VSAO JOURNAL Nr. 1 - Februar 2020
Regeneration - Von Menschen, Korallen und Müll Diabetes - Skalpell statt Pumpe Immunologie - Immuntherapie – Übersicht Politik - 75 Jahre vsao – Am Anfang war der Lohn
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Perspektiven<br />
Aktuelles aus der Endokrinologie: die Diabeteschirurgie<br />
Mit dem Skalpell<br />
gegen Diabetes<br />
Übergewicht und Diabetes Typ 2 bilden eine häufige und risiko reiche<br />
Kombination. Konventionelle Therapien haben im Gegensatz<br />
zur metabolischen Chirurgie oft wenig Erfolg. Eine Operation sollte<br />
deshalb frühzeitig in Betracht gezogen werden.<br />
Dr. med. Stefano Scardia und Dr. med. Lucie Favre,<br />
Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Metabolismus, CHUV Lausanne<br />
Diabetes ist eine chronisch<br />
fortschreitende Erkrankung,<br />
die seit vielen Jahrzehnten<br />
auf dem Vormarsch ist. 2017<br />
litten 4,6 Prozent der Schweizer Bevölkerung<br />
an Diabetes, was einer Zunahme von<br />
1,3 Prozent innert 20 Jahren entspricht.<br />
Dieser Wert liegt weit über der erwarteten<br />
Zunahme im Kontext der alternden Bevölkerung<br />
und der Früherfassung der<br />
Krankheit. Als Ursachen werden hauptsächlich<br />
Sozial- und Umweltfaktoren angeführt,<br />
die zu einer reduzierten körperlichen<br />
Aktivität und einer Zunahme von<br />
Adipositas führen.<br />
Gemäss den Zahlen vom BAG hat sich<br />
der Anteil der Personen, die an Adipositas<br />
leiden, in den letzten 25 Jahren bei den<br />
Männern von 6 auf 12 Prozent und bei den<br />
Frauen von 5 auf 10 Prozent verdoppelt.<br />
Die direkten und indirekten Kosten der<br />
mit Übergewicht und Adipositas einhergehenden<br />
Krankheiten in der Schweiz<br />
Abkürzungen:<br />
MC metabolische Chirurgie<br />
MB medikamentöse Behandlung<br />
HbA1c glykiertes Hämoglobin<br />
T2D Typ-2-Diabetes<br />
RYGB Roux-en-Y-Magenbypass<br />
SG Sleeve-Gastrektomie<br />
BPD biliopankreatische Diversion<br />
BMI Body-Mass-Index<br />
wurden im Jahr 2012 auf jährlich acht Milliarden<br />
Franken geschätzt.<br />
Adipositas wird durch eine übermässige<br />
Kalorienzufuhr und einen geringen<br />
Energiegrundumsatz begünstigt. Dies<br />
führt zu einer parallelen Zunahme von<br />
Adipositas und Typ-2-Diabetes (T2D). Die<br />
metabolische Chirurgie ist eine etablierte<br />
Therapieoption für diese beiden chronischen<br />
Erkrankungen. Die neuesten internationalen<br />
Empfehlungen schlagen deshalb<br />
vor, diese früh in das therapeutische<br />
Angebot bei Patienten mit T2D und Adipositas<br />
zu integrieren.<br />
Konservative versus chirurgische<br />
Therapie<br />
In einem ersten Schritt besteht die Behandlung<br />
von Adipositas und T2D darin,<br />
Massnahmen zu Gunsten einer ausgewogenen<br />
Ernährung und einer regelmässigen<br />
körperlichen Aktivität zu ergreifen.<br />
Bei Diabetespatienten mit Adipositas<br />
konnte jedoch kein signifikanter Unterschied<br />
bezüglich Morbidität und kardiovaskulärer<br />
Mortalität in Zusammenhang<br />
mit grundlegenden Veränderungen des<br />
Lebensstils aufgezeigt werden [1]. Trotz<br />
der neusten und zahlreichen Entwicklungen<br />
im Bereich der pharmakologischen<br />
Therapieoptionen erreichen weniger als<br />
die Hälfte der Patienten die Behandlungsziele,<br />
die eine langfristige Reduktion des<br />
Risikos für mikro- und makrovaskuläre<br />
Komplikationen herbeiführen sollten. Zu<br />
den Schwierigkeiten bei der Erreichung<br />
des Blutzuckerzielwertes kommt hinzu,<br />
dass fast die Hälfte der Patienten weiterhin<br />
Blutdruck- und LDL-Cholesterinwerte<br />
ausserhalb der Zielwerte aufweisen [2].<br />
Unter den zahlreichen Studien, die in<br />
der Literatur zu finden sind, haben wir in<br />
Tabelle 1 die drei wichtigsten zusammengefasst.<br />
Diese zeigen am besten die Unterschiede<br />
bei den erzielten Ergebnissen zwischen<br />
konservativer und chirurgischer<br />
Therapie bezüglich Gewichtsreduktion<br />
und Verbesserung des metabolischen Profils<br />
(Remission T2D, Lipidprofil, systolischer<br />
Blutdruck) [3–5].<br />
Im Jahr 2016 wurde ein von 45 internationalen<br />
Organisationen, darunter die<br />
International Diabetes Federation und die<br />
American Association of Diabetes, genehmigter<br />
Algorithmus vorgestellt. Dessen<br />
Ziel ist es, den optimalen Zeitpunkt für die<br />
Empfehlung oder Durchführung der metabolischen<br />
Chirurgie in der Behandlung<br />
von T2D zu präzisieren [6]. Diese neuen<br />
Richtlinien stellen eine der fundamentalsten<br />
Veränderungen der letzten Jahrzehnte<br />
in der Behandlung dieser Krankheit dar.<br />
Darin wird vorgeschlagen:<br />
• bei Patienten mit T2D und einer Adipositas<br />
Grad I (BMI ≥ 30 kg/m 2 ) im Falle einer<br />
ungenügenden glykämischen Kont-<br />
28<br />
1/20 <strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal