STADTMAGAZIN-BREMEN-2020-03-web
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KONZERTE<br />
„Schokolade und Lakritz“<br />
Santiano auf „MTV Unplugged“-Tour / Sänger Björn Both im Interview<br />
PRÄSENTIERT:<br />
Seit der Bandgründung 2011 sind Santiano auf Erfolgskurs: Axel Stosberg, Hans-Timm Hinrichsen, Andreas Fahnert, Björn Both und Peter David Sage (v.l.n.r.).<br />
Foto: Carsten Klick<br />
66<br />
Diese Formation ist aus der deutschsprachigen<br />
Musiklandschaft nicht<br />
mehr wegzudenken: Santiano feiert<br />
Erfolge, von denen andere nur träumen. Mit<br />
der Einladung von MTV folgte nun ein weiterer<br />
Ritterschlag. Wir haben mit Sänger<br />
und Multiinstrumentalist Björn Both über<br />
das „Santiano – MTV Unplugged“-Album<br />
und die gleichnamige Tour gesprochen.<br />
Guten Tag Herr Both. Seit der Bandgründung<br />
im Jahr 2011 haben Sie fast vier<br />
Millionen Tonträger verkauft. Damit ist<br />
Santiano die erfolgreichste deutschsprachige<br />
Band des vergangenen Jahrzehnts.<br />
Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?<br />
(Lacht) Ach, es ist müßig, darüber nachzudenken.<br />
Wir wurden von Anfang an gefragt:<br />
Wie kann dieses Album so erfolgreich sein?<br />
Dann kam das zweite und es hieß: Warum<br />
seid ihr denn immer noch da? Eine eindeutige<br />
Antwort darauf zu finden, ist sehr<br />
schwierig. Irgendwann haben wir beschlossen,<br />
dass wir das gar nicht mehr rauskriegen<br />
wollen.<br />
Die Fans geben doch bestimmt Hinweise<br />
darauf, weshalb sie die Musik so abfeiern …<br />
Sicherlich wecken wir Sehnsüchte nach<br />
einem Leben auf dem Schiff. Unsere Texte<br />
beschreiben das Leben aus der Sicht eines<br />
Menschen, der nicht genau weiß, was morgen<br />
ist, der sich den Regeln an Bord unterwirft,<br />
wo es noch so etwas wie Gerechtigkeit gibt.<br />
In diesem Kosmos setzt sich der Stärkere für<br />
den Schwächeren ein und die Gruppe begreift<br />
sich als Mannschaft. Im echten Leben<br />
sehnt sich vielleicht so mancher nach diesem<br />
überschaubaren Gefüge, weil das eigentliche<br />
Leben sehr kompliziert geworden ist.<br />
Die Musik als Realitätsflucht?<br />
Genau. Denn es ist schwierig, ein Leben zu<br />
führen, in dem man sich ein Herz fasst, seine<br />
sieben Sachen packt und in Richtung Horizont<br />
aufbricht. Darüber hinaus haben wir so<br />
viele Fans, weil wir unglaublich nette, sympathische<br />
Kerle sind (lacht).<br />
Wie ist der Kontakt zu den Fans?<br />
Wir pflegen einen guten Austausch mit<br />
unseren Fans. Wir geben immer alles und<br />
jedes Konzert ist uns wichtig. Wir versuchen<br />
so wenig wie möglich in den Zustand zu geraten,<br />
den Honigtopf, in den wir gefallen<br />
sind, für selbstverständlich zu nehmen.<br />
Höre ich da die typisch norddeutsche<br />
Bescheidenheit heraus?<br />
Bescheidenheit würde ich es nicht nennen,<br />
denn wir wissen schon, was wir tun. Trotzdem<br />
ist der Erfolg immer noch unfassbar.<br />
Wir dachten, wir machen Nischenmusik,<br />
und unser Stil ist ja auch kein Mainstream.<br />
Dennoch ist Ihre Musik offenbar sehr<br />
anschlussfähig.<br />
Ja, und das ist toll! Im Publikum tummeln sich<br />
Metal-Freaks, gepiercte Mittelalter-Fans,<br />
Punks, aber auch ganz normale Familien<br />
samt Oma. Und dann ist da noch normales<br />
Partyvolk. Unsere Fans sind so vielfältig, wie<br />
unsere Musik. Wer auf maritime Musik mit<br />
Irish Folk und eine Prise derben Rock steht,<br />
der kommt an uns einfach nicht vorbei.<br />
Im Spätsommer vergangenen Jahres ist<br />
das „MTV Unplugged“-Album erschienen.<br />
Wie kam die Songauswahl dafür zustande?<br />
Bei unseren 70 bis 80 Titeln mussten wir<br />
gemeinsam ausbaldowern, was unplugged<br />
funktioniert. Präsentieren wir uns als Irish-<br />
Folk-Band oder wollen wir unsere orchestrale<br />
Seite zeigen? Wir haben uns schließlich<br />
auf beides geeinigt. Bei uns stellt sich die<br />
Frage nicht nach dem Entweder-oder, sondern<br />
wir gucken, wie wir beides hinkriegen,<br />
Schokolade und Lakritz.<br />
Läuft so ein Entscheidungsprozess reibungslos<br />
ab?<br />
Wir pflegen eine schöne Streitkultur. Klar,<br />
wir sind fünf Leute, die auch mal das Geweih<br />
einsetzen. Bei uns gibt es keine Mehrheitsentscheide<br />
– und das aus folgendem Grund:<br />
Wenn von fünf Personen drei etwas gut finden<br />
und zwei nicht, ist das ein unglückliches<br />
Verhältnis. Also suchen wir so lange nach<br />
einer Lösung, bis wir fünf sagen: „Jep, das<br />
isses!“ In unserem Demokratieverständnis<br />
geht es nicht darum, den kleinsten gemeinsamen<br />
Nenner zu finden, sondern den größten.<br />
Wie aufwendig war die Aufzeichnung?<br />
Santiano darf „MTV Unplugged“ spielen – da<br />
ist der Anspruch natürlich hoch! Das machst<br />
du nicht mit „Hacke, Spitze, Tor!“ Bis wir die<br />
Arrangements zusammengestellt hatten,<br />
waren bereits zwei Monate rum. Unterstützung<br />
hatten wir von unseren Produzenten<br />
und einem 36-köpfigen Orchester. Außerdem<br />
haben wir die Band um einige tolle<br />
Musiker erweitert.<br />
Auf das „MTV Unplugged“-Album folgt nun<br />
die gleichnamige Konzertreihe. Stimmt es,<br />
dass der Rapper Aligatoah mit dabei ist?<br />
Ja, wir haben einige Gäste, darunter Angelo<br />
Kelly, Oonagh, Jennifer von Beyond the Black<br />
und eben Aligatoah, den wir super nett finden.<br />
Er ist wirklich ein feiner Kerl und total<br />
wach und neugierig unterwegs.<br />
Deutsch-Rap und Santiano-Sound, wie<br />
geht das zusammen?<br />
Eigentlich gar nicht. Wir machen aber gern,<br />
was man auf den ersten Blick nicht von uns<br />
erwartet. Das einzige Kriterium lautet: Es<br />
muss sich eine Geschichte ergeben, die wir<br />
zusammen erzählen können. Wenn Santiano<br />
mit einem Wort beschrieben werden müsste,<br />
wäre es „verbinden“.<br />
Apropos verbinden: Welchen Bezug haben<br />
Sie zu Bremen?<br />
Bremen zählt für uns Schleswig-Holsteiner<br />
absolut zum Norden. Wir können Plattdeutsch<br />
schnacken, ohne übersetzen zu müssen. (KW)<br />
Sonntag, 29. März, ÖVB-Arena, 19 Uhr<br />
VERLOSUNG<br />
Wir verlosen 5 x 2 Eintrittskarten unter<br />
www.stadtmagazin-bremen.de.