zu einem elementaren Vorgehen:<br />
Ausgraben, sortieren und fachgerecht<br />
entsorgen.<br />
2006 stiessen Sie als Geologe zur SMDK.<br />
Was reizte Sie an der Aufgabe?<br />
Ich war seit 2001 mit der Deponie vertraut,<br />
da ich bei einem Ingenieurbüro arbeitete,<br />
das für die SMDK tätig war. Zunächst half<br />
ich beim Stollenbau für die Wasseraufbereitung<br />
mit. Es zeichnete sich bereits damals<br />
ab, dass die Sanierung kommen würde.<br />
Als 2006 die Anfrage der SMDK kam,<br />
sagte ich sofort zu. Ein solches Projekt ist<br />
eine einzigartige Pionierleistung und bietet<br />
sich einem nur einmal im Leben.<br />
Mit dem Bau der Riesenhalle begann<br />
2005 die Gesamtsanierung. Welches<br />
waren die grössten Probleme?<br />
Es gab drei grosse Arbeitsorte: die Halle, in<br />
welcher der Müll abgebaut wurde, die nachgelagerte<br />
Triage und Verladestation sowie<br />
die Analytik. Die Halle gab am meisten zu<br />
reden: Die Anwohner fürchteten sich generell<br />
davor, dass der Boden wieder geöffnet<br />
wurde. Ein weiteres Problem war der Zustand<br />
der Abfälle. Viele Fässer hatten sich<br />
bereits aufgelöst, die Inhalte waren ausgelaufen,<br />
hatten sich mit andern Stoffen vermengt<br />
oder mit der Erde, die zwischen den<br />
einzelnen Schichten aufgehäuft worden<br />
war. Wir gingen anfänglich davon aus, dass<br />
80 Prozent der Fässer intakt sein sollten.<br />
Grund für die Annahme war, dass wir beim<br />
Bau der Kläranlage an einer Stelle die Deponie<br />
öffnen mussten und dort zwei völlig in-<br />
takte Reihen von Fässern vorfanden. Das<br />
war aber die einzige Information, die wir<br />
hatten. Es stellte sich dann heraus, dass<br />
rund 90 Prozent der Fässer kaputt waren.<br />
Wie muss man sich den Abbau vorstellen?<br />
Beginnt man einfach an einer Stelle<br />
zu graben?<br />
In der Tat. Wir begannen im kleineren Teil<br />
der Halle damit, den Humus abzutragen<br />
und Schicht um Schicht abzudecken. Wir<br />
hatten Vorversuche gemacht und bald gesehen,<br />
dass die Situation nicht erfreulich<br />
war. Grosse Probleme hatten wir auch mit<br />
der Sicht. Obschon in der Halle Unterdruck<br />
herrschte und die Belüftung optimal<br />
war, wirbelten die Maschinen dermassen<br />
viel Staub auf und gaben Abgase ab,<br />
dass wir manchmal bereits nachmittags<br />
um drei Uhr die Arbeit beenden mussten.<br />
Aber da vor uns noch nie jemand eine solche<br />
Sanierung durchgeführt hatte, mussten<br />
wir Erfahrungen sammeln und konnten<br />
auf nichts zurückgreifen.<br />
Wussten Sie, wo was abgelagert war?<br />
Ja, wir hatten Einlagerungsdaten, aber leider<br />
war vieles kaum deklariert. Die Basler<br />
Chemiefirmen waren in dieser Hinsicht<br />
vorbildlich. Sie kannten ihre Produkte<br />
und deklarierten sie genau. Die kleineren<br />
Betriebe jedoch gaben beispielsweise einfach<br />
«Kleinabfälle» an. Hinzu kam, dass<br />
die Ortsangaben nicht auf den Meter genau<br />
waren; insgesamt jedoch hat uns die<br />
Datenbank viel geholfen.<br />
Das Projekt war weltweit einzigartig.<br />
Was wurde hierfür eigens entwickelt?<br />
Eine Halle von dieser Grösse, welche nur<br />
von aussen abgestützt wird und absolut<br />
dicht ist, wurde wohl nie zuvor gebaut. Ursprünglich<br />
dachte man daran, die Maschinisten<br />
mit einem kleinen Bus zu ihren<br />
Fahrzeugen zu fahren. Man merkte jedoch<br />
schnell, dass man sich im sogenannten<br />
«schwarzen Bereich», also da, wo der Müll<br />
offen dalag, nicht ohne Schutzanzug,<br />
Atemgerät usw. bewegen konnte. Deshalb<br />
wurden Fahrzeuge mit eigener Luftversorgung<br />
und spezielle Andockstationen entwickelt.<br />
Spezielle Schutzmassnahmen<br />
wurden auch für die Verladestation getroffen,<br />
wo die sortierten Abfälle in Container<br />
verladen und dann verschickt wurden.<br />
Und einen eigenen Bahnanschluss erstellten<br />
wir auch noch.<br />
Gab es gefährliche Zwischenfälle?<br />
Glücklicherweise kamen beim Abbau keine<br />
Personen zu Schaden und niemand be-<br />
20<br />
1/20 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
Fokus<br />
hielt gesundheitliche Schäden zurück.<br />
Wir wurden sehr engmaschig überwacht,<br />
medizinisch und hinsichtlich der Arbeitssicherheit.<br />
Aber wir hatten einige Brandfälle.<br />
Einmal gelangte elementares Magnesium<br />
an die Luft und löste einen Brand<br />
aus, der das Hallendach beschädigte. Man<br />
muss sich vorstellen, dass die Halde zu<br />
Beginn an der höchsten Stelle bis etwa einen<br />
Meter unters Dach reichte. Zu Brandfällen<br />
kam es auch wegen Phosphorstücken<br />
aus der Rüstungsindustrie, die zwischen<br />
anderem Müll umherlagen. Quasi<br />
parallel zu uns wurde die wesentlich kleinere<br />
Deponie Bonfol im Jura saniert. 2010<br />
ereignete sich dort völlig unerwartet eine<br />
Explosion. Wir gingen zwar davon aus,<br />
dass evtl. Lösungsmittel verpuffen könnten,<br />
rechneten aber genauso wenig mit<br />
Explosivstoffen wie die Verantwortlichen<br />
in Bonfol. Danach rüsteten wir sofort<br />
nach: Alle Fahrzeuge wurden gepanzert,<br />
die Arbeit ungefähr für ein halbes Jahr<br />
eingestellt. Auch diese Fahrzeuge waren<br />
übrigens eine eigens für uns entwickelte<br />
Neuheit.<br />
2015 war der letzte Sondermüll entfernt.<br />
Aber das Aufräumen ging weiter.<br />
Weshalb?<br />
Bis 2016 mussten wir noch 40 000 Tonnen<br />
Fels ausbaggern, der ebenfalls kontaminiert<br />
war. Das war sicherheitstechnisch<br />
nicht mehr ganz so anspruchsvoll. Aber<br />
wegen der Geruchsbelästigung mussten<br />
alle Schutzmassnahmen aufrechterhalten<br />
werden. Danach musste die Grube<br />
wieder aufgefüllt werden. Glücklicherweise<br />
konnten wir von der SBB das Aushubmaterial<br />
des Eppenbergtunnels übernehmen.<br />
Aufgefüllt wurde, als die Halle<br />
noch stand. 2018 wurde die Halle wochenlang<br />
gereinigt und abgebaut. In Betrieb ist<br />
immer noch die Wasserauffanganlage<br />
und -reinigung, da bis heute Schadstoffe<br />
ins Grundwasser gelangen könnten.<br />
Die Sanierung war hinsichtlich Dauer,<br />
Kosten usw. einzigartig. Gibt es auch<br />
Positiva in dieser Bilanz?<br />
Kölliken war ein Signal. Heute werden aufgrund<br />
unseres Vorbilds grosse Altlastendeponien<br />
in verschiedensten Ländern saniert.<br />
Wir stehen bei einigen Projekten beratend<br />
zur Seite. Trotz der horrenden Kosten<br />
kam die Sanierung für das Konsortium<br />
letztlich günstiger als ein jahrhundertelanges<br />
Aufrechterhalten der Sicherheitsmassnahmen.<br />
Ein Erfolgsfaktor war die Öffentlichkeitsarbeit.<br />
Wir haben immer aktiv informiert<br />
und alles offengelegt. Die Halle<br />
konnte von aussen eingesehen werden, es<br />
gab regelmässige Informationsanlässe und<br />
Bulletins. Diese Politik hat sich als sehr erfolgreich<br />
erwiesen.<br />
Wie sieht die Zukunft des Geländes aus?<br />
Es gibt verschiedene Interessen. Von Seiten<br />
des Naturschutzes bestehen Pläne, einen<br />
Lernort einzurichten. Der Kanton<br />
möchte wieder Landwirtschaftsflächen<br />
schaffen. Wahrscheinlich kommt am Ende<br />
ein Mix aus beiden Ideen zustande.<br />
Zur Person<br />
Benjamin Müller (geb. 1963), studierte<br />
Geologie an der Universität Zürich<br />
und promovierte 1993 an der ETH<br />
Zürich. Nach acht Jahren Forschungstätigkeit<br />
als Oberassistent an der<br />
Universität Bern wechselte er als<br />
Niederlassungsleiter zu einem Ingenieurbüro<br />
nach Aarau. Ab 2006 leitete<br />
Benjamin Müller als Gesamtprojektverantwortlicher<br />
die praktische Umsetzung<br />
des Sanierungsprojektes<br />
SMDK. 2011 wurde er zum Geschäftsführer<br />
des Konsortiums SMDK gewählt.<br />
Benjamin Müller ist verheiratet<br />
und Vater von drei Kindern.<br />
SMDK: Zahlen und<br />
Daten<br />
• 16. Mai 1978: Eröffnung der Deponie<br />
(Einlagerungsgebühren 45 bis<br />
85 Franken pro Kubikmeter)<br />
• 25. April 1985: Schliessung der Deponie<br />
• 1986 bis 1990: Bau einer mehrlagigen<br />
Abdeckung und einem System, um<br />
Gas abzusaugen<br />
• 1993: Bau der Sicherungsbrunnen<br />
zum Auffangen des Sickerwassers<br />
• 1994: Bau der Schmutzwasser- und<br />
Abluftbehandlungsanlage<br />
• 1998: Bau der Abschirmung Nord,<br />
einer 380 Meter langen und bis rund<br />
13 Meter tiefen Sickerleitung, um das<br />
seitliche Eindringen von Grundwasser<br />
in die Deponie zur verhindern<br />
• 2003: Bau der Abschirmung Süd mit<br />
ei nem 600 Meter langen begehbaren<br />
Stol lensystem, wo in 120 Brunnen<br />
das belastete Sickerwasser aufgefangen<br />
wird<br />
• 2003: Entschluss zur Totalsanierung<br />
• 2006: Bau der Riesenhalle<br />
• 2007–2016: Rückbau der Deponie,<br />
inkl. Aushub von kontaminiertem<br />
Fels<br />
• 2017–2018: Beginn der Aufschüttung<br />
mit sauberem Aushubmaterial in der<br />
Halle und Abbau der Halle<br />
• Insgesamt wurden rund 664 000<br />
Tonnen kontaminiertes Material<br />
abgeführt und fachgerecht entsorgt.<br />
Die Kosten der Sanierung seit 1985<br />
belaufen sich auf CHF 850 Millionen.<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 1/20 21
Fokus<br />
Das<br />
ungefilterte<br />
Leben<br />
Wer sich zeitweise von Smartphone und Laptop trennt, muss weder<br />
vereinsamen noch mit Entzugserscheinungen kämpfen. Das zeigen die<br />
Digital Detox Retreats, die seit 2017 im Berner Oberland stattfinden.<br />
Benjamin Haltmeier, TALK (Tourismus Adelboden Lenk Kandersteg) AG<br />
2015 erklärte der Langenscheidt-Verlag<br />
«Smombie» zum Jugendwort des Jahres –<br />
der Begriff setzt sich aus «Smartphone»<br />
und «Zombie» zusammen. Ein Jahr später<br />
zeigte die James-Studie auf, wie die exzessive<br />
Online-Nutzung in der Gesellschaft<br />
stetig zunimmt. Heute schliesslich treten<br />
bei fünf Prozent der Schweizer Jugendlichen<br />
Symptome einer digitalen Sucht auf.<br />
Der Trend scheint im Zeitalter von Whats-<br />
App, Instagram und Snapchat klar: Unsere<br />
Online-Stunden wachsen weiter an, und<br />
gerade an den Wochenenden sind Smartphone,<br />
Tablet und Co. nicht mehr wegzudenken.<br />
Berge statt Bits und Bildschirme<br />
Auf die intensive Nutzung digitaler Geräte<br />
zu verzichten, ist allerdings aus mehreren<br />
Gründen schwierig. Erstens fürchten Nutzer<br />
Entzugserscheinungen wie etwa depressive<br />
Verstimmungen, Angstzustände<br />
und Nervosität. Zweitens lässt sich elektronische<br />
Kommunikation im gewohnten<br />
Umfeld schlecht vermeiden, weil das<br />
durchschnittliche Schweizer Zuhause medial<br />
verlockend gut ausgerüstet ist. Als<br />
Ausgleich zum digitalen Stress wären also<br />
ein weitgehend unberührter, technikfreier<br />
Ort sowie dazu passende Aktivitäten gefragt.<br />
Dies jedenfalls sagten sich 2017 einige<br />
Touristiker im Berner Oberland. Sie waren<br />
der Ansicht, dass es für Ruhe, Echtheit,<br />
Nähe und Glück «keine Bits und keine<br />
Bildschirme» brauche, sondern nur einen<br />
entspannten Freiraum in der Natur. Eine<br />
Sozial ohne Medien: Die Teilnehmer des Digital Detox Retreats empfinden den Verzicht als<br />
Bereicherung.<br />
Bild: zvg<br />
22<br />
1/20 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
Fokus<br />
Auszeit in den Alpen schien ihnen die geeignete<br />
Reaktion auf die digitale Übersättigung.<br />
Es war die Geburtsstunde des ersten<br />
Digital Detox Retreats der Schweiz.<br />
Es begann als Experiment<br />
«5 Kandidaten, 4 Tage, 0 Soziale Medien»:<br />
Unter diesem Motto fand die digitale Auszeit<br />
in Adelboden im Rahmen eines Wettbewerbs<br />
statt. Das Ziel des alpinen Pilotversuchs<br />
war klar: Die Teilnehmer sollten<br />
entschleunigen können, und das ohne den<br />
Druck, ständig erreichbar sein zu müssen.<br />
Der Aufruf der lokalen Touristiker zeigte<br />
Wirkung: 100 Personen zwischen 18 und<br />
65 Jahren bewarben sich für das Digital<br />
Detox Retreat. Es war somit ein langwieriges<br />
Auswahlverfahren notwendig, bis eine<br />
Jury schliesslich eine ausgewogene Gruppe<br />
zusammengestellt hatte.<br />
Vom 7. bis zum 10. September 2017 zogen<br />
in der Berghütte Tronegg vis-à-vis der<br />
Engstligenfälle schliesslich ein 39-jähriger<br />
Betriebsökonom, eine Zürcher Bloggerin,<br />
eine deutsche Redakteurin, ein IT-Manager<br />
sowie eine 18-jährige Studentin aus Affoltern<br />
am Albis ein. Sie alle gaben ihre elektronischen<br />
Geräte freiwillig ab, um die nächsten<br />
Tage ungestört in der Stille des Engstligtals<br />
verbringen zu können. Langweilig sollte<br />
es ihnen dabei nicht werden: Zum<br />
Programm der Kandidaten gehörten unter<br />
anderem Yogastunden, Wanderungen<br />
durch die Berge und Kräuterkunde. Weitere<br />
Tagespunkte waren Meditation und kinesiologische<br />
Anwendungen. Gekocht wurde<br />
meist gemeinsam oder unter professioneller<br />
Anleitung, doch die Teilnehmer nutzten<br />
die Hütte unter anderem auch für Spiele,<br />
Gesang und längere Gespräche.<br />
«In einer kleinen Kapsel unterwegs»<br />
Die viertägige Auszeit von Handy und Tablet<br />
zeigte Wirkung bei den sonst so internetgewohnten<br />
Campbewohnern: Sie kompensierten<br />
den Online-Entzug mit Kontakten<br />
in der Gruppe, was diese rasch eng<br />
zusammenwachsen liess. «Es war wider<br />
Erwarten weniger ein digitaler Verzicht als<br />
vielmehr eine soziale Bereicherung», fasst<br />
etwa Bloggerin Anina ihre Erfahrungen<br />
zusammen. «Gemeinsam waren wir in einer<br />
kleinen Kapsel unterwegs, einer Einheit,<br />
die sich losgelöst vom Rest der Welt<br />
bewegte. Ich wünsche jedem eine solche<br />
Erfahrung.» Für IT-Manager Matthias waren<br />
Entzugserscheinungen ebenfalls kein<br />
grosses Thema. Statt depressiv, ängstlich<br />
oder nervös zu werden, habe ihm dieses<br />
Campleben dabei geholfen, seine unmittelbare<br />
Umgebung bewusster wahrzunehmen,<br />
«ungefiltert, natürlich und mit den<br />
kleinen Fehlern, vielleicht auch Unbequemlichkeiten,<br />
die sonst Algorithmen<br />
wegbügeln: Sprache statt Kurznachricht,<br />
Gestik statt Smileys und Umarmungen<br />
statt Like-Buttons».<br />
Auch bei den Adelbodner Veranstaltern<br />
fiel das Fazit des Experiments positiv<br />
aus. Die Nachfrage nach solchen entschleunigenden<br />
Angeboten schien jedenfalls<br />
gross. Schnell war deshalb klar, dass<br />
das Digital Detox Retreat in den nächsten<br />
Jahren weitergeführt wird. Es blieb die<br />
Frage nach dem geeigneten Standort.<br />
Der Blick über den Talrand<br />
Anfang 2018 nahm die Tourismus Adelboden<br />
Lenk Kandersteg (TALK) AG ihr operatives<br />
Geschäft auf. Da sich die neue Destination<br />
nun über drei Täler erstreckte, lag<br />
es nahe, auch den Perimeter des Digital<br />
Detox Retreats auszudehnen. Einen geeigneten<br />
Ort fanden die Veranstalter in der<br />
Folge im Kiental oberhalb von Reichenbach<br />
im Kandertal. Mitten im Jagdbanngebiet<br />
und auf dem Gebiet des UNES-<br />
CO-Weltnaturerbes führten sie dort daraufhin<br />
zwei weitere Ausgaben der digitalen<br />
Auszeit durch.<br />
Nach drei Durchführungen steht das<br />
Angebot nun fix in der Agenda der Destination.<br />
Das Programm wird weiterhin<br />
durch Achtsamkeitsübungen, Wandern<br />
und Meditation geprägt. Auch die Zürcher<br />
Yogalehrerin Nora Kersten, die das Projekt<br />
seit vier Jahren begleitet, ist nach wie vor<br />
dabei. Ebenfalls ein fester Bestandteil des<br />
Retreats bleibt das Suchen, Sammeln und<br />
Verarbeiten von Heilpflanzen. Die Gruppe<br />
lernt jeweils, wie daraus Tinkturen, Öle<br />
und Heilsalben gewonnen werden können.<br />
Alles diese bewährten Punkte sollen<br />
auch in der Ausgabe <strong>2020</strong> ihren Platz finden.<br />
Geht es nach den Veranstaltern, könnte<br />
das Retreat künftig auch mit einem Probetag<br />
für Neugierige oder mit Events zum<br />
Themas Entschleunigung ergänzt werden.<br />
Digital Detox Retreat<br />
Das Digital Detox Retreat findet auch<br />
<strong>2020</strong> im Kiental statt. Das Datum steht<br />
noch nicht definitiv fest. Interessierte<br />
können sich aber bereits jetzt per<br />
E-Mail an info@be-welcome.ch<br />
anmelden und sich unter https://<br />
be-welcome.ch/ddc/ informieren.<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 1/20 23
Fokus<br />
Meeresbiologin<br />
mit Mission<br />
Korallenriffe leiden unter dem Klimawandel. Ulrike Pfreundt will<br />
mit ökologisch sinnvollen Strukturen aus dem 3-D-Drucker<br />
künstliche Riffe ermöglichen, die widerstandsfähigeren Korallen<br />
neuen Lebensraum bieten.<br />
Michael Keller, Redaktor, Hochschulkommunikation ETH Zürich 1<br />
Ulrike Pfreundt sucht nach geeigneten Oberflächenstrukturen für künstliche Riffe, um Korallenlarven wieder anzusiedeln.<br />
Im Bild: 3-D-Sanddrucke von Mathias Bernhard, wie sie dereinst zum Einsatz kommen könnten.<br />
Foto: ETH Zürich / Peter Rüegg<br />
24<br />
1/20 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
Fokus<br />
Ulrike Pfreundt denkt gerne<br />
gross und weiss, was sie will.<br />
«Erwärmen sich die Weltmeere<br />
ungebremst weiter, drohen<br />
bis 2050 über 90 Prozent aller Korallenriffe<br />
abzusterben – dagegen möchte ich etwas<br />
tun», sagt die 34-jährige deutsche<br />
Forscherin.<br />
Dass die bunt leuchtenden Lebensgemeinschaften<br />
zusehends erblassen, betrübt<br />
die Biologin sichtlich. Korallen verdanken<br />
ihre prächtigen Farben symbiotischen<br />
Algen, die in ihrem Gewebe leben<br />
und sie mit Nahrung versorgen. Wird das<br />
Wasser zu warm, stossen die Korallen die<br />
Algen ab, bleichen aus und verhungern<br />
mit der Zeit.<br />
«Da Riffe die Brutstätte für mindestens<br />
ein Viertel aller Fischarten im Ozean<br />
sind, wirkt sich ihr Verlust verheerend auf<br />
die Stabilität mariner Ökosysteme aus»,<br />
weiss Pfreundt. Das gefährdet nicht nur<br />
die globale Fischerei: Weltweit sind Millionen<br />
Menschen direkt von intakten Riffen<br />
abhängig, die ihnen Nahrung, Einkommen<br />
und Schutz vor Überschwemmungen<br />
und Küstenerosion gewähren. Pfreundt<br />
hat sich daher zum Ziel gesetzt, abgestorbene<br />
Korallenriffe wieder mit Leben zu<br />
besiedeln.<br />
Die Regenwälder der Meere<br />
restaurieren<br />
Pfreundt hat in Freiburg im Breisgau Molekularbiologie<br />
und Genetik studiert.<br />
«Weil ich das Leben auf seiner tiefsten<br />
Ebene verstehen wollte», erzählt sie.<br />
Schon als Kind war sie von der Vielfalt des<br />
Regenwalds fasziniert. Mit 20 Jahren entdeckte<br />
sie ihre Leidenschaft für die Lebenswelt<br />
der Meere. Seither taucht sie regelmässig<br />
und engagiert sich für marine<br />
Naturreservate. Im Nebenfach hat sie<br />
Meeresbiologie studiert und später in ihrer<br />
Doktorarbeit Genetik und Meeresbiologie<br />
kombiniert.<br />
Da Ulrike Pfreundt gerne interdisziplinär<br />
arbeitet, kam sie 2016 mit einem ETH<br />
Postdoc Fellowship ans Institut für Umweltingenieurwissenschaften<br />
der ETH<br />
Zürich. Im Team von Professor Roman<br />
Stocker fand sie ein ideales Umfeld: Hier<br />
erforschen Biologinnen zusammen mit<br />
Physikern, Ingenieurinnen und Mathematikern,<br />
wie Mikroben und Kleinstlebewesen<br />
die Ökologie der Meere gestalten.<br />
Resistente Korallen rekrutieren<br />
Dazu zählen auch die komplexen Lebensgemeinschaften<br />
der Korallen. «Viele Arten<br />
vermehren sich, indem sie Spermien und<br />
Eier ins Wasser abgeben, aus denen sich<br />
schwimmende Larven entwickeln», so<br />
Pfreundt. Doch diese müssen ein geeignetes<br />
Substrat finden, auf dem sie sich niederlassen<br />
und zu jungen Korallen heranwachsen<br />
können. «Abgestorbene Korallenriffe<br />
sind schwer zugänglich für die<br />
Larven», erklärt sie. Der Grund ist, dass<br />
sterbende Riffe zerfallen und von Makroalgen<br />
überwachsen werden. Die Larven<br />
brauchen aber eine gewisse strukturelle<br />
Vielfalt und ein algenfreies, hartes Substrat,<br />
um sich anzusiedeln.<br />
Deshalb will Pfreundt degradierte Riffe<br />
mittels künstlicher Strukturen wiederherstellen.<br />
Strategisch geplante Kunstriffe<br />
können sich mit der Zeit wieder zu selbsttragenden<br />
Lebensräumen entwickeln und<br />
Küsten schützen, ist die Meeresbiologin<br />
überzeugt.<br />
Doch wie können künstliche Riffe helfen,<br />
wenn das Wasser schlicht zu warm ist?<br />
«Zum einen werden nicht alle Korallen unmittelbar<br />
sterben», so Pfreundt. Sie geht<br />
davon aus, dass gewisse Gebiete für Korallenriffe<br />
geeignet bleiben – etwa weil es in<br />
der Nähe eine kühlende Strömung gibt.<br />
«Zum anderen bin ich ja zum Glück nicht<br />
allein», lacht sie. Tatsächlich arbeiten<br />
Wissenschaftler weltweit mit Hochdruck<br />
daran, hitzeresistente Korallensymbiosen<br />
zu züchten oder solche in den Riffen aufzuspüren.<br />
Knackpunkt strukturelle<br />
Komplexität<br />
Bisherige Versuche, mit künstlichen Riffen<br />
Babykorallen zu rekrutieren, scheiterten<br />
jedoch oft. Das liegt daran, dass die<br />
meisten Kunstriffe strukturell schlicht zu<br />
wenig ausgefeilt sind: Sie bieten nicht genügend<br />
Schutzräume für junge Korallen<br />
und interagieren zu wenig mit der Strömung,<br />
um die Larven überhaupt nah genug<br />
an das Substrat zu bringen.<br />
Genau hier setzt Pfreundt mit ihrem<br />
Vorhaben an. «Wir wissen, dass Form und<br />
Oberflächenbeschaffenheit eine elementare<br />
Rolle spielen, aber nicht im Detail,<br />
welche Aspekte entscheidend sind», so die<br />
Jungforscherin. Darum arbeitet sie mit<br />
Benjamin Dillenburger und Mathias Bernhard<br />
von der Gruppe für Digitale Bautechnologien<br />
am Departement Architektur<br />
zusammen. Der Plan: mit Hilfe des<br />
3-D-Drucks geometrisch geeignete Strukturen<br />
für ökologisch sinnvolle, skalierbare<br />
Riffmodule entwickeln.<br />
Zunächst geht es darum, Oberflächen<br />
mit variierenden Strukturmerkmalen wie<br />
Rillen, Löchern, Überhängen und Kanten<br />
im Millimeter- bis Zentimeterbereich zu<br />
entwickeln. Diese will Pfreundt auf ihre<br />
Interaktion mit der Wasserströmung und<br />
mit den darin transportierten Korallenlarven<br />
testen – zuerst in kontrollierten Strömungsbecken,<br />
dann in Feldversuchen im<br />
Korallenriff. Dabei wird ihr wiederum das<br />
Know-how von Roman Stockers Forschungsgruppe<br />
dienlich sein. Denn diese<br />
ist darauf spezialisiert, die Wechselwirkung<br />
feinster Wasserwirbel mit Kleinstlebewesen<br />
zu analysieren.<br />
Eine Herzensangelegenheit<br />
Pfreundt ist überzeugt von ihrer Idee und<br />
strahlt das auch aus. Das hilft bei der Suche<br />
nach Projektpartnern. Neben den<br />
ETH-Architekten konnte sie den Leiter<br />
des karibischen Korallen-Programms von<br />
The Nature Conservancy (TNC) für das<br />
Vorhaben begeistern. Die Feldversuche<br />
sind auf den Malediven und am Great Barrier<br />
Reef in Australien geplant.<br />
Die Eckpunkte des Projekts sind also<br />
abgesteckt. Natürlich ist noch vieles offen,<br />
etwa wie der Schritt von der geeigneten<br />
Oberflächenstruktur zu grösseren Riffmodulen<br />
erfolgen soll. «Ich habe an der ETH<br />
die richtigen Menschen und die notwendige<br />
Infrastruktur gefunden, um solche Aufgaben<br />
künftig zu lösen», ist sie sicher.<br />
1<br />
Der Beitrag erschien erstmals am 9. Mai 2019 im<br />
Newsletter der ETH Zürich.<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 1/20 25
Fokus<br />
Bei Stress<br />
in die Natur?<br />
Während bei durchschnittlicher Belastung durch Stressoren der<br />
Naturkontakt das Stresserleben mildert, kehrt sich dieser Effekt bei<br />
hoher Belastung um. Einzig körperliche Bewegung hat unabhängig<br />
vom Belastungsniveau einen positiven Einfluss auf die Stressreduktion.<br />
Dr. Nicole Bauer, Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL<br />
Die Schweizerische Gesundheitsbefragung<br />
(Bundesamt<br />
für Statistik, 2014) hat gezeigt,<br />
dass 17 Prozent der arbeitenden<br />
Bevölkerung «immer» oder<br />
«meistens» unter arbeitsbezogenem<br />
Stress leiden und zusätzliche 44 Prozent<br />
«manchmal». Angesichts der negativen<br />
Gesundheitseffekte von chronischem<br />
Stress stellen diese Zahlen eine Herausforderung<br />
für die Gesundheitsförderung<br />
dar. Zudem lebt ein grosser Teil der Bevölkerung<br />
in städtischen Umgebungen mit<br />
vergleichsweise wenig natürlichen Elementen<br />
und vielen Stressoren (z.B. lauter<br />
Verkehr, räumliche Enge).<br />
Die umweltpsychologische Forschung<br />
beschäftigt sich seit vielen Jahren mit<br />
dem Einfluss von Naturaufenthalt auf die<br />
Reduktion von Stresserleben, das z.B.<br />
durch belastende Arbeitszusammenhänge<br />
verursacht und durch wenig erholsame<br />
Wohnumfelder aufrechterhalten wird.<br />
In einem Forschungsprojekt * sind wir<br />
folgenden Fragen nachgegangen: Welche<br />
Formen der Erholung (Bewegung, Naturaufenthalt<br />
oder passive Erholung) haben<br />
den grössten Einfluss auf das Stresserleben?<br />
Gibt es Unterschiede in der Eignung<br />
der verschiedenen Erholungsaktivitäten<br />
für Personen mit durchschnittlicher und<br />
hoher Belastung?<br />
Was haben wir gemessen?<br />
Das Stresserleben kann einerseits durch<br />
Selbstauskunft der Befragten gemessen<br />
werden, andererseits durch physiologische<br />
Messungen, wie z.B. Herzratenvariabilität,<br />
Hautleitfähigkeit oder hormonelle<br />
Marker wie Cortisolwerte im Speichel, im<br />
Blut oder im Haar als Indikatoren für die<br />
Stressreaktion. Da menschliches Haar auf<br />
dem Kopf mit einer Geschwindigkeit von<br />
ca. 1 cm pro Monat wächst, kann das Haar<br />
verwendet werden, um retrospektive Messungen<br />
des Cortisolspiegels für die Vormonate<br />
vorzunehmen. Der Haarcortisolwert<br />
ist somit ein Indikator für die chronische<br />
Stressreaktion und stimmt gut mit<br />
dem Stresserleben aus Befragungsdaten<br />
überein.<br />
Da wir in diesem Projekt an der Langzeitwirkung<br />
von regelmässigem Naturaufenthalt<br />
interessiert waren, haben wir im<br />
Frühjahr (T1) und im Herbst (T2) Haarproben<br />
der Teilnehmenden als Indikator für<br />
deren Stresserleben in den vorhergehenden<br />
Wochen genommen und die Teilnehmenden<br />
anhand einer Befragung mit standardisierten<br />
Fragebögen über die Dauer,<br />
Häufigkeit und den Ort ihrer Freizeitaktivitäten,<br />
die Menge der aktuellen Belastungen/Stressoren,<br />
kritische Lebensereignisse<br />
und ihr Wohlbefinden im entsprechenden<br />
Zeitraum befragt.<br />
Um die Verzerrung durch Selbstauswahl<br />
zu reduzieren, rekrutierten wir die<br />
Teilnehmer aus den Wartelisten der Familiengärten<br />
in Bern, Basel und Schlieren.<br />
Da es in der Regel mehr Wartende als frei<br />
verfügbare Gärten gibt, war zu erwarten,<br />
dass ein Teil der Personen zwischen T1<br />
und T2 einen Garten zugewiesen bekäme<br />
und draussen gärtnern würde, während<br />
der andere Teil der Personen sich alternative<br />
Freizeitaktivitäten suchen müsste. Somit<br />
hat man eine zufällige Zuordnung<br />
zwischen Gärtnern und Nichtgärtnern sowie<br />
eine grundsätzlich grössere Bandbreite<br />
an unterschiedlichen Aktivitäten (passiv<br />
und aktiv/drinnen und draussen).<br />
Von 710 Personen auf den Wartelisten,<br />
die eine Studieneinladung erhalten haben,<br />
erklärten sich insgesamt 140 Personen<br />
bereit, an der Studie teilzunehmen<br />
(19,7 Prozent). Allerdings wollten 38 von<br />
diesen keine Haarprobe geben und weitere<br />
32 haben die Studienteilnahme vor der<br />
zweiten Messung abgebrochen. Somit haben<br />
insgesamt 85 Personen an der gesamten<br />
Studie teilgenommen.<br />
Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden<br />
betrug 41 Jahre (Standardabweichung:<br />
11,5 Jahre), 70 Prozent waren Frauen,<br />
85,7 Prozent Schweizer Bürger und 97,4<br />
Prozent verfügten über eine Hochschulausbildung.<br />
Im Vergleich mit der Schweizer<br />
Bevölkerung gab es in der Stichprobe<br />
der Studienteilnehmer mehr Frauen und<br />
das Bildungsniveau war höher als im<br />
Schweizer Durchschnitt.<br />
Erholung in der Natur<br />
Die Ergebnisse unserer Auswertungen<br />
zeigten, dass Naturkontakt und körperliche<br />
Bewegung eine vorteilhafte Auswirkung<br />
auf die Haarcortisolkonzentration<br />
hatten: Mehr Naturkontakt und mehr Bewegung<br />
führten zu einer Abnahme des<br />
Cortisollevels als Indiktator für die Stressreaktion.<br />
Das Nichtstun, also die passive Erholung,<br />
hat hingegen einen negativen Ein-<br />
Bild: © Adobe<br />
26<br />
1/20 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
Fokus<br />
Ein Winterspaziergang ist in Regel empfehlenswert, je nach Stressniveau kann er aber eher kontraproduktiv wirken.<br />
fluss auf die Haarcortisolkonzentration:<br />
Je mehr Zeit mit Nichtstun verbracht<br />
wird, umso ausgeprägter ist die Stressreaktion.<br />
Dies mag damit zu tun haben, dass<br />
die passive Erholung weniger Ablenkung<br />
bietet und zu verstärktem Grübeln und<br />
Nachdenken über Probleme usw. führt.<br />
Einzig die körperliche Bewegung hat<br />
in jedem Fall einen positiven Einfluss auf<br />
die Stressreaktion, ganz gleich, ob die Person<br />
stark stressbelastet ist oder nicht,<br />
während dies für Naturkontakt nicht der<br />
Fall ist (siehe unten).<br />
Umkehr bei hoher Belastung<br />
Bei hoher Stressbelastung verändert sich<br />
das oben skizzierte Bild erheblich: Während<br />
der Naturkontakt für Teilnehmer mit<br />
moderatem Stressniveau eine stressmindernde<br />
Wirkung hat, wird dieser Effekt bei<br />
hoher Belastung umgekehrt. Zusätzliche<br />
Stunden im Kontakt mit der Natur führen<br />
dann zu mehr Stresserleben.<br />
Möglicherweise erzeugt bei Personen<br />
mit hohen zeitlichen Belastungen der populäre<br />
Ratschlag zur Entspannung, Zeit in<br />
der Natur zu verbringen, noch mehr<br />
Stress, indem sie versuchen, in der ohnehin<br />
überfüllten Agenda noch Zeit für einen<br />
Naturaufenthalt frei zu räumen.<br />
Wenn eine hohe Belastung vorliegt,<br />
wird auch der Effekt des Nichtstuns umgekehrt:<br />
Mehr Zeit des Müssiggangs ist dann<br />
mit einer Reduktion der Stressreaktion assoziiert,<br />
d.h., bei starker Belastung scheint<br />
das Nichtstun zu einem Rückgang des<br />
Stresserlebens zu führen. Möglicherweise<br />
kann bei hoher Stressbelastung die Zeit,<br />
die man sich nimmt, um untätig zu sein,<br />
dazu beitragen, sich zu beruhigen und<br />
chronischen Stress abzubauen, über die<br />
Stressoren nachzudenken und möglicherweise<br />
Lösungen für Probleme zu finden.<br />
Mehr und abwechslungsreichere<br />
Grünflächen<br />
Die vorliegende Studie stützt die Befunde,<br />
die besagen, dass natürliche Lebensräume<br />
dem menschlichen Wohlbefinden förderlich<br />
sind. Aufgrund des weiter zu erwarteten<br />
Anstiegs der Bevölkerung in urbanen<br />
Zentren und der zunehmenden Verdichtung<br />
ist es wichtig, die städtischen Grünflächen<br />
zu erhalten und zu erweitern, um<br />
mehr Stadtbewohnern Erholungsräume<br />
zu bieten. Grundsätzlich müssten aber<br />
vorrangig die Ursachen für chronischen<br />
Stress, wie z.B. übermässige Arbeitsbelastungen<br />
beseitigt werden, anstatt nur zu<br />
versuchen, die negativen Folgen für die<br />
menschliche Gesundheit zu mildern.<br />
Die Ergebnisse der Studie unterstreichen<br />
die Bedeutung von körperlicher Aktivität<br />
für das menschliche Wohlbefinden,<br />
unabhängig vom Stressniveau. Die Planung<br />
sollte daher versuchen, die Ausübung<br />
verschiedener Arten von körperlichen<br />
Aktivitäten (Gehen, Velofahren) in<br />
städtischen Umgebungen zu erleichtern.<br />
Zudem sollte man körperliche Aktivität<br />
und Kontakt zur Natur in beiläufiger Weise<br />
ermöglichen, z.B. durch «grüne Korridore»,<br />
die das Velofahren attraktiver<br />
machen. Dadurch könnte körperliche Aktivität<br />
ohne grossen Aufwand in einen ohnehin<br />
sehr eng getakteten Alltag integriert<br />
werden.<br />
Literatur:<br />
Bundesamt für Statistik. 2014. Schweizerische<br />
Gesundheitsbefragung 2012; Bundesamt für<br />
Statistik: Neuchâtel.<br />
* Das Projekt wurde finanziert durch das<br />
Staatssekretariat für Bildung, Forschung und<br />
Innovation SBFI. Dr. Nicole Bauer leitete das<br />
Projekt, das Dr. Mathias Hofmann und Dr.<br />
Christopher Young an der WSL durchgeführt<br />
haben.<br />
Genauere Informationen: Hofmann, M.; Young,<br />
C.; Binz, T.M.; Baumgartner, M.R.; Bauer, N.<br />
(2018). Contact to nature benefits health: mixed<br />
effectiveness of different mechanisms. International<br />
Journal of Environmental Research and<br />
Public Health, 15, 1: 31.<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 1/20 27
Perspektiven<br />
Aktuelles aus der Endokrinologie: die Diabeteschirurgie<br />
Mit dem Skalpell<br />
gegen Diabetes<br />
Übergewicht und Diabetes Typ 2 bilden eine häufige und risiko reiche<br />
Kombination. Konventionelle Therapien haben im Gegensatz<br />
zur metabolischen Chirurgie oft wenig Erfolg. Eine Operation sollte<br />
deshalb frühzeitig in Betracht gezogen werden.<br />
Dr. med. Stefano Scardia und Dr. med. Lucie Favre,<br />
Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Metabolismus, CHUV Lausanne<br />
Diabetes ist eine chronisch<br />
fortschreitende Erkrankung,<br />
die seit vielen Jahrzehnten<br />
auf dem Vormarsch ist. 2017<br />
litten 4,6 Prozent der Schweizer Bevölkerung<br />
an Diabetes, was einer Zunahme von<br />
1,3 Prozent innert 20 Jahren entspricht.<br />
Dieser Wert liegt weit über der erwarteten<br />
Zunahme im Kontext der alternden Bevölkerung<br />
und der Früherfassung der<br />
Krankheit. Als Ursachen werden hauptsächlich<br />
Sozial- und Umweltfaktoren angeführt,<br />
die zu einer reduzierten körperlichen<br />
Aktivität und einer Zunahme von<br />
Adipositas führen.<br />
Gemäss den Zahlen vom BAG hat sich<br />
der Anteil der Personen, die an Adipositas<br />
leiden, in den letzten 25 Jahren bei den<br />
Männern von 6 auf 12 Prozent und bei den<br />
Frauen von 5 auf 10 Prozent verdoppelt.<br />
Die direkten und indirekten Kosten der<br />
mit Übergewicht und Adipositas einhergehenden<br />
Krankheiten in der Schweiz<br />
Abkürzungen:<br />
MC metabolische Chirurgie<br />
MB medikamentöse Behandlung<br />
HbA1c glykiertes Hämoglobin<br />
T2D Typ-2-Diabetes<br />
RYGB Roux-en-Y-Magenbypass<br />
SG Sleeve-Gastrektomie<br />
BPD biliopankreatische Diversion<br />
BMI Body-Mass-Index<br />
wurden im Jahr 2012 auf jährlich acht Milliarden<br />
Franken geschätzt.<br />
Adipositas wird durch eine übermässige<br />
Kalorienzufuhr und einen geringen<br />
Energiegrundumsatz begünstigt. Dies<br />
führt zu einer parallelen Zunahme von<br />
Adipositas und Typ-2-Diabetes (T2D). Die<br />
metabolische Chirurgie ist eine etablierte<br />
Therapieoption für diese beiden chronischen<br />
Erkrankungen. Die neuesten internationalen<br />
Empfehlungen schlagen deshalb<br />
vor, diese früh in das therapeutische<br />
Angebot bei Patienten mit T2D und Adipositas<br />
zu integrieren.<br />
Konservative versus chirurgische<br />
Therapie<br />
In einem ersten Schritt besteht die Behandlung<br />
von Adipositas und T2D darin,<br />
Massnahmen zu Gunsten einer ausgewogenen<br />
Ernährung und einer regelmässigen<br />
körperlichen Aktivität zu ergreifen.<br />
Bei Diabetespatienten mit Adipositas<br />
konnte jedoch kein signifikanter Unterschied<br />
bezüglich Morbidität und kardiovaskulärer<br />
Mortalität in Zusammenhang<br />
mit grundlegenden Veränderungen des<br />
Lebensstils aufgezeigt werden [1]. Trotz<br />
der neusten und zahlreichen Entwicklungen<br />
im Bereich der pharmakologischen<br />
Therapieoptionen erreichen weniger als<br />
die Hälfte der Patienten die Behandlungsziele,<br />
die eine langfristige Reduktion des<br />
Risikos für mikro- und makrovaskuläre<br />
Komplikationen herbeiführen sollten. Zu<br />
den Schwierigkeiten bei der Erreichung<br />
des Blutzuckerzielwertes kommt hinzu,<br />
dass fast die Hälfte der Patienten weiterhin<br />
Blutdruck- und LDL-Cholesterinwerte<br />
ausserhalb der Zielwerte aufweisen [2].<br />
Unter den zahlreichen Studien, die in<br />
der Literatur zu finden sind, haben wir in<br />
Tabelle 1 die drei wichtigsten zusammengefasst.<br />
Diese zeigen am besten die Unterschiede<br />
bei den erzielten Ergebnissen zwischen<br />
konservativer und chirurgischer<br />
Therapie bezüglich Gewichtsreduktion<br />
und Verbesserung des metabolischen Profils<br />
(Remission T2D, Lipidprofil, systolischer<br />
Blutdruck) [3–5].<br />
Im Jahr 2016 wurde ein von 45 internationalen<br />
Organisationen, darunter die<br />
International Diabetes Federation und die<br />
American Association of Diabetes, genehmigter<br />
Algorithmus vorgestellt. Dessen<br />
Ziel ist es, den optimalen Zeitpunkt für die<br />
Empfehlung oder Durchführung der metabolischen<br />
Chirurgie in der Behandlung<br />
von T2D zu präzisieren [6]. Diese neuen<br />
Richtlinien stellen eine der fundamentalsten<br />
Veränderungen der letzten Jahrzehnte<br />
in der Behandlung dieser Krankheit dar.<br />
Darin wird vorgeschlagen:<br />
• bei Patienten mit T2D und einer Adipositas<br />
Grad I (BMI ≥ 30 kg/m 2 ) im Falle einer<br />
ungenügenden glykämischen Kont-<br />
28<br />
1/20 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
Perspektiven<br />
rolle eine metabolische Operation in Betracht<br />
zu ziehen,<br />
• bei Patienten mit T2D und einer Adipositas<br />
Grad II eine metabolische Operation<br />
vorzuschlagen<br />
• und diese bei allen T2D-Patienten mit einer<br />
Adipositas Grad III zu empfehlen [7].<br />
In der Schweiz legt jedoch die Krankenpflege-Leistungsverordnung<br />
(KLV) die<br />
Untergrenze für eine chirurgische Behandlung<br />
von Patienten mit oder ohne<br />
T2D bei einem BMI von 35 kg/m 2 fest.<br />
Bei den in der Liste aufgeführten Studien<br />
handelt es sich um randomisierte<br />
kontrollierte Studien.<br />
Physiopathologie der<br />
metabolischen Chirurgie<br />
Initial wurde postuliert, dass die wesentliche<br />
Wirkung der metabolischen Chirurgie<br />
auf den Glukosestoffwechsel hauptsächlich<br />
im Gewichtsverlust und der Kalorienreduktion<br />
besteht. In den letzten Jahren<br />
hat man verbesserte Kenntnisse über die<br />
Rolle der vom Verdauungstrakt ausgeschütteten<br />
Hormone gewonnen. Und verstanden,<br />
dass die Reduktion der Insulinresistenz<br />
in Zusammenhang mit dem Gewichtsverlust<br />
bei weitem nicht der einzige<br />
Faktor ist. Die Verbesserung der Glukosehomöostase<br />
wird denn auch in den ersten<br />
Tagen nach einem solchen Eingriff beobachtet,<br />
bevor überhaupt eine signifikante<br />
Gewichtsreduktion festgestellt werden<br />
kann. Die Veränderung der Ausschüttung<br />
von bestimmten Darmhormonen, insbesondere<br />
vom Glucagon-like Peptide 1<br />
(GLP-1) und vom gastroinhibitorischen<br />
Peptid (GIP), spielt also eine wesentliche<br />
Rolle im weiteren Verlauf des Glukosestoffwechsels<br />
nach der metabolischen<br />
Chirurgie [8–10].<br />
Präoperative prädiktive Faktoren<br />
der Remission<br />
Die Remissionsrate des T2D nach metabolischer<br />
Chirurgie beträgt kurz- bis mittelfristig<br />
(12–36 Monate) 50 bis 70 Prozent<br />
[11–12]. Diese Rate sinkt jedoch mit der<br />
Zeit, und es wird berichtet, dass 30 bis 50<br />
Prozent der Patienten von einer längerfristigen<br />
(5 Jahre) Remission des T2D profitieren<br />
können [13–15]. Die Remissionswahrscheinlichkeit<br />
des T2D spielt eine wichtige<br />
Rolle beim Entscheid zur Durchführung<br />
einer metabolischen Operation und muss<br />
daher mit jedem Patienten individuell besprochen<br />
werden. Mehrere präoperative<br />
Charakteristika wirken sich auf die Remissionswahrscheinlichkeit<br />
vom T2D nach<br />
metabolischer Chirurgie aus:<br />
• ein junges Alter zum Zeitpunkt des Eingriffs,<br />
• ein hoher BMI,<br />
• eine kürzere Entwicklungsdauer vom<br />
T2D,<br />
• eine bessere glykämische Kontrolle,<br />
• eine begrenzte Anzahl notwendiger antidiabetischer<br />
Behandlungen,<br />
• die Nichtverwendung von Insulin und<br />
• der C-Peptid-Wert.<br />
Mehrere Scores wurden vorgeschlagen<br />
und können problemlos in der Klinik<br />
angewendet werden. Darunter der Dia-<br />
Rem-Score (Tabelle 2), der vier Variablen<br />
berücksichtigt: das Alter, den HbA1c-Wert,<br />
den Typ der Diabetesbehandlung und die<br />
Verwendung von Insulin ja/nein [16].<br />
Erfolg spricht für sich<br />
Die metabolische Chirurgie hat seit vielen<br />
Jahrzehnten ihre Wirksamkeit bezüglich<br />
Gewichtsreduktion gezeigt. In neuster<br />
Zeit wurde auch ihre wesentliche Wirkung<br />
auf den Stoffwechsel erkannt. Die Operationen,<br />
die ursprünglich mit dem Ziel der Gewichtsreduktion<br />
angeboten wurden, ermöglichen<br />
eine wirksamere Verbesserung<br />
des Glukoseprofils als die medikamentösen<br />
Therapien und die verhaltenstherapeutischen<br />
Ansätze. Ja, sie ermöglichen<br />
sogar eine dauerhafte Remission vom T2D<br />
bei gewissen Patienten. Sie spielt also eine<br />
zunehmend wichtige Rolle im Behandlungsangebot<br />
für den übergewichtigen Patienten,<br />
der auch an Diabetes leidet. Daher<br />
Studie<br />
Remission<br />
vom T2D MC<br />
und MB<br />
Gewichtsreduktion<br />
Triglyzeride<br />
HDL-<br />
Cholesterin<br />
LDL-<br />
Cholesterin<br />
SBP<br />
Follow-up<br />
(Monate)<br />
Ikramuddin<br />
et al. (4)<br />
(HbA1c ≤7%<br />
mit oder ohne<br />
Behandlung)<br />
RYGB: 49%<br />
MB: 19%<br />
RYGB: –26,1%<br />
MB: –7,9%<br />
RYGB:<br />
1,8 mmol/l<br />
MB: 2 mmol/l<br />
RYGB:<br />
1,3 mmol/<br />
MB: 1,1 mmol/l<br />
(Target<br />
Perspektiven<br />
Determinanten<br />
Alter (Jahre)<br />
Perspektiven<br />
Aus der «Therapeutischen Umschau» *<br />
Übersichtsarbeit<br />
Immuntherapie –<br />
Übersicht, Wirkmechanismen, Anwendung<br />
Ruben Bill und Julian Schardt,<br />
Universitätsklinik für Medizinische Onkologie, Inselspital, Bern, Schweiz<br />
Bis vor wenigen Jahren basierten<br />
onkologische Therapieansätze<br />
auf Strategien deren Angriffsziel<br />
unmittelbar die<br />
Krebszelle darstellten. Diese onkologischen<br />
Behandlungen erfolgten mehrheitlich<br />
in Form einer zytotoxischen Chemotherapie,<br />
seit der Jahrtausendwende auch<br />
mit selektiven (Tyrosin-) Kinase-Hemmern,<br />
die durch Blockieren von intrazellulären<br />
Signalwegen das Tumorwachstum<br />
unterbinden sollen. Neue wissenschaftliche<br />
Erkenntnisse über die Tumorentwicklung<br />
und dessen heterogene Zusammensetzung<br />
auf zellulärer Ebene, sowie<br />
aus dem Bereich der Immunologie führten<br />
zur Entwicklung einer neuen Medikamentenklasse,<br />
den Immuncheckpoint-Inhibitoren<br />
(ICI). Vereinfacht lassen sich<br />
Krebserkrankungen als Krankheit von Genen<br />
interpretieren. Die Transforma tion<br />
einer gesunden Körperzelle in eine Krebszelle<br />
erfolgt zunächst durch schrittweise<br />
Akkumulation von genetischen Veränderungen<br />
(Mutationen) die zu Alterationen<br />
von intrazellulären Signalwegen führen,<br />
die das Wachstum, die Zellteilung und<br />
das Überleben einer indivi duellen Zelle<br />
innerhalb eines multizellulären Verbunds<br />
regulieren. Diese Krebszellen entwickeln<br />
* Der Artikel erschien ursprünglich in der<br />
«Therapeutischen Umschau» (2019), 76(4),<br />
187–194. MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-Mitglieder können<br />
die «Therapeutische Umschau» zu äusserst<br />
günstigen Konditionen abonnieren. Details siehe<br />
unter www.hogrefe.ch/downloads/vsao.<br />
sich sowohl genotypisch wie auch phänotypisch<br />
durch Mutation und Selektion<br />
ähnlich eines evolutionären Prozesses<br />
stetig weiter fort um sich immer besser<br />
dem lokalen Milieu anzupassen oder im<br />
weiteren Krankheitsverlauf an entfernten<br />
Körperregionen Metastasen auszubilden.<br />
Neben zellautonomen Eigenschaften einer<br />
Krebszelle wie genetische und epigenetische<br />
Veränderungen spielen während<br />
der Tumorevolution komplexe Interaktionen<br />
der Krebszellen mit den unmittelbar<br />
umliegenden Gewebezellen (nicht-transformierten<br />
Zellen) eine entscheidende<br />
Rolle. Bei diesen nicht-transformierten<br />
Zellen innerhalb eines Tumors handelt es<br />
sich beispielsweise um Bindegewebszellen<br />
(Fibroblasten), blutgefässbildende<br />
Zellen (Endothelzellen) und Zellen des<br />
angeborenen und erworbenen Immunsystems<br />
(z. B. Makrophagen oder T-Lymphozyten)<br />
[1]. Als zukunftsweisende Therapiestrategie<br />
sollte sich die Aktivierung<br />
des körpereigenen Immunsystems gegen<br />
den Tumor erweisen. Eine wachsende<br />
Anzahl neuer Immuntherapeutika, den<br />
sogenannten ICI haben seither die Krebsbehandlung<br />
revolutioniert.<br />
Die erste Zulassung eines Vertreters<br />
dieser neuen Medikamentenklasse erfolgte<br />
2011 durch die amerikanische Food and<br />
Drug Administration (FDA) für Ipilimumab,<br />
einem monoklonalen Antikörper gegen<br />
cytotoxic T-lymphocyte associated protein<br />
4 (CTLA-4) zur Behandlung des metastasierten<br />
Melanoms. Spätestens seit<br />
der Verleihung des Nobelpreises für Physiologie<br />
und Medizin 2018 an den Amerikaner<br />
James Allison und den Japaner Tasuku<br />
Honjo für die Erforschung der Immunecheckpoints,<br />
die damit die naturwissenschaftliche<br />
Grundlage für Substanzen<br />
wie Ipilimumab legten, ist der Begriff der<br />
Immuntherapie einer breiten Öffentlichkeit<br />
bekannt. Die verschiedenen therapeutischen<br />
Ansätze, wie das körpereigene<br />
Immunsystem zur Bekämpfung der Krebszellen<br />
genutzt werden kann, lassen sich in<br />
drei Kategorien einteilen:<br />
1. ICI, monoklonale Antikörper, die durch<br />
die Hemmung von spezifischen Liganden-Rezeptor<br />
Interaktionen (Immunecheckpoints)<br />
eine Immunantwort gegen<br />
den Tumor auslösen können [2].<br />
2. Transfer autologer (körpereigener) T<br />
Lymphozyten: Einerseits gehören hierzu<br />
die sogenannten chimeric antigen<br />
receptor (CAR)-T Zellen, welche autologe<br />
und ex vivo gentechnologisch mit einem<br />
definierten Antigen Rezeptor<br />
transfizierte T Lymphozyten darstellen.<br />
Andererseits können Tumor-infiltrierende<br />
T Zellen (TILs) beispielsweise aus<br />
einer chirurgisch entfernten Metastase<br />
ex vivo expandiert und anschliessend<br />
demselben Patienten, dem die Metastase<br />
entfernt wurde, re-infundiert werden<br />
[3].<br />
3. Impfungen gegen bereits bestehende<br />
Tumore mit dem Ziel, zytotoxische T<br />
Lymphozyten gegen Tumor-spezifische<br />
Antigene zu stimulieren [4].<br />
Die Behandlungen mit CAR-T Zellen,<br />
Tumor infiltrierenden Lymphozyten<br />
(TILs) oder Krebs-Impfungen erfolgt aktuell<br />
nur an hochspezialisierten Zentren<br />
und zumeist im Rahmen von kontrollierten<br />
klinischen Studien. In dem vorliegenden<br />
Artikel möchten wir daher primär auf<br />
die ICI näher eingehen und Grundzüge der<br />
Wirkmechanismen, sowie die klinischen<br />
Implikationen weiter aus führen.<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 1/20 31
Perspektiven<br />
Wie funktionieren<br />
Immuncheckpoint-Inhibitoren?<br />
Wie einleitend erwähnt, entstehen Krebserkrankungen<br />
durch eine schrittweise Akkumulation<br />
von genetischen Veränderungen<br />
(Mutationen). Mit jeder dieser Veränderungen<br />
entfernt sich eine Krebszelle<br />
genotypisch und phänotypisch weiter von<br />
einer normalen Körperzelle. Prinzipiell<br />
kann eine solche Mutation in jedem beliebigen<br />
Gen auftreten welches dann die Matrize<br />
für ein verändertes Protein in der Zelle<br />
liefert. Damit steigt die Chance, dass<br />
Krebszellen vom körpereigenen Immunsystem<br />
als fremd erkannt und aus dem<br />
Körper eliminiert werden. Wir gehen aktuell<br />
davon aus, dass eine erfolgreiche Anti-Tumor<br />
Immunantwort auf das Erkennen<br />
von mindestens drei verschiedenen<br />
Antigen-Klassen beruht:<br />
1. Sogenannte cancer-testis Antigene, welche<br />
normalerweise nur in Spermatozyten<br />
und während der Embryogenese<br />
auftreten, aber im Rahmen der De-<br />
Differen zierung auch von Krebszellen<br />
exprimiert werden können (z. B. NY-<br />
ESO-1).<br />
2. Differenzierungs-Antigene, welche nur<br />
in geringen Mengen in normalen Körperzellen<br />
vorkommen, jedoch in den<br />
korrespondierenden entarteten Krebszellen<br />
um ein Vielfaches exprimiert<br />
werden (z. B. Tyrosinase).<br />
3. Die wahrscheinlich relevanteste Klasse,<br />
die während der Krebsentwicklung neu<br />
entstehenden Antigene auf dem Boden<br />
von Mutationen [5].<br />
In diesem Zusammenhang suggerieren<br />
erste Daten aus klinischen Studien, dass<br />
die rein numerische Anzahl an Mutationen<br />
in einem Tumor mit dem Ansprechen<br />
auf ICI korreliert und damit als prädiktiver<br />
Marker für diese neuen Therapeutika<br />
genützt werden könnte: Die Dichte dieser<br />
Mutationen wird als tumor-mutational<br />
burden (TMB) in Anzahl Mutationen pro<br />
Megabase angegeben. Je höher die TMB,<br />
desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit<br />
für neu entstandene Antigene und damit<br />
die Möglichkeit, dass T-Lymphozyten<br />
spezifisch gegen diese Antigene eine effiziente<br />
Anti-Tumor Immunantwort auslösen<br />
können [6]. Diese Theorie wird durch<br />
Beobachtungen aus klinischen Studien<br />
unterstützt, in welchen Tumor-Entitäten<br />
mit einer durchschnittlich hohen TMB<br />
wie maligne Melanome, nicht-kleinzellige<br />
Bronchuskarzinome oder auch Blasenkarzinome<br />
besser auf ICI ansprechen als<br />
Tumoren am anderen Ende des Spekt-<br />
rums mit geringerer Muta tionslast wie<br />
Weichteil- und Knochentumoren, oder<br />
das Prostatakarzinom, für die sich eine<br />
breitere Anwendung mit ICI bisher nicht<br />
etablieren konnte [7]. Innerhalb der bis<br />
dato weniger immunogenen Tumorentitäten,<br />
finden sich aber auch Subtypen mit<br />
besonders hoher TMB, welche ebenfalls<br />
ein gutes Ansprechen auf ICI zeigen: Als<br />
prominenteste Vertreter gehören hierzu<br />
sogenannte Mikro satelliten-instabile Tumore<br />
mit einem Verlust der DNA-Reparaturproteine<br />
wie MLH1, MSH2, MSH6 oder<br />
PMS2 was eine verminderte Reparaturfähigkeit<br />
von DNA-Schäden verursacht und<br />
zu einer ausgesprochen hohen TMB der<br />
betroffenen Tumorzellen führt [8]. Basierend<br />
auf diesen Erkenntnissen hat 2017<br />
die amerikanische Gesundheitsbehörde<br />
FDA den ICI Pembrolizumab für alle soliden<br />
Tumore mit einer Mikrosatelliten-Instabilität<br />
zugelassen. Erstmals erfolgte<br />
hier die Zulassung unabhängig von einer<br />
spezifischen Tumorentität («Tumor agnostisch»),<br />
sondern rein auf Basis einer<br />
genetischen Eigenschaft (Mikrosatelliten-Instabilität)<br />
des Tumors. Exemplarisch<br />
für den prädiktiven Wert einer hohen<br />
Muta tionsrate bei Tumoren mit Mikrosatelliten-Instabilität<br />
sind die klinischen<br />
Daten für das Kolonkarzinoms:<br />
Während beim metastasierten Kolonkarzinom<br />
ohne Mikrosatelliten- Instabilität<br />
ICI unwirksam sind (objektive Ansprechraten<br />
bei 0 %), zeigen die Mikrosatelliten-Instabilen<br />
Kolonkar zinome Ansprechraten<br />
von rund 40 % [9, 10]. Dieses<br />
Beispiel zeigt aber auch, dass eine hohe<br />
Mutationsrate per se keine Garantie auf<br />
ein Ansprechen der Behandlung mit ICI<br />
darstellt. Andere prädiktive Biomarker<br />
wie z. B. die immunhistochemische Bestimmung<br />
von PD-L1 auf Tumorzellen<br />
und / oder tumorinfiltrierenden Immunzellen,<br />
die Quantifizierung und Lokalisation<br />
tumorinfiltrierender CD8 + T-Lymphozyten,<br />
oder auch der Nachweis einer<br />
spezifischen Gen-Expressions-Signatur<br />
am Tumorgewebe (Interferon-Gamma-Signatur)<br />
können mit einem Ansprechen<br />
korrelieren, das Fehlen dieser dynamischen<br />
Biomarker schliesst aber ein Ansprechen<br />
im Einzelfall nicht aus. Die inhärente<br />
Komplexität einer Immunantwort<br />
sowie der Tumorbiologie werden<br />
vielmehr einen holistischeren Ansatz als<br />
die Bestimmung eines einzelnen analytischen<br />
Markers benötigen, um diejenigen<br />
Patienten genauer zu definieren, die von<br />
einer ICI-Behandlung am ehesten profitieren<br />
werden [11].<br />
Tumorspezifische T-Lymphozyten<br />
und ihre Aktivierung<br />
Als Effektor-Zellen einer erfolgreichen<br />
anti-Tumor-Immunantwort im Rahmen<br />
einer Behandlung mit ICI werden die zytotoxischen<br />
CD8 + T-Lymphozyten angesehen<br />
– Vertreter des körpereigenen, erworbenen<br />
(adaptiven) Immunsystems.<br />
Daneben werden den CD4 + T Helfer-Lymphozyten<br />
eine wichtige Rolle in der Sekretion<br />
von Zytokinen zugeschrieben, die<br />
einerseits einer effizienten CD8 + T-Lymphozyten<br />
Funktionalität dienen und andererseits<br />
eine Optimierung des intratumoralen<br />
Gefäss systems ermöglichen, so<br />
dass die Einwanderung der zytotoxischen<br />
T-Lymphozyten in den Tumor erleichtert<br />
wird [5, 12].<br />
Wesentlich für unser funktionierendes<br />
Immunsystem ist die Unterscheidung<br />
zwischen «selbst» (Toleranz gegenüber<br />
dem eigenen Gewebe) und «fremd» (gegenüber<br />
Pathogenen). Dies ist ein einfaches<br />
Konzept, welches aber äusserst<br />
komplex in der Regulation ist, vor allem<br />
hinsichtlich der T-Zell Aktivierung, die<br />
dabei eine Schlüsselrolle einnimmt: Eine<br />
zentrale Rolle im Prozess der CD8 +<br />
T-Zell- Aktivierung spielt die Bindung des<br />
auf der Ober fläche der T-Zellen lokalisierten<br />
T-Zell-Rezeptors an ein Antigen / Tumorantigen,<br />
welches über den MHC-I-<br />
Komplex auf der Oberfläche einer spezialisierten,<br />
Antigen- präsentierenden Zelle<br />
(APZ) präsentiert wird. Die Balance zwischen<br />
co-stimulierenden (z. B. Cluster of<br />
Differentiation (CD28)) und co-inhibierenden<br />
Rezeptoren (z. B. CTLA-4 oder programmed<br />
cell death protein 1 (PD-1) / programmed<br />
cell death protein ligand 1<br />
(PD-L1)) auf der Oberfläche der T-Zellen,<br />
sogenannte Immuncheckpoints, bestimmen<br />
in der Folge, ob die T-Zelle aktiviert<br />
wird oder inaktiv (anerg) verbleibt. Diese<br />
Mechanismen können sich auch Tumorzellen<br />
zu Nutze machen, um der Zell-vermittelten<br />
Immunantwort zu entgehen<br />
(Abbildung 1A und 1C).<br />
In der onkologischen Routine werden<br />
bis dato nur blockierende Antikörper gegen<br />
zwei dieser physiologisch inhibierenden<br />
Immuncheckpoints eingesetzt: zum<br />
einen gegen CTLA-4, zum anderen gegen<br />
die PD-1 / PD-L1-Achse (Abbildung 1B und<br />
1D). Es wird in diesem Falle eine Aktivierung<br />
der T-Zellen durch Blockierung von<br />
inhibitorischen Signalen erzielt. Im Folgenden<br />
sollen die bisher therapeutisch<br />
genutzten Zielmoleküle und deren klinische<br />
Anwendung näher beschrieben werden.<br />
32<br />
1/20 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
Perspektiven<br />
Cytotoxic T-lymphocyte associated<br />
antigen 4 (CTLA-4)<br />
Grundsätzlich wird davon ausgegangen,<br />
dass die Blockierung von CTLA-4 eine wesentliche<br />
Rolle während des primings, der<br />
ersten Phase der Aktivierung Antigen-spezifischer,<br />
naiver T-Lymphozyten spielt.<br />
Dieser Schritt erfolgt in der Regel in den<br />
regionären, Tumor-drainierenden<br />
Lymphknoten [2, 5].<br />
Sobald der für ein (Tumor-)Antigen<br />
spezifische T-Zell Rezeptor eines T-Lymphozyten<br />
einen stabilen Kontakt mit dem<br />
Antigen-MHC-Komplex einer APZ etabliert<br />
hat, wird über den T-Zell-Rezeptor<br />
eine aktivierende intrazelluläre Signalkaskade<br />
ausgelöst. Nach diesem ersten Aktivierungsschritt<br />
wird der inhibitorische<br />
Rezeptor CTLA-4 auf den aktivierten<br />
T-Lymphozyten hochreguliert. Dabei<br />
greift CTLA-4 nicht direkt in die Bindung<br />
des Antigen-MHC-T-Zell-Rezeptors ein,<br />
sondern hemmt die weitere T-Zell-Aktivierung<br />
via Kompetition mit dem co-stimulierenden<br />
Molekül CD28. CD28 ist<br />
ebenfalls ein Rezeptor auf der Oberfläche<br />
von T-Lymphozyten und sendet ein aktivierendes<br />
(co-stimulierendes) Signal an<br />
die T-Zellen wenn eine Bindung von CD28<br />
an einen der B7 Liganden B7 – 1 (CD80)<br />
und / oder B7 – 2 (CD86) erfolgt. CTLA-4<br />
besitzt eine deutlich höhere Affinität für<br />
die B7-Liganden als CD28 und verhindert<br />
so eine überschiessende T-Lymphozyten-Aktivierung<br />
(Abbildung 1A). Physiologisch<br />
übernimmt CTLA-4 eine tragende<br />
Rolle in der Kontrolle der Lymphozyten-Proliferation<br />
und der Wahrung der peripheren<br />
immunologischen Toleranz gegenüber<br />
«Selbst-Antigenen». Durch die<br />
Bindung des Antikörpers Ipilimumab an<br />
CTLA-4 wird seine Bindung an die B7-Liganden<br />
blockiert, was zu einer ungehinderten<br />
Co-Stimulation via CD28, einer<br />
Verstärkung der Signalkaskaden vom<br />
T-Zell-Rezeptor und damit zu einer erleichterten<br />
T-Lymphozyten-Aktivierung<br />
und -Expansion führt (Abbildung 1B) [13].<br />
Programmed cell death protein 1<br />
(PD-1) / Programmed cell death<br />
protein ligand 1 (PD-L1)<br />
Im Gegensatz zu CTLA-4, dessen primäre<br />
Funktion in den ersten Schritten der<br />
T-Zell-Aktivierung liegt, spielt die PD-<br />
1 / PD-L1 Signalachse vor allem im Zielgewebe<br />
der Immunantwort eine zentrale<br />
Rolle bei der Erhaltung der peripheren<br />
Toleranz. Der PD-1-Rezeptor wird vornehmlich<br />
auf aktivierten B- und T-Lymphozyten<br />
exprimiert [14]. Die Expression<br />
Abbildung 1<br />
der Liganden für den PD-1-Rezeptor,<br />
PD-L1 und PD-L2, werden auf einer Vielzahl<br />
von Zelltypen wie Tumorzellen oder<br />
Zellen des Immunsystems exprimiert<br />
und sind auf der Zelloberfläche durch Zytokine<br />
wie Interferon-γ (IFN-γ) induzierbar.<br />
Die physiologische Rolle von PD-1<br />
liegt in der Verhinderung einer prolongierten<br />
Immunantwort bei einer chronischen<br />
Stimulation durch ein Antigen. In<br />
Bezug auf die Tumor-Immunologie geht<br />
man davon aus, dass durch die Expression<br />
von PD-L1 auf der Oberfläche von<br />
Tumorzellen oder auch tumorinfiltrierenden<br />
Immunzellen, diese sich vor den<br />
angreifenden Tumor-spezifischen zytotoxischen<br />
CD8 + T-Lymphozyten schützen<br />
und durch Signalübermittlung via<br />
PD-1, die T-Lymphozyten in einen «schlafenden»<br />
Zustand versetzt werden (Abbildung<br />
1C) [15]. Da im Quervergleich von<br />
klinischen Studien mono klonale Antikörper<br />
gegen PD-1 (z. B. Nivolumab, Pembrolizumab<br />
und Cemiplimab) und gegen<br />
PD-L1 (z.Bsp. Atezolizumab, Durvalumab<br />
und Avelumab) vergleichbare Resultate<br />
erzielten, scheint der zweite Ligand für<br />
PD-1, PD-L2 im Zusammenhang mit Immuntherapien<br />
nur eine untergeordnete<br />
Rolle zu spielen [2]. Die Blockierung von<br />
PD-1 oder auch PD-L1 durch monoklonale<br />
Antikörper verhindert die Inaktivierung<br />
von zuvor in den regionären Lymphknoten<br />
geprimten, tumorspezifischen<br />
T-Lymphozyten im Tumorgewebe (Abbildung<br />
1D).<br />
Immuncheckpoint-Inhibitoren<br />
im klinischen Alltag<br />
Seit der Zulassung des ersten ICI Ipilimumab<br />
für die Behandlung von Patienten mit<br />
metastasiertem Melanom, hat sich die Behandlungslandschaft<br />
in der Onkologie rasant<br />
verändert [16]. Wissenschaftliche Innovation<br />
gepaart mit einer wachsenden<br />
wirtschaftlichen Bedeutung für die pharmazeutische<br />
Industrie führte zu einer<br />
Vielzahl von klinischen Zulassungsstudien<br />
mit unterschiedlichen Antikörpern,<br />
insbesondere zur Blockierung der PD-<br />
1 / PD-L1 Achse, die ein besseres Wirkungsund<br />
günstigeres Nebenwirkungsprofil als<br />
die anti-CTLA-4 Antikörper in der Monotherapie<br />
aufweisen. In der Folge werden<br />
wir einige ausgewählte Tumor-Entitäten<br />
in denen ICI mit Erfolg eingesetzt werden<br />
näher ausführen. In der Übersichts-Tabelle<br />
1 sind die onkologischen Indikationen<br />
und die dafür in der Schweiz und / oder<br />
Europa zugelassenen therapeutischen<br />
Antikörper aufgeführt.<br />
Malignes Melanom<br />
Durch den Einsatz von Ipilimumab konnte<br />
erstmals ein Langzeitüberleben (> 3 Jahre)<br />
für mehr als 20 % der behandelten Patien<br />
ten mit metastasiertem Melanom erzielt<br />
werden, einer Erkrankung, für die in<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 1/20 33
Perspektiven<br />
Indikation<br />
Malignes Melanom<br />
Bronchialkarzinom (NSCLC)<br />
Nierenzellkarzinom<br />
Hodgkin Lymphom<br />
Plattenepithelkarzinom<br />
Kopf-Hals-Bereich<br />
Kolorektales Karzinom *<br />
Urothelkarzinom<br />
Adenokarzinom Magen /<br />
gastroösophagealer Übergang<br />
Mekelzell-Karzinom<br />
den Dekaden zuvor mit chemotherapeutischer<br />
Behandlung die mittlere Lebenserwartung<br />
bei gerade einmal 9 Monaten lag<br />
[17]. Als Monotherapie erwiesen sich in der<br />
Folge die anti-PD-1 Antikörper Nivolumab<br />
oder Pembrolizumab wirksamer als Ipilimumab<br />
mit einem 5-Jahres Überleben<br />
von bis dato 35 % [18 – 20]. Die duale Immuncheckpoint-Blockade<br />
mit einer Kombination<br />
von Ipilimumab und Nivolumab<br />
(CheckMate 067 Studie) zeigte die bisher<br />
besten Überlebensdaten mit einem 4-Jahres-Gesamtüberleben<br />
von 53 %, dies allerdings<br />
auf Kosten von deutlich vermehrt<br />
auftretenden und zum Teil schweren, immunvermittelten<br />
Nebenwirkungen im<br />
Vergleich zu einer Monotherapie [21, 22].<br />
Nach den klinischen Erfolgen im metastasierten<br />
Stadium zeigten die Monotherapien<br />
mit Nivolumab oder Pembrolizumab<br />
auch in der adjuvanten Behandlung von<br />
Hoch-Risiko-Melanomen (positiver Sentinel-Lymphknoten)<br />
eine deutliche Verbesserung<br />
in der Rezidivfreiheit der betroffenen<br />
Patienten: So erhöht eine 12-Monatige<br />
Behandlung mit Nivolumab im Vergleich<br />
zu einer Behandlung mit Ipilimumab das<br />
rezidivfreie Überleben von 60.8 % (Ipilimumab)<br />
auf 70.5 %. Die Behandlung mit<br />
34<br />
Wirkstoff<br />
Nivolumab<br />
Ipilimumab<br />
Ipilimumab / Nivolumab<br />
Pembrolizumab<br />
Nivolumab<br />
Pembrolizumab<br />
Atezolizumab<br />
Durvalumab<br />
Ipilimumab / Nivolumab<br />
Nivolumab<br />
Nivolumab<br />
Pembrolizumab<br />
Nivolumab<br />
Pembrolizumab<br />
Nivolumab<br />
Nivolumab<br />
Pembrolizumab<br />
Atezolizumab<br />
Nivolumab<br />
Avelumab<br />
Tabelle 1. Indikatoren<br />
*<br />
mit defizienter DNA-Mismatch-Reparatur oder hoher Mikrosatelliten-Instabilität<br />
Pembrolizumab verbessert das rezidivfreie<br />
Überleben nach einem Jahr von<br />
61.0 % (Placebo) auf 75.4 % [23, 24].<br />
Nicht-kleinzelliges und kleinzelliges<br />
Bronchuskarzinom<br />
Neben dem malignen Melanom steht das<br />
primäre Bronchialkarzinom ähnlich stark<br />
im Fokus von klinischen Studien mit therapeutischen<br />
Antikörpern gegen die PD-1 /<br />
PD-L1-Achse. Zunächst wurde dieser Therapieansatz<br />
beim metastasierten Nichtkleinzelligen<br />
Bronchuskarzinom (NSCLC)<br />
in der zweiten Therapie-Linie, nach Versagen<br />
einer vorhergehenden zytotoxischen<br />
Chemotherapie zu gelassen. Aktuelle, klinische<br />
Studien zeigen indes auch Erfolge<br />
der anti-PD-1-Blockierung in der Ersten<br />
Therapie-Linie. So ist eine Kombination<br />
des anti-PD-1-Antikörpers Pembrolizumab<br />
mit Carboplatin und Pemetrexed (NSCLC<br />
Typ Adenokarzinom) oder Paclitaxel<br />
(NSCLC Typ Plattenepithelkarzinom) einer<br />
alleinigen Chemotherapie mit einem<br />
verbesserten Gesamtüberleben der Patienten<br />
verbunden: 69.2 % vs. 49.4 % nach 12<br />
Monaten für Adenokarzinome und 15.9<br />
Monate vs. 11.3 Monate medianes Gesamtüberleben<br />
für Plattenepithelkarzinome<br />
der Lunge [25, 26]. Als ausgesprochen<br />
wirksam stellte sich die alleinige Behandlung<br />
mit Pembrolizumab für Lungenkarzinome<br />
mit einer PD-L1 Expression<br />
von ≥ 50 % der Tumorzellen heraus (ca.<br />
25 % der fortgeschrittenen Bronchialkarzinome):<br />
Die Ansprechraten lagen in der<br />
Studie bei rund 45 % vs. 28 % unter alleiniger<br />
Chemotherapie und führten zu einem<br />
deutlich verbesserten Überleben (medianes<br />
Gesamtüberleben 30.5 Monate vs. 14.2<br />
Monate) bei gleichzeitg besserer Verträglichkeit<br />
der Immuntherapie [27]. Für Patienten<br />
mit einem nicht-resezierbaren lokal<br />
fortgeschrittenen (Stadium III) Bronchuskarzinom,<br />
das unter einer kombinierten<br />
Radiochemotherapie nicht progredient<br />
war, zeigte die konsolidierende Weiterbehandlung<br />
mit dem anti-PD-L1 Antiköper<br />
Durvalumab für insgesamt 12 Monate eine<br />
deutliche Verbesserung des progressionsfreien<br />
Überlebens (PACIFIC-Studie) [28].<br />
Auch beim kleinzelligen Bronchuskarzinom<br />
im bereits fortgeschrittenen Stadium<br />
(extensive disease) hat in der ersten Therapielinie<br />
die Zugabe des anti-PD-L1-Antikörpers<br />
Atezolizumab zu einer Standard-Chemotherapie<br />
mit Carboplatin und<br />
Etoposid einen moderaten wenn auch signifikanten<br />
Überlebensvorteil gegenüber<br />
einer alleinigen Chemotherapie mit Carboplatin<br />
/ Etoposid gezeigt (medianes Gesamtüberleben<br />
12.3 vs. 10.3 Monaten) und<br />
wird seither im klinischen Alltag eingesetzt<br />
(IMpower 133 Studie) [29].<br />
Urogenitale Tumore<br />
Innerhalb dieser Familie von Tumoren<br />
sind es vor allem Patienten mit klarzelligem<br />
Nierenzellkarzinom und Patienten<br />
mit urothelialen Karzinomen, die von einer<br />
Immuntherapie mit ICI profitieren<br />
können. Metastasierte Nierenzellkarzinome<br />
weisen einen sehr heterogenen Krankheitsverlauf<br />
auf mit einem medianen<br />
Überleben zwischen 7.5 Monaten (poor<br />
risk) und 43 Monaten ( favorable risk) je<br />
nach Risikostratifizierung (Heng-Score)<br />
[30]. In Patienten mit einem günstigen<br />
Risikoprofil (good risk) wurden bisher primär<br />
anti-angiogene Tyrosinkinase-Hemmer<br />
wie Sunitinib oder Pazopanib eingesetzt.<br />
Bei intermediärer oder bei ungünstigem<br />
Risikoprofil hat jedoch die ICI-<br />
Kombination Ipiliumumab / Nivolumab<br />
eine höhere Ansprechrate (41 % vs. 34 %),<br />
und ein verlängertes Gesamtüberleben<br />
(64 % vs. 56 % nach 30 Beobachtungsmonaten)<br />
gegenüber der Monotherapie mit<br />
Sunitinib gezeigt (CheckMate 214 Studie)<br />
[31]. Ähnliche Ansprechraten wie für Ipili-<br />
1/20 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
Perspektiven<br />
mumab / Nivolumab fanden sich auch für<br />
die Kombination des anti-PD-L1 Antikörpers<br />
Avelumab in Kombination mit dem<br />
anti-angiogenen Tyrosinkinase-Hemmer<br />
Axitinib (JAVELIN Renal 101 Studie) verbunden<br />
mit einem signifikant verlängerten<br />
progressionsferien Überleben im Vergleich<br />
zu einer Behandlung mit Sunitinib<br />
(13.8 Monate vs. 8.4 Monate) über alle Risikogruppen<br />
hinweg [32]. Die Kombination<br />
von Axitinib mit Pembrolizumab wurde<br />
ebenfalls in einer aktuellen Phase III Studie<br />
untersucht (Keynote-426 Studie) und<br />
zeigte neben hohe Ansprechraten unter<br />
der Kombinationsbehandlung (59 % vs.<br />
35 %) ein signifikant verbessertes Gesamtüberleben<br />
der Patienten (Gesamtüberleben<br />
nach 18 Beobachtungsmonaten<br />
82 % vs. 72 %) gegenüber der Behandlung<br />
mit dem Tyrosinkinase-Hemmer Sunitinib<br />
[33]. Für fortgeschrittene / metastasierte<br />
Urothelkarzinome der Blase hat<br />
sich nach Versagen einer Erstlinien-Behandlung<br />
mit einer platinhaltigen Chemotherapie<br />
die Therapie mit einem ICI<br />
etabliert, der die PD-1 / PD-L1 Achse blockiert.<br />
Hierbei zeigen sich zwar nur moderate<br />
Ansprechraten (rund 20 %), doch für<br />
etwa 2/3 der Patienten mit einem Tumoransprechen<br />
können langfristige Remissionen<br />
erzielt werden [34 – 36]. Neuere klinische<br />
Entwicklungen untersuchen den<br />
Einsatz einer dualen ICI (anti-PD-L1 / anti-CTLA-4,<br />
anti-PD-18 / anti-CTLA-4) im<br />
metastasierten Krankheitsstadium<br />
(CheckMate 901 Studie, DANUBE Studie),<br />
sowie im neoadjuvanten Setting (präoperativ)<br />
den Einsatz von ICI als Monotherapie<br />
(ABACUS-, oder PURE-01-Studie), in<br />
Kombination mit einer platinhaltigen<br />
Chemotherapie (SAKK 06 / 17-Studie) oder<br />
als duale immune-checkpoint-Blockade<br />
(NITIMIB-Studie).<br />
Gastrointestinale Tumore<br />
In der Behandlung von Malignomen des<br />
Gastrointestinaltraktes erwiesen sich Immuntherapien<br />
bisher als wenig wirksam.<br />
Eine Nivolumab Behandlung des metastasierten<br />
Adenokarzinoms des Magens<br />
und des gastro-ösophagealen Übergangs<br />
bei Patienten die schon zumindest zwei<br />
Vortherapien hatten, zeigte bescheidene<br />
Ansprechraten von 11 % und verlängerte<br />
das Mediane Überleben von 4.1 Monaten<br />
(mit Placebo behandelte Patienten) auf 5.3<br />
Monate [37]. Ein kleiner jedoch signifikanter<br />
Überlebensvorteil wurde zudem kürzlich<br />
durch die Behandlung mit Pembrolizumab<br />
von Patienten mit vorbehandelten<br />
Ösphaguskarzinomen mit einer hohen<br />
Zusammenfassung<br />
Die Entwicklung von neuen Immuntherapien hat die Behandlungskonzepte von unterschiedlichen<br />
Krebsarten aus der Reihe der soliden Tumoren bis hin zu hämatologischen<br />
Krebserkrankungen in den letzten Jahren revolutioniert. Dabei werden in der<br />
klinischen Routine vor allem sogenannte Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) eingesetzt.<br />
Immuncheckpoints wie CTLA-4 oder die PD-1 / PD-L1 Achse spielen eine wesentliche<br />
Rolle in der Regulation der T-Zell Aktivierung und dienen im physiologischen<br />
Kontext der Verhinderung einer überschiessenden Immunantwort während der Abwehr<br />
eines Pathogens oder der Aufrechterhaltung der immunologischen Toleranz zur<br />
Vermeidung von Autoimmun-Erkrankungen. Allerdings sind dieselben Mechanismen<br />
auch massgeblich an der Verhinderung einer effizienten Anti-Tumor Immunantwort<br />
beteiligt. Antikörper, die eine Rezeptor-Liganden Interaktion von CTLA-4, PD-1 oder<br />
PD-L1 blockieren, erzielen bei einer Vielzahl unterschiedlicher Tumorentitäten wie<br />
zum Beispiel dem malignen Melanom, Bronchialkarzinomen oder den Hodgkin-Lymphomen<br />
gute Ansprechraten, die für einen Teil der Patienten mit Langzeitremissionen<br />
verbunden sein können. Mit rascher Geschwindigkeit werden aktuell die Indikationen<br />
für Immuntherapien erweitert und Kombinationstherapien von ICI mit anderen Therapiestrategien<br />
wie gefässmodulierenden Substanzen, klassischen Chemotherapien oder<br />
lokalen Therapien (z. B. Intratumorale Injektion von onkolytischen Viren) in klinischen<br />
Studien getestet. Im folgenden Artikel sollen Grundzüge der Wirkungsmechanismen<br />
von ICI näher erläutert und in den Kontext mit den wichtigsten Therapieindikationen<br />
im klinischen Alltag gestellt werden.<br />
Abstract<br />
PD-L1 Expression gezeigt [38]. Vergleichsweise<br />
hohe Ansprechraten werden bei Mikrosatelliten-Instabilen,<br />
metastasierten<br />
kolorektalen Karzinomen unter einer Behandlung<br />
mit Nivolumab entweder als<br />
Monotherapie oder in Kombination mit<br />
Ipilimumab beobachtet (bis zu 40 % Ansprechrate)<br />
[39, 40]. In der Behandlung<br />
des fortgeschrittenen oder metastasierten<br />
Hepatozellulären Karzinoms spielen Therapien<br />
gegen die PD-1 / PD-L1 Achse bereits<br />
heute eine zentrale Rolle für Patienten,<br />
die bereits mit dem Tyrosinkinase-Inhibitor<br />
Sorafenib vorbehandelt wurden:<br />
Nivolumab (CheckMate 040 Studie) und<br />
Pembrolizumab (Keynote-224 Studie) erzielten<br />
Ansprechraten von rund 20 %. Etwa<br />
⅔ der Patienten mit einem dokumentierten<br />
Tumoransprechen zeigten Remissionen<br />
von mindestens 9 Monaten [41, 42].<br />
Diverse Tumorentitäten<br />
Eine der höchsten Ansprechraten erzielen<br />
ICI jedoch interessanterweise beim Hodgkin<br />
Lymphom. Dem zugrunde liegt eine<br />
genetische Veränderung der Hodgkin Zellen<br />
(Amplifikation eines DNA-Segmentes<br />
auf dem kurzen Arm von Chromosom 9,<br />
9p24.1), was zu einer vermehrten Expression<br />
von PD-L1 und PD-L2 auf T-Lymphozyten<br />
führt, den Liganden des PD-1 Rezeptors<br />
[43]. Da es eine Mehrzahl von kurativ<br />
Immunotherapies – Overview, mode of action and clinical implications<br />
The introduction of immunotherapies has led to major advances in the treatment of<br />
cancer patients. The mainstays of immunotherapies in clinical routine are immune<br />
checkpoint inhibitors. Immune checkpoints like CTLA-4 or the PD-1 / PD-L1 axis are<br />
important contributors to the immune homeostasis by preventing overshooting immune<br />
responses against pathogens and thus preventing collateral damage to normal<br />
tissue, or by preventing autoimmunity. However, immune checkpoints can impede the<br />
development of an efficient anti-tumor immune response. Thus, therapeutic monoclonal<br />
antibodies against CTLA-4 and PD-1 or PD-L1 displayed remarkable clinical activity<br />
such as complete sustained clinical remission even in patients bearing multiple metastases.<br />
Malignant melanoma, non-small cell lung cancer or Hodgkin’s lymphoma are<br />
examples of cancer entities with especially well clinical responses to immune checkpoint<br />
inhibitors. This fast-developing field is rapidly expanding the indications for<br />
immune checkpoint inhibitors and combinations with other therapeutic strategies like<br />
vessel-modulating agents or classical chemotherapy are in preclinical and clinical<br />
testing. In this article, the mechanistic principles of immune checkpoint inhibition and<br />
their clinical applications are illustrated.<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 1/20 35
Perspektiven<br />
intendierten Chemotherapie-Schemata<br />
gibt, wird Nivolumab bei dieser Erkrankung<br />
dennoch selten eingesetzt. Nivolumab<br />
als Behandlung eines zweiten Rezidivs<br />
(nach autologer Stammzelltransplantation)<br />
und damit bei intensiv vorbehandelten<br />
Patienten, erreichte in der<br />
entsprechenden Phase II Studie (Check-<br />
Mate 205) eine Ansprechrate von 69 % mit<br />
einer medianen Zeit des Ansprechens von<br />
über 16 Monaten und einem 2-Jahresüberleben<br />
von 85 % der behandelten Patienten<br />
[44]. In der Erstlinien-Behandlung des<br />
fortgeschrittenen Plattenepithelkarzinoms<br />
im Kopf-Hals-Bereich zeigte sich für<br />
Pembrolizumab gegenüber einer Standardbehandlung<br />
mit 5-FU / Cisplatin oder<br />
Carboplatin / Cetuximab ein signifikant<br />
verbessertes Gesamtüberleben (14.9 Monate<br />
vs. 10.7 Monate) für Patienten mit einem<br />
kombinierten PD-L1-Score von >20<br />
[45]. Für Platin-vorbehandelte Patienten<br />
mit rezidiviertem Plattenepithelkarzinom<br />
der Kopf-Halsregion zeigte sich sowohl für<br />
Nivolumab (CheckMate 141 Studie) als<br />
auch für Pembrolizumab (Keynote-040<br />
Studie) ein signifikant verbessertes Gesamtüberleben<br />
7.7 Monaten vs. 5.1 Monate<br />
und 8.4 Monate vs. 6.9 Monate respektive<br />
gegenüber einer konventionellen Chemotherapie<br />
oder Cetuximab [46, 47]. Für metastasierte<br />
Plattenepithelkarzinome der<br />
Haut steht mit dem anti-PD-1 Antikörper<br />
Cemiplimab eine neue Therapiemöglichkeit<br />
mit hohen Ansprechraten (ca. 50 %)<br />
zur Verfügung [48]. Gute Erfolge werden<br />
für behandlungsnaive Patienten mit lokal<br />
fortgeschrittenem oder metastasierten<br />
Merkelzellkarzinom unter einer Behandlung<br />
mit dem anti-PD-1-Antikörper Pembrolizumab<br />
beobachtet: 56 % der Patienten<br />
zeigten ein Tumoransprechen und<br />
mehr als die Hälfte dieser Patienten hatten<br />
in der Folge Remissionen von mehr als<br />
12 Monaten (CITN-09 / KEYNOTE-017 Studie)<br />
[49]. Für Pa tientinnen mit einem metastasierten,<br />
triple-negativen Mammakarzinom,<br />
ist die Kombinationsbehandlung<br />
von Atezolizumab mit nab-Paclitaxel<br />
gegenüber einer alleinigen Therapie mit<br />
nab-Pacllitaxel hinsichtlich des progressionsfreien-<br />
und Gesamtüberleben überlegen<br />
(median 7.2 vs. 5.5 Monate und 21.3 vs.<br />
17.6 Monate respektive) (IMpassion 130<br />
Studie) [50].<br />
Ausblick<br />
Immuntherapien stellen ein sich rasant<br />
entwickelndes Feld in der Onkologie dar.<br />
Die Einführung der ersten ICI haben die<br />
therapeutischen Möglichkeiten für eine<br />
Vielzahl von Patienten erheblich verbessert.<br />
So werden für einen gewissen Anteil<br />
der behandelten Patienten Langzeitremissionen<br />
erzielt, die über Jahre hinweg anhaltend<br />
sein können: gepolte Analysen<br />
aus den ersten klinischen Studien zum<br />
metastasierten Melanom mit einem anti-PD-1<br />
Antikörper zeigen beispielsweise<br />
ein 5-Jahres Gesamtüberleben von über<br />
30 %. Doch sind diese Erfolge noch längst<br />
nicht für alle behandelten Patienten möglich.<br />
Der Fokus der aktuellen Forschung<br />
liegt daher verstärkt auf der Untersuchung<br />
möglicher Resistenz-Mechanismen unter<br />
einer Immuntherapie und Möglichkeiten<br />
diese zu überwinden, wie zum Beispiel<br />
Kombinations-Therapien unterschiedlicher<br />
ICI (anti-PD-1 / anti-LAG3, CA224 –<br />
047 Studie). Grosses Interesse liegt auch in<br />
der Identifikation prädiktiver Marker, die<br />
im Vorfeld einer Immuntherapie oder<br />
Kombinationsbehandlung diejenigen Patienten<br />
identifizieren helfen, welche am<br />
ehesten von einer solchen profitieren<br />
könnten. Der am häufigsten Untersuchte<br />
Marker ist die PD-L1 Expression auf Tumorzellen<br />
und / oder tumorinfiltrierenden<br />
Immunzellen, eine klare Trennung zwischen<br />
«Respondern» und «non-Respondern»<br />
lässt sich aber damit nicht erzielen.<br />
Eine Vielzahl neuer therapeutischer Konzepte<br />
werden aktuell in klinischen Studien<br />
untersucht um die Ansprechraten von<br />
ICI zu erhöhen: Ein vielversprechender<br />
Ansatz untersucht den zur systemisch<br />
wirkenden Immuntherapie additiven Effekt<br />
eine lokale Tumortherapie wie Radiotherapie<br />
oder intratumoralen Injektionen<br />
(z. B. mit onkolytischen Viren) [51, 52]. In<br />
weiteren Studien wird die Wirksamkeit einer<br />
Kombinations-Behandlung eines ICI<br />
mit einer konventionellen Chemo therapie<br />
getestet. Hintergrund hierfür bildet die<br />
Erkenntnis, dass insbesondere mit der<br />
DNA interagierende Chemotherapeutika<br />
zu einer vermehrten Bildung von Neo-Antigenen<br />
oder auch zur vermehrten Freisetzung<br />
bereits bestehender Neo-Antigene<br />
beitragen und in der Folge eine verbesserte<br />
/ erhöhte Immunogenität des Tumors<br />
erzielt werden könnte. Anti-angiogene<br />
Substanzen wie z. B. Bevacizumab können<br />
durch eine Normalisierung der oftmals<br />
chaotischen intratumoralen Blutgefässe<br />
das Einwandern von zytotoxischen anti-tumoralen<br />
T-Lymphozyten in den Tumor<br />
begünstigen und damit die Voraussetzungen<br />
für die Wirksamkeit der ICI<br />
geschaffen werden [53]. In der Weiterentwicklung<br />
der Immuntherapeutika als<br />
Kombinationspartner wird aber neben der<br />
Verbesserung der Wirksamkeit vor allem<br />
auch deren Nebenwirkungsprofil und dessen<br />
Management entscheidend sein für<br />
die Etablierung im klinischen Alltag. Insbesondere<br />
die autoimmun-vermittelten<br />
Phänomene (z. B. Arthritis, Kolitis oder<br />
Pneumonitis) der ICI, welche insgesamt<br />
selten vorkommen, können zum Teil<br />
schwerwiegend die Lebensqualität der betroffenen<br />
Patienten einschränken und eine<br />
längerdauernde immunsuppressive<br />
Therapie notwendig machen [54].<br />
PD Dr. med. et Dr. phil. Julian Schardt<br />
Universitätsklinik für Medizinische Onkologie<br />
Inselspital<br />
Freiburgstrasse<br />
3010 Bern<br />
julian.schardt@insel.ch<br />
36<br />
1/20 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
Perspektiven<br />
Literatur<br />
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Metastatic Melanoma. Journal of<br />
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long-term responders to anti-programmed<br />
death 1 and antiprogrammed<br />
death ligand 1 when<br />
being rechallenged with the same<br />
anti-programmed death 1 and<br />
anti-programmed death ligand 1 at<br />
progression. European journal of<br />
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19. Larkin J, Chiarion-Sileni V,<br />
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Monotherapy in Untreated<br />
Melanoma. The New England<br />
journal of medicine. 2015; 373:<br />
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20. Robert C, Schachter J,<br />
Long GV, et al. Pembrolizumab<br />
versus Ipilimumab in Advanced<br />
Melanoma. The New England<br />
journal of medicine. 2015; 372:<br />
2521 – 32.<br />
21. Hodi FS, Chiarion-Sileni V,<br />
Gonzalez R, et al. Nivolumab plus<br />
ipilimumab or nivolumab alone<br />
versus ipilimumab alone in<br />
advanced melanoma (CheckMate<br />
067): 4-year outcomes of a<br />
multicentre, randomised, phase 3<br />
trial. The Lancet Oncology. 2018;<br />
19: 1480 – 92.<br />
22. Tawbi HA, Forsyth PA,<br />
Algazi A, et al. Combined<br />
Nivolumab and Ipilimumab in<br />
Melanoma Metastatic to the Brain.<br />
The New England journal of<br />
medicine. 2018; 379: 722 – 30.<br />
23. Eggermont AMM, Blank<br />
CU, Mandala M, et al. Adjuvant<br />
Pembrolizumab versus Placebo in<br />
Resected Stage III Melanoma. The<br />
New England journal of medicine.<br />
2018; 378: 1789 – 801.<br />
24. Weber J, Mandala M, Del<br />
Vecchio M, et al. Adjuvant<br />
Nivolumab versus Ipilimumab in<br />
Resected Stage III or IV Melanoma.<br />
The New England journal of<br />
medicine. 2017; 377: 1824 – 35.<br />
25. Gandhi L, Rodriguez-Abreu<br />
D, Gadgeel S, et al.<br />
Pembrolizumab plus Chemotherapy<br />
in Metastatic Non-Small-Cell<br />
Lung Cancer. The New England<br />
journal of medicine. 2018; 378:<br />
2078 – 92.<br />
26. Paz-Ares L, Luft A, Vicente<br />
D, et al. Pembrolizumab plus<br />
Chemotherapy for Squamous<br />
Non-Small-Cell Lung Cancer. The<br />
New England journal of medicine.<br />
2018; 379: 2040 – 51.<br />
27. Reck M, Rodriguez-Abreu<br />
D, Robinson AG, et al. Updated<br />
Analysis of KEYNOTE-024:<br />
Pembrolizumab Versus Platinum-Based<br />
Chemotherapy for<br />
Advanced Non-Small-Cell Lung<br />
Cancer With PD-L1 Tumor<br />
Proportion Score of 50 % or<br />
Greater. Journal of clinical<br />
oncology : official journal of the<br />
American Society of Clinical<br />
Oncology. 2019: JCO1800149.<br />
28. Antonia SJ, Villegas A,<br />
Daniel D, et al. Durvalumab after<br />
Chemoradiotherapy in Stage III<br />
Non-Small-Cell Lung Cancer. The<br />
New England journal of medicine.<br />
2017; 377: 1919 – 29.<br />
29. Horn L, Mansfield AS,<br />
Szczesna A, et al. First-Line<br />
Atezolizumab plus Chemotherapy<br />
in Extensive-Stage Small-Cell Lung<br />
Cancer. The New England journal<br />
of medicine. 2018; 379: 2220 – 9.<br />
30. Ko JJ, Xie W, Kroeger N, et<br />
al. The International Metastatic<br />
Renal Cell Carcinoma Database<br />
Consortium model as a prognostic<br />
tool in patients with metastatic<br />
renal cell carcinoma previously<br />
treated with first-line targeted<br />
therapy: a popula tion-based study.<br />
The Lancet Oncology. 2015; 16:<br />
293 – 300.<br />
31. Motzer RJ, Tannir NM,<br />
McDermott DF, et al. Nivolumab<br />
plus Ipilimumab versus Sunitinib<br />
in Advanced Renal-Cell Carcinoma.<br />
The New England journal of<br />
medicine. 2018; 378: 1277 – 90.<br />
32. Motzer RJ, Penkov K,<br />
Haanen J, et al. Avelumab plus<br />
Axitinib versus Sunitinib for<br />
Advanced Renal-Cell Carcinoma.<br />
The New England journal of<br />
medicine. 2019.<br />
33. Rini BI, Plimack ER, Stus<br />
V, et al. Pembrolizumab plus<br />
Axitinib versus Sunitinib for<br />
Advanced Renal-Cell Carcinoma.<br />
The New England journal of<br />
medicine. 2019.<br />
34. Bellmunt J, de Wit R,<br />
Vaughn DJ, et al. Pembrolizumab<br />
as Second-Line Therapy for<br />
Advanced Urothelial Carcinoma.<br />
The New England journal of<br />
medicine. 2017; 376: 1015 – 26.<br />
35. Powles T, Duran I, van der<br />
Heijden MS, et al. Atezolizumab<br />
versus chemotherapy in patients<br />
with platinum-treated locally<br />
advanced or metastatic urothelial<br />
carcinoma (IMvigor211): a multicentre,<br />
open-label, phase 3<br />
randomised controlled trial.<br />
Lancet. 2018; 391: 748 – 57.<br />
36. Sharma P, Retz M,<br />
Siefker-Radtke A, et al. Nivolumab<br />
in metastatic urothelial carcinoma<br />
after platinum therapy (Check Mate<br />
275): a multicentre, single-arm,<br />
phase 2 trial. The Lancet Oncology.<br />
2017; 18: 312 – 22.<br />
37. Kang YK, Boku N, Satoh T,<br />
et al. Nivolumab in patients with<br />
advanced gastric or gastro-oesophageal<br />
junction cancer refractory to,<br />
or intolerant of, at least two<br />
previous chemotherapy regimens<br />
(ONO-4538 – 12, ATTRACTION-2): a<br />
randomised, double-blind,<br />
placebo-controlled, phase 3 trial.<br />
Lancet. 2017; 390: 2461 – 71.<br />
38. T. K. Pembrolizumab<br />
versus chemotherapy as second-line<br />
therapy for advanced<br />
esophageal cancer: Phase III<br />
KEYNOTE-181 study. J Clin Oncol<br />
37, 2019 (suppl 4; abstr 2).<br />
39. Overman MJ, Lonardi S,<br />
Wong KYM, et al. Durable Clinical<br />
Benefit With Nivolumab Plus<br />
Ipilimumab in DNA Mismatch<br />
Repair-Deficient / Microsatellite<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 1/20 37
Perspektiven<br />
Literatur (Fortsetzung)<br />
Instability-High Metastatic<br />
Colorectal Cancer. Journal of<br />
clinical oncology : official journal<br />
of the American Society of Clinical<br />
Oncology. 2018; 36: 773 – 9.<br />
40. Overman MJ, McDermott<br />
R, Leach JL, et al. Nivolumab in<br />
pa tients with metastatic DNA<br />
mismatch repair-deficient or<br />
microsatellite instability-high<br />
colorectal cancer (CheckMate 142):<br />
an open-label, multicentre, phase 2<br />
study. The Lancet Oncology. 2017;<br />
18: 1182 – 91.<br />
41. El-Khoueiry AB, Sangro B,<br />
Yau T, et al. Nivolumab in patients<br />
with advanced hepatocellular<br />
carcinoma (CheckMate 040): an<br />
open-label, non-comparative,<br />
phase 1 / 2 dose escalation and<br />
expansion trial. Lancet. 2017; 389:<br />
2492 – 502.<br />
42. Zhu AX, Finn RS, Edeline<br />
J, et al. Pembrolizumab in patients<br />
with advanced hepatocellular<br />
carcinoma previously treated with<br />
sorafenib (KEYNOTE-224): a<br />
non-randomised, open-label phase<br />
2 trial. The Lancet Oncology. 2018;<br />
19: 940 – 52.<br />
43. Roemer MG, Advani RH,<br />
Ligon AH, et al. PD-L1 and PD-L2<br />
Genetic Alterations Define<br />
Classical Hodgkin Lymphoma and<br />
Predict Outcome. Journal of<br />
clinical oncology: official journal of<br />
the American Society of Clinical<br />
Oncology. 2016; 34: 2690 – 7.<br />
44. Armand P, Engert A,<br />
Younes A, et al. Nivolumab for<br />
Relapsed / Refractory Classic Hodgkin<br />
Lymphoma After Failure of<br />
Autologous Hematopoietic Cell<br />
Transplantation: Extended<br />
Follow-Up of the Multicohort<br />
Single-Arm Phase II CheckMate<br />
205 Trial. Journal of clinical<br />
oncology : official journal of the<br />
American Society of Clinical<br />
Oncology. 2018; 36: 1428 – 39.<br />
45. Burtness Bea. Abstract<br />
LBA8_PR ‘First-line pembrolizumab<br />
for recurrent / metastatic<br />
head and neck squamous cell<br />
carcinoma (R / M HNSCC): interim<br />
results from the phase 3 KEY-<br />
NOTE-048 study‘ Annals of<br />
Oncology. 8 October 2018; 29<br />
Supplement ESMO 2018 Munich.<br />
46. Cohen EEW, Soulieres D,<br />
Le Tourneau C, et al. Pembrolizumab<br />
versus methotrexate,<br />
docetaxel, or cetuximab for<br />
recurrent or metastatic head-andneck<br />
squamous cell carcinoma<br />
(KEYNOTE-040): a randomised,<br />
open-label, phase 3 study. Lancet.<br />
2019; 393: 156 – 67.<br />
47. Ferris RL, Blumenschein<br />
G, Jr., Fayette J, et al. Nivolumab vs<br />
investigator›s choice in recurrent<br />
or metastatic squamous cell<br />
carcinoma of the head and neck:<br />
2-year long-term survival update of<br />
CheckMate 141 with analyses by<br />
tumor PD-L1 expression. Oral<br />
Oncol. 2018; 81: 45 – 51.<br />
48. Migden MR, Rischin D,<br />
Schmults CD, et al. PD-1 Blockade<br />
with Cemiplimab in Advanced<br />
Cutaneous Squamous-Cell<br />
Carcinoma. The New England<br />
journal of medicine. 2018; 379:<br />
341 – 51.<br />
49. Nghiem P, Bhatia S,<br />
Lipson EJ, et al. Durable Tumor<br />
Regression and Overall Survival in<br />
Patients With Advanced Merkel<br />
Cell Carcinoma Receiving<br />
Pembrolizumab as First-Line<br />
Therapy. Journal of clinical<br />
oncology: official journal of the<br />
American Society of Clinical<br />
Oncology. 2019: JCO1801896.<br />
50. Schmid P, Adams S, Rugo<br />
HS, et al. Atezolizumab and<br />
Nab-Paclitaxel in Advanced<br />
Triple-Negative Breast Cancer. The<br />
New England journal of medicine.<br />
2018; 379: 2108 – 21.<br />
51. Long Georgina V. RDea.<br />
Efficacy analysis of MSTER-<br />
KEY-265 phase 1b study of<br />
talimogen laherparepvec (T-VEC)<br />
and pembrolizumab for unresec t-<br />
able stage IIIB-IV melanoma.<br />
Journal of Clinical Oncology.<br />
2016;34(15_suppl):9568.<br />
52. Wang Y, Deng W, Li N, et<br />
al. Combining Immunotherapy<br />
and Radiotherapy for Cancer<br />
Treatment: Current Challenges and<br />
Future Directions. Frontiers in<br />
pharmacology. 2018; 9:185.<br />
53. Motzer Robert J. PPea.<br />
IMmotion151: A Randomized Phase<br />
III Study of Atezolizumab Plus<br />
Bevacizumab vs Sunitinib in<br />
Un treated Metastatic Renal Cell<br />
Carcinoma (mRCC). Journal of<br />
Clinical Oncology. 2018; 36<br />
(6_suppl): 578.<br />
54. Haanen J, Carbonnel F,<br />
Robert C, et al. Management of<br />
toxicities from immunotherapy:<br />
ESMO Clinical Practice Guidelines<br />
for diagnosis, treatment and<br />
follow-up. Annals of oncology:<br />
official journal of the European<br />
Society for Medical Oncology. 2018;<br />
29 (Supplement_4): iv264 – iv6.<br />
38<br />
1/20 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
Perspektiven<br />
Bild: zvg<br />
Der besondere Patient<br />
Anatomische<br />
Überraschung<br />
Die «Helle» fiel durch ihren<br />
ataktischen Gang auf. Linke<br />
wie rechte Hintergliedmasse<br />
schienen im weiten Bogen<br />
nach aussen geführt zu werden und<br />
gleichzeitig waren die Bewegungen<br />
disruptiv. Nun ist der Bewegungsablauf<br />
beim gehenden Strauss auch normalerweise<br />
wenig elegant und geschmeidig –<br />
zumindest im Auge des Unbedarften.<br />
Zu dieser Gruppe Mensch gehörte die<br />
erfahrene Tierpflegerin Blacky aber nicht.<br />
Sie meldete klar und eindeutig, dass ihr<br />
Vogel krank sei, eigenartig laufe und viel<br />
liege.<br />
Zu den obligaten Fertigkeiten eines<br />
Zootierarztes gehört es, die Persönlichkeit<br />
des meldenden Tierpflegers und die<br />
reale Dringlichkeit eines Falles einzuordnen.<br />
Bei Blacky war dies einfach: Dringlichkeit<br />
gegeben. Ebenso verlässlich war<br />
ihre Fähigkeit, einen anspruchsvollen<br />
Patienten «vorzuführen». Nachdem wir<br />
die Box betreten hatten, sprang die<br />
Straussendame auf, beäugte uns von<br />
oben herab und trippelte nervös umher.<br />
Zumeist reicht dieses Signal eines<br />
Straussenvogels, um selbst einem Löwen<br />
begreiflich zu machen, dass er verschwinden<br />
möge, so er nicht einen gespaltenen<br />
Schädel riskieren möchte. «Immer hinter<br />
dem Tier bleiben, Strausse treten nur<br />
nach vorne.» Diese Anweisung ging an<br />
mich, gleichzeitig glitt die Tierpflegerin<br />
hinter den Vogel und trieb ihn langsam<br />
vor sich her.<br />
Die oben beschriebene Symptomatik<br />
war klar, die Diagnose weniger. Also war,<br />
wie so oft in der Wildtiermedizin, eine<br />
Vollnarkose zur Untersuchung erforderlich.<br />
Nach manuell applizierter Ketaminprämedikation<br />
erfolgte die Isofluran-Narkose<br />
via Maske. Palpation, wie auch<br />
Röntgenuntersuchung bestätigten eine<br />
der möglichen Differentialdiagnosen:<br />
Dystocia.<br />
Die chirurgische Entwicklung eines<br />
Eies in Fällen von Legenot bei Vögeln<br />
hatte ich schon sehr oft durchgeführt.<br />
Was ich aber unterschätzt hatte, war die<br />
Entfernung von dem recht kleinen<br />
OP-Zugangsfeld bis zum Ei im Oviduct<br />
bei einem Strauss in Rückenlage.<br />
Die Aufnahme zeigt den OP-Situs im<br />
Stall. Bei 11 Uhr die Narkoseärztin und<br />
der Infusionsständer. Bei 7 Uhr die Seile<br />
zur Fixierung der gefährlichen Gliedmassen<br />
und zwischen 5 und 11 Uhr die<br />
ventrale Rumpfwand des Patienten, mit<br />
Die Leidens- und Heilungsfähigkeit der Wildtiere ist schier unglaublich.<br />
einem sterilen Tuch abgedeckt. Unschwer<br />
erkennbar ist mein linker Arm, der bis<br />
zum Ellbogengelenk, und im Laufe der<br />
Eientwicklung noch weiter in der Leibeshöhle<br />
versunken ist. Die Exploration<br />
erwies sich als anspruchsvoll. Nach einer<br />
gefühlten Ewigkeit von mehreren<br />
Minuten übergab ich der Tierpflegerin<br />
schliesslich das doch entwickelte 1,2 kg<br />
schwere Ei.<br />
Die metaphylaktische Antibiose<br />
erfolgte i.m. Der Verschluss des Oviductes<br />
war mit einstülpender fortlaufender<br />
Naht zufriedenstellend, während die<br />
Rumpfwand in drei Schichten mit<br />
Einzel-U-Heften genäht werden musste.<br />
Bereits 10 Minuten nachdem wir Instrumente<br />
und Materialien aus dem Stall<br />
entfernt hatten, war die «Helle» wieder<br />
auf den Beinen und widmete sich ausgiebig<br />
dem Futtertrog. Eine Nachbehandlung<br />
war nicht erforderlich.<br />
Prof. Dr. med. vet. Bernd Schildger,<br />
Direktor Tierpark Dählhölzli Bern<br />
Die Fallberichte stammen aus Bernd Schildgers<br />
Zeit als Tierarzt im Zoo Frankfurt.<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 1/20 39
Unsere Angebote – Ihre Vorteile<br />
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1/20 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
MEDISERVICE<br />
Bitte lesen Sie das<br />
Kleingedruckte<br />
Anhand des Lebensphasenmodells von MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
zeigen wir im Laufe des Jahres <strong>2020</strong> auf, welche Themen bei welchem<br />
Karriereabschnitt besonders beachtet werden sollten.<br />
Unsere Serie «Das Kleingedruckte» ist für all jene gedacht, die<br />
schnell das Wichtigste wissen wollen.<br />
Christoph Bohn, freier Mitarbeiter MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
Man benötigt kein Mikroskop, um das Kleingedruckte zu lesen, bei grossen Veränderungen droht es dennoch<br />
unterzugehen.<br />
Bild: Adobe<br />
Wer sich nach der Matur<br />
entscheidet, Medizin zu<br />
studieren, weiss: Das Studium<br />
wird mich voll beanspruchen.<br />
Und nach dem Staatsexamen<br />
folgen Jahre der Weiterbildung, bis<br />
man den Facharzttitel und damit die Erlaubnis<br />
hat, selbständig zu praktizieren.<br />
Ein langer Weg also, der in verschiedene<br />
berufliche Phasen unterteilt ist. In der<br />
Regel verändern sich in dieser Zeit<br />
gleichzeitig auch die privaten Lebensumstände.<br />
Grundsätzlich steht bei allen Ärztinnen<br />
und Ärzten der Mensch im Mittel-<br />
punkt. Man investiert praktisch seine ganze<br />
Arbeitsenergie und nicht selten auch<br />
viel Substanz seiner eigenen Persönlichkeit<br />
in die Gesundheit und das Wohlergehen<br />
seiner Patientinnen und Patienten.<br />
Was aber gilt es in den verschiedenen<br />
Lebensphasen bei allem Engagement für<br />
sich selber zu beachten? Was ist wichtig?<br />
Woran muss man denken? Was darf man<br />
nicht vergessen? Was steht sozusagen im<br />
Kleingedruckten?<br />
Genau diesen Fragen gehen wir dieses<br />
Jahr in einer 6-teiligen Artikelserie nach.<br />
Dabei werden folgende Lebensphasen im<br />
Fokus stehen:<br />
Thema<br />
Ausgabe<br />
Studium 02/<strong>2020</strong><br />
Assistenz 03/<strong>2020</strong><br />
Ausland/Unterbruch 04/<strong>2020</strong><br />
Oberarzt 05/<strong>2020</strong><br />
Familiengründung/<br />
Wohneigentum<br />
06/<strong>2020</strong><br />
Selbständigkeit 01/2021<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 1/20 41
Unser Beratungspartnernetz<br />
für Treuhand, Versicherungen, Vorsorge<br />
Schweizweit in Ihrer Nähe<br />
BERATUNGSSTELLEN für Versicherungs-, Vorsorge- und Finanzberatung<br />
Allcons AG 4153 Reinach Assidu 2363 Montfaucon, 2800 Delémont, 1205 Genève, 6903 Lugano BTAG Versicherungsbroker<br />
AG 3084 Wabern UFS Insurance Broker AG 8810 Horgen VM-F Frank insurance brokers GmbH<br />
9300 Wittenbach Vorsorge Wirz 4058 Basel<br />
TREUHANDPARTNER für Finanzbuchhaltung, Steueroptimierung, Wirtschaftsberatung<br />
B+A Treuhand AG 6330 Cham Brügger Treuhand AG 3097 Liebefeld/Bern contrust finance ag 6004 Luzern<br />
GMTC Treuhand & Consulting AG 9014 St. Gallen Kontomed Treuhand AG 8807 Freienbach LLK Treuhand AG<br />
4052 Basel Mehr-Treuhand AG 8034 Zürich Quadis Treuhand AG 3952 Susten Sprunger Partner AG 3006 Bern<br />
W&P AG Treuhand Steuern Wirtschaftsprüfung 7001 Chur<br />
Alle Beratungspartner finden Sie auch online oder rufen Sie uns an.<br />
Für unsere Mitglieder ist ein einstündiges Erstgespräch zur gezielten Bedürfnisabklärung kostenlos.<br />
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
Telefon 031 350 44 22<br />
info@mediservice-vsao.ch<br />
www.mediservice-vsao.ch
MEDISERVICE<br />
Persönliches Interview zu<br />
jeder Lebensphase<br />
Mit dieser Serie möchte MEDISERVICE<br />
mit seinem Wissen und seinen Erfahrungen<br />
all jene unterstützen, die an der<br />
Schwelle zu einer neuen Lebensphase stehen.<br />
Einen Medizinstudenten beschäftigen<br />
andere Punkte als eine Oberärztin. Ein<br />
Auslandaufenthalt wirft andere Fragen<br />
auf als die Planung einer Selbständigkeit.<br />
Und wer eine Familie gründen möchte,<br />
hat nochmals ganz andere Themen im Auge.<br />
Am meisten lernt man von den Erfahrungen<br />
anderer. Deshalb führen wir zusätzlich<br />
in jedem Artikel in dieser Serie ein<br />
Interview mit einer Person, die sich in der<br />
jeweiligen Lebensphase befindet und somit<br />
von den charakteristischen Themen<br />
und Fragen betroffen ist.<br />
Unabhängig davon, welchen Schritt<br />
man plant, sicher ist, dass man mit ziemlich<br />
viel Bürokratie konfrontiert wird. Das<br />
«Kleingedruckte» ist dabei oft sekundär.<br />
Fragen wie «Wann brauche ich welche<br />
Versicherung?» oder «Was geschieht mit<br />
der AHV, wenn ich im Ausland bin?» stossen<br />
in der Regel bei den meisten auf<br />
wenig Interesse. Aber dennoch können<br />
sie je nach Lebensphase und Lebenssituation<br />
ein enorm wichtiges Thema sein oder<br />
werden.<br />
Natürlich können wir mit einem Artikel<br />
keine Lebensphase lückenlos abhandeln.<br />
Aber wir werden die wichtigsten<br />
Punkte thematisieren. Eventuell tauchen<br />
bei Ihnen nach dem Lesen konkrete Fragen<br />
zu Ihrer individuellen Situation auf.<br />
Genau dafür sind wir auch <strong>2020</strong> für alle<br />
Umfassendes Dienstleistungsangebot<br />
unsere Mitglieder da: Nehmen Sie mit uns<br />
Kontakt auf, und legen Sie unseren Spezialistinnen<br />
und Spezialisten Ihre spezifischen<br />
Fragen vor:<br />
Telefon: 031 350 44 22<br />
E-Mail: info@mediservice-vsao.ch<br />
Wir freuen uns schon heute auf Ihre Fragen<br />
und Feedbacks.<br />
Obschon MEDISERVICE <strong>VSAO</strong> seinen Schwerpunkt auf Versicherungsleistungen legt,<br />
begleitet er Medizinerinnen und Mediziner mit zahlreichen weiteren Dienstleistungen<br />
durch die verschiedenen Lebensphasen.<br />
– Wir empfehlen zum Beispiel via medisem.ch ausgewählte professionelle Seminare zu<br />
praktisch allen relevanten Themen.<br />
– Via jobmed.ch vermitteln wir Stellen für Mediziner, die im ambulanten oder stationären<br />
Bereich eine neue Herausforderung suchen.<br />
– Auch zu Auslandaufenthalten gibt es bei uns praktische, hilfreiche Tipps.<br />
– Wenn es um die Praxis geht, wartet bei uns ein Ordner mit elf Kapiteln zu betrieblichen<br />
und administrativen Themen (z.B. Einrichtung, Bewilligungen, Versicherungen,<br />
Personalwesen etc.) auf Sie.<br />
– Und last, but not least arbeiten wir auch mit renommierten Beratungsstellen und<br />
Treuhandpartnern zusammen, wenn Sie professionelle Unterstützung bei Finanz-,<br />
Vorsorge- und Steuerthemen wünschen.<br />
Anzeige<br />
Zusatzversicherungen künden?<br />
Erste Hilfe<br />
für Menschen mit<br />
letzter Hoffnung<br />
www.msf.ch<br />
PK 12-100-2<br />
Falls Sie über eine Zusatzversicherung zu Ihrer Krankenkasse verfügen (Krankenpflegeversicherung/Spital<br />
halbprivat bzw. privat) und mit einem Wechsel liebäugeln, müssen<br />
Sie die Kündigungsfristen beachten. Im Gegensatz zur Grundversicherung gelten<br />
andere, längere Fristen. In der Regel betragen diese Fristen drei bis sechs Monate.<br />
Zunehmend werden jedoch längere Vertragsdauern (mehrjährig) vereinbart. Daher<br />
sollte man rechtzeitig eine Überprüfung seiner Zusatzversicherung vornehmen. Eine<br />
Kündigung ist unter Einhaltung der vertraglich vereinbarten Frist jederzeit möglich.<br />
Im Gegensatz zur Grundversicherung sind die Leistungen in der Zusatzversicherung<br />
von Krankenkasse zu Krankenkasse verschieden. In der Zusatzversicherung können die<br />
Krankenkassen die Prämie risikogerecht, d.h. abgestuft nach Alter und Geschlecht,<br />
gestalten. Entsprechend dürfen Vorbehalte angebracht werden oder es kann eine Ablehnung<br />
erfolgen. Daher sollte man auf keinen Fall die bestehende Zusatzversicherung<br />
künden, ohne dass eine Aufnahmebestätigung des künftigen Versicherers vorliegt.<br />
Wir arbeiten mit zahlreichen Krankenversicherer zusammen und können Ihnen dank<br />
unsern Kollektivverträgen vorteilhafte Angebote unterbreiten.<br />
Für Auskünfte wenden Sie sich bitte an MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC, Tel. 031 350 44 22,<br />
info@mediservice-vsao.ch<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 1/20 43
MEDISERVICE<br />
Briefkasten<br />
Frostige Rückkehr<br />
aus den Ferien<br />
Als wir aus den Skiferien<br />
zurückkamen, stellten wir<br />
fest, dass die Heizung in<br />
unserem Einfamilienhaus<br />
ausgefallen und zwei Radiatoren<br />
geborsten waren. Eine schwarze Brühe<br />
beschädigte den Parkettboden. Wer<br />
bezahlt den Schaden?<br />
Zuständig ist Ihre Gebäude-Wasserversicherung.<br />
Diese wird in der Regel<br />
zusätzlich zu einer Gebäude-Feuer-/<br />
Elementarversicherung, die in den<br />
meisten Kantonen obligatorisch ist,<br />
abgeschlossen. Versichert sind nicht nur<br />
die Schäden, die das auslaufende Heizungswasser<br />
verursacht, sondern auch<br />
die Kosten für das Auftauen und Reparieren<br />
von eingefrorenen oder durch Frost<br />
beschädigten Wasserleitungen und daran<br />
angeschlossenen Apparaten. Selbst<br />
ausserhalb des Gebäudes im Boden<br />
verlegte Wasserleitungen sind mitversichert,<br />
soweit sie dem versicherten<br />
Gebäude dienen.<br />
Frostschäden verhindern, sonst droht<br />
Leistungskürzung<br />
Frostschäden könnten aber oft verhindert<br />
werden. Der Versicherer verlangt deshalb,<br />
dass der Versicherungsnehmer Massnahmen<br />
zum Schutze leerstehender Gebäude<br />
trifft: Wenn ein Gebäude auch nur<br />
vorübergehend unbewohnt ist, müssen<br />
die Wasserleitungen und die daran<br />
angeschlossenen Apparate entleert<br />
werden, es sei denn, die Heizungsanlage<br />
werde unter angemessener Kontrolle in<br />
Betrieb gehalten. «Angemessen» richtet<br />
sich hier nach den konkreten Umständen<br />
und den örtlichen Gegebenheiten. Es<br />
kommt also beispielsweise darauf an, ob<br />
das Haus im Flachland – mit kürzeren<br />
Frostperioden und nicht so tiefen<br />
Temperaturen – oder in den Bergen steht.<br />
Je nach Bauart (Isolationswert) und<br />
Einstellung der Heizung («Frostsicher»<br />
statt Wohntemperatur) sind Kontrollen<br />
mit kürzeren Intervallen nötig. Einfach<br />
und wirkungsvoll ist in jedem Fall das<br />
Schliessen des Haupthahns bei der<br />
Wasserzuleitung im Keller. Werden die<br />
vertraglichen Auflagen des Versicherers<br />
(Sorgfaltspflichten) nicht eingehalten<br />
und entsteht deshalb ein Wasserschaden,<br />
so ist der Versicherer berechtigt, eine<br />
entsprechende Leistungskürzung<br />
vorzunehmen. Diese kann sehr empfindlich<br />
ausfallen, und in extremen Fällen ist<br />
sogar eine Ablehnung des Schadens<br />
möglich.<br />
Peter Scheidegger,<br />
Vertriebskoordinator<br />
und Versicherungsexperte<br />
MEDISERVICE<br />
<strong>VSAO</strong>-ASMAC (unter<br />
Berücksichtigung der<br />
Angaben des SVS)<br />
44<br />
1/20 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
MEDISERVICE<br />
Wenn Liebe<br />
teuer wird<br />
Der Wunsch nach Liebe und Partnerschaft wohnt allen Menschen<br />
inne. Und seit jeher versuchen Betrüger damit Geld zu machen. Während<br />
Heiratsschwindler früher die einschlägigen Kontaktanzeigen<br />
in den Zeitungen nutzten, sind sie heute auf den entsprechenden<br />
Dating-Plattformen anzutreffen.<br />
Cyril Senn, Jurist für Straf- und Verkehrsrecht AXA-ARAG<br />
Auf Parship, Darling und anderen<br />
Dating-Plattformen tummeln<br />
sich nicht nur Singles<br />
auf der Suche nach dem Liebesglück.<br />
Sondern auch fiese Betrügerinnen<br />
und Betrüger, die nur eins wollen: ihren<br />
Opfern so viel Geld wie möglich aus<br />
der Tasche ziehen.<br />
Wie funktioniert Love Scamming?<br />
Die Masche der Love Scammer ist perfide:<br />
Sie flirten mit ihren Opfern, überschütten<br />
sie mit Komplimenten und gaukeln Verliebtheit<br />
vor – bis diese Gefühle für sie entwickeln.<br />
Ist die emotionale Bindung stark<br />
genug, bitten die Täterinnen und Täter<br />
um grössere Geldsummen: Sei es um eine<br />
kranke Tante medizinisch behandeln zu<br />
lassen oder um die teure Reise in die<br />
Schweiz zu bezahlen. Die mitleiderregenden<br />
Erklärungen variieren, das Ziel ist immer<br />
dasselbe.<br />
Meist geben sich die Love- oder Romance<br />
Scammer als Personen mit beruflich<br />
hohem sozialem Ansehen aus: als Architekt,<br />
Ärztin oder Geschäftsführer. Doch<br />
die Profilbilder der betrügerischen Accounts<br />
sind in der Regel gefälscht oder gestohlen.<br />
Sobald das Opfer den geforderten Betrag<br />
überwiesen hat, wird der Kontakt häufig<br />
rapide abgebrochen. Sogenannte «money<br />
mules» transferieren das Geld auf ein<br />
Drittkonto, heben es ab und schicken es in<br />
einem Couvert ins Ausland. Diese «Geldesel»<br />
erschweren die Ermittlung der Täterschaft<br />
für die Strafverfolgungsbehörden<br />
massiv. Umso wichtiger ist es daher, sofort<br />
Strafanzeige bei der Polizei zu erstatten.<br />
Was tun, wenn jemand<br />
um Geld bittet?<br />
Stellt man im Verlauf von Chats fest, dass<br />
das Gegenüber Geldforderungen stellt:<br />
Niemals zahlen und den fraglichen Account<br />
sofort melden und blockieren. Ausserdem<br />
sollte man niemals sensible Daten<br />
wie Wohnadresse, Passwort oder gar Kreditkartennummern<br />
auf Online-Plattformen<br />
bekanntgeben. Falls andere Chatteilnehmer<br />
nach solchen Daten fragen, sollte<br />
man den Kontakt sofort abbrechen. Als<br />
Faustregel gilt: Nie Geld an Personen<br />
überweisen, die man im realen Leben<br />
noch nie gesehen hat und persönlich nicht<br />
gut kennt. Zudem sollte man sich vergewissern,<br />
dass der Account der Bekanntschaft<br />
echt ist und es sich nicht um ein<br />
Fake-Profil handelt.<br />
Was kann man als Opfer von<br />
Love Scamming tun?<br />
Als Opfer von Love Scamming sollte man<br />
unbedingt seine Bank kontaktieren, um<br />
weitere Abbuchungen verhindern oder<br />
veranlasste Zahlungen widerrufen zu können.<br />
Möglicherweise muss man auch seine<br />
Kreditkarte sperren lassen.<br />
Soll man Love Scammer anzeigen?<br />
Eine Anzeige bei der Polizei ist ratsam,<br />
auch wenn die Liebesbetrüger vielfach im<br />
Ausland sitzen und schwierig auszumachen<br />
sind. Eine Anzeige kann zudem helfen,<br />
wenn das Bankinstitut strafrechtliche<br />
Schritte gegen das Opfer von Love Scamming<br />
einleiten möchte. Zum Beispiel im<br />
Zusammenhang mit dem Vorwurf der<br />
Geldwäscherei. Viele betroffene Personen<br />
von Love Scamming zögern aus Scham<br />
mit dem Gang zur Polizei, weshalb es eine<br />
grosse Dunkelziffer bei den Opferzahlen<br />
gibt. Eine Anzeige erleichtert jedoch der<br />
Polizei das Ermittlungsverfahren und<br />
schützt womöglich andere potenzielle Opfer<br />
davor, in dieselbe betrügerische Falle<br />
zu tappen.<br />
Wie erkennt man Love Scammer?<br />
• Bittet um Geld – sehr oft um eine Überweisung<br />
per Western Union<br />
• Will den Kontakt ausserhalb der Dating-Plattform<br />
fortsetzen<br />
• Beschreibt mitleiderregende Schicksale<br />
wie Diebstahl im Hotel, eine Krankheit,<br />
fehlendes Geld für einen Flug bzw. für<br />
ein Visum<br />
• Schreibt in Englisch, in einem seltsamen<br />
Sprachmix oder die deutschen Texte sind<br />
voller Fehler<br />
• Nachrichten gehen nicht auf das Profil<br />
des Chatpartners ein und sind sehr allgemein<br />
verfasst<br />
AXA-ARAG<br />
bietet MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-Mitgliedern<br />
eine Rechtsschutzversicherung<br />
zu vorteilhaften Konditionen an.<br />
Haben Sie noch weitere Fragen? Wenden<br />
Sie sich an Ihren Ansprechpartner<br />
bei MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
unter Telefon 031 350 44 22 oder per<br />
E-Mail info@mediservice-vsao.ch.<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 1/20 45
MEDISERVICE<br />
Verstehen, was<br />
man einkauft<br />
Durchschnittlich 30 000 verschiedene Lebensmittel stehen in<br />
den Regalen eines Schweizer Supermarktes, versehen mit einer Vielzahl<br />
von Hinweisen. Doch was bedeutet das Kleingedruckte?<br />
Marlène Gautschi, dipl. Ernährungsberaterin FH<br />
Interessierte Konsumenten möchten<br />
beim Kauf im Supermarkt wissen:<br />
Was steckt in dem Produkt<br />
drin? Woher kommt es? Wie viel<br />
Zucker enthält es? Ist Weizen enthalten?<br />
Seit 1. Mai 2017 gilt das neue schweizerische<br />
Lebensmittelrecht. Die neuen Deklarationsvorschriften<br />
betreffend Nährwert,<br />
Allergene und Herkunft von Zutaten wurden<br />
den gesetzlichen Bestimmungen der<br />
EU angepasst.<br />
Nährwertkennzeichnung<br />
Nährwerte werden pro 100 g (oder 100 ml),<br />
manchmal auch pro Portion, in Tabellenform<br />
angegeben. Bei der Portion kann man<br />
sehen, welcher Anteil des täglichen Bedarfs<br />
einer durchschnittlichen erwachsenen<br />
Person durch eine Portion gedeckt wird.<br />
Diese sechs Nährwerte müssen auf dem<br />
Etikett stehen:<br />
– Energie: Kilojoule (kJ) / Kilokalorie (kcal)<br />
– Fett, davon gesättigten Fettsäuren<br />
– Kohlenhydrate, davon Zucker<br />
– Ballaststoffe (Nahrungsfasern)<br />
– Eiweiss<br />
– Salz<br />
Siehe untenstehende Tabelle.<br />
Gut zu wissen:<br />
– «davon gesättigte Fettsäuren»: Diese<br />
Fettsäuren sind im Gegensatz zu den ungesättigten<br />
Fettsäuren nicht lebensnotwendig<br />
und gesundheitlich weniger<br />
wertvoll. Der Richtwert für die Tageszufuhr<br />
liegt bei 20 g.<br />
– Unter «davon Zucker» fällt jeweils nicht<br />
nur der zugesetzte Kristallzucker, sondern<br />
alle in einem Produkt enthaltenen<br />
Einfach- und Zweifachzucker, also weisser<br />
Zucker, Traubenzucker, Fruchtzucker<br />
oder Milchzucker (Lactose). Bei Joghurt<br />
nature handelt es sich zum Beispiel<br />
bei dem Zuckergehalt von 5 g / 100 g<br />
nicht um Kristallzucker, sondern um die<br />
natürlicherweise enthaltene Lactose<br />
(Milchzucker) aus der Milch.<br />
Zutatenliste<br />
Auf jedem vorverpackten Lebensmittel<br />
müssen sämtliche Zutaten und Zusatzstoffe<br />
in mengenmässig absteigender Reihenfolge<br />
angegeben werden. Hier ein Beispiel<br />
für Heidelbeer-Joghurt:<br />
Joghurt (Milch, Milchproteine), Zucker<br />
9%, Heidelbeere 8%, modifizierte<br />
Wachsmaisstärke, Aroma, färbendes Karottensaftkonzentrat,<br />
Zitronensaftkonzentrat<br />
Gut zu wissen:<br />
– Deklarationspflichtige Allergene oder<br />
aus solchen gewonnene Zutaten müssen<br />
immer im Zutatenverzeichnis deutlich<br />
gekennzeichnet werden, zum Beispiel<br />
unterstrichen oder fett gedruckt.<br />
– Die Zutatenliste eines Produktes gibt<br />
Auskunft darüber, welche Zusatzstoffe<br />
enthalten sind. Die Zusatzstoffe können<br />
mit ihrer E-Nummer (Beispiel: E322)<br />
oder mit ihrer Einzelbezeichnung (Beispiel:<br />
Lecithin) aufgeführt werden. Entsprechend<br />
ihrer Wirkung werden sie in<br />
der Regel einer Gattung zugeordnet (Beispiel:<br />
«Emulgator E322»).<br />
– Achtung: Zucker hat viele Namen! Er<br />
versteckt sich auch in: Glukose, Glukosesirup,<br />
Saccharose, Laktose, Dextrose,<br />
Maltose, Fructose, Galactose, Raffinose,<br />
Bild: CONCORDIA, Kundenmagazin CARE, Ausgabe September 2019<br />
46<br />
1/20 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
MEDISERVICE<br />
Invertzucker, Kandiszucker, Karamell,<br />
Traubenzucker und vielen mehr.<br />
Allergenkennzeichnung<br />
Folgende 14 Stoffe oder Erzeugnisse, die<br />
Allergien oder Unverträglichkeiten auslösen<br />
können, sind deklarationspflichtig:<br />
1. Glutenhaltiges Getreide (Weizen, Roggen,<br />
Gerste, Hafer, Dinkel, Kamut)<br />
2. Krebstiere<br />
3. Eier<br />
4. Fische<br />
5. Erdnüsse<br />
6. Sojabohnen<br />
7. Milch (einschliesslich Laktose)<br />
8. Hartschalenobst (Nüsse): Mandeln,<br />
Haselnüsse, Baumnüsse, Cashewnüsse,<br />
Pecannüsse, Paranüsse, Pistazien,<br />
Macadamianüsse<br />
9. Sellerie<br />
10. Senf<br />
11. Sesamsamen<br />
12. Schwefeldioxid und Sulfite (ab 10 mg<br />
pro kg oder l)<br />
13. Lupinen<br />
14. Weichtiere (Beispiel: Schnecken)<br />
Haltbarkeit<br />
Da Lebensmittel unterschiedlich schnell<br />
verderben, unterscheidet man bei der Deklaration<br />
zwischen Mindesthaltbarkeitsdatum<br />
und Verbrauchsdatum.<br />
Gut zu wissen:<br />
– Haltbare Lebensmittel tragen ein Mindesthaltbarkeitsdatum:<br />
«Mindestens<br />
haltbar bis …». Dies bedeutet, dass der<br />
Hersteller bis zu dieser Frist die beste<br />
Qualität garantiert. Die meisten Produkte<br />
sind nach diesem Datum noch nicht<br />
verdorben. Für Milchprodukte und Eier<br />
sind es Tage. Für Mehl, Kaffee, Nudeln<br />
und Reis Monate. Unsere Sinne entscheiden,<br />
ob wir diese Lebensmittel<br />
noch essen können.<br />
– Leicht verderbliche Lebensmittel tragen<br />
ein Verbrauchsdatum: «Verbrauchen bis<br />
…» Verderbliche Lebensmittel wie Hackfleisch,<br />
Fisch oder Produkte mit rohen<br />
Eiern sollte man nach dem Verbrauchsdatum<br />
auf jeden Fall entsorgen.<br />
Concordia<br />
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC und<br />
Concordia arbeiten seit vielen Jahren<br />
erfolgreich zusammen. Ihr Mehrwert<br />
als Mitglied bei MEDISERVICE<br />
<strong>VSAO</strong>-ASMAC: vorteilhafte Konditionen<br />
beim Abschluss einer Versicherung<br />
bei der Concordia.<br />
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Versicherungslösungen? Kontaktieren<br />
Sie MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC unter<br />
Telefon 031 350 44 22 oder per E-Mail<br />
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Rotkreuzdienst SRK, 058 400 41 70<br />
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<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 1/20 47
MEDISERVICE<br />
Bis zur Schlüsselübergabe<br />
sind in der Regel einige<br />
Hürden zu nehmen.<br />
Aber der Weg in die<br />
Selbständigkeit lohnt sich.<br />
Praxiseröffnung<br />
oder<br />
Praxisübernahme?<br />
Der Schritt in die Selbständigkeit ist eine der wichtigsten Entscheidungen<br />
in der ärztlichen Laufbahn. Damit verbunden sind mehr Verantwortung<br />
und Risiko, aber auch mehr Chancen und Unabhängigkeit. Es lohnt sich!<br />
Martin Bürgisser, Stefan Aregger, B + A Treuhand AG<br />
Bild: © Shutterstock<br />
48<br />
1/20 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
MEDISERVICE<br />
Jede Gründung eines Unternehmens<br />
ist mit finanziellen Risiken<br />
verbunden. Die Frage, ob<br />
die Übernahme eines bestehenden<br />
Unternehmens günstiger als eine<br />
Neugründung ist, kann nicht allgemeingültig<br />
beantwortet werden. Entscheidend<br />
bei der Praxiseröffnung ist die richtige<br />
Einschätzung des Marktes (gegenwärtiges<br />
und zukünftiges Patientenpotential, Mitbewerber<br />
etc.).<br />
Investitionen<br />
Bei der Neueröffnung einer Arztpraxis fallen<br />
in der Regel die gesamten Kosten für<br />
Praxisbau und Arzteinrichtung gleich zu<br />
Beginn der Praxistätigkeit an (evtl. zeitlich<br />
gestaffelte Einrichtung der Einrichtungen/Geräte).<br />
Da in der Regel kein Patientenstamm<br />
erworben wird, entfällt eine<br />
Zahlung für den Goodwill.<br />
Bei einer Praxisübernahme fällt zunächst<br />
der Kaufpreis der bestehenden Praxis<br />
an. Man trifft oft renovationsbedürftige<br />
Räumlichkeiten und alte Einrichtungen<br />
an, welche entsprechend günstig erworben<br />
werden können. Dafür wird für<br />
den bestehenden Patientenstamm ein<br />
Goodwill verlangt. Weitere Vorteile einer<br />
Praxisübernahme gegenüber der Neueröffnung<br />
sind nebst der Übernahme des<br />
bestehenden Patientenstammes eine kürzere<br />
Planungszeit, ein eingespieltes Team,<br />
die bereits existierende Organisation und<br />
die vorhandenen Arbeitsabläufe.<br />
In tendenziell gut versorgten Gebieten<br />
und Standorten, wo der Markt nicht<br />
klar abschätzbar ist, ist einer Praxisübernahme<br />
der Vorzug zu geben. Der Vorteil<br />
eines bestehenden Patientenstammes verringert<br />
das Risiko einer langen Anlaufzeit.<br />
In unterversorgten Gebieten, wo der Bedarf<br />
nach einer zusätzlichen Arztpraxis<br />
klar gegeben ist, ist der Vorteil eines bestehenden<br />
Patientenstammes weniger wichtig<br />
und der Goodwill wird entsprechend<br />
tiefer bewertet.<br />
Weitere wichtige Aspekte<br />
Mit der Übernahme einer Praxis werden in<br />
der Regel auch das bestehende Personal<br />
(zwingend nach Art. 333 OR) sowie die bestehende<br />
Praxisorganisation und die eingespielten<br />
Arbeitsabläufe übernommen.<br />
Mit dem Kauf der Praxis geht das Eigentum<br />
des gesamten Inventars der Arztpraxis<br />
an den Erwerber über. Damit es<br />
nach der Vertragsunterzeichnung nicht<br />
zu Missverständnissen kommt, sollte dem<br />
Kaufvertrag eine separate Inventarliste<br />
angehängt sein. Dies kann durch die Beilage<br />
der Praxisschätzung im Anhang erfolgen.<br />
Die Übernahme der Praxis wird den<br />
Patienten meist mit einem gemeinsamen<br />
Schreiben des Käufers und des Verkäufers<br />
kundgetan. Vertraglich wird auch geregelt,<br />
dass der Verkäufer seine Zustimmung<br />
zur Übergabe der Praxistelefonnummer,<br />
der Website oder auch von Praxislogos an<br />
den Erwerber gibt.<br />
Praxisübernahmen verlaufen erfahrungsgemäss<br />
harmonischer, wenn der<br />
Verkäufer sich per Übergabedatum aus<br />
dem Betrieb zurückzieht und allenfalls für<br />
eine kurze Zeit noch auf Abruf zur Verfügung<br />
steht. Übergabeszenarien mit noch<br />
jahrelanger Zusammenarbeit sind häufig<br />
konfliktbeladen, denn Arbeits- und Führungsstil<br />
von zwei Ärzten sind selten kompatibel.<br />
Ablauf Kaufprozess<br />
Die Kaufabwicklung einer bestehenden<br />
Praxis verläuft meist in folgenden Schritten:<br />
Arzt A interessiert sich für die Praxis<br />
B. Zur Beurteilung der Werthaltigkeit werden<br />
folgende Unterlagen einverlangt:<br />
– aktuelle Praxisschätzung<br />
– Kopie des aktuellen Mietvertrags<br />
– Aufstellung mit Angaben zum Personal<br />
(Funktion/Pensum/Salär)<br />
– Pläne der Räumlichkeiten<br />
– Umsatzstatistiken der letzten 3–5 Jahre<br />
(wer macht welchen Umsatz)<br />
– evtl. die letzten 3–5 Jahresabschlüsse<br />
– Vorstellung vom Verkaufspreis<br />
Arzt A überprüft diese Unterlagen mit einem<br />
branchenkundigen Treuhänder und<br />
erhält so Hinweise auf allfällige heikle<br />
Punkte, welche auf dem Verhandlungsweg<br />
reduziert/eliminiert werden sollen.<br />
Sobald die Finanzierung und der neue<br />
Mietvertrag unter Dach und Fach sind,<br />
kann auch der Kaufvertrag über den Praxiskauf<br />
unterzeichnet werden. Die Übernahme<br />
von Nutzen und Gefahr stellt den<br />
Startpunkt der Praxistätigkeit des Erwerbers<br />
dar.<br />
Es ist wichtig sicherzustellen, dass der<br />
Übergeber nach der Übergabe der Praxis<br />
nicht wieder als Arzt im gleichen Ort/der<br />
gleichen Region zu arbeiten beginnt. Andernfalls<br />
kann die Patientenkartei erheblich<br />
an Wert einbüssen. Dies wird durch<br />
sogenannte «Konkurrenzklauseln» im<br />
Vertrag erreicht.<br />
Immer öfters werden auch Arztpraxen<br />
zu zweit gegründet oder übernommen.<br />
Hier ist es von Vorteil, sobald wie möglich<br />
mit der Erarbeitung der Eckpfeiler eines<br />
Partnerschaftsvertrages zu beginnen. Dabei<br />
sind u.a. die Kostenaufteilung sowie<br />
Austritts-/Auflösungsklauseln sehr wichtig.<br />
Durch den Partnerschaftsvertrag können<br />
einige wichtige Grundlagen für die<br />
Zusammenarbeit und die Praxisgemeinschaft<br />
gelegt werden.<br />
Es lohnt sich, die rechtlichen Aspekte<br />
durch einen spezialisierten Anwalt/Treuhänder<br />
prüfen zu lassen.<br />
Diese Ausführungen basieren auf unseren<br />
langjährigen Erfahrungen bei einer<br />
grossen Zahl von Startup-Betreuungen<br />
von Ärzten in der Schweiz.<br />
Aus Gründen der Lesbarkeit wurde im Text die<br />
männliche Form gewählt, nichtsdestoweniger<br />
beziehen sich die Angaben auf Angehörige beider<br />
Geschlechter.<br />
Gerne unterstützen wir Sie beim<br />
Übernahmeprozess Ihrer eigenen<br />
Arztpraxis.<br />
Martin Bürgisser + Stefan Aregger<br />
Dipl. Treuhandexperten / Partner<br />
B+A Treuhand AG, Zugerstrasse 51,<br />
6330 Cham<br />
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contact@ba-treuhand.ch<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 1/20 49
Logo_Q-Publikation_D_2018_CMYK.pdf 1 03.04.18 11:40<br />
Impressum<br />
Kontaktadressen der Sektionen<br />
<strong>Nr</strong>. 1 • 39. Jahrgang • <strong>Februar</strong> <strong>2020</strong><br />
Herausgeber/Verlag<br />
AG<br />
<strong>VSAO</strong> Sektion Aargau, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier, Auf der<br />
Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch, Tel. 044 250 43 23,<br />
Fax 044 250 43 20<br />
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
Bollwerk 10, Postfach, 3001 Bern<br />
Telefon 031 350 44 88<br />
journal@vsao.ch, journal@asmac.ch<br />
www.vsao.ch, www.asmac.ch<br />
Im Auftrag des <strong>VSAO</strong><br />
Redaktion<br />
Catherine Aeschbacher (Chefredaktorin),<br />
Giacomo Branger, Franziska Holzner-Arnold,<br />
Kerstin Jost, Léo Pavlopoulos, Lukas Staub,<br />
Anna Wang, Sophie Yammine<br />
Geschäfts ausschuss vsao<br />
Anja Zyska (Präsidentin), Patrizia Kündig<br />
(Vize präsidentin), Angelo Barrile (Vizepräsident),<br />
Nora Bienz, Christoph Bosshard<br />
(Gast), Marius Grädel, Dina-Maria Jakob,<br />
Helen Manser, Gert Printzen, Patrizia Rölli,<br />
Miodrag Savic (Gast), Jana Siroka, Robin<br />
Walter (swimsa)<br />
Druck, Herstellung und Versand<br />
Stämpfli AG, Wölflistrasse 1, CH-3001 Bern<br />
Telefon +41 31 300 66 66<br />
info@staempfli.com, www.staempfli.com<br />
BL/BS<br />
<strong>VSAO</strong> Sektion beider Basel, Geschäftsleiterin und Sekretariat:<br />
lic. iur. Claudia von Wartburg, Advokatin, Hauptstrasse 104,<br />
4102 Binningen, Tel. 061 421 05 95, Fax 061 421 25 60,<br />
sekretariat@vsao-basel.ch, www.vsao-basel.ch<br />
BE <strong>VSAO</strong> Sektion Bern, Schwarztorstrasse 7, 3007 Bern, Tel. 031 381 39 39,<br />
info@vsao-bern.ch, www.vsao-bern.ch<br />
FR<br />
ASMAC Sektion Freiburg, Gabriela Kaufmann-Hostettler,<br />
Wattenwylweg 21, 3006 Bern, Tel. 031 332 41 10, Fax 031 332 41 12,<br />
info@gkaufmann.ch<br />
GE Associations des Médecins d’Institutions de Genève, Postfach 23,<br />
Rue Gabrielle-Perret-Gentil 4, 1211 Genf 14, amig@amig.ch, www.amig.ch<br />
GR<br />
JU<br />
NE<br />
<strong>VSAO</strong> Sektion Graubünden, 7000 Chur, Samuel B. Nadig, lic. iur. HSG,<br />
RA Geschäftsführer/Sektionsjurist, Tel. 078 880 81 64, info@vsao-gr.ch,<br />
www.vsao-gr.ch<br />
ASMAC Jura, 6, chemin des Fontaines, 2800 Delémont,<br />
marie.maulini@h-ju.ch<br />
ASMAC Sektion Neuenburg, Joël Vuilleumier,<br />
Jurist, Rue du Musée 6, Postfach 2247, 2001 Neuenburg,<br />
Tel. 032 725 10 11, vuilleumier@valegal.ch<br />
SG/AI/AR <strong>VSAO</strong> Sektion St. Gallen-Appenzell, Bettina Surber, Oberer Graben 44,<br />
9000 St. Gallen, Tel. 071 228 41 11, Fax 071 228 41 12,<br />
Surber@anwaelte44.ch<br />
Layout<br />
Tom Wegner<br />
Titelillustration<br />
Till Lauer<br />
Inserate<br />
Zürichsee Werbe AG, Fachmedien,<br />
Markus Haas, Laubisrütistrasse 44, 8712 Stäfa<br />
Telefon 044 928 56 53<br />
E-Mail vsao@fachmedien.ch<br />
SO<br />
TI<br />
TG<br />
<strong>VSAO</strong> Sektion Solothurn, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier, Auf der<br />
Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch, Tel. 044 250 43 23,<br />
Fax 044 250 43 20<br />
ASMAC Ticino, Via Cantonale 8-Stabile Qi, 6805 Mezzovico-Vira,<br />
segretariato@asmact.ch<br />
<strong>VSAO</strong> Sektion Thurgau, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier, Auf der<br />
Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch, Tel. 044 250 43 23,<br />
Fax 044 250 43 20<br />
Auflagen<br />
Druckauflage: 22 150 Expl.<br />
WEMF/SW-Beglaubigung 2019: 21 902 Expl.<br />
Erscheinungshäufigkeit: 6 Hefte pro Jahr.<br />
Für <strong>VSAO</strong>-Mitglieder im Jahresbeitrag<br />
inbegriffen.<br />
ISSN 1422-2086<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 2/<strong>2020</strong> erscheint im April <strong>2020</strong>.<br />
Thema: Bedrohung<br />
© <strong>2020</strong> by <strong>VSAO</strong>, 3001 Bern<br />
Printed in Switzerland<br />
VD<br />
VS<br />
ASMAV, case postale 9, 1011 Lausanne-CHUV,<br />
asmav@asmav.ch, www.asmav.ch<br />
ASMAVal, p.a. Maître Valentine Gétaz Kunz,<br />
Ruelle du Temple 4, CP 20, 1096 Cully, contact@asmaval.ch<br />
Zentralschweiz (LU, ZG, SZ, GL, OW, NW, UR)<br />
<strong>VSAO</strong> Sektion Zentralschweiz, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />
Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />
Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />
ZH/SH<br />
<strong>VSAO</strong> ZÜRICH/SCHAFFHAUSEN, RA lic. iur. Susanne Hasse,<br />
Geschäftsführerin, Rämistrasse 46, 8001 Zürich, Tel. 044 941 46 78,<br />
susanne.hasse@vsao-zh.ch, www.vsao-zh.ch<br />
Publikation2019<br />
FOKUSSIERT<br />
KOMPETENT<br />
TRANSPARENT<br />
Gütesiegel Q-Publikation<br />
des Verbandes Schweizer Medien<br />
50<br />
1/20 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal
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