-flip_joker_2020-04
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18 KULTUR JOKER NACHHALTIG
Mehr als
Django Reinhardt
Ein neues Freiburger Radioprojekt
berichtet von damaligen und heutigen
Lebenswirklichkeiten von Sinti und Roma
Wenn über Sinti und Roma
gesprochen wird, fällt oft das
romantisierende wie abwertende
Prädikat „Zigeuner“.
Menschen, die geigenspielend
und im Planwagen von Lagerfeuer
zu Lagerfeuer ziehen.
Für die Betroffenen ist es nicht
einfach, gegen solche groteske
Stereotype anzukommen. Ein
Anfang ist aber getan, wenn
sie selbst die Stimme erheben.
Das Radioprojekt „No
Country and No Land“ auf
Radio Dreyeckland setzt seit
Januar hier an. Hinter dem
Projekt stehen Frauen aus dem
Quartier Auggener Weg / Am
Lindenwäldle. Ihre Stimme
steht im Mittelpunkt, berichtet
von Rassismus, Antiziganismus,
Sexismus, aber auch von
Selbstermächtigung. Jeden
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nah, fern &
nachhaltig
Freiburg
0761 500 94 75
info@zenith-umzuege.de
vierten Montag im Monat um
19 Uhr werden historische wie
aktuelle Themen behandelt.
Denn Unterrepräsentation und
Diskriminierung von Sinti und
Roma halten bis heute an.
„Aufgrund von Vorurteilen
ist es für Sinti und Roma bis
heute schwierig, einen Ausbildungs-
oder Arbeitsplatz
zu finden.“ Eine der Teilnehmerinnen
ist Bildungsberaterin.
Für sie ist wichtig, offen
gegen solche Vorurteile zu
arbeiten. Aus Perspektive der
Mehrheitsgesellschaft gelten
Sintizzi oft als dumm, weil
„ungebildet“. Dabei war es
die Gesellschaft selbst, die
Sinti und Roma während des
Krieges den Schulbesuch verwehrte,
nach dem Krieg für
sie keine Schulpflicht garantierte.
(Nach-)Kriegskinder
der Sinti und Roma sind zum
Großteil AnalphabetInnen.
Für die jüngere Generation
bleiben alltägliche Diskriminierungserfahrungen.
Noch
immer bestehen in der Mehrheitsgesellschaft
viele Berührungsängste.
Davon können
alle Projektteilnehmerinnen
berichten. Ihr Appell ist klar:
Offene Bildungsangebote für
Sinti und Roma, eine Beurteilung
nach den Fertigkeiten und
nicht nach der Ethnie. Werte,
hinter denen das freie Radio
Dreyeckland steht, ebenso
wie die Kooperationspartner
des Projekts, unter ihnen das
Feministische Zentrum, das
Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und
Jugend oder die Stiftung Entwicklungs-Zusammenarbeit
Baden-Württemberg.
Erster Kooperationspartner
ist aber das Nachbarschaftswerk
im Quartier Auggener
Weg / Am Lindenwäldle. In
Weingarten gelegen, leben die
BewohnerInnen hier jenseits
des Blicks der Öffentlichkeit.
Das Quartier ist historisch gewachsen,
Familien leben generationenübergreifend
dort.
Dennoch haben die hier Lebenden
nur wenig Mitspracherecht.
Empowerment steht also
an erster Stelle. „Es ist selten,
dass Sinti oder Roma Radio
Foto: No Country and No Land
machen. Wahrscheinlich ist
diese Radiosendung die erste
ihrer Art. Deshalb bin ich dabei.“
Ein Bekenntnis, das viele
der Projektteilnehmerinnen
miteinander teilen. Langfristig
soll das zunächst auf ein Jahr
begrenzte Projekt neue zivilgesellschaftliche
Strukturen
im eigenen Stadtteil und eine
Kommunikationsbasis gegenüber
der Mehrheitsgesellschaft
bilden. Die Teilnehmerinnen
sollen das nötige journalistische
Handwerkszeug erlernen,
um so ihre Stimme dauerhaft
im Raum Freiburg hörbar
zu machen.
Dass bei dieser Kulturarbeit
auch ein schweres Erbe angetreten
wird, beweist die erste
Sendung, die am 75. Gedenktag
der Befreiung von Auschwitz
gesendet wurde. Über Interviews
und Reportagen wird
Erinnerungsarbeit geleistet,
ebenso auch der Anstoß für
weitere Bildungsarbeit. Noch
immer wird wenig über jene
Sinti und Roma berichtet, die
in den Vernichtungslagern der
Nationalsozialisten ums Leben
kamen.
Die März-Sendung setzte
sich mit dem kulturellen Erbe
der Sinti und Roma auseinander.
Sinti-Musik stand im Mittelpunkt,
Klassiker wie Django
Reinhardt, Live-MusikerInnen
und moderner Hip-Hop. Dabei
kam auch Freude, Lebensgefühl
auf. Man merkt den Sendungsmachenden
an, dass sie
Spaß an ihrem Projekt haben.
Das verbindet und macht deutlich:
Nur gemeinsame gesellschaftliche
Perspektiven sind
nachhaltig.
Die nächste Sendung von
„No Country and No Land“
beschäftigt sich mit dem
Quartier Weingarten und ist
am 27. April, 19 Uhr auf Radio
Dreyeckland zu hören (102,3
Mhz und im Livestream unter
www.rdl.de).
Fabian Lutz