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altlandkreis - Das Magazin für den westlichen Pfaffenwinkel - Ausgabe Mai/Juni 2020

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Timm Kempf lebt mit Tourette-Syndrom „Bernd“<br />

Zaubertricks gegen<br />

unkontrollierbare Tics<br />

Schongau | Timm Kempf ist in vielen<br />

Bereichen ein sehr begabter,<br />

aufrichtiger Junge. Ein Freigeist<br />

mit benei<strong>den</strong>swerten Talenten.<br />

Und trotzdem ist der 15-jährige<br />

Gymnasiast stark eingeschränkt<br />

in seiner Entwicklung. Der Grund:<br />

Tourette-Syndrom. Seit seinem<br />

sechsten Lebensjahr kämpft er<br />

sich mit dieser schweren Krankheit<br />

durchs Leben. „Anfangs waren es<br />

nur einfache ‚Tics‘ wie räuspern<br />

oder zwinkern, die sich im Laufe<br />

der Jahre, auch in Kombination mit<br />

diversen Begleiterkrankungen, jedoch<br />

verstärkt haben und nun – im<br />

Zuge der Pubertät – ihren Höhepunkt<br />

erreicht haben“, sagt Timms<br />

Mutter Sonja Kempf. Die medizinische<br />

Erklärung der Krankheit:<br />

Botenstoffe wie beispielsweise<br />

Dopamin wer<strong>den</strong> bei einem Tourette-Syndrom<br />

nicht gleichmäßig<br />

im Gehirn verteilt, weshalb das<br />

Filtern von Informationen, die der<br />

Mensch durch Hören, Sehen und<br />

Fühlen auf- und wahrnimmt, nicht<br />

richtig verarbeitet wer<strong>den</strong> können.<br />

Stattdessen kommt es immer<br />

wieder zu unkontrollierten mentalen<br />

und physischen Störungen.<br />

Kommt es zu sogenannten „Tics“,<br />

kann Timm nicht mehr so <strong>den</strong>ken,<br />

sprechen und sich auch nicht<br />

mehr so bewegen, wie er gerne<br />

möchte, wie er es normalerweise<br />

tun würde. Schimpfwörter sprudeln<br />

blitzartig aus ihm heraus, er<br />

Zaubertricks helfen Timm Kempf zum Unterdrücken der Tics.<br />

wuschelt seinem gegenüber plötzlich<br />

wild durchs Haar oder wirft<br />

Gegenstände durch die Küche. Er<br />

selbst ist diesen Situationen hilflos<br />

ausgesetzt, weiß nicht mal eine<br />

Hundertstelsekunde im Voraus,<br />

was er gleich sagen oder tun wird.<br />

„Im Falle eines Tics wird Timm<br />

komplett fremdbestimmt, muss<br />

sich quasi erst selbst zuhören, um<br />

zu wissen, was er gerade gesagt<br />

hat.“ Weil Timm trotz aller unvorhergesehener<br />

Belastungen seinen<br />

Sinn <strong>für</strong> Humor nicht verloren hat,<br />

gab er seinem Tourette-Syndrom<br />

einen eigenen Namen. „Bernd“<br />

heißt die fremde Person in ihm,<br />

die im schlimmsten Falle pausenlos<br />

und <strong>den</strong> ganzen Tag über aus<br />

ihm herausbricht. „Wir waren mal<br />

im Urlaub, wo er über 16 Stun<strong>den</strong><br />

hinweg ununterbrochen Tics<br />

gehabt hatte“, erinnert sich Sonja<br />

Kempf an <strong>den</strong> schrecklichsten<br />

Tag <strong>für</strong> Timm überhaupt. Umso<br />

wichtiger sind <strong>für</strong> Timm wirksame<br />

Maßnahmen, die das Tourette-<br />

Syndrom so gut es geht unterdrücken<br />

und ihn entspannen lassen.<br />

Medizinisches<br />

Cannabis hilft<br />

Dazu gehört unter anderem das<br />

Inhalieren von medizinischem<br />

Cannabis, drei bis vier Mal am Tag.<br />

Ebenso hilfreich sind <strong>für</strong> ihn Therapiestun<strong>den</strong><br />

bei Daniel Rosengart<br />

in Peiting. Der hauptberufliche Sozialarbeiter<br />

betreibt tiergestützte<br />

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