Spectrum_6_2019
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UNIPOLITIK
Text Elisa Jeanneret & Lorenz Tobler
Foto Valentina Schweiwiller
Quo vadis, Universität Freiburg?
Wer diesen Artikel in Echtzeit liest, wird wahrscheinlich im Jahr 2030 nicht mehr an unserer Universität
studieren. Genau diese ferne Zukunft wird jedoch derzeit vom Rektorat mittels der «Strategie 2030»
geplant und in verschiedenen frei zugänglichen Kolloquien besprochen.
Alle zehn Jahre erarbeitet das Rektorat
eine Strategie, um die Universität zu
modernisieren und so konkurrenzfähig zu
bleiben. Im Vorfeld hat das Rektorat dieses
Jahr zu verschiedenen Kolloquien geladen,
um den Puls der Mitarbeitenden und Studierenden
zu fühlen und dies in den Entwurf
der «Strategie 2030» einfliessen zu
lassen.
Stichwort Digitalisierung
Das letzte Grossprojekt, «Campus Management»,
führte zur erfolgreichen Aktualisierung
der IT-Services. Natürlich steht der
Digitalisierungsprozess auch in den nächsten
zehn Jahren nicht still. So kommen im
Kolloquium zur digitalen Universität die
Anliegen der universitären Gemeinschaft
hinsichtlich dieses Themas zur Sprache.
Wie kann die Universität Daten von verschiedenen
Forschungsprojekten an einem
Ort zugänglich machen und gleichzeitig
den Datenschutz gewährleisten?
Wie kann die Lagerung von Unmengen an
Daten möglichst ökologisch sein? Können
Lehrkräfte für allfällige Weiterbildungen
überhaupt Zeit aufopfern? Momentan werden
bei allen Professorinnen und Professoren
Umfragen durchgeführt, um herauszufinden,
in welchen Bereichen sie sich Hilfe
Die Universität Freiburg wagt einen Blick in die Zukunft.
wünschen. Erste Ergebnisse zeigen, dass
die Mehrheit es für wichtig erachtet, ihre
digitalen Kompetenzen zu erweitern. Aber
ist es überhaupt sinnvoll, eine langfristige
Strategie für ein solch dynamisches Feld zu
erstellen? Die Projektverantwortlichen der
Universität räumen ein, dass es zahlreiche
Unsicherheiten bezüglich der angewandten
Technologien gibt. Vor allem, wenn es
um die Bildung der Studierenden geht: Die
meisten bleiben drei, vielleicht fünf Jahre.
Somit müssten Informatik-Tools flexibel
sein, um mehrere Generationen bilden zu
können.
Neue Technologien: Chancen und Risiken
Fest steht, dass die Digitalisierung Didaktik
und Pädagogik vollständig verändern
kann. Es stellt sich unter anderem die Frage,
ob man Vorlesungen als Videos oder
Podcasts aufnehmen sollte, wie es bei vielen
Hochschulen schon der Fall ist. Im Kolloquium
zu Lehre und Weiterbildung wird
darum der Faden wieder aufgenommen:
Die neuen technischen Möglichkeiten
bieten sowohl Chancen als auch Risiken,
welche es in Zukunft sorgfältig gegeneinander
abzuwägen gelte. Verschiedene
Votanten und Votantinnen streichen in
der animierten Diskussion heraus, dass
die Möglichkeit, Vorlesungsinhalte online
(noch einmal) anzuschauen, Vorteile
bringt. Einerseits müssten sich Professorinnen
und Professoren so weniger
intensiv mit der teilweise unbeliebten
Grundlagenvermittlung beschäftigen,
andererseits werde die Universität auch
attraktiver für Studierende, die die notwendige
Präsenz für Frontalunterricht nicht
gewährleisten können. Angeführt wird
weiter, dass Fremdsprachige sich manchmal
wünschen, gewisse Passagen noch
einmal anhören zu können. Die Reaktion
der anwesenden Studierenden ist geteilt:
Ein Informatikstudent beklagt eine gewisse
Skepsis gegenüber zeitgemässer Technik,
während jemand anderes einwendet,
dass die teilweise mangelhafte Qualität der
Kurse nicht durch Digitalisierung wettgemacht
werden könne.
Täglich grüsst die Sprachenfrage
Schliesslich taucht auch während des Kolloquiums
zu Lehre und Weiterbildung die
Frage der Zweisprachigkeit auf, die in Freiburg
genauso zur DNA gehört wie die Kathedrale
oder die enorme Coiffeurdichte.
Die Vertreter und Vertreterinnen des Rektorats
laden das Publikum dazu ein, über
das Verhältnis der beiden Partnersprachen
ebenso nachzudenken wie über die Herausforderung,
Englisch einen angemessenen
Platz einzuräumen. Den Studierenden
wird von den Diskussionsteilnehmenden
sprachlich einiges zugetraut. Faktisch hätten
Absolvierende gewisser Studiengänge
bereits heute einen trilingualen Abschluss,
was auch auf den Diplomen ausgewiesen
werde. Ein anwesender Professor tritt
aber auf die Euphoriebremse. Die Kenntnisse
der Landessprachen würden in den
Gymnasien nicht mehr priorisiert, weshalb
viele Studierende bereits heute grosse
Mühe mit fremdsprachigen Kursen hätten.
Es wird angesichts der vielen aufgeworfenen
kontroversen Fragen spannend sein,
zu sehen, in welche Richtung das Rektorat
die Universität mit dem endgültigen Entwurf
der «Strategie 2030» zu manövrieren
versucht, der schliesslich erneut öffentlich
diskutiert werden soll.■
12.2019
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