Nr. 70 - Frühling 2019
Bretagne: Unsere Coups de cœur für die größte bretonische Insel Pays de la Loire: Die Geschichte des größten japanischen Gartens Europas Lothringen : Begegnung von zeitgenössischer Kunst und ländlichem Raum Marseille: Eine fast hundertjährige Liebeserklärung ist noch immer aktuell Rezept: Tourte printanière aux champignons de Paris
Bretagne: Unsere Coups de cœur für die größte bretonische Insel
Pays de la Loire: Die Geschichte des größten japanischen Gartens Europas
Lothringen : Begegnung von zeitgenössischer Kunst und ländlichem Raum
Marseille: Eine fast hundertjährige Liebeserklärung ist noch immer aktuell
Rezept: Tourte printanière aux champignons de Paris
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DAS UNABHÄNGIGE FRANKREICH-MAGAZIN <strong>Nr</strong>. <strong>70</strong> · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong><br />
BRETAGNE · PAYS DE LA LOIRE · LOTHRINGEN · MARSEILLE<br />
Bretagne<br />
Belle-Île-en-Mer:<br />
unsere acht Coups de cœur<br />
Pays de la Loire<br />
Der größte japanische Garten Europas<br />
Lothringen<br />
Begegnung mit Kunst in der Natur<br />
Marseille<br />
Eine 100-jährige<br />
Liebeserklärung ist<br />
immer noch aktuell<br />
Rezept<br />
Demografie<br />
Kulturschock<br />
<strong>Frühling</strong>spastete mit Champignons<br />
Mehr Franzosen, aber nicht überall<br />
Loto – Glücksspiel im Gemeindesaal!<br />
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EDITORIAL<br />
Liebe Leserin,<br />
lieber Leser,<br />
bei Fertigstellung dieser Ausgabe springt<br />
uns eine Jahreszahl ins Auge: 1926.<br />
Als der engagierte Journalist Albert<br />
Londres (1884-1932), der als Wegbereiter des Journalismus in<br />
Frankreich angesehen wird, im Jahr 1926 von einer Reportage<br />
aus Polen zurückkam, legte er in Marseille einen Halt ein,<br />
um dieser kosmopolitischen und weltoffenen Stadt, die<br />
ihn schon seit Langem faszinierte, eine Reportage<br />
zu widmen. Es entstand eine Artikelserie, die<br />
in der renommierten Tageszeitung Le Petit<br />
Parisien erschien. Gut 90 Jahre später folgen<br />
wir den Spuren von Albert Londres durch Marseille.<br />
Würde der große Journalist die Stadt von<br />
heute wiedererkennen? Lesen Sie selbst ...<br />
Madame Simon war 1926 gerade einmal<br />
zwei Jahre alt. Sie kennen diese sympathische<br />
Frau, die von allen liebevoll<br />
Fernande genannt wird, vermutlich<br />
noch nicht. Wir haben sie in ihrem<br />
kleinen, von Wäldern umgebenen<br />
Dorf im Osten Frankreichs<br />
getroffen. Ich bin mir sicher,<br />
dass Sie beim Lesen des Artikels<br />
ebenfalls Lust verspüren werden, sie in<br />
ihrem für das ländliche Frankreich so<br />
typischen Bistro zu besuchen. Die 95-jährige<br />
Fernande freut sich immer, wenn sie<br />
Wanderer trifft und mit ihnen neben Natur<br />
und Umwelt auch über moderne Kunst diskutieren<br />
kann. Sie werden verstehen, warum ...<br />
Alexandre Marcel (1860-1928), der 1926<br />
in der Nähe von Angers (Maine-et-Loire) lebte,<br />
wusste damals noch nicht, dass ihm nur noch zwei Lebensjahre<br />
vergönnt sein würden. Noch weniger wusste er,<br />
dass der Parc Oriental, dessen Aufbau er geduldig viele<br />
Jahre seines Lebens gewidmet hatte, im Jahr <strong>2019</strong> als<br />
der größte japanische Garten Europas und als internationale<br />
Referenz gelten würde. Möglich war dies durch<br />
eine solidarische Aktion der Einwohner seines<br />
Dorfes, die den Park retteten und ihm seine<br />
ehemalige Schönheit zurückgaben. Wir werden<br />
Ihnen die näheren Umstände erläutern ...<br />
1926 war es bereits 26 Jahre her, dass in Paris<br />
die erste Metro eingeweiht worden war.<br />
Für das neue Transportmittel war ein<br />
relativ unbekannter Berufsstand aus den<br />
unterirdischen Gängen der Hauptstadt<br />
vertrieben worden: die Champignonzüchter.<br />
Einen der letzten dieser Produzenten<br />
haben wir in den unterirdischen Galerien des Pays<br />
de la Loire getroffen: Jacky Roulleau, den Gärtner<br />
der Nacht. Auch ihn werden Sie kennenlernen ...<br />
1926 ist nur eine Jahreszahl. Eine Jahreszahl wie<br />
so viele andere. Wenn Sie diese Ausgabe gelesen<br />
haben, werden Sie sich sagen, dass viele Dinge, die<br />
uns <strong>2019</strong> berühren, in enger Verbindung mit Ereignissen<br />
aus lange zurückliegenden Jahren stehen …<br />
Viel Spaß beim Lesen!<br />
Titelbild: der Eingang in den Hafen von Le Palais, der<br />
« Hauptstadt » von Belle-Ile-en-Mer (Morbihan)<br />
Jean-Charles Albert<br />
Chefredakteur<br />
jc.albert@frankreicherleben.de<br />
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 3
INHALT<br />
Lothringen · 48<br />
Bretagne · 26<br />
Gastronomie · 84<br />
Rezept · 90<br />
Pays de la Loire · 40<br />
Politik · 76<br />
Marseille · 60<br />
4 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
Lille<br />
PARIS<br />
48 · Lothringen<br />
Straßburg<br />
26 · Belle-Île-en-Mer Tours<br />
Nantes<br />
84 · Gastronomie<br />
40 · Parc Oriental<br />
Bordeaux<br />
Toulouse<br />
76 · Dijon<br />
Lyon<br />
60 · Marseille<br />
Unterwegs in Frankreich<br />
26 Belle-Île-en-Mer<br />
Unsere Coups de cœur für die größte bretonische Insel<br />
Das Frühjahr ist die ideale Jahreszeit, um Belle-Îleen-Mer<br />
zu entdecken. Das Klima ist dann angenehm,<br />
die Tage werden länger und das Licht sorgt wieder<br />
für die berühmten Farbspiele, die viele große Maler<br />
inspiriert haben. Unsere Coups de cœur einer Insel,<br />
die zu Recht den Namen « schöne Insel » trägt.<br />
36 Hotel<br />
Le Castel Clara, Port Goulphar, Belle-Île-en-Mer<br />
40 Pays de la Loire<br />
Die schöne Geschichte des größten<br />
japanischen Gartens Europas<br />
Der Parc Oriental de Maulévrier wurde Ende des 19.<br />
Jahrhunderts durch einen Architekten mit verrücktkreativen<br />
Ideen und einer Vorliebe für Japan konzipiert.<br />
Mitte des 20. Jahrhunderts geriet der Garten in Vergessenheit<br />
und wurde von der ursprünglichen Vegetation<br />
überwuchert, bis er von engagierten Menschen wieder<br />
aus seinem Dornröschenschlaf geweckt wurde.<br />
48 Lothringen<br />
Wandern: Begegnung von zeitgenössischer<br />
Kunst und ländlichem Raum<br />
Vor rund 20 Jahren wurde in einer abgelegenen Gegend im<br />
Departement Meuse eine wagemutige Initiative lanciert: die<br />
Schaffung von Wanderwegen, auf denen man zeitgenössische<br />
Kunstwerke entdecken kann. Heute sind dort mehr<br />
als 100 Kunstwerke auf Wegen mit einer Gesamtlänge von<br />
65 Kilometern zu Fuß oder mit dem Fahrrad frei zugänglich.<br />
60 Marseille<br />
Eine fast hundertjährige Liebeserklärung<br />
ist noch immer aktuell<br />
1926 realisierte der Journalist Albert Londres (1884-1932)<br />
eine Artikelreihe über Marseille, die in der Zeitung Le<br />
Petit Parisien erschien. Als Leser ist man heute noch<br />
von der zutiefst menschlichen Sichtweise berührt, mit<br />
der er das Porträt der Stadt zeichnete. Ein Porträt, das<br />
erstaunlicherweise immer noch aktuell zu sein scheint.<br />
Frankreich heute<br />
72 Gesellschaft<br />
Demografie: mehr Franzosen, aber nicht überall ...<br />
Die Ergebnisse der Volkszählung in Frankreich für den<br />
Zeitraum 2011-2015 zeigen, dass sich in den letzten Jahren<br />
landesweit einige große städtische Regionen sehr dynamisch<br />
entwickelt haben. Das Bild einer starken Hauptstadt<br />
Paris als demografisches Zugpferd ist damit überholt.<br />
76 Politik<br />
Sind die Regionen das Erfolgsrezept für den Tourismus?<br />
Das direkte politische Handeln und die Interventionen der<br />
öffentlichen Hand scheinen Gründe für den weltweiten<br />
Spitzenplatz Frankreichs im Tourismus zu sein. Die Regionen<br />
spielen dabei eine entscheidende Rolle. Das Beispiel der<br />
Region Bourgogne-Franche-Comté bestätigt dies.<br />
Art de vivre<br />
81 Produkt<br />
Das Gemüsepassiergerät Moulinex<br />
Das Gemüsepassiergerät aus Edelstahl namens Moulinex<br />
wurde vor 87 Jahren von einem Handwerker erfunden, weil dieser<br />
der Klümpchen in den Pürees seiner Gattin überdrüssig war.<br />
Die Geschichte einer erfolgreichen Erfindung.<br />
84 Gastronomie<br />
Champignons: Jacky Roulleau, der Gärtner der Nacht<br />
Rund 20 Kilometer südwestlich von Saumur befindet sich einer der<br />
letzten Orte Frankreichs, an dem man noch auf althergebrachte<br />
und authentische Art die berühmten Champignons de Paris<br />
züchtet. Ein Besuch beim « Gärtner der Nacht » Jacky Roulleau.<br />
90 Chantals Rezept<br />
Tourte printanière aux champignons de Paris<br />
3 Editorial<br />
6 On en parle<br />
12 Kulturprogramm<br />
14 On lit<br />
16 On lit en France<br />
20 On écoute<br />
22 On regarde<br />
24 On surfe<br />
39 Guéwen a testé<br />
<strong>70</strong> Coup de cœr<br />
75 Abonnement<br />
92 Nachbestellungen<br />
96 Kulturschock<br />
98 Impressum<br />
98 Vorschau<br />
Frankreich erleben im Internet:<br />
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Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 5
ON EN PARLE<br />
ANZIEHEND<br />
Marseille überzeugt mehr und mehr<br />
Marseille (Bouches-du-Rhône) wird von Touristen jedes Jahr<br />
ein bisschen mehr geschätzt. Während die Stadt traditionell<br />
die meisten Besucher im Sommer hat, lag sie nun – ganz<br />
überraschend – auf Rang fünf der französischen Städte (außer<br />
Paris) mit den meisten ausländischen Touristen während der<br />
Weihnachtszeit. Vor allem Engländer, Amerikaner, Deutsche,<br />
Iren und Schweizer haben am Jahresende 2018 ihren Urlaub in<br />
dieser Stadt verbracht.<br />
BAHNSTRECKEN<br />
Die ersten beiden Linien sind für den Wettbewerb geöffnet<br />
Es ist eine Premiere in Frankreich: Der Staat hat<br />
offiziell die ersten beiden Eisenbahnlinien im<br />
Land (Nantes-Lyon und Nantes-Bordeaux) für<br />
den Wettbewerb geöffnet und setzt damit das<br />
europäische Recht um. Ab 2022 könnten diese Strecken demnach durch ein Konkurrenzunternehmen<br />
der SNCF (Société Nationale des Chemins de Fer Français) betrieben werden. Nun obliegt es interessierten<br />
Unternehmen, sich zu bewerben und nachzuweisen, dass sie das Pflichtenheft erfüllen. Die beiden Linien<br />
gehören zu den sogenannten Intercités, die noch sechs weitere Verbindungen (Paris-Toulouse, Paris-<br />
Clermont-Ferrand, Bordeaux-Marseille, Toulouse-Hendaye sowie die beiden Nachtzugstrecken Paris-<br />
Briançon und Paris-Rodez-Latour-de-Carol) umfassen.<br />
Für den Bereich der Regionalzüge (TER) erfolgt die<br />
Öffnung für die Konkurrenz im Dezember <strong>2019</strong> und für<br />
die Hochgeschwindigkeitszüge (TGV) im Dezember 2020.<br />
6 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
FRANZÖSISCHE<br />
SPRACHE<br />
Ein Schloss<br />
für die<br />
Frankofonie<br />
Der französische<br />
Staatspräsident<br />
Emmanuel<br />
Macron hat beschlossen, ein « Labor » einzurichten, welches « das<br />
kreative Schaffen und das Denken in französischer Sprache fördern<br />
und hervorheben » soll. Es wird im Schloss von Villers-Cotterêts<br />
(Aisne) angesiedelt, genau dort, wo König Franz I. im August 1539<br />
die Ordonnance de Villers-Cotterêts erließ. Durch diese Verfügung<br />
wurde es Pflicht, offizielle Urkunden und Gerichtsentscheidungen in<br />
französischer Sprache zu verfassen. Das Schloss erfuhr im Laufe seiner<br />
Geschichte mehrmals bedeutende Veränderungen. Zuletzt wurde die<br />
ehemalige königliche Residenz als Altersheim genutzt. Nach dessen<br />
Schließung stand sie leer und verwahrloste. Der Staat will das Gebäude<br />
nun renovieren und Anfang 2022 für die Öffentlichkeit zugänglich<br />
machen.<br />
GASTRONOMIE<br />
Ist Bordeaux die Hauptstadt des<br />
Junkfoods?<br />
Auf diese Rangliste hätte die Hauptstadt des<br />
Departements Gironde gerne verzichtet: Die<br />
Website my-pharma.info, die sich auf Themen<br />
rund um die Gesundheit spezialisiert hat,<br />
zeichnete Bordeaux zum vierten Mal in Folge als<br />
« französische Hauptstadt des Junkfoods » aus;<br />
es folgen Metz und Tours. Für dieses Ranking<br />
wurde in 32 Städten des Hexagons erfasst, wie<br />
viele Restaurants die 16 verbreitetsten Fast-Food-<br />
Ketten dort jeweils haben. Und mit genau 54<br />
solcher Restaurants ist Bordeaux Spitzenreiter.<br />
Dies entspricht zudem einem Rekordwert von<br />
0,2143 solcher Lokale pro 1000 Einwohner.<br />
Die Rangliste wirft einige Fragen auf, zumal<br />
sie im krassen Gegensatz zum traditionellen<br />
gastronomischen Image von Bordeaux steht,<br />
denn die Stadt<br />
verfügt zugleich über<br />
zahlreiche sehr gute<br />
Restaurants.<br />
IMAGE<br />
Ajaccio, die sicherste Stadt in Frankreich<br />
Klischees haben oft ein langes Leben: Obwohl Korsika meist als eine sehr unsichere Region<br />
beschrieben wird, hat eine aktuelle Studie aufgezeigt, dass Ajaccio (Corse-du-Sud) die sicherste<br />
Stadt Frankreichs ist, was die Anzahl der Einbrüche angeht. Laut Innenministerium weist die Stadt<br />
mit durchschnittlich « nur » 150 Vorkommnissen pro Jahr die niedrigste Einbruchsrate des Landes<br />
auf. Die Korsen erklären diese Tatsache damit, dass « sich in Ajaccio alle kennen ». Diese Nähe trägt<br />
offensichtlich zu einer höheren Sicherheit bei, da die Einwohner vermehrt auf ungewöhnliches<br />
Verhalten achten.
ON EN PARLE<br />
AUSZEICHNUNG (1)<br />
Die beste Crêpière der Bretagne<br />
Wenn Sie in die Nähe des Dorfes Plougasnou (Finistère) kommen, sollten Sie unbedingt einen Halt dort einlegen. Die Fédération des<br />
Crêpiers de Bretagne (die Vereinigung der bretonischen Crêpe-Köche) hat den Preis für den besten Crêpier an Catherine Beuzit von der<br />
Crêperie Mademoiselle Breizh vergeben. Das Lokal ist mit Sicherheit einen Besuch wert!<br />
Crêperie Mademoiselle Breizh, Rond-point du 19 mars 1962, 29630 Plougasnou. Telefon: +33 (0)2 98 79 92 25 –<br />
www.facebook.com/madmoisellebreizh/<br />
PARISER FLUGHAFEN<br />
Riesige Augen auf der Erde<br />
Passagiere, die ab 2024 am Pariser Flughafen<br />
Roissy-Charles de Gaulle starten oder landen,<br />
werden todsicher erstaunt sein, wenn sie<br />
beim Blick aus dem Flugzeugfenster zwei<br />
riesige Augen sehen, die sie zu beobachten<br />
scheinen. Der Architekt und Städteplaner<br />
Antoine Grumbach soll drei Kilometer von den<br />
Start- und Landebahnen des Flughafens entfernt ein monumentales Werk kreieren. Auf dem Boden wird<br />
eine 800 Meter lange Erdzeichnung entstehen: zwei riesige, in den Himmel blickende Augen. Für die Konturen<br />
des Werkes namens Les yeux du ciel werden Bäume gepflanzt, das Innere wird mit weißen Steinen gestaltet.<br />
Das Kunstwerk wird begehbar sein: In einer der riesigen Pupillen soll ein Pflanzenlabyrinth entstehen, in<br />
der anderen ein Observatorium zur Himmelsbeobachtung. Die Einweihung ist für 2024 vorgesehen, also<br />
rechtzeitig zu den Olympischen Sommerspielen in Paris.<br />
8 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
UNGEWÖHNLICH<br />
In der Bretagne ist<br />
ein Bunker zu verkaufen.<br />
Ende Februar war im Zentrum der<br />
Stadt Saint-Malo (Ille-et-Vilaine)<br />
immer noch ein 340 m² großer<br />
Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg<br />
zu verkaufen oder zu vermieten. Der<br />
Preis: 360 000 Euro beziehungsweise<br />
eine jährliche Miete von 26 000 Euro.<br />
Der Bunker liegt zwischen dem SNCF-<br />
Bahnhof und dem Meer. Die Wände<br />
haben eine Dicke von 2,50 m und die<br />
Raumhöhe geht bis 3,20 m. Ideal also<br />
beispielsweise für eine Kunstgalerie<br />
oder ein Fitnessstudio. Die<br />
Besonderheit: Auf dem Dach wurden<br />
fünf Einfamilienhäuser gebaut.<br />
Angesichts der Dicke der Wände wird<br />
man von diesen Nachbarn im Inneren<br />
des Bunkers allerdings nicht sehr viel<br />
hören …<br />
MUSEUM<br />
Ein neues Museum in<br />
Hyères – in einer Bank<br />
Ab September dieses Jahres wird es<br />
in Hyères (Var) ein neues Museum<br />
namens La Banque, Musée des<br />
cultures et du paysage geben. Die<br />
Besonderheit: Es befindet sich in den<br />
Räumen der ehemaligen Banque de<br />
France. Einige Einrichtungen der Bank<br />
wurden zudem im Originalzustand<br />
bewahrt und werden im Rahmen<br />
der Besichtigung zu sehen sein (z. B.<br />
der Tresorraum und die Direktorenwohnung).<br />
Darüber hinaus zeigt das<br />
Museum die<br />
Sammlungen<br />
des Ende des<br />
19. Jahr hunderts<br />
gegründeten<br />
städtischen<br />
Museums, die<br />
einen guten<br />
Eindruck über die<br />
Geschichte der<br />
Stadt vermitteln.<br />
SCHNAPPSCHÜSSE<br />
2018 ein Rekordjahr für das Centre des Monuments<br />
Nationaux (CMN) ++ 2018 zählte der größte kulturelle und<br />
touristische Akteur Frankreichs in den rund hundert öffentlich zugänglichen<br />
Monumenten unter seiner Regie genau 10 267 369 Besucher: eine<br />
Steigerung von 8 % gegenüber 2017. Die meistbesuchten Denkmäler waren<br />
der Arc de Triomphe (1 751 046 Besucher), die Abbaye du Mont-Saint-Michel<br />
(1 243 344 Besucher) und die Sainte-Chapelle in Paris (1 067 296 Besucher).<br />
Der Louvre schlägt ebenfalls alle Rekorde ++ Auch<br />
das Musée du Louvre hat von der Wiederbelebung des Tourismus in<br />
Frankreich profitiert und mit 10,2 Millionen Besuchern (+ 25 % gegenüber<br />
2017!) einen neuen Rekord aufgestellt.<br />
Gleichberechtigung von Männern und Frauen: Es muss<br />
noch besser werden! ++ In der letzten Ausgabe von Frankreich<br />
erleben haben wir an dieser Stelle bereits kurz über dieses Thema berichtet.<br />
Die Statistiken der letzten drei Monate haben noch deutlicher aufgezeigt,<br />
dass das seit 46 Jahren vom französischen Gesetzgeber verankerte<br />
Prinzip « gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit » oft ignoriert wird. Nur 6 %<br />
aller Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten sind hinsichtlich der<br />
Gleichberechtigung von Männern und Frauen mustergültig, wie die jüngste<br />
Simulation des Arbeitsministeriums ergab. Schlimmer noch: Bei den<br />
Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern respektiert nicht einmal 1 %<br />
den Grundsatz der Lohngleichheit. Die Regierung ließ verlauten, sie wolle<br />
sich dieses Problems schnell annehmen. Eines ist sicher: Abgesehen von<br />
der Bezahlung muss sich vor allem die Denkweise ändern …<br />
Frankreich ist bei öffentlichen Sozialausgaben<br />
großzügig ++ Laut der Organisation für wirtschaftliche<br />
Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) belief sich der Anteil der<br />
öffentlichen Sozialausgaben (Rente, Gesundheit, Familie, Arbeit) am<br />
Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Frankreich 2018 auf 31,2 %. Diese Zahl<br />
zeichnet das Land mit weitem Abstand vor Belgien (28,9 %) und Finnland<br />
(28,7 %) als das freigiebigste Industrieland der Welt aus. Geht man mehr<br />
ins Detail, stellt man fest, dass Frankreich auch in Sachen öffentlicher<br />
Ausgaben für Gesundheit an der Spitze liegt, denn das Land gibt dafür<br />
mit 8,8 % (2015) den größten Teil seines Volksvermögens aller OECD-<br />
Länder aus, vor den Vereinigten Staaten (8,3 %) und Deutschland (8,1 %).<br />
Im Gegensatz zu dem, was man vermuten könnte, liegt Frankreich bei<br />
der Einkommensunterstützung nur auf Rang sieben (5,4 % des BIP im<br />
Jahr 2015). Darunter fallen Arbeitslosenunterstützung, Familienzulagen<br />
und Leistungen wegen Erwerbsunfähigkeit (Invalidität, Krankheit,<br />
Arbeitsunfälle).<br />
Franzosen setzen auf Fernbusse ++ Laut der aktuellen Bilanz<br />
der Autorité de Régulation des Activités Ferroviaires et Routières (ARAFER) hat<br />
die Nutzung von Fernbussen im dritten Quartal 2018 gegenüber derselben<br />
Periode des Vorjahres um 20 % zugenommen. Seit der Liberalisierung des<br />
Fernbusverkehrs im Jahr 2015 wurden insgesamt 2,6 Millionen Passagiere<br />
transportiert. Die beliebtesten Verbindungen sind dabei Lille-Paris, Paris-<br />
Rouen, Lyon-Paris und Grenoble-Lyon.<br />
Frankreich Frankreich erleben erleben · <strong>Frühling</strong> · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> <strong>2019</strong> · 9 · 9
ON EN PARLE<br />
INSELBIER<br />
Eine Brauerei auf der Insel Groix<br />
Die kleine Insel Groix (Morbihan) kann bald stolz von sich<br />
behaupten, ihr eigenes Bier zu brauen, denn dort wird gerade die<br />
Brasserie de Groix gegründet. Dieses umweltbewusste Projekt,<br />
das auf die lokale Wirtschaft setzt und von der Region Bretagne<br />
gefördert wird, wurde vom Direktor der Brauerei Kronenbourg<br />
in Rennes entwickelt, also von einem unbestrittenen Fachmann<br />
in der Welt des Bieres. Die Brauerei soll im März ihren Betrieb<br />
aufnehmen und ab Sommer die 17 Cafés und Bars der Insel mit<br />
einem 100 % lokalen Bier beliefern.<br />
UMWELT<br />
Der Trüffelkrieg hat begonnen!<br />
In Ferrières-les-Verreries, einem<br />
kleinen 50-Seelen-Dorf im<br />
Departement Hérault, das<br />
rund 40 Kilometer nördlich<br />
von Montpellier liegt, herrscht<br />
der Ausnahmezustand.<br />
Dabei führten die Menschen<br />
dort bisher ein ganz<br />
friedliches Leben. Doch<br />
nun will eine schottische<br />
Investmentgesellschaft<br />
namens Truffle Farms eine<br />
riesige Trüffelplantage bauen.<br />
Das erhitzt die Gemüter und<br />
hat in der Bevölkerung starken<br />
Widerstand ausgelöst. Das Projekt<br />
sieht 50 000 Trüffeleichen vor und<br />
wird ganz unbescheiden als « die<br />
größte Trüffelfarm der Welt » bezeichnet.<br />
Es würde nicht nur den lokalen Handel mit dem<br />
wertvollen Pilz vollkommen durcheinanderbringen,<br />
sondern auch das fragile ökologische Gleichgewicht,<br />
das die Produktion von Trüffeln begünstigt. Die Gegner<br />
dieses Projektes haben interne Dokumente von Truffle<br />
Farms veröffentlicht, aus denen hervorgeht, dass<br />
hinter den Plänen der schottischen Investoren vor<br />
allem Spekulations- und Steueroptimierungsabsichten<br />
stehen. Eine ins Leben gerufene Petition wurde bereits<br />
von 5000 Menschen unterzeichnet.<br />
10 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
VERÄNDERUNG<br />
Rochefort plant die Zeit « Post-Hermione »<br />
Wir haben darüber berichtet, dass von 1997 bis 2015 in der Stadt<br />
Rochefort (Charente-Maritime) eine Nachbildung der berühmten<br />
Fregatte von La Fayette in Originalgröße auf ganz traditionelle Art<br />
gebaut wurde. Inzwischen wurde das Schiff namens Hermione<br />
zu Wasser gelassen und segelt über die Weltmeere. Während<br />
der Rekonstruktion besuchten jedes Jahr 250 000 Menschen<br />
das Marinearsenal in Rochefort, um den Fortschritt dieser<br />
ungewöhnlichen Arbeiten zu verfolgen: ein wahrer Segen<br />
für den dortigen Tourismus. Logischerweise hat die Zahl der<br />
Besucher seit 2015 abgenommen, besonders zu Zeiten, in denen<br />
die Hermione unterwegs ist. Um dieser Tendenz entgegenzuwirken,<br />
investiert die Stadt 25 Millionen Euro in ein neues Tourismusprojekt, das<br />
auch dann Besucher anziehen soll, wenn die wertvolle Fregatte nicht vor<br />
Ort ist. Der Plan: die Schaffung eines « Parks mit hohem kulturellen Anspruch »,<br />
der verschiedene Aktivitäten umfassen wird, darunter auch ein nächtlicher<br />
Spaziergang bei Lichterschein.<br />
ANERKENNUNG (2)<br />
Die New York Times würdigt Lyon<br />
Die berühmte amerikanische Tageszeitung New York Times publiziert jedes Jahr eine Auswahl der « 50 Orte<br />
der Welt, die man besuchen sollte ». Die Stadt Lyon (Rhône) war nicht darauf gefasst, in der Auswahl <strong>2019</strong> zu<br />
erscheinen. Und noch dazu auf Platz 36, vor Städten wie Los Angeles, Perth oder Hongkong. Es sei angemerkt,<br />
dass Marseille auf Platz 39 liegt, während Paris gar nicht auftaucht. Laut dem Artikel, der diese Hitliste begleitet,<br />
sind es das architektonische Kulturerbe von Lyon, das umgestaltete Grand Hôtel-Dieu, das Stadion – in dem<br />
im Sommer <strong>2019</strong> die Fußballweltmeisterschaft der Frauen stattfinden wird – sowie die Gastronomie, die die<br />
Redakteure der Zeitung überzeugt haben.<br />
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 11
KULTURPROGRAMM<br />
Auf keinen Fall verpassen<br />
Fête de l’Orange<br />
Das kleine Dorf Podensac liegt inmitten der Reben des Weinbaugebiets<br />
Graves im Bordelais und begeht jedes Jahr an einem Wochenende im<br />
März das Fête de l’Orange et du Lillet. Es findet in der 1872 gegründeten<br />
Destillerie Lillet statt, wo der gleichnamige Aperitif auf der Basis von<br />
Orangenschalen produziert wird, den es heute in drei Varianten gibt:<br />
weiß, rosé und rot. Das Fest bietet gleichzeitig die Gelegenheit, diese<br />
interessante Produktionsstätte und ihre Geschichte zu entdecken. Die<br />
beiden Tage sind geprägt von Musik und Tanz. In einer herzlichen und<br />
mitreißenden Atmosphäre kann man regionale Produkte und – das<br />
versteht sich von selbst – Lillet verkosten. Ein Dorffest, wie wir es lieben.<br />
Podensac (Gironde): Fête de l’Orange. 9. und 10. März <strong>2019</strong>.<br />
www.lillet.com<br />
Der Tutenchamun kommt nach Paris<br />
Bereits 1967 wurden in Paris 45 Objekte aus dem<br />
Grab des Tutenchamun gezeigt, das Howard<br />
Carter 1922 entdeckt hatte. Die Ausstellung zog<br />
damals 1,24 Millionen Menschen an. In diesem<br />
Jahr werden 150 « Schätze des Pharao » präsentiert,<br />
die auf Beschluss des ägyptischen Ministeriums<br />
für Altertümer im Rahmen einer Wanderausstellung<br />
um die Welt reisen, bevor sie ihren Platz im<br />
Großen Ägyptischen Museum in Gizeh finden,<br />
das zu Füßen der Pyramiden eröffnet wird.<br />
Mitorganisator dieses Ausstellungsereignisses<br />
in Paris ist das Musée<br />
du Louvre. Der Erfolg<br />
wird mit Sicherheit<br />
immens sein, zumal die<br />
französische Hauptstadt<br />
der einzige Ausstellungsort<br />
in Europa ist.<br />
Paris, Grande Halle de<br />
la Villette: Toutânkhamon<br />
– le Trésor du<br />
Pharaon. 23. März bis<br />
15. September <strong>2019</strong>.<br />
www.lavillette.com<br />
Ein Dorf<br />
zelebriert<br />
den Gesang<br />
In den ländlichen<br />
Gebieten Frankreichs<br />
finden<br />
jedes Jahr zahlreiche<br />
Festivals<br />
unterschiedlichster<br />
Art statt. Dieses hier ist ein echtes Juwel, sowohl<br />
was die Atmosphäre als auch was die Qualität angeht.<br />
Es kann mit « großen Festivals » absolut mithalten! Als<br />
Hommage an einen berühmten Sohn des Ortes, den<br />
Schriftsteller Julien Gracq, der eine Passion für die<br />
Oper hegte, widmet das idyllisch am Ufer der Loire<br />
gelegene Dorf Saint-Florent-le-Vieil dem Gesang jährlich<br />
ein Festival. Vier Tage lang verwandelt ein Heer<br />
von begeisterten freiwilligen Helfern den Ort in eine<br />
einzige Bühne für Konzerte und Veranstaltungen rund<br />
um die Stimme. Das Spektrum geht dabei von Klassik<br />
über Jazz bis hin zum Gospel. In einer der nächsten<br />
Ausgaben erfahren Sie noch mehr über dieses Dorf<br />
und sein Festival, das sich von anderen unterscheidet<br />
und das wir Ihnen daher näher vorstellen werden!<br />
Saint-Florent-le-Vieil (Maine-et-Loire): Le<br />
Rivage des Voix. 16. bis 19. Mai <strong>2019</strong><br />
www.lerivagedesvoix.com<br />
12 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
Außerdem lohnenswert<br />
Die Kunst, Leere darzustellen<br />
Alexandre Calder und Pablo Picasso haben beide die Kunst des<br />
20. Jahrhunderts entscheidend mitgeprägt. Diese Ausstellung<br />
interessiert sich für einen Aspekt ihrer<br />
Arbeit, der bis dato niemals untersucht<br />
wurde: Auf welche Art hat jeder der<br />
beiden Künstler versucht, die Leere,<br />
das Fehlen von Raum in seinem Werk<br />
darzustellen? Bei dieser Gelegenheit<br />
erfährt man, wie wichtig diese<br />
Überlegung für beide Künstler war,<br />
und kann die ganze Komplexität dieser<br />
Fragestellung erfassen.<br />
Paris, Musée Picasso: Calder-<br />
Picasso. 19. Februar bis 25. August<br />
<strong>2019</strong>.<br />
www.museepicassoparis.fr<br />
Das schwarze<br />
Modell<br />
Nach der New Yorker<br />
Wallach Art Gallery<br />
beschäftigt sich das<br />
Musée d‘Orsay in Paris<br />
mit einer bislang wenig<br />
beachteten Frage in der<br />
Geschichte der Kunst:<br />
Wie wurde das schwarze<br />
Modell, das bei den<br />
Malern im Paris des<br />
19. Jahrhunderts vor allem aufgrund der damit verbundenen<br />
technischen Schwierigkeiten sehr geschätzt war, allmählich<br />
zu einem eigenständigen Thema? Welche Vorstellung hatten<br />
Künstler wie Géricault, Manet, Degas und Matisse wirklich von<br />
dunkelhäutigen Modellen? Was sagt dies über die damalige<br />
Gesellschaft aus? Die Ausstellung beleuchtet insbesondere den<br />
Dialog zwischen dem Künstler, der malte, bildhauerte, gravierte<br />
oder fotografierte, und dem Modell, das dafür posierte.<br />
Paris, Musée d’Orsay: Le modèle noir de Géricault à Matisse.<br />
26. März bis 21. Juli <strong>2019</strong>.<br />
www.musee-orsay.fr<br />
Inspirationen aus der<br />
Normandie<br />
So wie Paris heute in Frankreich<br />
kein Monopol mehr auf<br />
bedeutende Ausstellungen<br />
hat, so war die Hauptstadt<br />
in der Vergangenheit auch<br />
nicht die einzige Stadt, die<br />
Künstler anzog. Daran will diese<br />
Ausstellung in Rouen erinnern.<br />
In den 30er-Jahren zog das<br />
kleine Dorf Varengeville-sur-<br />
Mer Künstler wie Braque und Nelson an, die dort ihre Ateliers<br />
einrichteten. Einige Jahre später folgten Calder und Miró. Alle<br />
schufen dort zahlreiche Gemälde, darunter die berühmten<br />
« Konstellationen » von Miró, die man bei dieser Ausstellung<br />
erfreut entdecken wird.<br />
Rouen (Seine-Maritime), Musée des Beaux-Arts: Braque,<br />
Miró, Calder, Nelson – une constellation d’artistes à<br />
Varengeville-sur-Mer. 5. April bis 2. September <strong>2019</strong>.<br />
www.mbarouen.fr<br />
Kunst und Volkskunst<br />
Jean Dubuffet gehört zu den Hauptvertretern der sogenannten<br />
« Art brut » und besuchte regelmäßig das Musée des Arts et<br />
Traditions populaires, den Vorgänger des MuCEM in Marseille.<br />
Unter « Art brut » versteht man eine Kunstbewegung, bei der<br />
Kunst durch jemanden geschaffen wird, der keine künstlerische<br />
Ausbildung hat, sondern autodidaktisch versucht, neue<br />
Techniken und eine neue Ausdrucksform zu entdecken. Jean<br />
Dubuffet, der die Kunst und Kultur seiner Zeit stark kritisierte,<br />
sah darin ein Mittel, die Kunst und das vorherrschende<br />
Verständnis von Kunst von ihrem Podest zu holen. Diese<br />
Ausstellung beleuchtet<br />
die Beziehungen des<br />
Künstlers zur Volkskunst.<br />
Marseille, MuCEM: Jean<br />
Dubuffet, un barbare<br />
en Europe. 24. April bis<br />
2. September <strong>2019</strong>.<br />
www.mucem.org<br />
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 13
ON LIT<br />
BILDBÄNDE<br />
ROMAN<br />
Serotonin<br />
Michel Houellebecq,<br />
Originaltitel: Sérotonine,<br />
Dumont, 335 Seiten,<br />
ISBN 978-3832183882<br />
Bevor ein neues<br />
Buch von Michel<br />
Houellebecq offiziell<br />
erscheint und in den<br />
Buchhandlungen<br />
erhältlich ist, ist<br />
der jeweilige Titel<br />
meist bereits in aller<br />
Munde und alle Medien<br />
berichten über ihn. Serotonin war in dieser Beziehung keine<br />
Ausnahme, und wie immer war der Aufruhr groß! Das Ganze<br />
hat zumindest einen Vorteil: Zweifellos wissen nun so gut<br />
wie alle Franzosen, dass dieser wissenschaftliche Begriff<br />
einen Neurotransmitter bezeichnet, auch « Glückshormon »<br />
genannt, der eine fundamentale Rolle für unser Wohlbefinden<br />
spielt. Ein weiteres Phänomen der Bücher von Houellebecq:<br />
Sie lösen unvermeidlich unterschiedlichste – oft<br />
widersprüchliche – Reaktionen aus. Kurz: Es wird diskutiert,<br />
Meinungen werden geäußert. Und dies geht weit über die<br />
Medien und die Literaturszene hinaus. Im Grunde genommen<br />
diskutiert ganz Frankreich über Houellebecq und sein<br />
neuestes Werk, egal ob bei einer Vernissage in der Hauptstadt<br />
oder am Tresen eines Bistros in der Provinz. Und genau darin<br />
liegt die Leistung des Autors.<br />
Mit diesem aktuellen Roman, seinem siebten, beschreibt<br />
der Schriftsteller eine depressive Gesellschaft und scheint<br />
damit bis an die Grenzen seiner Zwangsvorstellungen zu<br />
gehen. Trotzdem bringt er uns teilweise zum Lachen. Der<br />
Erzähler (Houellebecq selbst?) beginnt jeden seiner Tage<br />
mit einer Tablette Captorix, einem Antidepressivum, das<br />
eine Dosis Serotonin im Gehirn freisetzen soll. Er weiß, dass<br />
eine der unerwünschten Nebenwirkungen des Medikaments<br />
Libidoverlust – im Extremfall sogar Impotenz – sein kann.<br />
Dies führt ihn unweigerlich dazu, über seine vergangenen<br />
Liebesbeziehungen nachzudenken. Darüber hinaus<br />
wirft Houellebecq – über ein Labyrinth an Wegen und<br />
Gedankengängen, wie nur er es beherrscht – einen ätzenden<br />
Blick auf das heutige Frankreich. Er nimmt uns unter anderem<br />
in das ländliche Frankreich mit, wo sich die Menschen gerade<br />
heute besonders benachteiligt fühlen. Was? Sollte der Autor<br />
vor allen anderen das Aufkommen der Gilets jaunes gespürt<br />
haben? Eines ist auf jeden Fall sicher: Sein Buch lässt uns<br />
einmal mehr nicht gleichgültig …<br />
Leonardos Maschinen:<br />
In der Werkstatt des genialen Erfinders<br />
Herausgegeben von Mario Taddei und Edoardo Zanon, Text<br />
von Domenico Laurenza, übersetzt aus dem Italienischen<br />
von Erwin Tivig, Originaltitel: Leonardo’s machines,<br />
Theiss-Verlag, 242 Seiten ISBN 978-3806234756<br />
Das große Leonardo da Vinci Buch,<br />
mit Zeichnungen zum Herausnehmen<br />
und Entdecken<br />
Gérard Denizeau, übersetzt aus dem Französischen von Heike Rosbach,<br />
Originaltitel: Léonard de Vinci, Theiss-Verlag,<br />
128 Seiten, ISBN 978-3806235517<br />
Anlässlich des 500. Todestages<br />
von Leonardo da Vinci (1452-<br />
1519), der in Frankreich – vor<br />
allem in der Touraine – das<br />
ganze Jahr über begangen<br />
wird, hat der deutsche Theiss-<br />
Verlag zwei sehr interessante<br />
Werke über das Leben und die<br />
Erfindungen des Genies der<br />
Renaissance herausgebracht.<br />
Das erste, « Leonardos<br />
Maschinen », ist eine Art<br />
Gebrauchsanleitung, die auf originelle und klare<br />
Weise eine Frage beantwortet, die wir uns häufig<br />
bei der Betrachtung der unglaublichen Erfindungen<br />
da Vincis stellen: Wie funktionierten sie eigentlich?<br />
Anhand zahlreicher aussagekräftiger Illustrationen<br />
und ergänzender Erläuterungen wird deutlich, wo<br />
das Interesse von Maschine und Mechanismus lag.<br />
Endlich kommen wir hinter das Geheimnis und müssen<br />
zugeben, dass wir richtig stolz sind, das nun endlich<br />
verstanden zu haben!<br />
Das zweite, « Das große Leonardo da Vinci Buch »,<br />
trägt seinen Namen zu Recht: 130 Seiten, mehr als 300<br />
Abbildungen von Kunstwerken und Reproduktionen,<br />
Faltblätter zum Auspacken, Anschauen und Anfassen,<br />
Zeichnungen und Dokumente in beigefügten<br />
Papiertäschchen, die spielerisch in voller Größe<br />
entdeckt werden können … Es ist eine regelrechte<br />
Bibel über Leonardo und seine Arbeiten, perfekt<br />
dokumentiert, unterhaltsam<br />
zu lesen! Ein Buch, das von<br />
der Gestaltung bis zum Druck<br />
äußerst einfallsreich gemacht<br />
ist und aus dem Rahmen fällt:<br />
ganz nach dem Vorbild des<br />
großen Meisters. Leonardo da<br />
Vinci hätte es zweifelsohne toll<br />
gefunden!<br />
14 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
ROMAN<br />
All die glücklichen<br />
Familien<br />
Hervé Le Tellier, Originaltitel: Toutes<br />
les familles heureuses, übersetzt aus<br />
dem Französischen von Jürgen und<br />
Romy Ritte, dtv Verlagsgesellschaft,<br />
192 Seiten, ISBN 978-3423289719<br />
Hervé Le Tellier zeichnet in diesem<br />
Buch ein Familienporträt, und er<br />
macht dies schonungslos offen, auf ehrliche und anständige<br />
Weise. Jetzt, nachdem sowohl der Vater als auch der Stiefvater<br />
tot sind und die Mutter, so erfahren wir « verrückt ist », weiß<br />
der Autor, dass « sie dieses Buch nicht lesen werden. Ich fühle<br />
mich im Recht, es endlich zu schreiben. Ich hoffe, dass ich ohne<br />
Wut von dieser Familie erzähle, sie beschreibe, ohne mich zu<br />
beklagen, ich möchte sogar, dass über sie gelacht wird, ohne<br />
Bedauern. Kinder haben manchmal nur die Wahl zu fliehen, und<br />
selbst wenn der Ausbruch das Risiko der Zerbrechlichkeit in sich<br />
birgt, verdanken sie ihm oft, das Leben noch mehr lieben zu<br />
können. » Ein Roman, der eine Geschichte erzählt, die Geschichte<br />
einer Familie, wie es Tausende gibt. Seine Stärke liegt jedoch<br />
darin, dass er durch seine Scharfsinnigkeit und die Fähigkeit<br />
einfühlsam und mit den richtigen Worten über die einfachen und<br />
wahren Dinge des Lebens zu sprechen, unser tiefstes Inneres<br />
anspricht.<br />
BIOGRAFIE<br />
Napoleon, Revolutionär auf dem<br />
Kaiserthron<br />
Günter Müchler, Theiss-Verlag, 544 Seiten, ISBN 978-3806239171<br />
Günter Müchler studierte Geschichte und<br />
Politikwissenschaft, ist ein passionierter<br />
Frankreichkenner und beschäftigt sich seit vielen<br />
Jahren mit der Französischen Revolution und<br />
Napoleon. Mit dieser Biografie über Napoleon<br />
Bonaparte (1769-1821) gelingt es ihm, diesen<br />
Menschen auf eine neue und andersartige Weise<br />
zu betrachten und den Leser dadurch neugierig<br />
zu machen. Angesichts der zahlreichen Studien,<br />
die bereits über Napoleon Bonaparte erstellt<br />
wurden, ist dies kein leichtes Unterfangen. Das<br />
Werk eignet sich sowohl<br />
für hervorragende<br />
Kenner der Geschichte<br />
des Kaisers als auch<br />
für diejenigen, die<br />
ganz einfach mehr<br />
über dessen Leben<br />
und Werk erfahren<br />
möchten.<br />
ROMAN<br />
Fünf Tage in Paris<br />
Tatiana de Rosnay, Originaltitel: Sentinelle de la pluie, übersetzt aus dem Französischen von<br />
Nathalie Lemmens, C. Bertelsmann, 304 Seiten, ISBN 978-35<strong>70</strong>103654<br />
Tatiana de Rosnay ist ein echtes Phänomen in der französischen Verlagswelt. Man schätzt, dass von ihren<br />
Büchern weltweit bisher mehr als 14 Millionen Exemplare verkauft wurden. Da ist es nur zu logisch, dass<br />
für ihre zahlreichen Fans jedes neu erschienene Werk ein heiß ersehntes Ereignis ist. Dabei beschränkt sich<br />
Tatiana de Rosnay nicht darauf, « einfache » Bücher nach altbewährten Rezepten zu schreiben. Sie ist der<br />
Ansicht, dass man « den Finger in die Wunde legen » und « Risiken eingehen » muss, um als Schriftsteller<br />
anerkannt zu werden. Tatiana de Rosnay wurde 2007 mit dem Buch Elle s‘appelait Sarah (deutscher Titel:<br />
Sarahs Schlüssel) bekannt. Darin erzählt sie die Geschichte einer amerikanischen Journalistin, die im Jahr<br />
2002 in Paris Nachforschungen über das Schicksal eines elfjährigen Mädchens anstellt, das 1942 im Rahmen<br />
der tragischen Ereignisse im Vélodrome d‘Hiver verhaftet wurde. Dieses sehr sensible Thema war bis dato in Frankreich<br />
in Literaturkreisen nicht oft behandelt worden.<br />
Mit dem Buch Fünf Tage in Paris, dessen Originalausgabe Anfang 2018 in Frankreich erschien, nimmt die Autorin erneut<br />
Risiken auf sich. Diesmal lädt sie uns ein, einer Familienaudienz hinter verschlossenen Türen beizuwohnen, die vor<br />
der beängstigenden Kulisse der von einem dramatischen Seine-Hochwasser bedrohten französischen Hauptstadt<br />
stattfindet. Die Angst steigt nach und nach ... wie das Wasser ... Aber bis wohin? Das ist die große Frage ... Lange vor der<br />
Autorin verglich bereits Paul Verlaine (1844-1896) durch einen berühmt gewordenen Neologismus der Verben pleurer<br />
und pleuvoir sein Herz mit der Stadt im Regen: Il pleure dans mon cœur / Comme il pleut sur la ville ... Einen Vers, den<br />
Tatiana de Rosnay ohne Zweifel gut kennen dürfte ...<br />
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 15
ON LIT EN FRANCE<br />
Sage mir, was du liest,<br />
und ich sage dir, wer du bist …<br />
Unsere Auswahl an Büchern, über die man zurzeit in Frankreich spricht<br />
GLISSEZ, MORTELS<br />
Charlotte Hellman, Éditions Philippe Rey, 208 Seiten, ISBN 978-2848767147<br />
ACADÉMIE ÉQUESTRE<br />
VERSAILLES<br />
Koto Bolofo, Vorwort von Bartabas, Actes<br />
Sud, 288 Seiten, ISBN 978-2330113889<br />
Koto Bolofo wurde<br />
1959 in Südafrika geboren,<br />
lebte bis zur Abschaffung der<br />
Apartheid 1991 im Exil in<br />
Großbritannien und ist einer<br />
der aufgehenden Sterne am<br />
Fotografenhimmel weltweit.<br />
In Frankreich wurde man<br />
besonders durch seine Arbeit<br />
im Hause Hermès auf ihn<br />
aufmerksam. Mit einem<br />
überaus präzisen Blick gelang<br />
es ihm, die nicht einfache<br />
Frage der Vermittlung von<br />
Know-how außergewöhnlich gut zu erfassen. Für dieses<br />
Buch hat Koto Bolofo den Fokus seiner Kamera auf die<br />
Welt der Pferde gerichtet. Er folgte einer Einladung von<br />
Bartabas, dem Gründer der berühmten Pferdeshow Zingaro.<br />
Bartabas ist einer der Pioniere in diesem Bereich, seine<br />
Shows sind auf der ganzen Welt zu sehen. Im Jahr 2003<br />
gründete er zudem die Académie équestre von Versailles.<br />
In die Welt dieses renommierten königlichen Reitstalls<br />
tauchte der Fotograf nun ein, blieb dabei aber – wie man<br />
es von ihm gewohnt ist – so diskret wie möglich. Auf diese<br />
Weise gelang es ihm, die vielfältige Kommunikation zwischen<br />
Mensch und Pferd einzufangen und die Verbundenheit<br />
solcher Beziehungen eindrucksvoll festzuhalten. Die rund<br />
200 Fotos dieses großartigen Bandes sprechen für sich,<br />
sodass der einzige Text das Vorwort von Bartabas ist. Beim<br />
Durchblättern ist man davon überwältigt, wie schön die<br />
Vertrautheit zwischen Mensch und Tier anzusehen ist. Durch<br />
die Schwarz-Weiß-Technik gelingt es dem Fotografen, Stärke<br />
und Zerbrechlichkeit zugleich zu vermitteln. Große Kunst!<br />
Von Paul Signac (1863-1935) weiß man im besten<br />
Fall, dass er ein großer französischer Maler war. Wie<br />
sein Freund, der Maler Georges Seurat (1859-1891),<br />
war er einer der Weichensteller des Pointillismus.<br />
Die Stärke dieses Buches liegt darin, dass wir viel<br />
über den Menschen Paul Signac erfahren und auf<br />
faszinierende Art in sein Privatleben eintauchen. Die<br />
Autorin, Charlotte Hellman, kennt den Künstler sehr<br />
gut, da sie für seine Archive in Paris verantwortlich<br />
ist. Von ihr erfahren wir mehr über das Leben eines<br />
leidenschaftlichen Malers, der sich nicht nur künstlerisch,<br />
sondern auch politisch engagierte. Vor allem<br />
aber erfahren wir mehr über seine wenig bekannten<br />
Beziehungen zu zwei Frauen: Berthe und Jeanne. Mit<br />
Berthe war Paul Signac verheiratet, verließ sie aber<br />
1912 für Jeanne, eine gemeinsame Freundin von ihm<br />
und Berthe. Jeanne ließ sich für ihn sogar scheiden<br />
und verzichtete auf ihre Kinder. Für Paul dagegen<br />
kam eine Scheidung nicht in Betracht; es gelang<br />
ihm sogar, Berthe davon zu überzeugen, das Kind,<br />
das er mit Jeanne bekam, zu adoptieren. Ein Mann,<br />
zwei Frauen. Das<br />
Portrait einer<br />
ungewöhnlichen<br />
Beziehung. Und<br />
das vor dem<br />
Hintergrund einer<br />
Epoche, die sich<br />
im künstlerischen<br />
Aufbruch befand,<br />
und einer<br />
toleranten – oder<br />
auch nicht – Gesellschaft,<br />
die<br />
sich im Endeffekt<br />
selbst suchte.<br />
16 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
277492_Schmitz_Anzeige_1 19.06.2018 16:19<br />
ANZEIGE<br />
Ulrich Robin<br />
LA FRANCE D’ANTAN<br />
À TRAVERS LA CARTE<br />
POSTALE ANCIENNE<br />
Sarah Finger, HC Editions, 400<br />
Seiten, ISBN 978-2357204201<br />
Dieses Werk ist nicht nur schön<br />
und beeindruckend, sondern auch<br />
faszinierend. Das liegt daran, dass<br />
es weit über die bereits oft gesehene<br />
historische Katalogisierung auf der<br />
Basis alter Postkarten hinausgeht.<br />
Beim Durchblättern der 400 Seiten<br />
entdeckt man Frankreich in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, einer<br />
Zeit, in der alles möglich scheint. All diese Postkarten zeugen davon,<br />
wie alte Traditionen ganz allmählich dem Fortschritt – vor allem<br />
dem industriellen – Platz machen. Die Epoche erscheint innovativ<br />
und dynamisch. Man erfährt, dass die ersten Maschinen, die stolz<br />
zur Schau gestellt werden, einen immer größeren Stellenwert bekommen,<br />
und man entdeckt das Aufkommen der ersten Wintersportorte.<br />
Es macht richtig Spaß, in diesen Fotos nach Details zu suchen,<br />
die vom Umbruch einer Epoche zeugen. Vor allem wird man sich<br />
dabei bewusst, welche Veränderungen es seitdem gegeben hat ...<br />
UN TOUR DE FRANCE LITTÉRAIRE<br />
Robert Darnton, Gallimard, 392 Seiten, ISBN 978-2072744921<br />
Alle, die sich schon immer gefragt<br />
haben, wie es sein konnte, dass in den<br />
Köpfen der Menschen die Idee der Französischen<br />
Revolution aufkommen und sich<br />
ausbreiten konnte – in einer Zeit, in der<br />
Kommunizieren schwierig und langwierig<br />
war –, werden in diesem fesselnden Buch<br />
vielleicht eine Antwort finden. Der Autor<br />
ist Geschichtswissenschaftler und Spezialist<br />
für diese Epoche. Er hat dafür mehr als<br />
50 000 Dokumente aus dem Jahr 1778<br />
analysiert, die sich in den Verlagsarchiven der<br />
Société typographique de Neuchâtel befinden. Eine wahre wissenschaftliche<br />
Sisyphusarbeit! Durch Lagerbestände, Buchhaltungsunterlagen und<br />
Bestellbücher zeichnet sich nach und nach ein Porträt der damaligen<br />
Welt der Bücher ab. Vor allem aber präsentiert Robert Darnton uns<br />
das spannende, täglich aktualisierte Heft eines Commis voyageur<br />
des Verlages (heute würde man ihn als « Außendienstmitarbeiter »<br />
bezeichnen), der mehrere Monate lang durch die literarische Welt<br />
Frankreichs reiste, Buchhändler besuchte und deren Bestellungen<br />
aufnahm. Auf der Basis der geführten Unterhaltungen legte er auf fast<br />
journalistische Art ein Zeugnis von dieser vorrevolutionären Zeit ab.<br />
Das Vermächtnis<br />
oder<br />
Von Lilien lernen<br />
„Das Vermächtnis oder Von Lilien lernen“<br />
ist ein vielschichtiger Roman<br />
über die Wunden der Nachkriegszeit,<br />
über Schuld, über den Beginn des<br />
Massentourismus und der Eventkultur<br />
und die deutsch-französischen Beziehungen.<br />
Im Mittelpunkt des Geschehens:<br />
Alman, deutscher Aussteiger in<br />
Chartres und Françoise, seine Geliebte.<br />
Der Autor erzählt mit souveräner<br />
Sprachkraft und feinem, untergründigem<br />
Witz die Ge schichte eines Fremden<br />
und Außen seiters, und seiner<br />
Beziehungsprobleme. Eingebettet in<br />
die Beschreibungen französischer Lebensart,<br />
des Geschehens in und um<br />
Chartres und eines, wenn auch nur virtuellen<br />
Ausflugs in die nahe gelegene<br />
französische Metropole. Auf subtile<br />
Weise verflicht er Gegenwart und Vergangenheit.<br />
Sie treffen sich schließlich<br />
auf überraschende Weise im Symbol<br />
der Lilie.<br />
Ulrich Robin<br />
Das Vermächtnis<br />
oder<br />
Von Lilien lernen<br />
1. Auflage 2017<br />
Taschenbuch, 251 Seiten<br />
ISBN: 978-3-86460-695-3<br />
14,90 EUR<br />
www.book-on-demand.de
ON LIT EN FRANCE<br />
HISTORISCHER ROMAN<br />
LE REGARD DE LA JOCONDE<br />
Alberto Angela, übersetzt aus dem Italienischen von Sophie<br />
Bajard, Payot, 360 Seiten, ISBN 978-2228921756<br />
Der studierte Paläontologe und Journalist nimmt uns mit<br />
diesem fesselnden Roman mit in die Geschichte der Renaissance<br />
und Leonardo da Vincis (1452-1519). Dies gelingt ihm mithilfe<br />
eines der berühmtesten Gemälde der Welt, das im Pariser<br />
Musée du Louvre hängt: der Mona Lisa. Seit Jahrhunderten<br />
versuchen die Menschen, das Geheimnis ihres Lächelns und<br />
ihres Blicks zu ergründen. Vom Heimatland des italienischen<br />
Genies bis in das Dorf Amboise in der Touraine, wo da Vinci im<br />
Mai 1519, also vor 500 Jahren, starb, zeigt uns Alberto Angela,<br />
dass wir die Mona Lisa nach wie vor sehr schlecht kennen.<br />
Eine umfassend dokumentierte Untersuchung, die sich wie<br />
ein Roman liest und den Leser auf eine Zeitreise mitnimmt.<br />
ROMAN<br />
KRIMI<br />
LA PETITE<br />
GAULOISE<br />
Jérôme Leroy, La<br />
manufacture de livres, 142<br />
Seiten, ISBN 978-2358872522<br />
Hinweis für alle<br />
Krimifreunde: Diese<br />
« kleine Gallierin »<br />
(es handelt sich<br />
dabei um ein 17-jähriges<br />
Mädchen, das<br />
die absurde Welt um es<br />
herum erkannt hat) ist ein kurzer, bissiger Krimi,<br />
ein Juwel, das mit großen Gesellschaftsromanen<br />
durchaus mithalten kann. In Form eines Roman<br />
noir prangert das Buch wie ein modernes Pamphlet<br />
die Ghettoisierung bestimmter Viertel der Pariser<br />
Vorstädte an. Der Autor ist ein subtiler Beobachter<br />
der Veränderungen in der französischen<br />
Gesellschaft. Seine fesselnde Intrige spielt in einer<br />
Hafenstadt im Westen des Landes, in der eine<br />
extremistische Partei das Sagen hat. Der Text<br />
ist gut geschrieben, ohne Phrasen zu dreschen,<br />
und stellt der ernsten Handlung trotz allem als<br />
Ausgleich viel Humor gegenüber. Fesselnd!<br />
UNE JEUNESSE EN FUITE<br />
Arnaud Le Guern, Éditions du Rocher, 226<br />
Seiten, ISBN 978-2268101293<br />
Dieser Roman ist die vordergründig simple<br />
Geschichte eines Mannes – des Erzählers –,<br />
der mit seiner Tochter für einen Sommer in die<br />
Bretagne zu seinen Eltern zurückkehrt. Bei<br />
dieser Gelegenheit findet er Briefe seines Vaters<br />
wieder, der in den 90er-Jahren als Militärarzt<br />
am Golfkrieg teilnahm. Die Briefe erinnern<br />
ihn an seine Jugend, nehmen ihn mit auf<br />
eine persönliche Reise in die Vergangenheit.<br />
Durch diese Reise<br />
lässt der Autor<br />
treffsicher und<br />
ohne Melancholie<br />
die Atmosphäre<br />
der damaligen<br />
Zeit in Frankreich<br />
auferstehen. Ein<br />
lehrreicher Generationenroman!<br />
18 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
Wie sieht es aktuell mit Büchern deutscher Schriftsteller aus, die ins Französische übersetzt wurden?<br />
Hier ist unsere Auswahl solcher Bücher, über die man zurzeit im Hexagon spricht (und die<br />
Sie beispielsweise Ihren französischen Freunden empfehlen können ...):<br />
ROMAN<br />
KRUSO<br />
Lutz Seiler, Übersetzung<br />
aus dem Deutschen<br />
von Uta Müller und<br />
Bernard Banoun,<br />
Verdier, 476 Seiten, ISBN<br />
978-2864329909 (in<br />
Deutschland 2014 bei<br />
Suhrkamp erschienen,<br />
Originaltitel: Kruso)<br />
Man mag erstaunt darüber<br />
sein, dass dieser berühmte Roman<br />
von Lutz Seiler, der 2014 anlässlich<br />
der Frankfurter Buchmesse<br />
mit dem Deutschen Buchpreis<br />
ausgezeichnet und bereits in 20<br />
Sprachen übersetzt wurde, erst<br />
jetzt in Frankreich erscheint. Auf<br />
jeden Fall ist er lesenswert, darüber<br />
sind sich die Leser im Hexagon<br />
einig. Bei den Begegnungen<br />
mit dem Autor, die der Verlag in<br />
französischen Buchhandlungen<br />
organisiert, gibt es Fragen zuhauf.<br />
Offenbar begeistern sich die<br />
Franzosen für diesen Roman über<br />
das Ende der DDR. Im Übrigen<br />
hebt auch die französische Kritik<br />
einhellig dessen Stärken hervor.<br />
ESSAY<br />
JE SUIS NÉ QUELQUE<br />
PART, OÙ PEUT-ON SE<br />
SENTIR CHEZ SOI ?<br />
Daniel Schreiber, Übersetzung aus dem<br />
Deutschen von Alexandre Pateau, 210<br />
Seiten, ISBN 978-2746746787 (in Deutschland<br />
2017 bei Hanser Berlin erschienen,<br />
Originaltitel: Zuhause, die Suche nach<br />
dem Ort, an dem wir leben wollen)<br />
Der Autor stellt sich in<br />
diesem Essay die Frage nach<br />
dem Zuhause und beschreibt<br />
diskret, aber ehrlich eine neue<br />
Art, sich heute sein Zuhause<br />
in der Welt zu schaffen. Nach<br />
Meinung mehrerer Buchhändler<br />
in Frankreich gehört dieses Buch<br />
zu denjenigen, die schnell durch<br />
Mund-zu-<br />
Mund-Propaganda<br />
bekannt<br />
wurden.<br />
Das ist<br />
angeblich<br />
die beste<br />
Art, um<br />
Neugier zu<br />
wecken!<br />
HISTORISCHER ROMAN<br />
BERLIN FINALE<br />
Heinz Rein, Übersetzung von Brice Germain, Belfond,<br />
880 Seiten, ISBN 978-2714471439 (in Deutschland 1947<br />
bei Dietz erschienen, Originaltitel: Finale Berlin)<br />
Der französische Verlag Belfond lancierte<br />
vor fünf Jahren die Reihe Belfond<br />
Vintage. In dieser Reihe werden verschollene<br />
Bücher, vergessene<br />
Klassiker und Texte unbekannter<br />
Au tor en (wieder)<br />
aufgelegt. Inzwischen<br />
umfasst Belfond Vin tage<br />
rund dreißig Werke. Vor<br />
Kurzem hatte der Verlag<br />
mit dem in dieser Reihe<br />
veröffentlichten Buch<br />
Berlin finale einen großen<br />
Erfolg. Die Franzosen<br />
wussten nicht, dass es sich<br />
dabei um einen der ersten Bestseller in<br />
Deutschland han del te, der in der Zeit<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg (näm lich<br />
1947) erschien. Mit sehr großem Interesse<br />
– die Verkaufszahlen sprechen für<br />
sich – entdecken die Leser im Hexa gon<br />
dieses wertvolle Zeugnis der Vergangenheit<br />
über die letzten Tage in Berlin<br />
vor dem Untergang des Nazi-Reichs.<br />
Wir servieren Ihnen den 2. Band!<br />
Nach dem erfolgreichen „À table“<br />
ist jetzt endlich „À table 2“ erschienen.<br />
Man nehme: acht französische Regionen,<br />
das Savoir-faire unserer Rezeptautorin<br />
Madame Seidel-Guinebretière, garniere es<br />
mit viel französischem Flair und schmecke<br />
das Ganze mit wohldosierten deutschen<br />
Wort übersetzungen ab.<br />
Nicole Seidel-Guinebretière<br />
€ 9,90 Print, DIN A4, 64 Seiten<br />
www.sprachzeitungen.de
ON ÉCOUTE<br />
CHANSON/WORLD MUSIC<br />
Yann Tiersen: ALL<br />
Viele Melodien von Yann Tiersen kennen wir,<br />
ohne dass uns bewusst ist, dass sie von diesem<br />
bretonischen Komponisten stammen. Manchmal<br />
bedarf es nur einiger Töne und sofort schießt uns die<br />
Erinnerung an beeindruckende Filme wie Good Bye Lenin oder Die fabelhafte<br />
Welt der Amélie, für die er die Musik komponierte, durch den Kopf. Das aktuelle<br />
Album von Yann Tiersen entstand in einer ehemaligen Diskothek auf der Insel<br />
Ouessant, wo er sein neues Studio eingerichtet hat. Es enthält Melodien, die uns<br />
in ihren Bann ziehen, die « hausgemacht » sind und für die er auf der ganzen Welt<br />
Klanginspirationen « sammelte », beispielsweise am Flughafen Tempelhof in Berlin,<br />
nach dem der erste Titel der CD benannt ist. Umwelt und Natur spielen in den<br />
Texten wiederum eine zentrale Rolle, der Musiker bleibt damit seinem sozialen<br />
und politischen Engagement treu. Die Musik ist einmal mehr in bemerkenswerter<br />
Weise orchestriert und synchronisiert. Es ist ein Genuss für das Ohr, hinter<br />
der fast hypnotischen Pianomusik andere Geräusche herauszuhören, unter<br />
anderem solche, die man unweigerlich mit der Insel Ouessant in Verbindung<br />
bringt, wie das Nebelhorn, das Plätschern der Wellen auf den Kieseln oder auch<br />
spielende Kinder am Strand. Es sei denn, Letztere vergnügten sich auf dem zu<br />
einem Naherholungspark umgestalteten Flugfeld des ehemaligen Flughafens<br />
Tempelhof … Letzten Endes bleibt etwas Geheimnisvolles, und genau darin liegt<br />
die Anziehungskraft dieser CD. Eine CD, die ein Bote verschiedenster Emotionen ist!<br />
Info: Im Rahmen seiner Welttournee gastiert Yann Tiersen am 6. März <strong>2019</strong> im<br />
Admiralspalast in Berlin, am 7. März <strong>2019</strong> in der Laeiszhalle in Hamburg und am<br />
8. März <strong>2019</strong> in der Tonhalle in Düsseldorf.<br />
CHANSON/POP<br />
Elsa Gilles: Elsa Gilles<br />
Diese in der Öffentlichkeit noch weitgehend<br />
unbekannte junge fran zö sische Künstlerin<br />
begann im Alter von vier Jahren mit dem<br />
Klavier unter richt, mit fünfzehn Jahren<br />
folgten Gitarre und Violoncello. Dank<br />
ihres Talents wurde man schnell auf sie<br />
aufmerksam. Als sie eines Tages Lau rent<br />
Voulzy begegnete, beschloss dieser, sie<br />
unter seine Fittiche zu nehmen; er arbeitete<br />
fast zehn Jahre mit ihr. In der Folge trat<br />
sie dann bei Calo geros letzter Tournee im<br />
Vorprogramm auf. Calogero war es auch,<br />
der dieses Album produzierte. Es enthält<br />
zwölf poppige Titel, die tref fend von so<br />
unterschiedlichen Themen wie dem Reiz<br />
der einfachen Dinge des Lebens, dem<br />
Zweifel oder der bedingungslosen Liebe<br />
erzählen. Die Stimme der Künstlerin wird Sie<br />
mit Sicherheit begeistern. Sie bringt einen<br />
frischen Wind in das<br />
französische Chanson<br />
und könnte in den<br />
kommenden Jahren<br />
die Szene prägen!<br />
CHANSON<br />
Patrick Bruel: Ce soir on sort…<br />
Patrick Bruel ist bereits 59 Jahre alt! Das könnte man nahezu vergessen,<br />
wenn man sieht, wie der Sänger bei seinen Auftritten immer noch<br />
durch enthusiastische – und teilweise auch etwas hysterische –<br />
« Patriiiiick! »-Rufe von seinen Fans empfangen wird, die ihn noch immer<br />
als den ewig romantischen Sänger und Verführer Nummer eins Frankreichs<br />
betrachten. Dieses Image klebt an ihm, er versteht es jedoch, damit<br />
humorvoll umzugehen. « Patriiiiick » präsentiert uns nun also sein neuntes<br />
Album, das mit nicht weniger als 15 Chansons durchaus umfangreich ist.<br />
Selbstverständlich ist die Liebe in seinen Songs immer noch ein Thema,<br />
daneben geht es aber auch – vielleicht ein Privileg des Alters? – um aktuelle<br />
gesellschaftliche Fragen. On partira handelt von der Immigrantenkrise und<br />
erzählt die Geschichte einer Mutter und ihres Sohnes, während Ce soir on<br />
sort… unterschwellig die Attentate von 2015 behandelt. In Qu’est-ce qu’on<br />
fait? geht es um den Sieg der französischen Nationalmannschaft bei der<br />
Fußballweltmeisterschaft im vergangenen Jahr. Patrick Bruel hat sich für<br />
diese CD mit jungen Künstlern umgeben,<br />
die Musik klingt daher moderner als auf<br />
den vorherigen Alben. Sie liegt im Trend<br />
der Zeit, ohne deshalb den Stil von Patrick<br />
Bruel zu verraten. Bruel, wie man ihn liebt!<br />
CHANSON<br />
Zaz: Effet miroir<br />
Nach 4 Millionen<br />
verkauften CDs (davon<br />
2 Millionen im Ausland)<br />
bringt Zaz nun ihr viertes Album heraus, auf dem<br />
man sofort ihre so typische Stimme wiedererkennt.<br />
Mit Rock, Salsa und Balladen ist es ein sehr<br />
vielseitiges Album. Es spiegelt die Erfahrungen<br />
auf Reisen und die Begegnungen wider, die Zaz in<br />
den acht Jahren ihrer Karriere machte. Mit dieser<br />
CD – vielleicht die persönlichste bisher – kann man<br />
Zaz und ihre Welt noch besser erfassen, vor allem<br />
durch die drei Titel, die sie selbst schrieb, darunter<br />
der sehr berührende Song Laponie, und das<br />
wehmütige Chanson Résigne-moi. Beim Anhören<br />
bekommt man große Lust, Zaz live auf der Bühne<br />
zu erleben!<br />
20 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
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ON REGARDE<br />
TRAGIKOMÖDIE<br />
Die schwierige Entstehung eines<br />
der beliebtesten Theaterstücke<br />
Paris, Dezember 1897. Der Schriftsteller Edmond Rostand<br />
(1868-1918) ist knapp 30 Jahre alt, hat aber<br />
bereits zwei Kinder und vor allem viele Ängste. Seit<br />
zwei Jahren hat er nichts mehr geschrieben, allerdings will er<br />
laut eigenen Aussagen noch vor Weihnachten ein neues<br />
Theaterstück präsentieren: eine Heldenkomödie in Versform.<br />
Das einzige Problem: Er hat noch keine Zeile zustande<br />
gebracht. Alle raten Edmond dazu, diese Idee aufzugeben,<br />
doch allen Kritikern und Miesmachern zum Trotz setzt er<br />
sich hin, um das Stück, an das niemand glaubt, zu Papier zu<br />
bringen. Als er mit dem Titel « Cyrano de Bergerac »<br />
beginnt,<br />
weiß er<br />
noch nicht,<br />
dass dies einer der größten Erfolge auf den französischen<br />
Theaterbühnen werden wird. Doch vor dem Triumph ist<br />
« Cyrano » für den Autor eine Qual. Die Kunst dieses Films<br />
liegt darin, wie er den Zuschauer hinter die unbekannten<br />
« Kulissen » der Entstehung eines DER Monumente des<br />
französischen Theaters blicken lässt. Ein Film voller Humor,<br />
der brillant den Mut, die Geisteshaltung und die Beharrlichkeit<br />
von Edmond Rostand beschreibt.<br />
Vorhang auf für Cyrano • Frankreich 2018, 110 min • Originaltitel: Edmond • Ein Film von Alexis Michalik, mit<br />
Thomas Solivérès, Olivier Gourmet, Mathilde Seigner u. a. • Ab 21. März <strong>2019</strong> im Kino.<br />
KOMÖDIE<br />
HISTORISCHES DRAMA<br />
Grausame Diplomatie<br />
1721. Philipp von Orléans,<br />
der bis zur Volljährigkeit<br />
Ludwigs XV. an der Spitze des<br />
französischen Königreichs<br />
steht, kommt auf eine kühne<br />
Idee: Ein Prinzessinnentausch<br />
soll den Frieden mit Spanien<br />
besiegeln. Der elfjährige<br />
Ludwig XV., der bald König<br />
wird, muss die vierjährige spanische Infantin Maria Anna<br />
Victoria heiraten, im Gegenzug soll die Tochter Philipps, die<br />
zwölfjährige Mademoiselle de Montpensier, die Gemahlin des<br />
jungen spanischen Thronfolgers werden. Der Film nach dem<br />
Roman L’échange des princesses von Chantal Thomas basiert<br />
auf wahren Begebenheiten. Er zeichnet ein hervorragendes<br />
Bild der im 18. Jahrhundert in diplomatischen Kreisen üblichen<br />
Praxis von Zwangsehen. Eine fesselnde historische Schilderung,<br />
wunderschön verfilmt. Ein voller Erfolg in Frankreich.<br />
Ein königlicher Tausch • Frankreich 2017, 100 min • Originaltitel: L’échange des<br />
princesses • Ein Film von Marc Dugain, mit Lambert Wilson, Anamaria Vartolomei,<br />
Olivier Gourmet, Catherine Mouchet u. a. • Ab 28. Februar <strong>2019</strong> im Kino.<br />
Über ein ernstes Thema lachen<br />
Gabrielle, Elsa und Mao sind Geschwister, haben aber keinen<br />
Kontakt mehr zueinander. Ihre Eltern, Pierre und Claudine,<br />
haben sich bereits vor vielen Jahren getrennt und niemals<br />
Anstrengungen unternommen, die familiären Beziehungen<br />
wieder aufleben zu lassen. Doch nun trifft sich die Familie<br />
gezwungenermaßen bei der Beerdigung des Großvaters<br />
und muss gemeinsam eine unliebsame Frage klären: « Was<br />
machen wir jetzt mit Oma? » Das Resümee könnte auf einen<br />
simplen Film hindeuten, was aber ganz und gar nicht der Fall<br />
ist. Obwohl « Das Familienfoto » mit einer Beerdigungsszene<br />
beginnt und endet, gelingt es dem Film nicht nur, uns<br />
zum Lachen zu bringen, sondern er lässt uns auch über<br />
Familienstreitigkeiten und Versöhnung nachdenken. Ein Film<br />
voller Zärtlichkeit, Sensibilität und Humor, der uns am Ende<br />
mit einem Lächeln auf den<br />
Lippen zurücklässt und mit<br />
dem Bedürfnis, zu seinen<br />
Nächsten « Ich hab dich gern »<br />
zu sagen …<br />
Das Familienfoto • Frankreich<br />
2018, 93 min • Originaltitel: Photo<br />
de famille • Ein Film von Cécilia<br />
Rouaud, mit Vanessa Paradis, Camille<br />
Cottin, Jean-Pierre Bacri, Chantal<br />
Laube, Pierre Deladonchamps<br />
u. a. • Ab 9. Mai <strong>2019</strong> im Kino.<br />
22 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
ABENDTHEMA<br />
Ein Abend mit Agnès Varda<br />
Die französische Regisseurin Agnès Varda,<br />
deren Lebenswerk mit dem Ehren-Oscar, der<br />
Palme d’honneur und dem Europäischen<br />
Filmpreis ausgezeichnet wurde, zählt zu<br />
den Schlüsselfiguren des modernen Films. ARTE widmet der<br />
Filmemacherin einen Abend mit « Vogelfrei » (Spielfilm von A.<br />
Varda, mit: Sandrine Bonnaire, Macha Méril, Stéphane Freiss u.<br />
a., Frankreich, 1985, 101 Min.), für den sie 1985 den Goldenen<br />
Löwen in Venedig für den besten Film erhielt, gefolgt von « Cleo –<br />
Mittwoch zwischen 5 und 7 » (Spielfilm von A. Varda, mit: Corinne<br />
Marchand, Antoine Bourseiller u. a. Frankreich/Italien, 1961, 85<br />
Min.) In den « Publikumsgesprächen » (Dokumentation von A.<br />
Varda, Frankreich <strong>2019</strong>, 2x52 Min) offenbart die Nouvelle-Vague-<br />
Mitbegründerin im Anschluss anhand von Filmauszügen und<br />
Fotografien sehr unterhaltsame, oft auch unbekannte Seiten ihrer<br />
Lebens- und Schaffenswelt.<br />
DOKUMENTATION<br />
Höllische Paradiese –<br />
Îles du Salut, Atlantik<br />
Montag, 18. März <strong>2019</strong>, ab 20.15 Uhr<br />
Etwa 15 Kilometer vor<br />
Französisch-Guayana liegen die Îles du Salut. Bis 1946 befand<br />
sich auf einer Insel eines der gefürchtetsten Gefängnisse der<br />
Welt – das « Bagne des Îles du Salut », berühmt geworden durch<br />
den Roman Papillon. Nach Schließung des Gefängnisses hat<br />
sich die Natur zurückerobert, was ihr einst abgerungen wurde<br />
und das « Bagne des Îles du Salut » hat sich vom Gefängnis<br />
zur Touristenattraktion und vor allem zum Naturparadies<br />
verwandelt, mit einer faszinierenden Tier- und Pflanzenwelt, die<br />
einzigartig in den Tropen ist. Die Dokumenation ist Teil der Reihe<br />
« Höllische Paradiese! – Von der Strafkolonie zum Inselparadies<br />
» und stellt fünf Trauminseln vor, die einst zu gefürchteten<br />
Strafkolonien gemacht wurden und sich bis heute in wahre<br />
Naturparadiese zurückverwandelt haben.<br />
Dokumentation von Frank T. Mirbach, Deutschland <strong>2019</strong>, 43 Min.<br />
Donnerstag, 28. März <strong>2019</strong>, um 18.35 Uhr<br />
DOKUMENTATION<br />
Pigalle – Pariser<br />
Geschichten<br />
Pigalle <strong>2019</strong> oder die Verwandlung<br />
eines typisch pariserischen Viertels, in dem eine triumphierende<br />
Gentrifizierung das verdrängt, was einst seinen Charme<br />
ausmachte. Früher pulsierte in diesem künstlerischen<br />
und kreativen Ausnahmeviertel das Pariser Nachtleben.<br />
Pigalle, Herzstück des « gai Paris », stand seit jeher für<br />
unkonventionelle Vielfalt. Regisseur David Dufresne, der hier<br />
aufwuchs, unternimmt mit diesem Film einen nostalgischdokumentarischen<br />
Streifzug durch Pigalle, trifft auf Menschen,<br />
die von den Glanzzeiten zu erzählen wissen und erinnert mit<br />
reichem Archivmaterial, Filmausschnitten und Musik daran, wie<br />
es einmal war.<br />
SERIE<br />
Eden<br />
Dokumentation von David Dufresne, Frankreich 2018, 60 Min.<br />
Ausstrahlung im April, ein Sendedatum steht noch nicht fest.<br />
Griechenland: ein sonniger Tag am Strand. Die See ist<br />
ruhig, die Temperaturen angenehm, die Stimmung unter<br />
den Touristen blendend, als plötzlich ein mit Flüchtlingen<br />
vollbesetztes Schlauchboot in die Urlaubsidylle platzt<br />
und seine 50 Insassen sich an den entgeisterten<br />
Badegästen vorbei in die nahegelegenen Seitenstraßen<br />
flüchten – darunter auch der 16-jährige Amare aus<br />
Nigeria. Dieses Ereignis ist Dreh- und Angelpunkt für<br />
das Schicksal verschiedener Menschen: die deutsche<br />
Familie Hennings, Gastfamilie eines jungen Migranten,<br />
die französische Unternehmerin Hélène, die ein<br />
kommerzielles Modell von Flüchtlingslagern ersinnt,<br />
und ein von Schuldgefühlen<br />
geplagter griechischer<br />
Sicherheitsbeamter.<br />
Serie von Dominik Moll, mit Sylvie<br />
Testud, Juliane Köhler, Wolfram Koch<br />
u. a., Deutschland / Frankreich 2018,<br />
6 x 45 Min. donnerstags<br />
2. und 9. Mai <strong>2019</strong>, ab 20.15 Uhr<br />
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Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 23
ON SURFE<br />
Fokus: Französisch lernen<br />
VERLORENE GEGENSTÄNDE<br />
Bessere Chancen,<br />
sie wiederzufinden<br />
Wir erhalten regelmäßig Anfragen, welche unserer Meinung nach<br />
die beste Methode ist – vor allem im Internet –, um die französische<br />
Sprache zu erlernen. Nach dem Studium diverser Angebote<br />
und einem Austausch mit Sprachlehrern hat uns besonders die Qualität des<br />
umfangreichen und kostenlosen Angebots des frankophonen Fernsehsenders<br />
TV5Monde überzeugt. Dieser stellt den Internetusern zwei sehr interessante<br />
Tools zur Verfügung:<br />
EINE UMFASSENDE, SPIELERISCHE UND KOSTENLOSE METHODE<br />
Aurélie Toubol und Grégoire Rey-<br />
Brot, beide um die dreißig, konnten<br />
es kaum fassen, als sie erfuhren,<br />
wie viele Gegenstände jedes Jahr<br />
in Frankreich verloren gehen:<br />
Allein bei der Société Nationale<br />
des Chemins de Fer français (SNCF)<br />
landen beispielsweise mehr als<br />
90 000 Objekte pro Jahr im Fundbüro,<br />
bei den Pariser Verkehrsbetrieben<br />
Régie Autonome des Transports<br />
Parisiens (RATP) sind es sogar über<br />
200 000. Ganz zu schweigen von<br />
den 750 Computern, die Woche für<br />
Woche am Flughafen Paris Charles<br />
de Gaulle vergessen werden. Die<br />
beiden kamen daher auf die Idee, für<br />
solche Fälle eine nützliche Website<br />
zu kreieren, auf der jeder, der einen<br />
Gegenstand verliert oder findet,<br />
dies anzeigen kann. Die Website<br />
(in französischer und englischer<br />
Sprache) gleicht daraufhin zahlreiche<br />
spezielle Datenbanken ab. Wenn<br />
sie meint, das entsprechende<br />
Objekt gefunden zu haben, muss<br />
der vermeintliche Besitzer jedoch<br />
zunächst eine Sicherheitsfrage (z. B.<br />
nach einem kleinen Detail, einer<br />
Abnutzung) beantworten, bevor er<br />
es zurückerhält. Die Dienstleistung<br />
ist kostenlos. Eine nützliche<br />
Internetadresse, die man sich für den<br />
Fall der Fälle merken … und nicht<br />
verlieren sollte!<br />
www.troov.com<br />
Wir haben bereits einmal<br />
darauf hingewiesen, dass der<br />
französischsprachige Fernsehsender<br />
TV5Monde auf seiner Website ein<br />
innovatives Sprachlernangebot<br />
für Französisch eingerichtet hat.<br />
Dieses Angebot wird kontinuierlich<br />
weiterentwickelt und bietet vielfältige<br />
Hilfsmittel, um Französisch zu lernen oder<br />
seine Sprachkenntnisse zu verbessern.<br />
Alles ist interaktiv, neuartig und kostenlos.<br />
Das Spektrum der Möglichkeiten ist breit<br />
gefächert und reicht vom Test, um das<br />
eigene Sprachniveau zu bestimmen, über<br />
ein Sprachlernangebot bis hin zu interaktiven Spielen rund um französische Wörter<br />
und Ausdrücke. Der User wird gut durch das Angebot geführt und kann zwischen<br />
verschiedenen Themen und Niveaus auswählen. Man hat zum Beispiel Zugriff<br />
auf diverse Dokumentationen, die an das individuelle Sprachniveau angepasst<br />
sind. Fazit: ein gut durchdachtes, modernes Angebot, das zudem kontinuierlich<br />
aktualisiert wird. Die Website wird im Übrigen auch in Deutsch angeboten.<br />
EINE APP, UM MIT AKTUELLEN WÖRTERN ZU SPIELEN<br />
http://parlons-francais.tv5monde.com<br />
Die ideale Ergänzung zur Website ist eine – komplett überarbeitete – Applikation<br />
mit dem Namen Le Français avec TV5Monde. Mit ihrer Hilfe kann man den<br />
Wortschatz, der in den Fernsehnachrichten verwendet wird, entdecken und lernen.<br />
Der Nutzer soll zunächst eine aktuelle Fernsehreportage ansehen. Im Anschluss<br />
erhält er den Text der Reportage mit (deutschen) Erläuterungen zum Vokabular und<br />
zu verwendeten Ausdrücken. Im Rahmen von interaktiven Spielen kann man diese<br />
Begriffe dann lernen. Auf<br />
diese Weise macht man sich<br />
mit den Wörtern vertraut, die<br />
in den französischen Medien<br />
täglich benutzt werden,<br />
und lernt ganz nebenbei<br />
Französisch.<br />
App Le Français avec TV5Monde<br />
24 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
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UNTERWEGS IN FRANKREICH Bretagne<br />
Belle-Île-en-Mer<br />
Unsere Coups de cœur für die größte bretonische Insel<br />
26 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
Das Frühjahr ist die ideale Jahreszeit, um Belle-Île-en-Mer zu entdecken. Das Klima<br />
ist dann angenehm, die Tage werden länger und das Licht sorgt wieder für die<br />
berühm ten Farbspiele, die viele große Maler inspiriert haben. Vor allem aber gehört<br />
die Insel dann den etwas mehr als 5100 Einwohnern, denn der Sommer und die<br />
Touristen ströme liegen noch in weiter Ferne. Alle genießen diese Ruhe vor dem Sturm.<br />
Ein weiterer nicht zu vernachlässigender Vorteil dieser Jahreszeit: Man kommt in den<br />
Genuss günstigerer Preise. Es gibt also viele Gründe, warum man Belle-Île im Frühjahr<br />
besuchen sollte. Wenn Sie immer noch zögern, dann lesen Sie, was für uns persönlich<br />
den Charme ausmacht, weshalb wir Belle-Île lieben. Unsere Coups de cœur einer<br />
Insel, die zu Recht den Namen « schöne Insel » trägt.<br />
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 27
UNTERWEGS IN FRANKREICH Bretagne<br />
Die Aiguilles von Port-Coton:<br />
bei Tag und Nacht ein Erlebnis<br />
« Der heulende Hund », « der kleine Mont-Saint-<br />
Michel », « der Löwe », « das Huhn auf seinem Nest » …<br />
Die Namen der spektakulären Aiguilles, der Felsennadeln,<br />
die durch Wind und Wellen so charakteristisch geformt<br />
wurden, sind bereits eine Einladung zum Träumen. Es ist<br />
also nicht verwunderlich, dass Claude Monet (1840-1926)<br />
während seines Aufenthalts auf Belle-Île von September<br />
bis November 1886 seine Staffelei unter anderem hier<br />
aufstellte. Die Landschaft bietet bei jedem Wetter ein<br />
grandioses Bild und inspirierte den Maler derart, dass<br />
er einen großen Teil der vierzig Bilder, die er in dieser<br />
Zeit malte, diesem Anblick widmete. Heute kommt man<br />
nicht nur bei Tag gerne hierher, sondern auch bei Nacht.<br />
Selbstverständlich ist dann Vorsicht geboten, man sollte<br />
sich dem Abgrund nicht zu sehr nähern. Aber wenn der<br />
Vollmond diesen Ort erhellt und sich das Mondlicht im<br />
Meer spiegelt, dann ist dies ein atemberaubendes Bild.<br />
Ein Schauspiel, dessen man nicht überdrüssig wird.<br />
Aiguilles de Port-Coton: frei und kostenlos zugänglich.<br />
28 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
Der Leuchtturm von<br />
Goulphar: hoch hinaus<br />
und die Aussicht genießen<br />
Dieser Leuchtturm wurde von<br />
1826 bis 1835 errichtet und ist mit<br />
einer Reichweite von 50 Kilometern<br />
einer der leistungsstärksten in<br />
Europa. Nach exakt 247 Stufen<br />
befindet man sich 92 Meter über<br />
dem Meeresspiegel, also deutlich<br />
höher als die durchschnittlich<br />
63 Meter des Schieferplateaus,<br />
aus dem diese Insel besteht. Bei<br />
schönem Wetter bietet sich von<br />
dort oben ein atemberaubender<br />
Ausblick auf die Umgebung.<br />
Phare du Goulphar, Kervilahouen: Eintritt 2,50 €,<br />
ermäßigt 1,50 €.<br />
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 29
UNTERWEGS IN FRANKREICH Bretagne<br />
Von der Vazen-Bucht zum Strand<br />
von Port-Donnant: ein unvergesslicher Spaziergang<br />
In unseren Augen ist die sogenannte Côte sauvage, die wilde Küste von Belle-Île<br />
hier am schönsten. Meeresströmungen und die oft sehr stürmischen Winde haben<br />
nach und nach eine erstaunliche Landschaft geformt, die einerseits von sanften Dünen<br />
und Sandstränden, andererseits von massigen Felsen und Klippen geprägt ist. Im<br />
Frühjahr blühen am Wegesrand unzählige bunte Blumen, und bei Sonnenuntergang<br />
erhält der Ort ein besonders geheimnisvolles Aussehen, das unvergesslich bleibt.<br />
Anse du Vazen und Strand Port-Donnant: frei und kostenlos zugänglich. Kostenloser Parkplatz westlich des Weilers Donnant.<br />
30 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
Die Felsspitze Les Poulains:<br />
am Ende der Welt bei « Madame Sarah »<br />
Victor Hugo nannte sie Voix d’or, goldene Stimme. Sarah<br />
Bernhardt (1844-1923), um die Wende vom 19. zum<br />
20. Jahrhundert eine der berühmtesten französischen<br />
Schauspielerinnen, war von diesem « Ende der Welt » an der<br />
Nordwestspitze der Insel fasziniert. Besonders bei starkem<br />
Wind fühlte sich die Tragödin von der grandiosen Landschaft<br />
an Wagner und Dante erinnert. 1894 beschloss sie,<br />
ein Stück Land mit einigen Gebäuden – darunter ein mehr<br />
oder weniger aufgegebenes kleines Fort – an der Pointe des<br />
Poulains zu kaufen. « Madame Sarah », wie die Inselbewohner<br />
sie liebevoll nannten, ließ einige Renovierungsarbeiten<br />
durchführen und kam bis 1922 regelmäßig im Sommer<br />
hierher. Lediglich die Kriegsjahre 1914-1918 unterbrachen<br />
diese Tradition. Die Schauspielerin nutzte ihre Aufenthalte,<br />
um nahe Freunde – meist berühmte Schriftsteller oder<br />
Schauspieler – ebenfalls mit Belle-Île vertraut zu machen.<br />
Im Jahr 2000 erwarb das Conservatoire du Littoral, eine<br />
öffentliche Institution für den Schutz von Frankreichs Küsten,<br />
das Land samt Gebäuden. Das Anwesen wurde unter<br />
Denkmalschutz gestellt und wird nun im Rahmen eines<br />
Programms aufgewertet. Von der Ausstattung des kleinen<br />
Forts existiert zwar heute nichts mehr, doch das Gebäude<br />
wurde in ein kleines Museum verwandelt, das trotz aller<br />
Einfachheit voller Charme ist. Man hat den Eindruck,<br />
« Madame Sarah » sei immer noch ganz in der Nähe. Auch<br />
dieser Ort zeigt sich bei Sonnenuntergang in einem einmalig<br />
schönen Licht und ist dann ideal zum Spazierengehen.<br />
Pointe des Poulains: frei und kostenlos zugänglich.<br />
Musée Sarah Bernardt: Eintritt 5 €, ermäßigt 3 €.<br />
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 31
UNTERWEGS IN FRANKREICH Bretagne<br />
Der Hafen von Sauzon: überschaubar und bunt<br />
Der Hafen von Sauzon im Nordwesten der Insel unterscheidet sich sehr von seinem<br />
« großen Bruder », dem Hafen von Le Palais. Vor allem besitzt er einen unwiderstehlichen<br />
Charme. Daran haben neben der besonders ruhigen und erholsamen Atmosphäre die<br />
sympathische Architektur und die farbigen Fassaden der Häuser einen großen Anteil. Der<br />
ehemalige Sardinenhafen, der heute hauptsächlich touristischen Zwecken und als Jachthafen<br />
dient, konnte seine Seele bewahren. Trotz der « Touristenläden » kommen die Einheimischen<br />
nach wie vor hierher, um auf dem Markt einzukaufen, frischen Fisch zu erstehen<br />
oder einfach nur auf einer der Terrassen einen Aperitif zu trinken. Besonders schön ist der<br />
Anblick, wenn die Boote im Hafen bei Flut durch das steigende Wasser angehoben werden.<br />
Port de Sauzon: frei und kostenlos zugänglich.<br />
32 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
Buchhandlung und Literaturcafé Liber & Co:<br />
ein unerwarteter Treffpunkt in Le Palais<br />
Es ist unmöglich, in Le Palais an dem kleinen Haus in der Rue des Remparts <strong>Nr</strong>. 2 einfach vorbeizugehen:<br />
Abgesehen von seiner idealen Lage stechen nämlich die hübschen blauen Fensterläden und die Kletterrosen,<br />
die sich von Fenster zu Fenster ranken, sofort ins Auge und verleihen dem Gebäude eine beeindruckende<br />
Ausstrahlung. Auf den ersten Blick vermutet man gar nicht, dass sich dort eine unabhängige Buchhandlung<br />
befindet, zumal es auf einer Insel recht mutig ist, ein solches Geschäft zu eröffnen … Und es ist sogar mehr<br />
als « nur » eine Buchhandlung, es ist ein lebendiger Treffpunkt. Ein Café littéraire, nicht weit von der Anlegestelle<br />
entfernt, « da wo Reisen beginnen und enden », wie Bénédicte, die Verantwortliche gerne bemerkt. An<br />
diesem Ort fühlt man sich sofort wohl. Man tritt ein, sieht sich um, nimmt ein Buch und setzt sich in einen<br />
der Clubsessel, die hier und da stehen. In einer Ecke döst eine Katze in der Sonne. Etwas weiter hat eine<br />
Leserin es sich bequem gemacht; sie trinkt eine Tasse Kaffee und ist offenbar vollständig in ihr Buch vertieft.<br />
Viele der Anwesenden – Franzosen, Engländer, Deutsche, Spanier … – scheinen einfach ihren Gedanken<br />
nachzuhängen. Hier kreuzen sich Menschen aller Nationalitäten, um die besondere Atmosphäre zu genießen,<br />
denn die Mund-zu-Mund-Propaganda hat in den letzten Jahren erfolgreich die Werbetrommel gerührt.<br />
Um das Ganze abzurunden, gibt es inmitten der Bücher noch ein 90 m² großes Loft, das man tage- oder<br />
wochenweise mieten kann. Es bietet mit zwei Zimmern auf zwei Etagen, einer Küche, einem Wohnraum<br />
und einem Badezimmer Büchernarren die seltene Gelegenheit, in einer Buchhandlung zu übernachten. Ein<br />
Traum wird wahr! Allerdings sollten Sie unbedingt frühzeitig reservieren, denn es gibt zahlreiche Anwärter!<br />
Liber & Co, Librairie café littéraire, 2 rue des Remparts, Le Palais.<br />
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Samstag 10.00-13.00 Uhr und 16.30-19.30 Uhr; Sonntag 11.00-13.00 Uhr und 17.00-19.00 Uhr (sofern Lesungen stattfinden).<br />
Darüber hinaus ist eine Terminvereinbarung möglich: +33 (0)6 82 43 87 15. www.liberandco.com<br />
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 33
UNTERWEGS IN FRANKREICH Bretagne<br />
La Laurisylve: mehr als eine Gärtnerei,<br />
ein erholsamer botanischer Garten<br />
Ein Hinweis für alle Gartenfreunde und Pflanzenliebhaber: Wenn Sie mit Guillaume Jégo von der<br />
Gärtnerei La Laurisylve auf Belle-Île ein Gespräch beginnen und seine Welt und diesen erstaunlichen<br />
Ort kennenlernen möchten, dann sollten Sie ein paar Stunden Zeit mitbringen. Ursprünglich<br />
begeisterte sich der junge Mann für die subtropische Vegetation, wie sie auf Madeira oder den Kanaren<br />
anzutreffen ist. Daher kommt auch der Name « Laurisylve », denn dieser Begriff bezeichnet die<br />
immergrünen Feuchtwälder der subtropischen Klimazone. Guillaume Jégo fand dann heraus, dass<br />
exotische Pflanzen auf Belle-Île aufgrund des milden Klimas ebenfalls gedeihen. Dies verdankt die<br />
Insel dem Golfstrom, der sie vor Frost schützt. Im Laufe der Jahre legte Guillaume Jégo einen Garten<br />
an, der sich inzwischen zu einem außergewöhnlichen botanischen Park mit einer Fläche von 1,5<br />
Hektar entwickelt hat. Bei einem Besuch « verlässt » man quasi die Insel und reist auf die Kanarischen<br />
Inseln, nach Madeira, auf die Azoren oder sogar nach Australien. Der Park ist heute ein richtiges<br />
« Schaufenster » für die Käufer – meist Besitzer von Zweitwohnsitzen –, die in der Gärtnerei Pflanzen<br />
beziehen, die sie sonst in der Nähe nirgendwo erhalten, vielleicht sogar im ganzen Land nicht …<br />
Jardin La Laurisylve, Pépinière & Jardin botanique in Port Guen, Le Palais.<br />
Die Gewächshäuser sind von Mittwoch bis Samstag 10.00-13.00 Uhr und 16.00-18.30 Uhr frei zugänglich. Eintritt in den Park: 5 €.<br />
Telefon: +33 (0)7 82 34 27 15<br />
Die Crêpes der Crêperie La Touline:<br />
ein Inbegriff der Gaumenfreude<br />
Auf Belle-Île gibt es zwar einige Crêperien, aber das ist<br />
unsere Lieblingscrêperie. Besonders schätzen wir dort den<br />
einfachsten, den echten bretonischen Crêpe, quasi DAS<br />
Symbol in dieser Hinsicht in der Region: den berühmten<br />
Crêpe beurre sucre. Er kommt heiß, direkt aus der Pfanne auf<br />
den Teller und wird perfekt gefaltet – wie man es nur in der<br />
Bretagne versteht –, damit er die optimale Konsistenz behält.<br />
Darauf schmilzt langsam ein Stück köstlicher gesalzener<br />
Butter. Ein Genuss! Alle Crêpes und Galettes werden frisch<br />
und aus besten Zutaten zubereitet. Das Personal ist liebenswürdig<br />
und aufmerksam, zudem hat man von dort einen<br />
der schönsten Blicke auf den Hafen. Was will man mehr?<br />
Crêperie La Touline, Quai de l’Acadie, Le Palais. Telefon: +33 (0)2 97 31 44 71<br />
34 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
Octeville<br />
Lesetipps & Reiseinfos<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 35:<br />
Golfe du Morbihan,<br />
ein typisch<br />
bretonisches Brest<br />
Naturerlebnis<br />
(76 km entfernt)<br />
Lannion<br />
N12/E50<br />
Saint-Brieuc<br />
N12/E50<br />
N176/E401<br />
Ile de Sein<br />
Pointe<br />
du Raz<br />
Quimper<br />
N165/E60<br />
Lorient<br />
N164<br />
D768<br />
N24<br />
Rennes<br />
A84<br />
Quiberon<br />
Vannes<br />
N165/E60<br />
Der Golf von Morbihan südlich von Van nes gilt als<br />
eine der schönsten Ecken der Bre tag ne. Le gen den<br />
besagen, dass es in der Meeres bucht 365 Inseln<br />
gebe, eine für jeden Tag im Jahr. In Wahr heit sind es<br />
weniger als vier Dutzend. Doch nicht nur die Inseln<br />
lohnen einen Besuch, auch das Fest land lockt. Ob<br />
die Halbinsel Rhuys, das Natur reservat der Marais de<br />
Séné oder das Schmet terlings haus von Vannes, es<br />
gibt rund um den Golf viel zu entdecken.<br />
Belle-Île-en-Mer<br />
La BauleSt. Nazaire<br />
Nantes<br />
Les Sablesd’Olonne<br />
A11/E60<br />
A83<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 58:<br />
Ile d’Ouessant, eine<br />
Insel voller Leben<br />
(ca. 260 km<br />
entfernt)<br />
Belle-Île-en-Mer …<br />
… Berlin 1571 km … Hamburg 1410 km<br />
… Köln 1005 km … Frankfurt 1089 km<br />
… München 1333 km … Wien 1754 km<br />
… Zürich 1074 km … Paris 523 km<br />
… Rennes 175 km … Vannes 65 km<br />
Die nächstgelegenen Flughäfen, die aus dem<br />
deutschsprachigen Raum direkt angeflogen<br />
werden, sind Rennes-Bretagne (171 km) und<br />
Nantes-Atlantique (78 km).<br />
Montalivet<br />
Der nächstgelegene TGV-Bahnhof befindet<br />
sich in Auray (48 km).<br />
Die kleine Insel Oues sant, dieser letzte Kieselstein,<br />
der aus dem At lan tik auftaucht, der äußerste<br />
Zipfel der Bretagne, ist gar nicht so klein, wie man<br />
denken könnte. Man darf Oues sant nicht auf die<br />
spektakulären Stürme im Win ter reduzieren. Im<br />
<strong>Frühling</strong>, wenn eine gewisse Ruhe auf der Insel<br />
eingekehrt ist, verwandelt sie sich in ein fried liches<br />
und geschütztes Stückchen Erde, fern der Um triebe<br />
des Kontinents. Eine weniger bekann te Welt. Eine<br />
Welt, in der Bewohner leben, die eine besondere<br />
Herzlichkeit ausstrahlen, die sich ihren Esprit<br />
ouessantin bewahrt haben, eine weise Mischung<br />
aus Solidarität, Weltoffenheit und vor allem Freiheit.<br />
Damit ist die Insel der ideale Rahmen für schöne<br />
Begegnungen, egal ob zu Fuß oder mit dem<br />
Fahrrad ...<br />
INFORMATIONEN ZUR BESTELLUNG<br />
DIESER UND ANDERER AUSGABEN FINDEN<br />
SIE AUF SEITE 92.<br />
Office de Tourisme de Belle-Île-en-Mer<br />
Quai Bonnell<br />
56360 Le Palais<br />
Telefon: +33 (0)2 97 31 81 93<br />
www.belle-ile.com<br />
Le Porge<br />
Cap-Ferret<br />
Belle-Île befindet sich rund 15 km vor der<br />
Halbinsel Quiberon und dem Eingang zum<br />
Golf du Morbihan. Ab Quiberon gibt es Mimizan<br />
ganzjährig einen Schiffspendelverkehr zur<br />
Insel (Überfahrt 45 Min.). Von Vannes, Port<br />
Navalo, Le Croisic und La Turballe aus werden<br />
von April bis September Verbindungen<br />
angeboten. Nähere Informationen auf der<br />
Website des Fremdenverkehrsamts der Insel<br />
Hossegor<br />
(siehe oben).<br />
E5-E<strong>70</strong><br />
Auf einem Küstenpfad (GR34) kann man Biarritz Belle- Bayonne<br />
Hendaye<br />
Île zu Fuß umrunden. Für die 82 km sollte man<br />
etwa vier Tage einplanen.<br />
Sare<br />
Donostia-<br />
S. Sebastian<br />
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 35<br />
Pamplona<br />
Span
UNTERWEGS IN FRANKREICH Hotel<br />
Hotel Castel Clara<br />
Die ganze Intensität einer Insel<br />
Der Tag neigt sich dem Ende zu. Wie fast jeden<br />
Abend auf Belle-Île färbt sich der Himmel in<br />
einem nahezu unglaublichen Spektrum von Orange-<br />
und Rosétönen. Selbst das Meer, das bis jetzt blau-grau<br />
schimmerte, spiegelt nun die Farben der untergehenden<br />
Sonne wider, als wolle es das Spektakel am Himmel imitieren.<br />
Wir sitzen auf der Terrasse des Castel Clara oberhalb<br />
der Bucht von Goulphar – einer der schönsten Buchten der<br />
Insel – und genießen bei einem Glas Wein diesen unglaublichen<br />
Anblick. Bei dem Gedanken daran, dass bereits<br />
Claude Monet diesen Ort liebte und hier malte, sagen wir<br />
uns, dass man hier einfach glücklich sein muss, sehr glücklich<br />
sogar …<br />
Genau das macht das Hotel Castel Clara so besonders.<br />
Diese Art von flüchtigen Momenten, in denen man für<br />
kurze Zeit der Realität entflieht, um dem Charme und der<br />
Ruhe dieses Ortes zu erliegen. In denen man für die Zeit<br />
eines Aufenthalts, einer Mahlzeit oder einfach nur eines<br />
Aperitifs auf der Terrasse dem Alltag entkommt. In denen<br />
man in gewisser Weise Belle-Île ganz intensiv erlebt. Zugegebenermaßen<br />
hat ein solcher Glücksmoment seinen Preis:<br />
Für eine Übernachtung bezahlt man ab 140 € pro Zimmer,<br />
und das günstigste Menü im Feinschmeckerrestaurant 180°<br />
kostet 59 € beziehungsweise 45 €, wenn man stattdessen<br />
das Bistrot chic des Hauses, das Café Clara bevorzugt. Es<br />
ist klar, dass man sich ein solches Erlebnis nicht jeden Tag<br />
leisten kann … Aber vielleicht macht gerade das die Besonderheit<br />
aus, dass man sich nämlich bewusst dafür entschieden<br />
hat, sich dieses Vergnügen zu gönnen. Dass man<br />
vielleicht zunächst einige Zeit sparsamer gelebt hat, um<br />
sich jetzt etwas ganz Außergewöhnliches leisten zu können.<br />
Denn außergewöhnlich ist das Castel Clara ganz ohne<br />
Zweifel. Es ist unbestritten das schönste Hotel auf Belle-<br />
Île-en-Mer, und wie die meisten Häuser dieser Kategorie<br />
kann auch dieses auf eine ganze Reihe berühmter Gäste<br />
aus Politik – François Mitterrand hielt sich beispielsweise<br />
regelmäßig hier auf – Kunst und Kultur verweisen. Doch<br />
diejenigen, die hierher kommen, geben sich diskret, denn<br />
36 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
sie suchen gerade die Ruhe und Authentizität der Insel.<br />
Hier ist man sehr weit von dem Gästetyp entfernt, der in<br />
der Regel die mondänen Hotels der Côte d’Azur aufsucht.<br />
Das Castel Clara besitzt zwar einen Hubschrauberlandeplatz,<br />
doch die Tradition will es, dass man den Seeweg<br />
nutzt. Da sind die meisten « Stars » keine Ausnahme, oft<br />
nutzen sie sogar die Linienverbindungen zwischen der Insel<br />
und dem Kontinent.<br />
Was das Hotel angeht, so ist zunächst die geografische<br />
Lage einer der größten Trümpfe des Castel Clara: Die in<br />
den <strong>70</strong>er-Jahren erbauten langgestreckten weißen Gebäude<br />
mit Schieferdächern thronen regelrecht oberhalb der unberührten<br />
Küste und der Bucht von Goulphar. Der einzigartige<br />
Panoramablick, den man von dort aus hat, ist vermutlich<br />
einer der schönsten der ganzen Insel. Angesichts der planerischen<br />
Vorschriften, die insbesondere entlang der Küste<br />
– zum Glück – sehr streng geworden sind, kann man sich<br />
vorstellen, dass es heute unmöglich wäre, ein solches Hotel<br />
an dieser Stelle zu errichten. Doch erfreulicherweise haben<br />
die Erbauer bereits in der Bauphase Rücksicht auf die Umwelt<br />
genommen, und die Vegetation, welche inzwischen<br />
rund um die Gebäude gepflanzt wurde, trägt dazu bei, dass<br />
sich der Komplex optimal in das natürliche Umfeld integriert.<br />
Alle Zimmer sind geräumig und verfügen über eine<br />
elegante und moderne Ausstattung, die zeitgenössisches<br />
Design auf harmonische Art mit den für die Bretagne typischen<br />
Pastellfarben verbindet.<br />
Und was die kulinarische Seite angeht, werden die<br />
Gäste ebenfalls verwöhnt. Ob im gehobenen Feinschmeckerrestaurant<br />
oder im « einfacheren » Café Clara: Der<br />
Schwerpunkt der Küche liegt immer auf lokalen Produkten<br />
mit einer hundertprozentigen Frischegarantie. Selbstverständlich<br />
stehen Fische und Meeresfrüchte im Vordergrund,<br />
doch Fleischliebhaber können beispielsweise das<br />
schmackhafte Fleisch der Lämmer genießen, die auf den<br />
Salzwiesen der Insel geweidet haben.<br />
Ein weiterer Pluspunkt des Hotels ist das Zentrum<br />
für Thalassotherapie mit Wellnessbereich, zu dem es in<br />
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 37
UNTERWEGS IN FRANKREICH Hotel<br />
der Umgebung, selbst auf dem Festland, kein Pendant<br />
gibt. An der bretonischen Küste verfügen nur wenige<br />
Häuser über eine derartige Ausstattung, die zu den modernsten<br />
zählt, die es in dieser Beziehung heute gibt. Die<br />
Schwimmbecken einschließlich des Meerwasserpools<br />
sind beheizt, Dampfbäder und Saunen stehen denjenigen<br />
im Norden Europas – wo diese Kultur einen viel höheren<br />
Stellenwert hat – in nichts nach … Badekleidung ist zwar<br />
auch in der Sauna Pflicht – immerhin sind wir in Frankreich!<br />
–, doch das Wellnesszentrum hat sich eindeutig Inspirationen<br />
im Ausland, vor allem in Deutschland, geholt.<br />
Die angenehme Ruhe und die ausgeklügelte Beleuchtung<br />
sorgen für Entspannung, von den bequemen Liegestühlen<br />
im Designerstil hat man Ausblick aufs freie Meer, und das<br />
Personal ist um den Komfort der Gäste bemüht. Frisches<br />
Obst, getrocknete Früchte und biologische Kräutertees<br />
stehen zur freien Verfügung und werden regelmäßig aufgefüllt.<br />
Das ist zwar nur ein Detail, aber ein wichtiges.<br />
Ob man nun den Wellnessbereich genießt, sich eines<br />
der Gerichte im Restaurant schmecken lässt oder auf der<br />
Terrasse einen Aperitif trinkt: Alles trägt dazu bei, dass<br />
der Aufenthalt unvergesslich bleibt. Jeder kann für sich<br />
entscheiden, welche Momente er hier am meisten genossen<br />
hat … Und vor allem abends, wenn man die Gäste<br />
beobachtet, die sich hier und da niedergelassen haben, ein<br />
Buch oder eine Zeitung lesen, alleine oder mit Freunden<br />
ein Glas trinken oder einfach nur von der Terrasse oder<br />
vom Zimmer aus den Blick zum Horizont schweifen lassen,<br />
sagt man sich, dass der Aufenthalt im Castel Clara<br />
ein besonderes Erlebnis ist, das man so schnell nicht vergessen<br />
wird …<br />
Castel Clara Thalasso & Spa ****<br />
<br />
Port Goulphar<br />
56360 Belle-Île-en-Mer<br />
Telefon: +33 (0)2 97 31 84 21<br />
www.castel-clara.com<br />
63 Zimmer (in zwei Gebäuden) ab 140 €; 33 Zimmer davon mit<br />
<br />
Meerblick, 5 Suiten, 8 Familienzimmer.<br />
Feinschmeckerrestaurant 180° unter der Leitung von Franck<br />
Moisan.<br />
Bistro-Restaurant Café Clara, bekannt vor allem für die<br />
Meeresfrüchtebuffets auf der Terrasse mit Meerblick.<br />
Wellnessbereich mit beheiztem Innenpool (28° C) Hamam und<br />
Jacuzzi.<br />
Beheizter Meerwasseraußenpool (26° C, Mitte April bis September).<br />
Zentrum für Thalassotherapie und Spa (1200 m²) mit diversen<br />
Angeboten für spezifische Kuren ab zwei Tagen.<br />
Kostenloser Parkplatz.<br />
Elektrofahrräder und Elektroautos können direkt im Hotel gemietet<br />
werden.<br />
Kostenloser Pendelverkehr zwischen Hafen und Hotel.<br />
38 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
… Die neuen Fahrkartenautomaten der SNCF<br />
Heutzutage ist es üblich, dass man an Bahnhöfen sein Zugticket an einem Selbstbedienungsautomaten ausdrucken,<br />
kaufen, umtauschen oder stornieren kann, um Wartezeiten am Schalter zu vermeiden. Die SNCF ist<br />
dabei keine Ausnahme, und ich hatte bereits einmal die Gelegenheit, Ihnen diese Automaten vorzustellen. Vor<br />
Kurzem wurden sie jedoch durch modernere Geräte ersetzt, die noch besser und schneller in der Lage sind,<br />
die Wünsche der Reisenden zu erfüllen, Ausländer – und das ist die positive Nachricht – eingeschlossen! Ich<br />
glaube, es ist daher von Nutzen, Ihnen die praktischen Neuerungen der « Automaten <strong>2019</strong> » zu erläutern.<br />
Wo stehen diese neuen Automaten?<br />
Die SNCF hat insgesamt 1300 Automaten an 460 Orten<br />
im ganzen Land aufgestellt. Sie befinden sich selbstverständlich<br />
in den meisten französischen Bahnhöfen.<br />
Darüber hinaus wurden solche Geräte in einigen SNCF-<br />
Verkaufsstellen in den Zentren großer Städte (Paris,<br />
Lyon …) sowie an stark frequentierten Orten – wie dem<br />
Einkaufszentrum Les Terrasses du Port in Marseille<br />
oder dem Einkaufszentrum V2 in Villeneuve d’Ascq<br />
(Hauts-de-France) – aufgestellt. Egal, wo Sie gerade<br />
sind, Sie finden den nächstgelegenen Automaten auf der<br />
Website der SNCF (https://www.sncf.com/de/cartepoints-de-vente)<br />
oder mit der SNCF-App. Diese kann<br />
kostenlos bei Google Play oder im App-Store von Apple<br />
heruntergeladen werden: Einfach « SNCF » eingeben.<br />
Sind diese Automaten wirklich nützlich<br />
oder führen sie womöglich dazu, dass<br />
Schalter geschlossen werden?<br />
Ich persönlich ziehe ehrlich gesagt immer den persönlichen<br />
Kontakt einem Automaten vor. Insofern bin ich<br />
nicht gerade ein absoluter Fan solcher Fahrkartenautomaten,<br />
und damit bin ich vermutlich nicht der Einzige.<br />
Man kommt jedoch um die Feststellung nicht umhin,<br />
dass die neuen Geräte wirklich praktisch sind und daher<br />
von den SNCF-Kunden gut angenommen werden. Ein<br />
Vorteil ist natürlich, dass sie täglich rund um die Uhr<br />
verfügbar sind. In bestimmten Situationen kann sich<br />
das als sehr hilfreich erweisen. Vor allem in großen<br />
Bahnhöfen umgeht man mit ihnen die oftmals langen<br />
Warteschlagen vor den Schaltern. Die Kehrseite der<br />
Medaille: Aus Kostengründen tendiert die SNCF dazu,<br />
besonders in kleineren Bahnhöfen, Schalter durch solche<br />
Selbstbedienungsautomaten zu ersetzen. Ob die Gewissheit,<br />
zu jeder Tages- und Nachtzeit eine Fahrkarte<br />
kaufen zu können, das Abschaffen eines Schalters<br />
aufwiegt, ist sicher nicht immer einfach zu beurteilen.<br />
Was kann man mit den<br />
neuen Automaten machen?<br />
Während die alten Automaten nur relativ eingeschränkte<br />
Funktionen hatten, kann man an den<br />
Geräten der neuen Generation nun quasi alle Operationen<br />
durchführen, auch solche, für die man bisher<br />
zwangsläufig an den Schalter musste: Auskünfte über<br />
Zugverbindungen einholen, ein Ticket kaufen (für die<br />
unmittelbare Abfahrt oder für ein beliebiges anderes<br />
Datum), per Internet oder Telefon gebuchte Tickets<br />
ausdrucken, ein Ticket umbuchen oder stornieren, Ermäßigungskarten<br />
verlängern (z. B. die Wochenendkarte,<br />
die sich als sehr rentabel erweisen kann, wenn man<br />
regelmäßig in Frankreich mit dem Zug unterwegs ist).<br />
Muss man für die Nutzung dieser Automaten<br />
die französische Sprache beherrschen?<br />
Nein, das ist nämlich DIE große Neuerung bei diesen<br />
Automaten! Die SNCF hat endlich an ausländische Reisende<br />
gedacht: Alle Informationen sind jetzt nicht nur in<br />
Deutsch, sondern auch in Englisch, Italienisch, Spanisch<br />
und Holländisch verfügbar. Ein großer Fortschritt!<br />
Sind die Automaten einfach zu bedienen?<br />
Auch in diesem Punkt wurden große Anstrengungen<br />
unternommen. Jeder Schritt wird klar, logisch und gut<br />
erklärt. Zudem nutzen die neuen Automaten in vielen<br />
Bereichen neue Technologien, was einige Dinge vereinfacht.<br />
Will man beispielsweise ein Ticket umtauschen,<br />
muss man nicht mehr die Daten mühsam am Display<br />
eingeben, sondern man kann es einfach in den Automaten<br />
einführen oder den Barcode scannen, wobei es in diesem<br />
Fall keine Rolle spielt, ob es sich um ein Papierticket oder<br />
ein elektronisches Ticket auf dem Smartphone handelt.<br />
Mit welchen Kreditkarten<br />
kann man bezahlen?<br />
Die neuen Automaten akzeptieren<br />
gängige Kreditkarten<br />
wie VISA, American Express,<br />
Mastercard und sogar Maestro<br />
(also auch EC-Karten). Beachten<br />
Sie jedoch, dass die Karte<br />
unbedingt einen Chip haben<br />
muss. Kontaktloses Bezahlen<br />
ist ebenfalls möglich.<br />
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 39
UNTERWEGS IN FRANKREICH Pays de la Loire<br />
Parc Oriental<br />
Die schöne Geschichte des größten<br />
japanischen Gartens in Europa<br />
40 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
de Maulévrier<br />
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 41
UNTERWEGS IN FRANKREICH Pays de la Loire<br />
Der Parc Oriental de Maulévrier liegt im Departement Maine-et-<br />
Loire, rund <strong>70</strong> Kilometer südlich von Angers, und erstreckt sich in<br />
einem engen Tal über eine Fläche von 29 Hektar. Konzipiert wurde<br />
dieser japanische Garten Ende des 19. Jahrhunderts durch einen<br />
Architekten mit verrückt-kreativen Ideen und einer Vorliebe für<br />
Japan. Allerdings geriet der Garten Mitte des 20. Jahrhunderts<br />
40 Jahre lang in Vergessenheit und wurde von der ursprünglichen<br />
Vegetation überwuchert. Bis eines Tages die Einwohner von<br />
Maulévrier aus Liebe zu diesem Kulturerbe beschlossen, ihn aus<br />
seinem Dornröschenschlaf zu wecken und ihm wieder seinen<br />
ursprünglichen Glanz zu verleihen. Und sie waren erfolgreich!<br />
Heute betrachten selbst die Japaner den Parc Oriental de<br />
Maulévrier als einen der größten japanischen Gärten Europas.<br />
Im 19. Jahrhundert war Frankreich das Land in Europa, das sich am meisten<br />
für den Orient begeisterte. Damals, mitten im Zeitalter der Aufklärung, quollen<br />
die im Hexagon kreierten Werke aus Literatur, Malerei oder Poesie förmlich<br />
von orientalischen Einflüssen und Inspirationen über. Sehr schnell war der<br />
Begriff des Orientalisme in aller Munde, um die Vorliebe für alles Orientalische<br />
auszudrücken. Es lag nahe, dass sich diese « Mode » vor allem in Familien ausbreitete,<br />
die vermögend genug waren, um sich den für die damalige Zeit nahezu<br />
unglaublichen Luxus einer Reise in den Orient leisten zu können. Am meisten<br />
war die Begeisterung in Paris zu spüren. In jenen Tagen waren mit Le Bon Marché<br />
und Galeries Lafayette gerade die ersten Grands Magasins eröffnet worden,<br />
die das Konsumverhalten revolutionierten und dazu beitrugen, die Neugierde für<br />
alles zu wecken, was aus dem Morgenland kam. Kaum waren in ihren Schaufenstern<br />
orientalische Produkte zu sehen, schon gehörte es zum « Pariser Chic »,<br />
in seinem Wohnzimmer eine japanische Vase aufzustellen, einen Kimono zu<br />
kaufen (ohne ihn zwangsläufig auch zu tragen) oder – zumindest in den wohlhabendsten<br />
Kreisen – mitten in der Hauptstadt eine Pagode bauen zu lassen …<br />
42 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 43
UNTERWEGS IN FRANKREICH Pays de la Loire<br />
Zu den zahlreichen Einrichtungen des Parks<br />
zählen die 1986 rekonstruierte Anlegestelle<br />
aus Holz (S. 42 oben), das « rote Tor » (S. 42<br />
unten; solche Torii werden im Allgemeinen am<br />
Eingang zu heiligen Orten errichtet, Rot ist in<br />
Japan eine heilige Farbe), die Pagode, die den<br />
Besitzern als Salon de thé diente (S. 43), der<br />
Khmertempel (oben) und die « rote Brücke »<br />
(unten), die zugleich das Emblem des Parks ist.<br />
Die reichen Pariser Familien wandten sich dafür an Architekten und Gartengestalter,<br />
die sich auf diesen Bereich spezialisiert hatten und deren Namen<br />
in den entsprechenden Kreisen die Runde machten. Die Besessenheit dieser<br />
Fachleute für den Orient war in der Regel auf Reisen entstanden, in deren<br />
Verlauf sie diese Region kennengelernt und sich quasi in sie verliebt hatten.<br />
Nach ihrer Rückkehr wollten sie die neue Leidenschaft mit anderen teilen,<br />
was sich in vielen Fällen zudem als sehr lukrativ erwies. Eine herausragende<br />
Figur unter ihnen war Alexandre Marcel (1860-1928). Obwohl dieser Architekt<br />
erst relativ spät selbst nach Asien reiste (nämlich 1913, um in Tokio die<br />
Pläne für die französische Botschaft zu erstellen), war er schon viel früher<br />
der Faszination für den Orient – ganz besonders für Japan – erlegen. Durch<br />
die Realisierung einiger bemerkenswerter Projekte hatte er sich zu einem der<br />
beliebtesten Architekten seiner Zeit für diesen Stil entwickelt. In den gehobenen<br />
Kreisen der französischen Bourgeoisie betrachtete man ihn damals als<br />
einen der besten Japankenner. Ihm verdanken wir beispielsweise die Dekoration<br />
eines Festsaals im 7. Pariser Arrondissement mit japanischen Motiven,<br />
ein Auftrag des Direktors des Kaufhauses Bon Marché. Das Gebäude namens<br />
La Pagode ist heute als Monument historique klassifiziert und beherbergt ein<br />
kleines Kino, in dem Independentfilme gezeigt werden. Während der Pariser<br />
Weltausstellung im Jahr 1900 sorgte Alexandre Marcel durch grandiose Bauten<br />
– wie dem Pavillon Kambodschas, einem monumentalen Hindutempel<br />
mit einer mit Löwen bestückten Treppe sowie einem japanischen Turm – für<br />
Aufsehen.<br />
Ende des 19. Jahrhunderts heiratete Alexandre Marcel Madeleine Bergère,<br />
deren Vater im Loiretal, in Maulévrier, ein schönes Schloss besaß, das im Jahr<br />
1679 erbaut worden war. Es lag auf der Hand, dass Madeleines Eltern für die<br />
Renovierung und Umgestaltung von Schloss und Park ihren Schwiegersohn<br />
um Hilfe baten. Eine Bitte, der dieser selbstverständlich mit Freude nachkam,<br />
umso mehr, als dass er darin die Gelegenheit sah, einen lang gehegten Traum<br />
umzusetzen: einen japanisch inspirierten Garten. Platz war ausreichend vorhanden,<br />
denn der Schlosspark erstreckte sich über eine Fläche von 29 Hektar<br />
und besaß sogar einen ausgedehnten See. Unverzüglich ließ sich der Architekt<br />
und Gartengestalter daher in Maulévrier nieder und begann damit, die ersten<br />
Pläne zu zeichnen. Er stellte ein zehnköpfiges Gärtnerteam ein und erläuterte<br />
seine Absicht, die bis dato mit lokalen Pflanzenarten bestückte Umgebung in<br />
einen japanischen Park zu verwandeln. Die Gärtner waren zunächst sehr skeptisch<br />
und zogen es vor, ihre Arbeit auf die anfallenden Arbeiten für den Unterhalt<br />
von Gemüse- und Obstgärten sowie die Gewächshäuser des Schlosses zu<br />
konzentrieren. Als sie jedoch sahen, wie Alexandre Marcel nach und nach die<br />
ersten « exotischen » Pflanzen in Empfang nahm und damit die ersten Alleen<br />
gestaltete, wurden sie neugierig. Dies war nicht verwunderlich, denn sie entdeckten<br />
dabei eine ganz neue Vorgehensweise. In der japanischen Tradition besteht<br />
die Gartenkunst nicht ausschließlich darin, Pflanzen zusammenzustellen<br />
und anzuordnen, wie es damals in Frankreich üblich war. Ein japanischer Garten<br />
ist mehr als ein strukturierter Garten à la française, er ist vor allem Ausdruck<br />
der japanischen Philosophie und Lebensart. Die Gärtner im Loiretal lernten<br />
also mit Erstaunen, dass man in Japan ganze Landschaften im Miniaturformat<br />
kreiert, die sich auf die drei grundlegenden Elemente Wasser, Pflanzen und<br />
Steine stützen.<br />
Folglich begannen sie unter der Anleitung von Alexandre Marcel « japanisch<br />
zu denken », wenn sie den Park des Schlosses betrachteten. Im japanischen<br />
Garten ist es fundamental, dass der Blick in die Ferne schweifen kann. Dies<br />
trägt dazu bei, eine Tiefenwirkung zu erzeugen, die über die Grenzen des Gartens<br />
hinausgeht. Die Japaner nennen dies Shakkei (in etwa « geliehene Landschaft<br />
»), was bedeutet, dass die Umgebung in das Gartenbild einbezogen wird.<br />
Dieser ganz neue Ansatz musste also im Garten des Château de Maulévrier<br />
44 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 45
UNTERWEGS IN FRANKREICH Pays de la Loire<br />
Im Pavillon des plantes gibt es neben einer<br />
Bonsaiausstellung eine Gärtnerei, in der<br />
Liebhaber orientalischer Gärten Bonsais und<br />
eine Vielzahl anderer geeigneter Pflanzen kaufen<br />
können. Die Preise sind absolut moderat und die<br />
Fachverkäufer geben gerne Ratschläge dazu.<br />
umgesetzt werden. Die Tatsache, dass das Schloss auf einem kleinen Hügel<br />
in diesem Tal liegt, war dafür ideal: Durch das Stutzen einiger Bäume konnte<br />
man schöne Landschaftsbilder kreieren. Was die Alleen angeht, so erfuhren<br />
die Gärtner, dass die Zeit der rechten Winkel vorbei war. Bei der Gestaltung<br />
eines japanischen Gartens werden stattdessen Kurven bevorzugt, hinter denen<br />
der Besucher überraschende Entdeckungen machen kann. Im Park wurden<br />
daher einige « Überraschungen » installiert, die sowohl von den Gärtnern als<br />
auch den ersten Besuchern als « Verrücktheiten » eingestuft wurden: Da und<br />
dort platzierte Felsen sollten Berge darstellen; eine vergoldete Skulptur, « das<br />
goldene Horn », verkörperte Nagâ, ein Schlangenwesen, dem in der asiatischen<br />
Welt eine Beschützerrolle zugeschrieben wird; eine Laterne symbolisierte die<br />
menschliche Präsenz, das Licht und das Wissen; es gab zahlreiche Brücken<br />
über Wasserläufe und Wasserfälle, darunter eine rote Brücke, mit einer besonders<br />
symbolträchtigen Bedeutung … Nach und nach wurden immer mehr<br />
Gestaltungselemente ergänzt, von denen eines erstaunlicher als das andere war.<br />
Am ungewöhnlichsten für die damalige Zeit waren eine Pagode, die von den<br />
Besitzern schnell als Salon de thé und Büro genutzt wurde, ein Khmertempel<br />
sowie eine Anlegestelle am See.<br />
Nach dem Tod von Alexandre Marcel im Jahr 1928 kümmerte sich seine<br />
Frau zusammen mit den Gärtnern – die nun die Einzigen waren, die das<br />
Wissen ihres ehemaligen Chefs über den orientalisierenden Stil vermitteln und<br />
umsetzen konnten – um den Unterhalt des Gartens. Nachdem Madeleine Marcel<br />
im Jahr 1945 ihrerseits starb, wurde das Anwesen allerdings verkauft. Zwei<br />
Religionsgemeinschaften in Folge unternahmen zwar alle Anstrengungen, den<br />
Park zu unterhalten, sie waren jedoch vom Ausmaß der Arbeiten überfordert.<br />
Die Natur setzte sich wieder durch, und die einheimischen Pflanzen gewannen<br />
erneut die Oberhand. Es schien, als sei das Ende des Parc Oriental eingeläutet<br />
…<br />
Doch man hatte die Rechnung ohne die Einwohner von Maulévrier gemacht,<br />
in deren kollektivem Gedächtnis der Ort einen starken Eindruck hinterlassen<br />
hatte. Anfang der 80er-Jahre beschloss die Gemeinde, den Park zu<br />
kaufen. 1982 gründeten die Einwohner den Verein Association du Parc Oriental.<br />
Die Mitglieder machten sich auf ehrenamtlicher Basis an die schwierige Aufgabe,<br />
den Parc Oriental wiederzubeleben. Sie fällten Bäume, schnitten Sträucher,<br />
räumten die Alleen frei, setzten die Seeufer wieder instand und listeten<br />
die vorhandenen Baumarten genau auf. Im Zuge der Arbeiten kamen die von<br />
Alexandre Marcel konzipierten Gestaltungselemente wieder zum Vorschein,<br />
und die Anstrengungen der Dorfbewohner, diesem Kulturerbe wieder neues<br />
Leben einzuhauchen, zahlten sich schließlich aus: 1985 wurde der Park wiedereröffnet.<br />
Für die Leitung wurden die ersten Mitarbeiter eingestellt, die jedoch<br />
nach wie vor von zahlreichen freiwilligen Helfern unterstützt wurden.<br />
Und 1987 machte sich die harte und detailgetreue Arbeit bezahlt: Der Parc<br />
Oriental de Maulévrier wurde von japanischen Professoren der Universität von<br />
Tokio offiziell als « Spazier- und Wandelgarten der Edo-Zeit » (17.-19. Jahrhundert)<br />
anerkannt. Daraufhin begann der Verein mit umfangreichen Recherchen<br />
über diese spezifische Periode in der Geschichte japanischer Gärten. 1994 reiste<br />
sogar ein Teil der Gärtner nach Japan, um dort zu lernen, welche Kriterien<br />
für Parks dieser Epoche gelten, welches Ambiente sie ausstrahlten und welche<br />
Schnitttechniken damals praktiziert wurden. Diese neu erworbenen Kenntnisse<br />
zusammen mit den von Alexandre Marcel hinterlassenen Archiven machten<br />
das Team zu regelrechten Spezialisten in diesem Bereich.<br />
Und so entwickelte sich ein Teil der Bevölkerung des kleinen Dorfes Maulévrier<br />
im Loiretal « fast per Zufall », aber durch Entschlossenheit und harte<br />
Arbeit zu international anerkannten Fachleuten für japanische Gärten aus der<br />
spezifischen Periode der Edo-Zeit. Eine schöne Geschichte, die den Besuch des<br />
Parc Oriental de Maulévrier noch berührender und eindrucksvoller macht!<br />
46 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
uc<br />
N12/E50<br />
N165/E60<br />
Lesetipps für Ausflüge in die Umgebung & Reiseinfos<br />
Maulévrier …<br />
… Berlin 1413 km … Hamburg 1254 km<br />
… Köln 849 km … Frankfurt 929 km<br />
… München 1188 km … Wien 1594 km<br />
… Zürich 907 km … Paris 363 km<br />
… Angers 75 km … Cholet 13 km<br />
Der nächstgelegene Flughafen, der aus dem<br />
deutschsprachigen Raum direkt angeflogen<br />
wird, ist Nantes-Atlantique (79 km).<br />
Der nächstgelegene TGV-Bahnhof befindet<br />
sich in Saumur (66 km).<br />
Parc Oriental de Maulévrier<br />
Route de Mauléon<br />
49360 Maulévrier<br />
Telefon: +33 (0)2 41 55 50 14<br />
www.parc-oriental.com<br />
Les Sablesd’Olonne<br />
Der Park ist vom 15. März bis 17. November<br />
<strong>2019</strong> geöffnet. Die Öffnungszeiten sind je<br />
nach Saison sehr unterschiedlich.<br />
An bestimmten Tagen ist der Park sogar<br />
abends geöffnet. Die Besucher können ihn<br />
dann im Licht von Laternen und Lampions<br />
in einer Cherbourg- geheimnisvollen und magischen<br />
Octeville<br />
A84<br />
A83<br />
A84/E401<br />
A83<br />
N13<br />
La Rochelle<br />
E5/A10<br />
Le A29/E44 Havre<br />
A131<br />
Honfleur<br />
A13/E46<br />
Atmosphäre kennenlernen.<br />
Wir empfehlen Ihnen, sich vor einem Besuch<br />
auf der Website des Parks über die aktuellen<br />
Öffnungszeiten und Daten des Jardin de Nuit<br />
zu informieren.<br />
Tagesticket 7,50 €, ermäßigt 6,50 €.<br />
Abendticket 10 €, ermäßigt 8 €.<br />
Tages- und Abendticket 16,50 €, ermäßigt<br />
13,50 €.<br />
Planen Sie für den Besuch mindestens zwei<br />
Stunden ein (idealerweise mehr), damit<br />
Sie den Park in Ruhe entdecken können.<br />
Der Park ist barrierefrei zugänglich. Auf der<br />
schattigen Terrasse des Salon de thé können<br />
Sie eine angenehme Pause einlegen und Boulogne<br />
die zahlreichen japanischen Karpfen im<br />
gegenüberliegenden Bassin beobachten.<br />
Im Pavillon de plantes vor dem Ausgang<br />
gibt es eine interessante Bonsaiausstellung<br />
mit seltenen Exemplaren. Wie in einer<br />
Baumschule können Sie dort auch Bonsais,<br />
Pflanzen japanischen Ursprungs bzw. für<br />
japanische Gärten geeignete Pflanzen in<br />
einer ausgezeichneten Qualität und zu<br />
erschwinglichen Preisen kaufen.<br />
Achtung: Der Eintritt ist nur bis eine Stunde<br />
vor Schließung des Parks möglich.<br />
A28/E402<br />
A13/E5<br />
A11/E50<br />
68 SternmagnolienRennes<br />
A10/E5<br />
N24<br />
Pfingstrosen<br />
Japanische Wildapfelsträucher<br />
Le Mans<br />
Rhododendren<br />
A11/E501<br />
es<br />
A28/E502<br />
La Baule<br />
St. Nazaire<br />
Übersicht über die wesentlichen<br />
Blütezeiten des Parks im<br />
Jahresverlauf:<br />
Blütensträucher<br />
Obstbäume<br />
Azaleen<br />
Kamelien<br />
Dinard<br />
Trompetenbäume<br />
Saint-Malo<br />
Avranches<br />
Japanische Blütenkirschen<br />
Ahorn, N176/E401 Ginkgo Mont-Saint-Michel<br />
Taglilien<br />
Hortensien<br />
Iris<br />
Magnolien<br />
Nantes<br />
A11/E60<br />
Clisson<br />
N11/E601<br />
Saint-Lô<br />
A87<br />
März<br />
Caen<br />
Angers<br />
Niort<br />
April<br />
Alençon<br />
Cholet<br />
Maulévrier<br />
Mai<br />
A86/E60<br />
Monts<br />
Poitiers<br />
Juni<br />
Juli<br />
Tours<br />
Jumièges<br />
A10/E5<br />
August<br />
Evreux<br />
A10/E5-E60<br />
September<br />
Rouen<br />
Dreux<br />
Chartres<br />
Oktober<br />
Cheverny<br />
Chenonceau<br />
A85<br />
A20/E9<br />
November<br />
Amiens<br />
Versailles<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 68:<br />
Loire Tal, eine<br />
faszinierende Reise ins<br />
Land der Troglodyten (ca.<br />
45 km entfernt)<br />
Das Tal der<br />
Loire ist<br />
weltweit<br />
für seine<br />
Antwerpen<br />
zahlreichen<br />
Schlösser<br />
Gent<br />
bekannt.<br />
Doch<br />
zwischen<br />
Angers und<br />
Bruxel<br />
Saumur besitzt es noch andere charakter istische<br />
Roubaix<br />
Sehenswürdigkeiten, die zwar weniger bekannt,<br />
aber mindestens Lillegenauso faszinierend sind: ein<br />
unglaubliches, mehr als 1500 Kilometer langes,<br />
unterirdisches Tunnelsystem mit Höhlen, Grotten Charlroi<br />
und Stollen.<br />
Calais Dunkerque<br />
Arras<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 32:<br />
Clisson, ein Stück Italien<br />
im Westen Frankreichs<br />
Guyencourt-Saulcourt<br />
(52 km entfernt)<br />
A1/E15-E19<br />
Frankreich ist ein Land, das<br />
manchmal mit<br />
ungewöhnlichen<br />
Über-<br />
A34/E46<br />
A26/E17 raschungen<br />
aufwartet. Das<br />
Dorf Clisson<br />
Reims<br />
ist ein gutes<br />
Charle<br />
A16<br />
Beispiel<br />
dafür. Unweit<br />
A4/E50<br />
Epernay von Nantes<br />
Châlons-enund<br />
der Champagne<br />
PARIS<br />
Atlantikküste gelegen, erinnern die Architektur<br />
des Ortes, die Land schaft der Umgebung, ja sogar<br />
das Licht an das viele hundert Kilometer entfernte<br />
Italien. So erstaunlich es klingen mag, Clisson ist<br />
A6/E15 ein Stück italienische Atmosphäre in Frankreichs<br />
A5/E54<br />
A26/E17<br />
Westen, ein Ziel, das einen Umweg lohnt.<br />
Troyes<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 30: Angers,<br />
einfach l(i)ebenswert<br />
Sens<br />
(74 km entfernt)<br />
Orléans<br />
Angers, die idyllische Stadt;<br />
Angers, die grüne Stadt;<br />
Angers, Châtillon-sur-Seine<br />
die<br />
Auxerre Stadt, in der es<br />
sich gut leben<br />
lässt A6/E15 - alles<br />
Attribute,<br />
Vézelay Avallon Flavigny<br />
A71/E9<br />
die man der<br />
Hauptstadt<br />
A38<br />
des Anjou in<br />
Bourges<br />
der Region<br />
Pays de la<br />
Beaune<br />
Loire gerne<br />
zuschreibt. Regelmäßig erreicht Angers in Rankings<br />
A71/E11 von Städten mit hoher Lebens qualität den ersten<br />
C<br />
Platz. Doch was macht Angers so besonders? Eine<br />
Suche nach Antworten.<br />
A6/E<br />
INFORMATIONEN ZUR BESTELLUNG<br />
DIESER UND ANDERER AUSGABEN FINDEN<br />
SIE AUF SEITE 92.<br />
Montluçon<br />
A71/E11 Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 47<br />
Cluny<br />
A5/E17-E<br />
E602/A837<br />
Limoges<br />
Clermont-<br />
Ferrand<br />
A72/E<strong>70</strong>
UNTERWEGS IN FRANKREICH Grand Est / Lothringen<br />
Wandern mal<br />
Die Begegnung von zeitgenössischer Kunst und ländlichem Raum<br />
48 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
anders<br />
Vor rund 20 Jahren haben sechs abgelegene Dörfer in einer von Landwirtschaft und<br />
Wäldern geprägten Gegend – circa <strong>70</strong> Kilometer westlich von Metz und Nancy im Departement<br />
Meuse (Region Grand Est) – eine wagemutige Initiative lanciert: die Schaffung<br />
von Wanderwegen, auf denen man zeitgenössische Kunstwerke entdecken kann.<br />
Doch es steckt noch mehr dahinter. Mit diesem partizipativen Projekt, an dem heute<br />
450 ehrenamtliche Helfer mitwirken, wollte man vor allem dazu beitragen, der Isolation<br />
der Menschen im ländlichen Raum entgegenzuwirken und soziale Verbundenheit<br />
entstehen zu lassen. Man wollte eine Ebene schaffen, auf der sich die Bewohner mit<br />
Künstlern austauschen und zusammenarbeiten können. Gleichzeitig sollte es Besuchern<br />
ermöglichen, diese Region auf eine andere Art zu entdecken. Heute sind mehr als<br />
100 Kunstwerke auf Wegen in einer Gesamtlänge von 65 Kilometern zu Fuß oder mit<br />
dem Fahrrad frei zugänglich. Und der Erfolg ließ nicht auf sich warten!<br />
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 49
UNTERWEGS IN FRANKREICH Grand Est / Lothringen<br />
Also, hat es Ihnen gefallen? Das war<br />
wirklich interessant, finden Sie nicht?<br />
Für ein kleines Dorf mit weniger als<br />
100 Einwohnern ist das doch nicht<br />
«<br />
schlecht. Kommen Sie, wir gehen ins<br />
Bistro etwas trinken und ruhen uns<br />
ein wenig aus! » Raymond Leclerc,<br />
der Bürgermeister des Dorfes Lahaymeix, ist ganz schön<br />
stolz auf die Wirkung, die die Wanderung bei uns erzielt<br />
hat, und als wir ihm ins Bistro folgen, sagen wir uns, dass es<br />
uns an seiner Stelle genauso ginge. Denkt man nämlich<br />
sachlich über die Idee nach, die hier in dieser abgelegenen<br />
ländlichen Gegend im Departement Meuse vor rund 20<br />
Jahren entstand, nämlich eine Begegnung zwischen zeitgenössischen<br />
Künstlern und der ansässigen Bevölkerung zu<br />
initiieren, so kommt man zu dem Schluss, dass dafür schon<br />
ein bisschen Verrücktheit notwendig war. Verrücktheit<br />
vielleicht … aber – wie die Entwicklung seitdem gezeigt<br />
hat – vor allem Visionen!<br />
Zum besseren Verständnis ein kleiner Rückblick: In<br />
den 90er-Jahren ließ sich der damals bereits bekannte<br />
Künstler François Davin – einer der Ersten, der sich in<br />
Frankreich für die « Landart-Bewegung » interessierte – in<br />
Lahaymeix nieder. Dies war eine mutige Entscheidung,<br />
denn der Ort liegt wirklich abgelegen, « von der Welt<br />
abgeschnitten, mitten im Nichts », wie ihn seine Freunde<br />
warnten. Doch das störte François Davin überhaupt nicht,<br />
ganz im Gegenteil. Zum einen kannte er die Gegend gut,<br />
weil seine Großeltern von hier stammten. Zum anderen<br />
war er davon überzeugt, dass man manchmal das Bedürfnis<br />
hegen kann, einen bestimmten Ort förmlich « spüren »<br />
zu müssen, weil man das Gefühl hat, dass dieser Ort einen<br />
inspiriert. Etwas, was vielleicht nur ein Künstler nachvollziehen<br />
kann. Und wie François Davin bereits im Vorfeld<br />
geahnt hatte, fühlte er sich dort wohl. So wohl sogar, dass<br />
er einige Jahre später das Gefühl hatte, den Dorfbewohnern<br />
etwas von der Lebensqualität zurückgeben zu müssen,<br />
die er dank ihnen an diesem Ort entdeckt hatte …<br />
Eines Morgens betrachtete er die Landschaft, als ihm<br />
eine Idee durch den Kopf schoss: Wäre es möglich, Künstler<br />
einzuladen und Begegnungen mit der Bevölkerung von<br />
Lahaymeix zu organisieren? Sie gemeinsam Werke kreie-<br />
Entlang der Wege des Vent des Forêts stößt man immer wieder<br />
auf überraschende Kunstwerke wie « Exode » von Joël Thépault,<br />
eine Hommage an die Menschen, die aus Kriegsgebieten fliehen<br />
müssen (vorherige Doppelseite), oder « Saphira » von der Schweizer<br />
Künstlerin Claudia Comte, die in Berlin lebt und arbeitet.<br />
50 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 51
UNTERWEGS IN FRANKREICH Grand Est / Lothringen<br />
ren zu lassen, diese dann an Wegen aufzustellen und so<br />
den Menschen zeitgenössische Kunst auf eine andere Art<br />
nahezubringen? Vielleicht entstünde daraus eine eigene<br />
Dynamik, um diese Begegnung jedes Jahr zu wiederholen.<br />
Auf diese Weise würde der Wald in der Umgebung zu<br />
einer Art Kunstgalerie unter freiem Himmel und regelmäßig<br />
kämen neue Kunstwerke hinzu. Das wäre mehr als<br />
« nur » eine Ausstellung, das wäre eine Art Austausch, und<br />
die Werke wären nicht nur durch die Künstler geschaffen,<br />
sondern durch das Zusammentreffen von Menschen entstanden.<br />
François Davin begann, über seine Idee zu sprechen,<br />
und diese verbreitete sich nicht nur in Lahaymeix, sondern<br />
auch in den Dörfern der Umgebung. Zur allgemeinen<br />
Überraschung waren alle enthusiastisch: « OK,<br />
wir machen mit, los gehts », war die Reaktion. François<br />
Davin begann also, sein Netzwerk zu aktivieren, und sehr<br />
schnell gelang es ihm, die ersten befreundeten Künstler<br />
davon zu überzeugen, sich einige Wochen in Lahaymeix<br />
niederzulassen. Obwohl alle zunächst über den Vorschlag<br />
erstaunt waren, gefiel ihnen der Gedanke und sie hatten<br />
Lust, François zu unterstützen. In den sechs Dörfern, die<br />
sich an diesem Abenteuer beteiligen wollten, begann man,<br />
sich zu organisieren. Da es zudem galt, die zukünftigen<br />
Wege abzugrenzen, notwendige Genehmigungen einzuholen<br />
und die Routen auszuschildern, bezog man das<br />
Office National des Forêts (ONF) in das Projekt mit ein. Es<br />
entwickelte sich zu einem sehr engagierten Partner. Einige<br />
Grundstücksbesitzer mussten zwar davon überzeugt<br />
werden, den Wanderern das Überqueren einer bestimmten<br />
Parzelle zu gestatten, und man musste natürlich generell<br />
der Bevölkerung die Pläne nahebringen. Um der Initiative<br />
eine Struktur zu geben, gründete man für ihre Umsetzung<br />
und Leitung den Verein Vent des Forêts. Die meisten<br />
Bewohner zeigten sich spontan sehr entschlossen: Neben<br />
Die Schädel aus Bronze des Schweizer Künstlers<br />
Erik Nussbicker hängen mitten im Wald und geben<br />
Melodien von sich, wenn man sie mit der Hand anstößt.<br />
Die steinerne Bank von Daniel Denise lädt den Wanderer<br />
dazu ein, sich auf ein in goldenen Lettern graviertes « EGO »<br />
zu setzen und die Landschaft zu betrachten.<br />
Das französische Künstlerkollektiv None Futbol Club hat sich während der<br />
Protestbewegung im Jahr 2008 in Athen von einem Graffiti inspirieren lassen<br />
und das überdimensionale Brenneisen « Keep warm burnout the rich » kreiert;<br />
es steht inmitten von Feldern und stimmt den Betrachter nachdenklich.<br />
52 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 53
UNTERWEGS IN FRANKREICH Grand Est / Lothringen<br />
Übernachtungsgelegenheiten für die Künstler boten sie<br />
ihre Unterstützung bei der Arbeit, bei der Beschaffung<br />
des Rohmaterials, beim Transport des Materials in den<br />
Wald, teilweise sogar beim Beschneiden oder Behauen<br />
an … Im Grunde genommen entstand eine regelrechte<br />
Kette der Solidarität.<br />
1997 wurden die ersten Wege mit Kunstwerken<br />
öffentlich zugänglich gemacht. Die Mund-zu-Mund-<br />
Propaganda zeigte sehr schnell Wirkung, und der Erfolg<br />
stellt sich ein – jedes Jahr ein bisschen mehr. Und so sind<br />
es heute mehr als 100 Kunstwerke, die man zu Fuß oder<br />
mit dem Fahrrad auf sieben ausgeschilderten Routen mit<br />
einer Gesamtlänge von 65 Kilometern besichtigen kann.<br />
« Ziel war, dass jeder eine geeignete Strecke findet, egal<br />
wie fit er ist », erläutert François Davin, während er sich<br />
im Bistro an unserem Tisch niederlässt. « Der kürzeste<br />
Weg ist drei Kilometer lang. Man benötigt für ihn etwa<br />
eine Stunde und kann 16 Kunstwerke besichtigen, die<br />
auf der Strecke verteilt sind. Der längste ist 14 Kilometer<br />
lang und präsentiert 45 Werke. Alle kommen also auf<br />
ihre Kosten! » Wir haben unsererseits gerade den Sentier<br />
de Louvent absolviert und auf den 9 Kilometern 39 Kunstwerke<br />
entdeckt. Dabei waren wir rund drei Stunden in<br />
gemächlichem Tempo unterwegs. Bei dieser Gelegenheit<br />
konnten wir außergewöhnliche Dinge sehen: zum<br />
Beispiel eine mit Bienenwachs überzogene Pyramide aus<br />
Eichenbalken (Around the creed Mountain / Monts et<br />
Merveille von Sunoj D); Schädel aus Bronze, die inmitten<br />
der Bäume hängen und poetische Melodien zum Besten<br />
geben, sobald sie durch den Wind in Bewegung geraten<br />
(Le jardin des Méditations von Erik Nussbicker); seltsame<br />
Vögel – im Grunde genommen Lockvögel –, die in einem<br />
Stacheldraht gefangen sind (Peuple migrateur von Katarina<br />
Kudelova); eine Grabplatte aus schwarzem Marmor<br />
mit der Inschrift « Ich lebe noch », in der sich der Betrachter<br />
spiegelt (Je suis toujours vivant von Edouard Boyer);<br />
eine seltsame Bank mit den goldenen Lettern « Ego », die<br />
dazu einlädt, sich niederzulassen und die Gegend zu be-<br />
54 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
Die in Stacheldraht gefangenen Lockvögel am Wegesrand versinnbildlichen das traurige Schicksal unglücklicher Migranten;<br />
die slowakische Künstlerin Katarina Kudelova will damit daran erinnern, dass sie selbst ihre Heimat verlassen hat.<br />
Die menschlichen Silhouetten, die der Künstler Christian Lapie aus verkohlter Eiche realisiert hat,<br />
scheinen auf geheimnisvolle, aber beschützende Art über das Dorf Lahaymeix zu wachen.<br />
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 55
UNTERWEGS IN FRANKREICH Grand Est / Lothringen<br />
56 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
trachten (Ego von Daniel Denise). Viele Werke regen zum<br />
Nachdenken an, manche bringen einen zum Schmunzeln.<br />
Man entdeckt sie, indem man dem ausgeschilderten Weg<br />
folgt – wobei einige bewusst am Rand einer Lichtung<br />
oder in einem Wäldchen versteckt sind.<br />
Monsieur le Maire weist stolz darauf hin, dass « Vent<br />
des Forêts inzwischen rund 30 000 Besucher pro Jahr in<br />
diese Gegend zieht ». Das ist ein echtes Potenzial, um das<br />
Leben und die Wirtschaft hier zu dynamisieren! Trotzdem<br />
verliert man deswegen nicht den Kopf oder verfällt<br />
der Maßlosigkeit, denn der Esprit der Initiative hat sich<br />
nicht geändert. Die Künstler werden nach wie vor von den<br />
Bewohnern herzlich empfangen, und die Einweihung der<br />
neuen Werke bietet jedes Jahr Anlass für ein großes Fest,<br />
zu dem alle eingeladen sind. Der Bürgermeister fährt fort:<br />
« François Davin hat uns weit mehr als ein erfolgreiches<br />
Projekt gegeben, er hat uns mit einer Welt, mit seiner<br />
Welt, vertraut gemacht; eine Welt, die uns nicht nur<br />
vollkommen fremd war, sondern an die wir uns gar nicht<br />
herangewagt hätten. Dank ihm und den Diskussionen<br />
mit den anderen Künstlern – von denen viele mittlerweile<br />
Freunde geworden sind – haben wir gelernt, unsere Befangenheit<br />
zu überwinden und nicht beim ersten Eindruck<br />
zu verharren. Inzwischen haben wir ein Verständnis für<br />
Kunst entwickelt und stellen uns den Fragen, die sie aufwirft.<br />
Sie wirft auch Fragen über uns selbst auf und hilft<br />
uns, uns weiterzuentwickeln. » Im Laufe der Diskussion<br />
erfahren wir, dass die Dinge am Anfang dennoch nicht<br />
ganz so einfach waren, wie es heute den Anschein hat.<br />
Einige Bewohner waren nicht sehr davon angetan, dass<br />
ihre Ruhe durch die zahlreichen, wahllos geparkten Autos<br />
gestört wurde, zumal wenn sie auf deren Grund und Boden<br />
standen. Inzwischen wurden aber an den Ausgangspunkten<br />
der Wege Parkplätze eingerichtet, sodass dieses<br />
Problem gelöst ist. Ernsthafte Schwierigkeiten gab es also<br />
keine. Im Gegenteil: Es wird schnell offensichtlich, dass<br />
die Menschen hier in gewisser Weise wieder stolz auf ihre<br />
Gegend geworden sind. In den 90er-Jahren wurde diese<br />
Region als vollkommen abgelegen betrachtet, als eine Region,<br />
der der Antrieb fehlte. Man hätte sich damals überhaupt<br />
nicht vorstellen können, dass sich die Menschen<br />
hier einmal intensiv mit zeitgenössischer Kunst auseinandersetzen.<br />
Doch die Zeiten haben sich geändert. Insofern<br />
ist es sicher kein Zufall, dass das 2010 eröffnete, nur eine<br />
Fahrstunde entfernte Centre Pompidou Metz gerade von<br />
der lokalen Bevölkerung sehr gut angenommen wird.<br />
Kunst macht neugierig, sofern man sich auf sie einlassen<br />
und sie interpretieren kann …<br />
Während wir noch bei einer Tasse Kaffee diskutieren,<br />
kommen einige Wanderer vorbei, die den Plan mit den<br />
Rundwegen in den Händen halten. Sie entscheiden spontan,<br />
sich an einen der Tische auf der Terrasse zu setzen.<br />
« Ah, warten Sie, da muss ich wohl ein bisschen mithelfen<br />
… », sagt Monsieur le Maire und steht auf. « Die Wirtin,<br />
Madame Simon, die alle hier nur Fernande nennen,<br />
ist 94 Jahre alt. Eine tolle Frau. Aber in ihrem Alter ist es<br />
Linke Seite: Die geheimnisvollen Formen, die Luc Doerflinger<br />
mitten im Wald aufgehängt hat, machen stutzig: « Wegzeichen,<br />
Pendel, Gemüse? », fragt man sich unweigerlich.<br />
Diese Seite: Entlang der verschiedenen Strecken kann<br />
man sich an den Buchstaben « V » gut orientieren.<br />
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 57
UNTERWEGS IN FRANKREICH Grand Est / Lothringen<br />
logisch, dass wir ihr ein bisschen unter die Arme greifen.<br />
Vor allem, seit der Betrieb durch das Projekt zugenommen<br />
hat! » Er hat noch nicht ausgesprochen, da geht Fernande<br />
bereits lächelnd auf die Gäste zu. « Guten Tag, möchten<br />
Sie etwas trinken oder vielleicht etwas essen? Kunst macht<br />
hungrig, vor allem, wenn man noch marschieren muss,<br />
um sie zu entdecken! » Als wir das hören, müssen wir<br />
unweigerlich schmunzeln. Fernande bestätigt uns später,<br />
dass sich das Dorf dank Vent des Forêts in ihren Augen<br />
wirklich verändert hat. Laut der ehemaligen Lehrerin des<br />
Dorfes träfe man Wanderer von überallher. Auf jeden Fall<br />
kämen mehr als früher, das sei eindeutig. Und vor allem<br />
spreche man miteinander, man tausche sich aus. Im Grunde<br />
genommen, so sagt Fernande, sei das Leben zurückgekommen<br />
… « Wir leben nicht mehr an einem Ort, den<br />
man als erledigt, als am Ende bezeichnet … Vielleicht leben<br />
wir an einem Ort, der ein wahrer Schatz ist », drückte<br />
sich François Davin 2014 in einem Dokumentarfilm* über<br />
das Projekt Vent des Forêts aus. Nach unserer Wanderung<br />
durch den Wald voller Kunstwerke, nach den angenehmen<br />
Begegnungen und der so einfachen und herzlichen<br />
Atmosphäre sagen wir uns, dass diese Gegend zwar etwas<br />
abseits liegt, aber eindeutig voller Leben steckt und dass<br />
die Bewohner und Künstler mit ihrer gemeinsamen Initiative<br />
etwas wirklich Wertvolles entstehen ließen. Aber das<br />
eigentlich Wertvolle, davon sind wir überzeugt, sind zum<br />
großen Teil die Menschen selbst …<br />
* « Le Vent des Forêts 2e année 1998 », von Christian Lamalle und Stephane Harter,<br />
bei Youtube unter folgendem Link zu sehen: https://youtu.be/sUWbAQsMjFQ<br />
58 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
Boulogne<br />
Roubaix<br />
Lille<br />
Liege<br />
Charlroi<br />
A84/E401<br />
Avranches<br />
Saint-Lô<br />
ont-Saint-Michel<br />
N13<br />
Linke Seite:<br />
Fernande Simon vor ihrem Café (links<br />
oben) im friedlichen Ort Lahaymeix,<br />
wo Monsieur le Maire, Raymond Leclerc<br />
(darunter), regelmäßig seine Zeitung liest<br />
und sich mit den Anwesenden unterhält.<br />
Caen<br />
Le A29/E44 Havre<br />
A131<br />
Honfleur<br />
A13/E46<br />
Ein praktisches Tool:<br />
die kostenlose App<br />
A28/E402<br />
Vent des Forêts<br />
Lesetipps & Reiseinfos<br />
rg-<br />
Guyencourt-Saulcourt<br />
Amiens<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. A1/E15-E19 65: Grand-Est,<br />
Mondial Air Ballons, der<br />
poetische Aufstieg von 456<br />
Heißluftballons<br />
A34/E46<br />
Jumièges<br />
(43 km entfernt)<br />
Rouen<br />
Alle zwei Jahre findet<br />
A26/E17<br />
auf dem Flugplatz von<br />
Chambley das größte<br />
Reims<br />
A13/E5<br />
A16<br />
Heißluftballontreffen<br />
der Welt statt: die<br />
Evreux<br />
Mondial Air A4/E50 Ballons.<br />
In diesem Jahr Epernay<br />
Châlons-enversammelten<br />
sich PARIS 1072 Ballonfahrer aus 38<br />
Champagne<br />
Ländern.<br />
Versailles<br />
Mit 456 Heißluftballons, die gleichzeitig<br />
Dreux abhoben, wurde ein neuer Weltrekord im<br />
Massenstart aufgestellt.<br />
Saint-Guilhemle-Désert<br />
Seit zwei Jahren gibt es für alle, die die<br />
A6/E15<br />
A84<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 36: A5/E54 Neufchef &<br />
A26/E17<br />
sieben Routen Alençon der Freilichtausstellung Chartres<br />
Aumetz, das stolze Erbe der<br />
Vent des Forêts entdecken möchten,<br />
lothringischen Kumpel<br />
Troyes<br />
A11/E50<br />
eine kostenlose App, die auf dem<br />
(49 km entfernt)<br />
Lothringen war<br />
nes<br />
A10/E5<br />
Sens früher<br />
Smartphone (iOS und Android)<br />
A5/E17-E54<br />
eines der größten<br />
installiert werden kann. Es handelt<br />
Eisenerzfördergebiete<br />
A31/E21-E23<br />
Le Mans<br />
Orléans<br />
sich dabei im Prinzip um einen<br />
der Welt. Mehr als<br />
A11/E501<br />
drei Milliarden<br />
interaktiven Führer: A28/E502 Dank GPS-<br />
Tonnen wurden im Auxerre<br />
Ortung erhält man Tipps für die<br />
Laufe der Jahre aus<br />
Blois<br />
Wahl des Weges, die Position auf der<br />
Chambord<br />
dem lothringischen<br />
A10/E5-E60<br />
A6/E15<br />
Angers<br />
Boden geholt. Doch wegen günstigerer<br />
A31/E17-E21<br />
A11/E60<br />
gewählten Strecke, Erläuterungen<br />
Cheverny<br />
Förderbedingungen in anderen Regionen der Vézelay Avallon<br />
zu den präsentierten A86/E60 Werken sowie Tours Chenonceau Welt wurde A71/E9 der Eisenerzbergbau in Lothringen,<br />
Dijon<br />
A85<br />
Besançon<br />
A38<br />
antes<br />
die noch verbleibende Distanz. Es ist<br />
der früher einmal 23 000 Kumpel in 55 Zechen<br />
A87<br />
Monts A10/E5<br />
beschäftigte, am Ende des 20. Jahrhunderts<br />
ein spielerisches und interessantes<br />
Bourges<br />
Clisson<br />
ausgelöscht. Einige Bergmänner zwischen Metz<br />
Cholet Hilfsmittel zum Wandern und<br />
und der luxemburgischen Grenze wollten sich aber<br />
Der zentrale Ausgangspunkt und die Verwaltung<br />
Beaune<br />
des Vereins Vent des Forêts befinden sich im<br />
A83<br />
Erkunden der Werke. Empfehlenswert!<br />
nicht damit abfinden, dass dieses industrielle Erbe<br />
in A20/E9 Vergessenheit gerät. Ihrem Mut und Engagement<br />
Rathaus von Fresnes-au-Mont. Dort erhalten Sie<br />
A71/E11<br />
Chalon-sur-Saône<br />
ist es zu verdanken, dass zwei Museen in Neufchef<br />
alle Informationen zu den sieben Rundwegen sowie<br />
und Aumetz die Vergangenheit der Region<br />
einen kostenlosen Plan mit den genauen Strecken.<br />
Der Plan wird jährlich aktualisiert, A6/E15<br />
wachhalten. Eine Geschichte, die menschlich<br />
um die neuesten<br />
Werke zu verzeichnen und die Wege gegebenenfalls<br />
A83<br />
Poitiers<br />
berührt.<br />
anzupassen. Die App Vent des Forêts kann<br />
Saint-Sigismond<br />
kostenlos für iOS Cluny<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 40: Marne, in der<br />
und Android heruntergeladen<br />
N11/E601<br />
werden.<br />
Niort<br />
Montluçon<br />
Heimat des Champagners<br />
(ca. 100 km entfernt)<br />
G<br />
La Rochelle<br />
Ein Gesetz aus dem Jahre<br />
Fresnes-au-Mont …<br />
E5/A10<br />
1927 legt fest, A71/E11 wo<br />
… Berlin 846 km … Hamburg 737 km<br />
Weinstöcke wachsen<br />
… Köln 316 km … Frankfurt 327 km<br />
E602/A837<br />
… München 573 km … Wien 991 km<br />
A<br />
müssen, aus deren<br />
Trauben Clermont- Champagner A72/E<strong>70</strong> … Zürich 371 km … Paris 275 km<br />
Limoges<br />
Ferrand<br />
gemacht werden<br />
… Metz 74 km … Bar-le-Duc 27 km<br />
Lyon<br />
A89/E<strong>70</strong> Puy de Dôme<br />
Angoulême<br />
darf. Es sind enge<br />
Grenzen, denn A75/E11 nur<br />
Der nächstgelegene Flughafen, der A43/E<strong>70</strong> aus dem<br />
deutschsprachigen Raum direkt angeflogen Chambéry<br />
33 568 le Mont-Dore<br />
Hektar sind<br />
dafür zugelassen. Die Anbaufläche verteilt sich auf<br />
wird, ist Metz-Nancy-Lorraine (69 km).<br />
et<br />
St.-Etienne<br />
die fünf Departements Aisne, Aube, Haute-Marne,<br />
Marne und Seine-et-Marne im Osten Frankreichs.<br />
Der nächstgelegene TGV-Bahnhof ist Meuse<br />
Tulle<br />
TGV Voie-Sacrée (21 km).<br />
Périgueux<br />
Der Schwerpunkt liegt jedoch im Departement<br />
Grenoble<br />
Brive-la-Gaillarde<br />
A49/E713<br />
Marne, wo sich 67 Prozent der Fläche befinden. Auf<br />
A89/E<strong>70</strong> Le Pescher<br />
Vent des Forêts<br />
E5/A10<br />
diversen Champagner-Routen kann man mehr über<br />
Souillac sur das besondere<br />
Saillac<br />
Zusammenspiel von Böden, Klima,<br />
Mairie<br />
Dordogne<br />
21, rue des Tassons Valence<br />
Tradition und Kultur erfahren, Aurillac das aus Champagner<br />
Bordeaux<br />
den König aller alkoholischen Getränke macht.<br />
55260 Fresnes-au-Mont<br />
Telefon: +33 (0)3 29 71 01 95<br />
Crest<br />
Die<br />
Sarlat-le-Canéda<br />
Payrac Rocamadour<br />
Die fünf Routen im Departement Marne stellen wir<br />
A52/E72<br />
A20/E9 Ihnen vor.<br />
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A4/E50<br />
A4/E25<br />
Fresnes-au-Mont<br />
Luxembourg<br />
Metz<br />
A31/E21-E<br />
Nanc<br />
F<br />
5-E<strong>70</strong>/A63<br />
France<br />
A75/E11<br />
A9/E15<br />
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 59<br />
Avignon Apt<br />
Nîmes<br />
A54/E805<br />
Orange<br />
A7/E15<br />
A51/E712
UNTERWEGS IN FRANKREICH / Provence-Alpes-Côte d’Azur<br />
Eine fast hundertjährige Liebeserklärung ist noch immer aktuell<br />
60 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
1926 realisierte Albert Londres (1884-1932), der als einer der « Väter »<br />
des Journalismus gilt, ein Projekt, das ihm schon lange am Herzen<br />
lag: eine Zeit lang in Marseille zu leben und eine Reportage über die<br />
südfranzösische Hafenstadt zu schreiben. Es entstand eine zwölfteilige<br />
Artikelreihe, die im Sommer jenes Jahres in der Zeitung Le Petit Parisien<br />
erschien. Wie in allen Artikeln von Albert Londres ist man als Leser auch<br />
heute noch, mehr als 90 Jahre später, von der zutiefst menschlichen<br />
Sichtweise berührt, mit der er das Porträt der Stadt zeichnete. Ein<br />
Porträt, das erstaunlicherweise immer noch aktuell erscheint. Ein<br />
lehrreicher Blick, der Aufschluss über die tiefgreifenden Veränderungen<br />
gibt, die Marseille in den letzten Jahren geprägt haben.<br />
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 61
UNTERWEGS IN FRANKREICH / Provence-Alpes-Côte d’Azur<br />
Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass ein Journalist<br />
kein Ministrant ist, der einen Korb mit Rosenblättern vor<br />
« sich herträgt und eine Prozession anführt. Unser Beruf besteht<br />
weder darin, eine Gefälligkeit zu erweisen,<br />
noch jemandem Schaden zuzufügen,<br />
er besteht darin, die Feder in die Wunde<br />
zu legen. » Als Albert Londres 1929<br />
diese Zeilen in einem seiner wichtigsten<br />
Werke schrieb, in dem er mutig den<br />
französischen Kolonialismus anprangerte,<br />
wusste er noch nicht, dass das Buch<br />
Terre d’ébène (deutscher Titel: Schwarz<br />
und Weiß. Die Wahrheit über Afrika.) zu<br />
einer absoluten Referenz für diesen Berufsstand<br />
werden sollte. Er wusste auch<br />
noch nicht, dass ab 1933 ein anspruchsvoller<br />
französischer Preis seinen Namen<br />
tragen würde, ein Preis, mit dem jedes<br />
Jahr die Arbeit herausragender frankophoner<br />
Journalisten ausgezeichnet wird.<br />
Aber vermutlich hätte er dieser Tatsache nicht einmal viel<br />
Aufmerksamkeit geschenkt, denn er war ein sehr bescheidener<br />
und diskreter Mensch. Für ihn war es wichtig, unablässig<br />
die Welt zu bereisen und ein Zeugnis von all dem<br />
abzulegen, was er sah. « Die Feder in die Wunde legen »: Dieser<br />
Satz wurde berühmt und steht vermutlich in irgendeiner<br />
Form – in großen Lettern an der Wand oder diskret in<br />
einem Notizbuch – in jeder französischen Redaktion, die<br />
etwas auf sich hält …<br />
Albert Londres, der in erster Linie<br />
für seine Reportagen aus der ganzen<br />
Welt bekannt ist – vor allem für diejenigen<br />
über die Hölle in den Straflagern<br />
(Au bagne, 1923 / Bagno. Die Hölle der<br />
Sträflinge, 1924), über psychiatrische<br />
Anstalten (Chez les fous, 1925), über die<br />
internationale Prostitution (Le Chemin<br />
de Buenos-Aires, 1927) –, träumte lange<br />
Zeit von einem Aufenthalt in Marseille.<br />
Die Stadt hatte ihn schon immer fasziniert.<br />
Der Grund dafür lag darin, dass<br />
Marseille zu dieser Zeit, mehr als alle<br />
anderen französischen Städte, ein Symbol<br />
für Aufbruch, Reise und Abenteuer<br />
war. Jeden Tag legten Ozeandampfer<br />
ab und fuhren in die weite Welt hinaus, während andere<br />
nach einer langen Reise aus fernen Ländern in der Stadt<br />
vor Anker gingen. Am Hafen herrschte ein ständiges<br />
Kommen und Gehen. Marseille. Bereits den Namen empfand<br />
Albert Londres in seinem tiefsten Inneren als eine<br />
Obwohl die Boote im Alten Hafen (vorherige Doppelseite), die in große Töpfe gepflanzten Olivenbäume im Parc Oliwkowy hinter dem Rathaus<br />
(oben) und andere zeitgenössische Objekte ein eindeutig moderneres Bild von Marseille zeigen, als Albert Londres (unten, aufgenommen<br />
im Alter von 39 Jahren) es hatte, gibt es noch einige Perspektiven, die an die damalige Atmosphäre erinnern (rechts).<br />
62 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 63
UNTERWEGS IN FRANKREICH / Provence-Alpes-Côte d’Azur<br />
64 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
Die Hafeneinfahrt mit der Kirche Notre-Dame-de-la-Garde im Hintergrund (linke Seite) und das zeitlose<br />
Ambiente des Fischmarkts am Alten Hafen und der Fischer auf den Quais.<br />
Einladung zum Reisen. Für ihn war klar, dass man in<br />
Marseille die ganze Welt treffen konnte, als hätten sich<br />
alle hier verabredet. Er spürte das dringende Bedürfnis,<br />
dieser Stadt eine Artikelserie zu widmen.<br />
Eine andere 1923 veröffentlichte Reportage war letzten<br />
Endes der Auslöser dafür, dass er seinen Traum schließlich<br />
realisieren konnte. Dabei handelte es sich um einen<br />
Text, der heute als einer der berühmtesten des französischen<br />
Journalismus betrachtet wird: einen Text über das<br />
Bagno im guyanischen Cayenne. Albert Londres, der den<br />
Ort besucht hatte, beschrieb darin die zutiefst unmenschlichen<br />
Bedingungen, die die französische Gefängnisverwaltung<br />
den Sträflingen auferlegte. Als die Pariser Presse<br />
den Skandal enthüllte, rief dies in der Öffentlichkeit eine<br />
solche Empörung hervor, dass die Regierung beschloss,<br />
das Straflager zu schließen. Für Albert Londres war das<br />
nicht nur ein unglaublicher Sieg, sondern vor allem eine<br />
Bestätigung seiner Arbeit: Ab sofort kannte man seinen<br />
Namen in allen Redaktionen und betrachtete ihn als<br />
Grand Reporter. Ab sofort war es unmöglich, eine seiner<br />
Reportagen abzulehnen …<br />
1926, drei Jahre später, konnte Albert Londres daher<br />
die Zeitung Le Petit Parisien problemlos davon überzeugen,<br />
ihn nach Marseille zu senden, obwohl alle genau<br />
wussten, dass sich der Journalist damit in erster Linie<br />
einen langgehegten Wunsch erfüllen wollte. Seine Art<br />
zu arbeiten änderte sich deshalb jedoch nicht: Was zählte,<br />
war nach wie vor die menschliche Seite. Um diese<br />
menschliche Seite zu erfassen, musste er lange genug –<br />
also mehrere Wochen – in der Stadt leben, mit ihr eins<br />
werden, von ihr akzeptiert werden. So ließ sich der weitgereiste<br />
Journalist auf dem Rückweg von einer Reportage<br />
in Polen eine Zeit lang in Marseille nieder, ganz in der<br />
Nähe des Alten Hafens. Und er begann, unablässig die<br />
Stadt zu durchqueren, die Bevölkerung, diesen Schmelztiegel<br />
mit Menschen aus der ganzen Welt, zu beobachten.<br />
Was Albert Londres als Erstes erstaunte, war die Betriebsamkeit<br />
am Hafen. Es war offensichtlich, dass dies<br />
zur damaligen Zeit in Frankreich DAS Tor in die Welt<br />
war. Für den Reporter, der die Schiffe beim Ablegen beobachtete,<br />
war dies wie eine Aufforderung zum Reisen:<br />
« Wo möchten Sie hinreisen? », schrieb er. « Nach Marokko,<br />
nach Algerien, nach Tunesien? In den Senegal, nach Ägypten,<br />
in den Kongo, nach Madagaskar? Nach Syrien, nach Konstantinopel?<br />
Nach Tonkin? Nach Indien? Nach Australien? Nach<br />
China? Nach Südamerika? Entscheiden Sie sich. Hier bricht<br />
man zu allen Meeren auf, zum Roten und zum Schwarzen,<br />
zu allen Meerengen, allen Kanälen, allen Golfen. Man wird<br />
Ihnen Länder zeigen! Man wird Sie mit ganz ungeahnten<br />
Dingen vertraut machen! » Mehr jedoch als für diese Verheißungen<br />
des Reisens interessierte sich Albert Londres<br />
vermutlich für die Menschen, die sich am Hafen von Marseille<br />
begegneten. Es war ein Treffpunkt für Reisende aller<br />
Genres, ideal, um ganz unwahrscheinliche Begegnungen<br />
zu machen. Der Reporter spürte schnell, dass diese Reisenden<br />
im Grunde genommen die Lebensader der Stadt<br />
waren, dass sie einen Rhythmus vorgaben, den man nirgendwo<br />
anders in Frankreich so spürte. Und hinter dieser<br />
wirren, vielleicht sogar « chaotischen » Ausstrahlung – wie<br />
man zu jener Zeit die Stadt bereits bezeichnete – pulsierte<br />
in Marseille das Leben – mehr als in jeder anderen Stadt.<br />
Dies unterstrich Albert Londres zum Beispiel in der<br />
Beschreibung seiner nächtlichen Spritztouren im Viertel<br />
rund um das Rathaus, direkt beim Alten Hafen. Dies war<br />
ein lebendiger Ort, wo er « Franzosen, Italiener, Griechen,<br />
Spanier, Engländer, Holländer, Rumänen, Araber, Äthiopier,<br />
Madagassen … » traf, die mit ihren Kulturen, ihrer Musik<br />
und ihren Rhythmen dem Nachtleben in Marseille eine<br />
zusätzliche und in ihrer Art einzigartige Seele verliehen.<br />
« In kleinen Städten ist die Nacht das Zeichen für Ruhe. In<br />
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 65
UNTERWEGS IN FRANKREICH / Provence-Alpes-Côte d’Azur<br />
großen Städten ist sie der Beginn neuen Lebens. In Häfen hat<br />
die Nacht etwas Vertrautes », schrieb er. Worte, die davon<br />
zeugen, wie sehr er sich in die – immer noch existente –<br />
multikulturelle Dynamik der Nächte in Marseille verliebt<br />
hatte.<br />
Es ist amüsant, wenn man heute bei einem Besuch in<br />
Marseille diese Zeilen von Albert Londres im Hinterkopf<br />
hat. Denn sie sind immer noch aktuell: Man muss<br />
nur durch die kleinen, oft engen Gassen in der Altstadt<br />
von Marseille gehen – zum Beispiel im Panier- oder im<br />
Noailles-Viertel – um eine Atmosphäre zu erleben, die<br />
sich seit 1926 offenbar nicht sehr verändert hat. Noailles,<br />
ein Viertel, das schon seit jeher Ventre de Marseille<br />
genannt wurde, ist vor allem für seinen täglich stattfindenden,<br />
farbenprächtigen Markt in der Rue du Marchédes-Capucins<br />
bekannt. Es ist ein Viertel, das das Symbol<br />
schlechthin für die Einwanderungswellen ist. Ein Viertel,<br />
in dem jeder sicher sein kann, die Produkte seines Landes<br />
zu finden – egal woher er kommt. Betrachtet man heute<br />
die Marktstände und die Auslagen der Geschäfte in den<br />
angrenzenden Straßen, sagt man sich, dass dies letzten<br />
Endes heute immer noch so ist.<br />
Etwas weiter, wieder in Richtung Hafen, liegen die<br />
Docks, die inzwischen komplett neu gestaltet wurden und<br />
nun ein wenig an die von Hamburg und Dublin erinnern.<br />
Ziegelstein und Industriearchitektur sind derzeit modern.<br />
Umso besser. Marseille wird schöner, das ist nicht von der<br />
Hand zu weisen. Davon zeugt auf ganz besonders symbolträchtige<br />
Weise das MuCEM: Dieses elegante Museum<br />
mit seiner zeitgenössischen Architektur war zwar<br />
zunächst verschrien, hat sich inzwischen jedoch nach<br />
einhelliger Meinung perfekt ins Stadtbild integriert. Vom<br />
Arenc-Viertel, das im Bereich des dynamischen Stadterneuerungsprojektes<br />
Euroméditerranée liegt, kann man<br />
dies nur schwerlich behaupten. Das vor Kurzem fertiggestellte<br />
Hochhaus La Marseillaise, ein Werk des Stararchitekten<br />
Jean Nouvel, scheint weit davon entfernt zu sein,<br />
die Zustimmung der Bürger zu finden. Albert Londres<br />
hätte sich darüber, das ist sicher, keine großen Gedanken<br />
gemacht, sondern darin zweifellos das Zeichen einer Stadt<br />
in Bewegung gesehen. Für ihn musste die Architektur<br />
auch ein Zeugnis aller Kulturen sein, die sich an einem<br />
Ort begegnen.<br />
Die « exotische Seite » Marseilles versteckte sich für<br />
Albert Londres manchmal hinter Details. So erzählte<br />
er beispielsweise von einem amüsanten Erlebnis: « Gegen<br />
zehn Uhr abends, wenn die Zeitungen mit dem Zug aus Paris<br />
angekommen sind », wartet man vor dem Zeitungskiosk<br />
auf dem Place de la Bourse. « Der Verkäufer schneidet die<br />
verschnürten Pakete auf. Mit geschickter Hand nimmt er das<br />
erste Paket weg. Es sind die russischen Zeitungen. Es kommt<br />
das zweite Paket! Das sind die englischen Daily. Zwanzig<br />
Hände strecken sich aus. Er bedient die Kunden. Danach sind<br />
die tschechoslowakischen Zeitungen an der Reihe. Er verkauft<br />
66 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
Im Jahr 2010 installierte Norman Foster<br />
die riesige spiegelnde Überdachung<br />
(22 x 48 m) am Alten Hafen (unten);<br />
die Quais befinden sich gerade mitten<br />
in einer Umstrukturierungsphase.<br />
sie. Es folgen die holländischen, dann die<br />
deutschen, dann die ungarischen Zeitungen.<br />
Sie werden gekauft. Die hebräischen<br />
Zeitungen sind an der Reihe. Also mit<br />
schüchterner Stimme: ‹Könnte ich die französischen<br />
Zeitungen haben?› Der Verkäufer,<br />
mitten in der Arbeit, antwortet Ihnen:<br />
‹Später! … Kleiner Ungeduldiger! Später!›<br />
» Eine kleine Reminiszenz an die<br />
Vergangenheit: Noch immer kann man<br />
auf diesem Platz seine Zeitung kaufen,<br />
und noch immer sind die ausländischen<br />
Zeitungen dort zahlreich. Auch in diesem<br />
Punkt scheint Marseille sich nicht<br />
verändert zu haben …<br />
Ein weiterer Lieblingsort von Albert<br />
Londres war die berühmte Avenue<br />
de la Canebière. Diese Institution in<br />
Marseille war früher die « Champs-<br />
Elysées » der Stadt, allerdings in einer<br />
sehr viel volksnäheren und lebendigeren<br />
Variante. « Die Menschen auf der Canebière<br />
gleichen den Spaziergängern und<br />
Trinkern der Prachtstraßen, Avenuen,<br />
Boulevards und Alleen in anderen geliebten<br />
Städten unseres geliebten, alten, kleinen<br />
Frankreichs », schrieb der Journalist<br />
zunächst. Und ergänzte dann: « Es ist<br />
ein Treffpunkt für alle Franzosen, die sich<br />
anderswo als in Frankreich kennengelernt<br />
haben. » Im weitesten Sinne also der<br />
Treffpunkt von Menschen, die reisen.<br />
Und dem Reporter zufolge muss man<br />
sich nur an einen Tisch in einem der<br />
kleinen Cafés an dieser Straße setzen,<br />
um sich darüber bewusst zu werden.<br />
« Man kommt hierher, um Freunde wiederzutreffen,<br />
ohne jemals zu wissen, welche:<br />
Die, die das Meer mitgebracht hat […]<br />
Oft komme ich hierher und setze mich an<br />
einen dieser Tische. Im Rest von Frankreich<br />
gibt es nichts Vergleichbares. Das sind<br />
die Tische der Reisenden. » Geben wir es<br />
zu: In dieser Beziehung hat es auf der<br />
Canebière allerdings einen Wandel<br />
gegeben. Die kleinen Cafés von einst<br />
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 67
UNTERWEGS IN FRANKREICH / Provence-Alpes-Côte d’Azur<br />
Das MuCEM (Musée des Civilisations de l’Europe et de la Méditerranée) wurde vom Architekten Rudy Ricciotti<br />
konzipiert und symbolisiert seit 2013 bereits für sich alleine die Erneuerung von Marseille.<br />
haben offenkundig internationalen Handelsketten, Banken<br />
und Immobilienagenturen Platz gemacht. Und doch,<br />
ist man etwas neugierig und macht sich auf in eine der<br />
kleinen Straßen des Viertels, findet man mühelos ein<br />
Café mit der herzlichen Atmosphäre, die Albert Londres<br />
beschrieb. Dieser Geist existiert also immer noch. Er ist<br />
nur einige Hundert Meter weitergezogen. Als wolle er<br />
sich diskreter geben, sich etwas verstecken, was man nur<br />
bedauern kann.<br />
In seinem letzten Artikel über Marseille gab sich<br />
Albert Londres etwas enttäuscht. Er fragte sich, warum<br />
die Franzosen letzten Endes dieser Stadt, die ihm selbst<br />
so am Herzen lag, nur sehr wenig Beachtung schenkten:<br />
« Bei uns interessiert man sich für das Meer nur zum Baden<br />
[…] Im Winter fährt man an die Côte d’Azur. Wer aber hält<br />
in Marseille an? Niemand interessiert sich für den schönsten<br />
Hafen Frankreichs. » Der Reporter versuchte, diese mangelnde<br />
Neugier zu erklären, und dachte dabei zunächst<br />
an « die Ignoranz der Franzosen allen Dingen rund um das<br />
Meer gegenüber ». Seiner Meinung nach ist sie « beachtlich:<br />
Wenn ein Romanschriftsteller zufällig über dieses Thema<br />
schreibt, muss er alle seemännischen Begriffe erklären. »<br />
Es sei denn, so malte er sich aus, diese Ignoranz würde<br />
auf den armseligen Geografiekenntnissen der Franzosen<br />
beruhen: « Wenn ein Land zehn Tagesreisen von unseren<br />
Küsten entfernt ist, weiß niemand mehr, ob dieses Land in<br />
Asien, in Afrika oder in Amerika liegt. Wenn wir einhundert<br />
Studenten den Befehl geben, unverzüglich zu den Komoren<br />
aufzubrechen, werden wir erleben, dass fünfzig am Bahnhof<br />
Montparnasse in den Zug steigen! » Darüber war der passionierte<br />
Reisende zutiefst schockiert und stellte sich die<br />
Frage: « Sind wir eine Nation, die in ihren Bergen eingeschlossen<br />
ist? Frankreich hat einen wunderbaren Ausblick auf den<br />
Rest der Welt. Wir aber sehen unseren Rüben beim Wachsen<br />
zu! » Ein Grund mehr für ihn, Marseille zu besuchen.<br />
Weil diese Stadt « eine Lehrstunde ist. Trotz der schuldhaften<br />
Gleichgültigkeit der Zeitgenossen gibt sie sich nicht geschlagen.<br />
Aufmerksam hört sie die Stimme der weiten Welt und unterhält<br />
sich, gestützt auf ihre Erfahrung, in unserem Namen mit<br />
der ganzen Erde. » Albert Londres endete damit, die Neu-<br />
68 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
A83<br />
Saint-Sigismond<br />
N11/E601<br />
Niort<br />
La Rochelle<br />
E5/A10<br />
Montluçon<br />
A71/E11<br />
Cluny<br />
Montalivet<br />
Le Porge<br />
p-Ferret<br />
imizan<br />
r<br />
are<br />
Bayonne<br />
E5-E<strong>70</strong>/A63<br />
Spanien<br />
E602/A837<br />
Bordeaux<br />
France<br />
A64/E80<br />
E5/A10<br />
A52/E72<br />
Pau<br />
Angoulême<br />
Périgueux<br />
A89/E<strong>70</strong><br />
Sarlat-le-Canéda<br />
gier der Franzosen wecken und<br />
sie dazu anstacheln zu wollen,<br />
die von ihm so geliebte Stadt zu<br />
entdecken: « Andere große Nationen<br />
machen trotzdem mehr. Helfen wir<br />
Marseille dabei, an Bedeutung zu<br />
gewinnen. Ganz Italien steht hinter<br />
Genua, um die Stadt anzutreiben.<br />
Frankreich kennt von Marseille nur<br />
Marius und den Mistral […] Reist<br />
nach Marseille, ihr jungen Menschen<br />
in Frankreich! » Albert Londres<br />
wäre zweifellos froh gewesen, zu<br />
sehen, dass die zweitgrößte Stadt<br />
Frankreichs sich weiterentwickelt<br />
und dabei ihre Seele bewahrt hat.<br />
Aber wie lange noch? Das ist<br />
die große Frage. Albert Londres<br />
würde uns dazu ermuntern, ganz<br />
genau darauf zu achten …<br />
Souillac sur<br />
Dordogne<br />
Lesetipps & Reiseinfos<br />
Limoges<br />
Marseille …<br />
A89/E<strong>70</strong> Puy de Dôme<br />
… Berlin 1543 km … Hamburg 1493 kmA75/E11<br />
… Köln 1044 km … Frankfurt le 1002 Mont-Dore km<br />
… München 1050 km … Wien 1368 km<br />
… Zürich 747 km … Paris 774 km<br />
… Lyon 314 km<br />
Tulle<br />
Brive-la-Gaillarde<br />
Der Flughafen Marseille-Provence (24 km)<br />
wird aus dem deutschsprachigen Raum<br />
direkt angeflogen. Saillac<br />
Aurillac<br />
Le Pescher<br />
Payrac<br />
Der Bahnhof Marseille Saint-Charles ist an das<br />
TGV-Netz Rocamadour<br />
angebunden.<br />
A20/E9<br />
Office de Tourisme de Marseille<br />
11, La Canebière<br />
13001 Marseille<br />
Telefon: +33 (0) 826 500 500<br />
(Achtung: Gebühren 0,15 € pro Minute)<br />
www.marseille-tourisme.com<br />
Andorra<br />
France<br />
Clermont-<br />
Ferrand<br />
Perpignan<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 63: Hyères,<br />
eine authentische Céret Ecke am<br />
Mittelmeer (82 km entfernt)<br />
A75/E11<br />
AP7/E15<br />
Ganz im Süden der<br />
Spanien<br />
Provence, zwischen<br />
Toulon und Saint-<br />
Tropez, liegt die Stadt<br />
Hyères. Zusammen mit<br />
ihrer unmittelbaren<br />
Umgebung gilt sie<br />
als kleine Besonderheit an dieser Küste. Hyères ist<br />
vor allem dafür bekannt, dass man von dort zu den<br />
sogenannten les d‘Or (Porquerolles, Port-Cros und<br />
Levant) übersetzt, die genau gegenüber im Meer<br />
liegen. Darüber hinaus hat sich die Stadt aber seit<br />
Jahrhunderten eine für diese Region unerwartete<br />
Authentizität und Lebensart bewahrt, durch die<br />
sie sich von den umliegenden Orten deutlich<br />
unterscheidet. Hyères ist ein « etwas anderes » Ziel<br />
an der<br />
Côte d’Azur. Wir wollen versuchen<br />
nachzuvollziehen, warum das<br />
so ist.<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 69: Camargue,<br />
tanzende Flamingos in der<br />
Camargue (122 km<br />
entfernt)<br />
A72/E<strong>70</strong><br />
Montpellier<br />
A9/E15<br />
Lyon<br />
A7/E15<br />
A9/E15<br />
Nîmes<br />
A54/E805<br />
Arles<br />
A43/E<strong>70</strong><br />
A49/E713<br />
Valence<br />
Crest<br />
Orange<br />
Avignon<br />
Die Artikel von Albert Londres<br />
über die Stadt Marseille, die<br />
1926 in der Zeitung Le Petit<br />
Parisien publiziert wurden,<br />
Lodève<br />
sind Toulouse in einem Buch mit<br />
dem Titel Marseille, Porte<br />
du Sud (Editions Arléa,<br />
ISBN 978-2869598157)<br />
Bézier<br />
zusammengefasst.<br />
Dieses Buch kann auch Narbonne<br />
im Internet gelesen oder kostenlos A81/E80als<br />
eBook heruntergeladen Limoux werden. (https://<br />
www.atramenta.net/lire/marseille-portedu-sud/65310/1#oeuvre_page)<br />
A9/E15<br />
A51/E<br />
A7/E15<br />
Aix-en-<br />
Provence<br />
A55<br />
Grenoble<br />
Saillans<br />
Marseille<br />
Der Parc ornithologique du Pont de Gau ist der<br />
Collioure<br />
ideale Ort, um die wilde Fauna und Flora der<br />
Camargue zu entdecken. Auf Wegen in einer Länge<br />
von insgesamt sieben Kilometern und von mehreren<br />
Beobachtungsstationen aus können die Besucher<br />
die Vogelwelt dieser Region beobachten. Der « Star »<br />
dabei, der viele Naturfreunde in den Park zieht, ist<br />
der Rosaflamingo.<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 67: Provence –<br />
Lavendel, eine überraschende<br />
deutsch-französische<br />
Geschichte (150 km entfernt)<br />
Jedes Jahr im Sommer<br />
verzaubert der<br />
Lavendel während<br />
der Blüte durch<br />
seinen Duft und seine<br />
unvergleichliche<br />
Farbe. Doch über die<br />
Postkartenidylle hinaus, die sehr viele Touristen<br />
anzieht, hält diese berühmte Blüte noch einige<br />
andere Überraschungen für uns bereit. Von einer<br />
wollen wir diesmal berichten.<br />
INFORMATIONEN ZUR BESTELLUNG<br />
DIESER UND ANDERER AUSGABEN<br />
FINDEN SIE AUF SEITE 92.<br />
Die<br />
Apt<br />
A52<br />
A50<br />
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 69
Coup de cœur (Grand-Est/Alsace)<br />
Die Abteikirche von Ottmarsheim<br />
Ein faszinierendes tausendjähriges Achteck<br />
Rund zehn Kilometer östlich von Mühlhausen, direkt<br />
am Rhein und damit an der deutschen Grenze, erhebt<br />
sich die Abteikirche von Ottmarsheim. Obwohl<br />
sie ganz diskret fern der Touristenströme liegt, gehört<br />
sie zu den ungewöhnlichsten religiösen Gebäuden nicht<br />
nur im Elsass, sondern in ganz Frankreich. Unser Coup de<br />
Coeur dieser Ausgabe ist in mehrfacher Hinsicht interessant<br />
und deshalb bei einer Reise in diese Region einen<br />
Umweg wert.<br />
Der Kontrast ist so frappierend, dass man unweigerlich<br />
ins Nachdenken gerät: Nur wenige Kilometer vom Dorf<br />
Ottmarsheim entfernt, liegt eines der bekanntesten von<br />
Menschenhand geschaffenen Bauwerke dieser Gegend.<br />
Sein schlechter Ruf kann allerdings kaum übertroffen<br />
werden, denn es handelt sich dabei um das Atomkraftwerk<br />
Fessenheim. Es wurde 1977 in Betrieb genommen<br />
und ist damit die älteste Nuklearanlage Frankreichs. Laut<br />
Beschluss von François Hollande soll sie nun 2022, nach<br />
45 Dienstjahren, definitiv stillgelegt werden. 45 Jahre …<br />
eine Ewigkeit für eine derartige Anlage. Könnten Gebäude<br />
schmunzeln, so würde ein anderes Bauwerk ganz<br />
in der Nähe dies vermutlich tun. Ein Bauwerk in einem<br />
ganz anderen Stil, mit einer ganz anderen Bestimmung<br />
und in einem ganz anderen Alter. Ein Bauwerk, das niemals<br />
für Kontroversen sorgte, sondern auf das ein Dorf<br />
heute ganz besonders stolz ist: die Abteikirche von Ottmarsheim.<br />
Ihre Geschichte begann um 1030 mit einem<br />
Benediktinerinnenkloster, das der aus dem Geschlecht<br />
der Habsburger stammende Graf Rudolf von Altenburg<br />
(ca. 985/990 - ca. 1053) und seine Frau Kunigunde in<br />
<strong>70</strong> · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
Ottmarsheim erbauen ließen. Das tausendjährige, altehrwürdige<br />
Bauwerk im romanischen Stil, dessen Originalität<br />
und Modernität sofort ins Auge stechen, ist im Elsass<br />
die einzige Kirche mit einem achteckigen Grundriss und<br />
die älteste noch im ursprünglichen Zustand erhaltene. Es<br />
ist somit ein wahres architektonisches Juwel, das sich vor<br />
allem dadurch auszeichnet, einige Geheimnisse bewahrt<br />
zu haben …<br />
Eines dieser Geheimnisse ist die Lage: Warum wurde<br />
ein solches Gebäude genau an diesem Ort, in Ottmarsheim,<br />
errichtet? Es gibt zwar zahlreiche Überlieferungen<br />
über den immensen Reichtum der Habsburger und ihre<br />
Macht, die sie zur damaligen Zeit in dieser Region hatten,<br />
ob sie genau hier ein Haus, eine Festung oder einen anderen<br />
Wohnsitz hatten, ist jedoch nicht bekannt. Das Einzige,<br />
was man mit Sicherheit weiß, ist, dass sie mächtig<br />
waren. Im Fremdenverkehrsamt von Ottmarsheim verweist<br />
man mit Vorliebe auf eine relativ neue Entdeckung,<br />
welche die Errichtung der Abteikirche erklären könnte.<br />
Dabei handelt es sich um eine Angelegenheit von gelinde<br />
gesagt seltsamen Fluchtlinien: Ziehen Sie auf einer Karte<br />
eine gerade Linie vom Chor der Abteikirche von Ottmarsheim<br />
zum Chor der Stiftskirche Saint-Thiébaut im vierzig<br />
Kilometer weiter östlich gelegenen Thann. Verlängern Sie<br />
dann diese Linie nach Osten … und Sie gelangen auf den<br />
Millimeter genau zum Gipfel des Ballon d‘Alsace! Wenn<br />
das keine symbolische Bedeutung hat!<br />
Doch bei einem Besuch der Kirche stößt man noch auf<br />
andere, nicht weniger mysteriöse Dinge. Dazu gehören<br />
der unerwartete achteckige Grundriss und die Tatsache,<br />
dass sich beim Besucher, sofern er sich auch nur ein wenig<br />
für solche Gebäude interessiert, beim Betreten sofort ein<br />
seltsames Gefühl des Déjà-vu einstellt. In den Archiven<br />
findet man zwar keine expliziten Erklärungen für den<br />
Grundriss in Form eines Oktogons, man vermutet jedoch,<br />
dass die von Rudolf von Altenburg beauftragten Architekten<br />
damit eine Verbindung von Himmel und Erde herstellen<br />
wollten, indem sie ein Quadrat (für die Erde und<br />
die vier Elemente) in einen Kreis (für das Paradies und<br />
die Perfektion) setzten und durch die Verbindung aller<br />
Punkte ein Achteck erhielten. Es ist jedoch auch möglich,<br />
dass der Erbauer der Abteikirche von Ottmarsheim den<br />
Wunsch hegte, seiner Macht Ausdruck zu verleihen und<br />
gleichzeitig eine seines Ranges würdige Grabstätte zu<br />
schaffen, nach dem Vorbild eines der für die damalige Zeit<br />
prestigeträchtigsten religiösen Gebäude in Form eines<br />
Oktogons: der Aachener Pfalzkapelle (heute das Zentrum<br />
des Aachener Doms). Mit anderen Worten: die Kirche,<br />
in der Kaiser gekrönt wurden, in der Karl der Große (ca.<br />
742-814) beigesetzt ist … unter dem Achteck! Folglich<br />
waren die Historiker auch nicht sehr überrascht, als sie<br />
1981 im Zentrum der Kirche unter den Steinplatten der<br />
Abteikirche, genau unterhalb des Gewölbescheitels, einen<br />
Sarkophag entdeckten. Man kann zwar nicht bestimmen,<br />
ob die sterblichen Überreste darin tatsächlich von Rudolf<br />
stammen, doch alleine ihr Vorhandensein unterstreicht<br />
den Gedanken, dass diese Stätte als Mausoleum konzipiert<br />
worden war. Im Übrigen befinden sich dort rund<br />
zwanzig Gräber.<br />
Betritt man das faszinierende tausendjährige Oktogon,<br />
so ist man überrascht und nicht selten erstaunt, dass das<br />
Gebäude trotz der romanischen Architektur sehr modern<br />
wirkt. Der zweigeschossige Chorumgang mit Arkaden<br />
vermittelt eine ungewöhnliche Leichtigkeit, und die zahlreichen<br />
Fresken aus dem 15. Jahrhundert sorgen für eine<br />
fast heitere Atmosphäre. Man fühlt sich dort fast wie in<br />
einer zeitgenössischen Kirche. Beeindruckend!<br />
Der in Straßburg ansässige Verlag Éditions du Signe<br />
veröffentlichte 2018 zusammen mit der Gemeinde Ottmarsheim<br />
einen Comic über die Geschichte dieser Abteikirche.<br />
Darin wird die Geschichte von Anna erzählt, einer<br />
Restauratorin von Fresken, die eine Entdeckung macht<br />
und dabei mehr über die Geschichte des<br />
Ortes erfährt … Ein Jahr Arbeit war für<br />
die Umsetzung dieses in französischer<br />
und deutscher Sprache veröffentlichten<br />
Comicbandes notwendig.<br />
Thierry Wintzner und Didier Pagot,<br />
La Dame d’Ottmarsheim, Éditions du Signe,<br />
ISBN 978-274683577 (französische Version) /<br />
ISBN 978-2746835788 (deutsche Version).<br />
Abbatiale d’Ottmarsheim, 6 rue de l’Église, 68490 Ottmarsheim<br />
Die Kirche kann täglich von 9 bis 19 Uhr außerhalb der Gottesdienste besichtigt werden. Eintritt frei.<br />
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 71
demog<br />
MEHR FRANZOSEN, ABER NICHT ÜBERALL …<br />
FRANKREICH HEUTE Gesellschaft<br />
Anfang Januar <strong>2019</strong> wurden die Ergebnisse der Volkszählung in Frankreich für den<br />
Zeitraum 2011-2015 veröffentlicht. Aus ihnen ergibt sich ein präzises Bild der französischen<br />
Demografie. Die Statistik zeigt vor allem, wie dynamisch sich in den letzten<br />
Jahren landesweit einige große städtische Regionen entwickelt haben. Ein Grund<br />
mehr, die seit jeher voll und ganz in Paris zentralisierte politische und administrative<br />
Organisation zu hinterfragen …<br />
Die Franzosen kennen das Prinzip: Über einen Erhebungszyklus<br />
von fünf Jahren wird von einer<br />
kleinen Armee an Volkszählern jedes Jahr in<br />
einem rollierenden System ein Teil der in Frankreich lebenden<br />
Menschen erfasst. Organisiert wird diese Volkszählung<br />
vom über jeden Zweifel erhabenen Institut national<br />
de la statistique et des études économiques (INSEE). Nun<br />
wurden die Zahlen für den Zeitraum vom 1.1.2011 bis<br />
31.12.2015 veröffentlicht. Und sie sind, ganz ohne Zweifel,<br />
sehr aufschlussreich!<br />
Die gute Nachricht zuerst: Die Bevölkerung Frankreichs<br />
wächst. Am 1. Januar 2016 lebten 66 362 000<br />
Menschen in Frankreich (mit Ausnahme von Mayotte),<br />
was in den Jahren von 2011 bis 2015 einer jährlichen<br />
Zunahme von durchschnittlich 0,4 % entspricht. Eine<br />
demografische Dynamik, um die das Hexagon von vielen<br />
anderen europäischen Ländern beneidet wird. Allerdings<br />
muss man die Zahl relativieren: Die französische Bevölkerung<br />
hat in diesem Zeitraum zwar durchschnittlich um<br />
286 000 Personen pro Jahr zugenommen, im Erhebungszyklus<br />
davor, also von 2006 bis 2010, waren es jedoch im<br />
Durchschnitt 349 000 pro Jahr. Der deutliche Rückgang<br />
liegt vor allem an der kontinuierlich sinkenden Geburtenrate,<br />
obwohl Frankreich mit durchschnittlich 1,88<br />
Geburten pro Frau (2017) nach wie vor den Spitzenplatz<br />
in Europa einnimmt.<br />
Abgesehen von der positiven Entwicklung der Gesamtbevölkerung<br />
zeigt diese jüngste Volkszählung vor<br />
allem, dass das demografische Wachstum in Frankreich<br />
fast ausschließlich von der steigenden Attraktivität einiger<br />
großer städtischer Regionen im Land getragen wird.<br />
Diese Regionen zeichnen sich ganz klar ab: « Von den<br />
20 Ballungszentren mit mehr als 300 000 Einwohnern,<br />
weisen 12 ein beschleunigtes Wachstum auf », hält das<br />
INSEE fest und hebt dabei besonders Montpellier (jährliche<br />
Wachstumsrate 1,7 %), Bordeaux (1,5 %), Nantes<br />
(1,4 %), Toulouse (1,4 %), Rennes (1,2 %) und Lyon<br />
(1,1 %) hervor. Aber das ist noch nicht alles: Erweitert<br />
man den Fokus etwas, stellt man fest, dass logischerweise<br />
die Departements, in denen diese demografisch dynamischen<br />
Städte liegen, ebenfalls die höchsten Wachstumsraten<br />
aufweisen. Demzufolge ist die Bevölkerung<br />
in den Departements Hérault (Montpellier), Gironde<br />
(Bordeaux), Loire-Atlantique (Nantes) und Haute-Garonne<br />
(Toulouse) durchschnittlich um mindestens 1 %<br />
pro Jahr gewachsen. Die Zahlen von INSEE zeigen dabei,<br />
dass sich dieser « Schneeballeffekt » auch noch auf die<br />
Regionen überträgt, die gleichermaßen von der Attraktivität<br />
dieser Metropolen mit einer ausgeprägten demografischen<br />
Dynamik profitieren. Insofern bestätigt INSEE<br />
bereits im Titel einer ergänzenden Studie, dass « das demografische<br />
Wachstum Frankreichs von 2011 bis 2015<br />
durch die großen städtischen Regionen getragen wird ».<br />
Diese Entwicklung überrascht. Könnte sie möglicherweise<br />
sogar eine radikale Veränderung der herrschenden<br />
Denkweise auslösen und das Ende der historisch verankerten<br />
Allmacht von Paris gegenüber anderen französischen<br />
Städten einläuten? Zumal die von INSEE veröffentlichten<br />
Zahlen für die Hauptstadt alles andere als gut<br />
sind: Während die Einwohnerzahl von Paris im Zeitraum<br />
2006-2010 noch jährlich um 14 000 stieg, ist sie im jüngsten<br />
Zeitraum 2011-2015 um 12 000 pro Jahr gesunken.<br />
72 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
afie<br />
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 73
FRANKREICH HEUTE Gesellschaft<br />
Dieser Rückgang erklärt sich nicht in erster Linie durch<br />
eine niedrige Geburtenziffer, sondern im Wesentlichen<br />
durch die Ausweitung des Abwanderungsüberschusses,<br />
der sich in den beiden Erfassungszeiträumen von -0,2 %<br />
auf -1,2 % erhöht hat. Verantwortlich dafür ist zum großen<br />
Teil der starke Anstieg der Immobilienpreise, sodass<br />
vor allem finanziell schwache Bevölkerungsschichten der<br />
Hauptstadt gezwungenermaßen den Rücken kehren. Die<br />
Region Ile-de-France ist mit 12 117 132 Einwohnern am<br />
1. Januar 2016 (dies entspricht 19 % der Bevölkerung des<br />
französischen Mutterlandes) zwar nach wie vor die bevölkerungsreichste<br />
und am dichtesten besiedelte Region<br />
Frankreichs, doch das Wachstum betrug im Zeitraum<br />
2011-2015 nur durchschnittlich 0,4 % pro Jahr. Im Vergleich<br />
zu den Wachstumsraten von Städten wie Montpellier<br />
(1,7 %) oder Bordeaux (1,5 %) ist das also kein Grund,<br />
stolz zu sein.<br />
Die Entwicklung, dass die Bevölkerung eines Teils der<br />
35 399 französischen Gemeinden schrumpft, ist nicht neu.<br />
In Frankreich bezeichnet man einen breiten Streifen quer<br />
durch das Land, von den Ardennen bis ins Departement<br />
Lot, der sich schon immer durch eine geringe Bevölkerungsdichte<br />
ausgezeichnet hat, als Diagonale du vide, also<br />
als « Diagonale der Leere ». Mehr als in anderen Regionen<br />
machen sich dort sowohl ein Abwanderungsüberschuss<br />
als auch eine niedrige Geburtenrate bemerkbar, sodass die<br />
Bevölkerungszahl summa summarum zurückgeht. Doch<br />
dieses Phänomen weitet sich aus: Während es 2006-2010<br />
nur 10 Departements waren, deren Einwohnerzahl pro<br />
Jahr um 0,1 % oder mehr zurückging, sind es im jüngsten<br />
Erfassungszeitraum, also 2011-2015, bereits 24 … Auch<br />
auf regionaler Ebene sind die Zahlen bedenklich: Einige<br />
Überseegebiete verzeichnen einen deutlichen Bevölkerungsrückgang<br />
(Martinique -0,8 %, Guadeloupe -0,5 %),<br />
und im Mutterland weist beispielsweise die Region Bourgogne-Franche-Comté<br />
ein durchschnittliches Nullwachstum<br />
auf und ist damit das Schlusslicht des Hexagons.<br />
Wenn man weiß, dass von den Ergebnissen dieser<br />
Volkszählungen zahlreiche Investitionen und Unterstützungszahlungen<br />
des Staates abhängen, kann man<br />
erahnen, dass die jüngsten Zahlen einige Veränderungen<br />
und Umwälzungen nach sich ziehen werden. Eines ist<br />
auf jeden Fall sicher: Das Bild einer starken Hauptstadt<br />
Paris, die das einzige echte demografische (und demzufolge<br />
wirtschaftliche und politische) Zugpferd darstellt, ist<br />
heute vollkommen überholt. Die Resultate der jüngsten<br />
Volkszählung belegen, dass inzwischen Metropolen entstanden<br />
sind, die den « französischen Zug » ebenfalls vorwärtsbringen<br />
können. Folglich wird man auf staatlicher<br />
Seite lernen müssen, mit diesen dynamischen Gebietskörperschaften<br />
zusammenzuarbeiten. In der französischen<br />
Gesellschaft herrscht heute bereits in mehrfacher Hinsicht<br />
das Gefühl einer Spaltung vor. Zahlreiche Stimmen<br />
weisen regelmäßig darauf hin, dass sich die ländlichen<br />
Regionen Frankreichs im Vergleich zu den städtischen<br />
Gebieten wie Stiefkinder behandelt fühlen. Die Zahlen<br />
der jüngsten Volkszählung zeigen nun darüber hinaus<br />
eine demografische Spaltung auf. Wenn der Staat nicht<br />
achtgibt, könnte dies Folgen für die ganze Gesellschaft<br />
des Landes haben. Es scheint so, als sei es dieses wichtige<br />
statistische Tool mehr denn je wert, genau ausgewertet zu<br />
werden!<br />
Wie läuft die Volkszählung in<br />
Frankreich konkret ab?<br />
Jede französische Gemeinde ist verpflichtet, Volkszählungen durch zuführen.<br />
In Gemeinden mit weniger als 10 000 Einwohnern wird alle fünf<br />
Jahre eine Vollerhebung vorgenommen, während in Gemeinden mit mehr<br />
als 10 000 Einwohnern jährlich rund 8 % der Wohnungen im Rahmen einer<br />
Stichprobenerhebung erfasst werden. Über den Er heb ungs zyklus von fünf<br />
Jahren werden also alle Einwohner der Ge mein den, in denen weniger als 10 000<br />
Menschen leben, sowie rund 40 % der Einwohner der übrigen Gemeinden<br />
durch die Zählung erfasst. Jede Ge mein de muss dafür Volkszähler stellen,<br />
die vom Institut national de la statistique et des études économiques (INSEE)<br />
ausgebildet werden. Das Ins ti tut stellt darüber hinaus das Verzeichnis mit den<br />
zu erfassenden Adres sen der betreffenden Gemeinden. Landesweit werden<br />
zu Jahres be ginn für einen Zeitraum von vier bis fünf Wochen rund 24 000<br />
Volkszähler an gestellt. Für deren Bezahlung erhalten die Gemeinden vom Staat<br />
ein bestimmtes Budget, das mit einer Höhe von landesweit rund 19,4 Mil lionen<br />
Euro pro Jahr eine hohe Summe darstellt, jedoch die auf Gemein de niveau<br />
tatsächlich anfallenden Kosten in der Regel nicht deckt.<br />
Die Volkszähler besuchen dann die zu erfassenden Adressen. Sie weisen<br />
sich dabei mit einer vom Bürgermeister unterzeichneten Karte in den<br />
Landesfarben aus, die das Foto und den Namen des jeweiligen Mit ar beit ers<br />
trägt. Ist in der jeweiligen Wohnung ein Internetzugang vorhanden, er halt en<br />
die dort lebenden Personen eine Anleitung mit persönlichen Zu gangs daten,<br />
sodass sie den Fragebogen online ausfüllen können. Ist kein In ter net zugang<br />
vorhanden, gibt der Volkszähler einen sogenannten Wohn ungs frage bogen ab,<br />
mit dem Merkmale und Ausstattung der Wohn ung erfasst werden (z. B. Anzahl<br />
der Zimmer, Wohnfläche, Ausstattung und Sani täranlagen, Art der Heizung,<br />
Vorhandensein von Parkplatz bzw. Garage). Jede im Haushalt lebende Person<br />
erhält darüber hinaus einen individuellen Fragebogen, der beispielsweise<br />
Fragen nach Alter, Geburts ort, Nationalität, Ausbildungsniveau und<br />
Berufstätigkeit enthält. Von diesen Fragebogen stehen zwar Übersetzungen in<br />
zahlreiche Sprachen zur Verfügung (Deutsch, Englisch, Arabisch, Chinesisch,<br />
Portugiesisch, Ru män isch, Türkisch …), beantwortet werden muss jedoch<br />
immer die fran zösische Version. Der Volkszähler vereinbart dann einen Termin,<br />
um die ausgefüllten Formulare abzuholen und hilft bei Bedarf beim Ausfüllen.<br />
Die Mitwirkung an der Volkszählung ist Pflicht. Bei einer Weigerung sieht<br />
das Gesetz eine Strafe vor, wobei diese in der Praxis allerdings noch nie mals<br />
zur Anwendung kam. Rund 96 % der Franzosen füllen den Frage bo gen für<br />
die Volkszählung spontan aus. Die Daten werden ver traulich be han delt und<br />
anonymisiert. Der Volkszähler sowie alle anderen Per sonen, die Zugang zu den<br />
Antworten haben, unterliegen der beruf lichen Schweige pflicht.<br />
74 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
Frankreich im<br />
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und verlängert sich danach automatisch. Es ist nach dem ersten<br />
Jahr jederzeit kündbar.<br />
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Ich möchte das Abonnement zu den oben genannten Preisen verschenken.<br />
Entscheidend ist dabei der Wohnort des Beschenkten.<br />
Ich erhalte eine Auftragsbestätigung und einen Geschenkgutschein,<br />
den ich dem Beschenkten übergeben kann. Das Abonnement<br />
endet nach einem Jahr (4 Ausgaben) automatisch. Das<br />
Abonnement soll erhalten:<br />
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Vorname / Name<br />
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Ich ermächtige die AVZ GmbH, Storkower Straße 127a, 10407<br />
Berlin, Gläubiger-Identifikationsnummer DE39Z0200000080844<br />
wiederkehrende Zahlungen von meinem Konto mittels Lastschrift<br />
einzuziehen. Die Mandatsreferenz wird mir gesondert mitgeteilt.<br />
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schriftlich ohne Angabe von Gründen widerrufen werden.<br />
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 75
FRANKREICH HEUTE Politik<br />
Sind die Regionen das französische Erfolgsrezept?<br />
Hurra! Frankreich liegt erneut an der Spitze der Länder mit den meisten ausländischen<br />
Touristen. An der Weltspitze! Diese Erfolgsmeldung wiederholt<br />
sich Jahr für Jahr. Die Berechnungsmethode für die der Rangliste zugrunde<br />
liegende Statistik kann zwar mit Fug und Recht in Zweifel gezogen werden,<br />
trotzdem sind alle internationalen Akteure im Großen und Ganzen mit dem<br />
Ergebnis einverstanden. Wie aber lässt sich dieser Erfolg erklären? Es steht<br />
außer Frage, dass Frankreich ein attraktives Land ist. Das alleine reicht jedoch<br />
nicht aus. Von den vielen Faktoren, die man in diesem Zusammenhang<br />
hervorheben könnte, scheint einer besonders offensichtlich zu sein:<br />
das direkte politische Handeln, die Interventionen der öffentlichen Hand.<br />
Diese Praxis ist alt und typisch französisch. Und in dieser Beziehung spielen<br />
die Regionen in Frankreich heute eine entscheidende Rolle. Das Beispiel der<br />
Region Bourgogne-Franche-Comté bestätigt dies.<br />
In Sachen Tourismuspolitik schienen in Frankreich –<br />
wie in vielen anderen Bereichen – auf lokaler Ebene<br />
lange Zeit keine verbindlichen Entscheidungen möglich,<br />
ohne das Einverständnis aus Paris einzuholen. Egal ob<br />
es um die Finanzierung eines neuen Museums, um die<br />
Anstellung des Konservators für ebendieses Museum oder<br />
um die Lancierung der entsprechenden Werbekampagne<br />
ging, es war gang und gäbe, dass die Tourismusverantwortlichen<br />
vor Ort dafür die Zustimmung aus der Hauptstadt<br />
abwarten mussten. Der Prozess war lang und eingefahren,<br />
viele Fachleute dieser Branche bezeichneten ihn sogar als<br />
absurd, da er hauptsächlich aus Abwarten bestand: abwarten,<br />
bis der Antrag in Paris ankam, abwarten, bis er geprüft<br />
wurde – je nach Stellenwert durch eine obskure Dienststelle<br />
des Ministeriums oder, bei wichtigen Vorgängen, durch<br />
das Tourismusministerium selbst – und schließlich abwarten,<br />
bis das Ergebnis dann den lokalen Verantwortlichen<br />
mitgeteilt wurde … Es war ein Zeit- und Energieverlust<br />
ohnegleichen, durch den nicht wenige Initiativen zunichtegemacht<br />
wurden.<br />
Doch dann wehte durch Frankreich ein Wind der Dezentralisierung.<br />
Er kam in den 80er-Jahren auf und sollte<br />
nach und nach Kommunen, Departements und Regionen<br />
gegenüber dem Staat autonomer machen. In diesem Sinne<br />
wurde 2003 sogar der erste Artikel der Verfassung geändert,<br />
um die Tatsache zu präzisieren, dass Frankreich eine<br />
Republik ist, deren « Organisation dezentralisiert ist ».<br />
Dezentralisiert! Im zentralen Rechtsdokument des Staates<br />
wurde dieser Begriff offiziell<br />
festgeschrieben! In<br />
der Folge beschleunigten<br />
sich die Dinge: Der Staat<br />
trennte sich von einigen<br />
seiner Befugnisse und<br />
übertrug diese – manchmal<br />
sogar nicht ungern<br />
– an lokale öffentliche Institutionen.<br />
Und vor allem<br />
gestattete er, dass diese<br />
ihre Politik zum großen Teil selbst bestimmten. Nach und<br />
nach gewannen also die lokalen und regionalen Ebenen<br />
etwas an Stellenwert, selbst wenn Frankreich im Vergleich<br />
zu seinen Nachbarn (vor allem Deutschland, aber auch<br />
die Schweiz und Spanien) heute immer noch sehr zentral<br />
gesteuert erscheint.<br />
Was die Tourismuspolitik angeht, so spricht man vor<br />
Ort von der « geteilten Zuständigkeit », da der Tourismus<br />
die verschiedenen Ebenen des Gemeinwesens – also Region,<br />
Departement und Kommune – betrifft. Das französische<br />
Tourismusgesetzbuch Code du Tourismus schreibt<br />
insbesondere der Region die Aufgabe der Tourismusförderung<br />
zu, während dem Departement die touristische<br />
Erschließung obliegt, denn der Artikel L132-1 sieht die<br />
Möglichkeit einer touristischen Raumplanung auf Departementsebene<br />
vor. Die führende Rolle üben heute jedoch<br />
klar die französischen Regionen aus. Diese halten nämlich<br />
endlich alle Karten in der Hand, um über ihr « touristisches<br />
Schicksal » selbst zu entscheiden und das wollen sie<br />
auch nutzen. Das wichtigste Werkzeug ist dabei die Erstellung<br />
eines mehrjährigen regionalen Rahmenplans für<br />
die Entwicklung des Tourismus. Dieser enthält neben den<br />
Zielen, die sich die Region in diesem Bereich setzt, auch<br />
die Strategie, mit deren Hilfe sie diese Ziele erreichen<br />
will, sowie den daraus resultierenden Aktivitätenplan.<br />
Diese Leitlinien sind die Basis der regionalen Tourismuspolitik<br />
und im Rahmen der wirtschaftlichen Dynamik der<br />
Region zu sehen. Um den Ablauf eines solchen Prozesses<br />
76 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
Bis 2020 soll auf einer Fläche von 6,5 Hektar im Zentrum<br />
von Dijon die Cité internationale de la gastronomie et du<br />
vin entstehen. Sie wird Ausstellungsflächen, Geschäfte,<br />
Wohnungen, ein Kino und ein 4-Sterne-Hotel umfassen<br />
und soll kulturellen und touristischen Zwecken dienen.<br />
etwas nachvollziehbarer zu machen, haben wir uns eine<br />
Region, über die wir in Frankreich erleben regelmäßig berichten,<br />
etwas genauer angesehen: die Region Bourgogne-<br />
Franche-Comté.<br />
Im September 2018 stellte diese Region die aktualisierte<br />
Fassung ihres Schéma régional de Développement<br />
du Tourisme et des Loisirs 2017-2022 vor. Die jährliche<br />
Aktualisierung dieses « regionalen Plans für die Entwicklung<br />
des Tourismus- und Freizeitsektors » ist immer ein<br />
wichtiger Moment. Die erste Feststellung: Ein solcher<br />
Plan ist umfangreich, er umfasst nämlich 136 Seiten! Die<br />
zweite Feststellung: Man ist weit von einer eintönigen und<br />
langweiligen Darstellung entfernt, die man von einem<br />
derartigen Dokument erwarten könnte, es liest sich nämlich<br />
durchaus angenehm! Im Bestreben einer maximalen<br />
Transparenz wurde dieser Plan, im Gegensatz zu seinen<br />
Vorgängern, online publiziert, sodass jeder ihn einsehen<br />
kann. Demzufolge muss er natürlich leicht verständlich<br />
sein. Die dritte Feststellung: Aus ihm geht klar hervor,<br />
dass die Region beabsichtigt, die Tourismusförderung<br />
tatkräftig in Angriff zu nehmen und dass sie dafür die<br />
notwendigen Mittel bereitstellt. Dieser starke politische<br />
Wille ist umso interessanter, als dass man beim Studium<br />
des Aktionsplans feststellt, dass der Tourismus in der<br />
Region Bourgogne-Franche-Comté bisher eine weniger<br />
große Rolle spielt als gedacht: Sein Beitrag zur regionalen<br />
Wirtschaft beträgt nämlich zurzeit mit 4,1 Milliarden<br />
Euro « nur » rund 7,7 % des regionalen BIP. Auf nationaler<br />
Ebene entsprechen die touristischen Aktivitäten « nur » einem<br />
Anteil von 2,9 % am touristischen Gesamtkonsum in<br />
Frankreich. Dies ist umso erstaunlicher, da diese Region<br />
schließlich so international bekannte Anziehungspunkte<br />
wie die Basilique de Vézelay, die Hospices de Beaune, die<br />
Citadelle de Besançon, die Abbaye de Cluny und die Saline<br />
Royale d‘Arc-et-Senans besitzt, ganz zu schweigen von<br />
den Climats des Vins de Bourgogne, die bekanntlich auf der<br />
UNESCO-Weltkulturerbe-Liste stehen.<br />
Genau in diesem Punkt spielt die politische Arbeit<br />
vor Ort heute eine zentrale Rolle: Denn obwohl – oder<br />
gerade weil – die aktuellen Zahlen relativ bescheiden sind,<br />
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 77
FRANKREICH HEUTE Politik<br />
Zu den großen architektonischen<br />
Projekten der Region Bourgogne-<br />
Franche-Comté zählen die Cité<br />
des vins in Chablis (diese Seite)<br />
sowie die Cité des vins in Mâcon<br />
(rechte Seite). Beide sollen im<br />
<strong>Frühling</strong> 2021 eröffnet werden.<br />
kann diese Region inzwischen ganz alleine – ohne Paris<br />
– entscheiden, dass der Tourismus eines der wichtigsten<br />
Entwicklungsfelder in den kommenden Jahren sein soll.<br />
Kurz: Sie kann ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen.<br />
Diese « Freiheit », die der französische Staat selbstverständlich<br />
allen Regionen einräumt, erscheint heute fast<br />
wie eine kleine Revolution in den eingefahrenen politischen<br />
Gewohnheiten des Landes, obwohl nicht alle Regionen<br />
gleichermaßen davon Gebrauch machen. Wie es<br />
bereits der Titel der publizierten Tourismusleitlinie verrät,<br />
hat man in Bourgogne-Franche-Comté entschieden, aus<br />
der touristischen Entwicklung eine « neue Ambition » zu<br />
machen. Und dafür wurden sehr ehrgeizige Projekte entwickelt,<br />
die mit hohen Investitionen verbunden sind. Die<br />
gesteckten Ziele für 2021 sind klar: das beliebteste Ziel<br />
Frankreichs im Bereich des Weintourismus werden; ein<br />
wichtiges Reiseziel im kulturellen Bereich werden, indem<br />
man das bestehende Kulturerbe (beispielsweise von der<br />
UNESCO klassifizierte Stätten) besser vermarktet und<br />
neue kulturelle Angebote schafft; und – warum auch nicht<br />
– nach der Île-de-France die meistbesuchte Destination<br />
Frankreichs für chinesische Touristen werden. Echte Herausforderungen<br />
also! Um diese ambitiösen Ziele zu erreichen,<br />
sollen im Zeitraum <strong>2019</strong>-2021 wichtige touristische<br />
Einrichtungen entstehen und umfangreiche Projekte umgesetzt<br />
werden, die den Willen unterstreichen, dass diese<br />
Region in den kommenden Jahren stark auf den Tourismus<br />
setzt.<br />
Eine zentrale Rolle in der nahen Zukunft sollen beispielsweise<br />
die Bereiche Wein und Gastronomie spielen.<br />
Da die Weine aus Burgund bereits ein internationales Renommee<br />
haben, will man, laut Plan, auch in der Lage sein,<br />
die Besucher gebührend zu empfangen. Dafür soll ein Ort<br />
mit einer « hohen Wiedererkennbarkeit », eine « moderne<br />
und nützliche Einrichtung » mit einem « markanten architektonischen<br />
Ausdruck » entstehen: die Cité des vins de<br />
Bourgogne. Sie soll durch ein Netz weiterer Cités des vins in<br />
Beaune, Chablis und Mâcon verbunden und ergänzt werden.<br />
Insgesamt sollen also vier Orte entstehen, an denen<br />
Weinliebhaber aus der ganzen Welt die Vielfalt der Burgunderweine<br />
entdecken können. Der ewige Konkurrent<br />
Bordeaux hat bereits eine Cité du vin, Burgund wird sogar<br />
78 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
mehrere haben! Ein regelrechter Konkurrenzkampf, bei<br />
dem sich die Weine aus Bordeaux warm anziehen müssen<br />
… Gleichzeitig soll die Feinschmeckerstadt Dijon, die<br />
am Ausgangspunkt der Route des Grands Crus liegt, eine<br />
Cité internationale de la gastronomie et du vin erhalten, die<br />
zur Aufwertung der « französischen Küche » beiträgt, die<br />
bekanntlich 2010 von der UNESCO zum immateriellen<br />
Weltkulturerbe erklärt wurde. Und das ist noch nicht<br />
alles. Nach Wein und Gastronomie folgt der Käse: Ein<br />
neues Maison du Comté wurde ebenfalls bereits lanciert. Es<br />
soll in Poligny, der regionalen Hauptstadt des berühmten<br />
Käses, die bestehende Einrichtung ablösen. Auf einer Fläche<br />
von 3000 m² werden Touristen ab Frühjahr 2020 alles<br />
über diesen Käse erfahren.<br />
Diese großen Pläne sagen viel über den Willen der<br />
Region Bourgogne-Franche-Comté aus, im Hinblick auf<br />
ihre Entwicklung voll auf den Tourismus zu setzen. Eine<br />
bewusste Entscheidung, die sie nun ganz allein treffen<br />
konnte. Allerdings wird sie auch die Konsequenzen dieser<br />
Entscheidung allein tragen müssen. Eine regionale Entscheidung<br />
also, die nichtsdestotrotz direkte Auswirkungen<br />
auf den Tourismus im ganzen Land haben und dazu<br />
beitragen wird, dessen Spitzenplatz im internationalen<br />
Vergleich auch in Zukunft zu sichern. Und wenn heute<br />
in anderen Bereichen wichtige Entscheidungen ebenfalls<br />
nicht mehr in Paris, sondern in den Regionen getroffen<br />
würden? Ist der Staat bereit, dies zuzulassen? Eine Frage,<br />
die es auf jeden Fall wert ist, gestellt zu werden …<br />
Interview mit Marie-Guite Dufay,<br />
Präsidentin der Region Bourgogne-Franche-Comté<br />
Madame la Présidente, im Herbst 2014 haben wir Sie bereits<br />
einmal interviewt (Frankreich erleben <strong>Nr</strong>. 52), da Sie damals<br />
als Ausnahme unter den Präsidentinnen und Präsidenten<br />
der französischen Regionen galten: Als der Staatspräsident<br />
nämlich seine Absicht verkündete, bestimmte Regionen zusammenzufassen,<br />
waren die meisten dagegen. Sie und Ihr Kollege,<br />
der Präsident der damaligen Region Bourgogne, standen den<br />
Plänen jedoch sehr positiv gegenüber, und Sie arbeiteten sogar<br />
bereits an dieser Fusion. Seit dem 1. Januar 2016 ist diese nun<br />
umgesetzt, und Sie sind Präsidentin der neuen Region Bourgogne-Franche-Comté.<br />
Wie bewerten Sie den Zusammenschluss<br />
heute, nach drei Jahren, und welches Fazit ziehen Sie daraus?<br />
Die Bilanz ist äußerst positiv. Die Umsetzung war<br />
nicht ganz einfach, doch darauf waren wir gefasst. Zu<br />
Beginn gab es zahlreiche Kritiken. Alle waren zunächst<br />
Frankreich erleben · · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> <strong>2019</strong> · 79 · 79
FRANKREICH HEUTE Politik<br />
bestrebt, die Dinge rein unter dem administrativen Blickwinkel<br />
zu betrachten, als ob die Fusion lediglich eine<br />
rationellere Organisation sowie Einsparungen zum Ziel<br />
gehabt hätte. Natürlich musste man Einsparungen erzielen,<br />
aber ich würde sagen, das war immer so! Das war absolut<br />
nichts Neues, und das Wichtigste lag woanders. Was<br />
wirklich zählte, war die wirtschaftliche Entwicklung.<br />
Wir waren an einem Punkt<br />
angelangt, an dem wir uns<br />
weiterentwickeln mussten:<br />
Die historisch gewachsenen<br />
Regionen waren zu klein für<br />
unsere Ambitionen geworden.<br />
Um beispielsweise mehr<br />
Geld von der EU zu erhalten,<br />
musste man ein stärkeres Gewicht<br />
haben. Und genau das<br />
haben wir erreicht. Glauben<br />
Sie mir, ich lasse mich nicht<br />
davon abbringen, dass alle<br />
wirtschaftlichen Akteure auf<br />
ihre Kosten kommen – vor<br />
allem im wichtigen Bereich<br />
des Tourismus.<br />
Gerade unter dem touristischen<br />
Aspekt lag es aber nicht auf der<br />
Hand, Burgund und Franche-<br />
Comté zusammenzufassen …<br />
Das ist klar. Auf der einen<br />
Seite haben wir einen Tourismus,<br />
der sehr in Richtung<br />
Gastronomie, Tischkultur<br />
und natürlich den Wein aus<br />
Burgund – der Begriff als<br />
solcher gilt auf internationaler Ebene schon fast als richtige<br />
« Marke » – ausgerichtet ist, und auf der anderen Seite<br />
einen Tourismus, der als « derber » gilt, dessen Fokus auf<br />
Natur und Naturschutz, Bergen, Seen und Flüssen liegt.<br />
Man könnte also sagen: zwei sehr unterschiedliche Welten.<br />
Aber genau da lag die große Chance des Zusammenschlusses,<br />
denn diese Welten sind komplementär.<br />
Wie sehen Sie heute diese Unterschiede?<br />
Auch wenn ich es oft schmunzelnd sage, dass wir<br />
nun in unserer großen Region alles außer einem Meer<br />
haben, ich meine es wirklich so! Sie werden sicher zugeben,<br />
dass es daher nur allzu legitim ist, dies in alle Welt<br />
hinaustragen zu wollen … Aus der Komplementarität<br />
dieser Unterschiede ist heute ein nicht von der Hand zu<br />
weisender touristischer Trumpf entstanden, nämlich ein<br />
authentischer Tourismus. In Bourgogne-Franche-Comté<br />
ist man von Glanz und Glitter weit entfernt. Die Landschaften<br />
sind nicht einen Großteil des Jahres verödet, wie<br />
dies manchmal im Süden der Fall ist. Im Gegenteil, sie<br />
sind mit Leben erfüllt. Die Touristen spüren das sofort.<br />
Die Fusion der beiden Regionen hat demnach der neu entstandenen<br />
Region die Fähigkeit verliehen, im französischen<br />
Tourismus mit « den Großen » mithalten zu können?<br />
Genau so ist es. Gemeinsam<br />
wurden wir uns unserer<br />
Stärken bewusst, die wir seitdem<br />
ausbauen. Es wurde entschieden,<br />
den Tourismus zu<br />
einem wichtigen Motor für<br />
die wirtschaftliche Entwicklung<br />
zu machen. Dafür sollen<br />
während meines Präsidentschaftsmandats<br />
(2016-2022)<br />
laut Plan 100 Millionen<br />
Euro investiert werden. Wir<br />
wissen, dass wir uns besser<br />
positionieren müssen, vor allem<br />
der Bereich Unterkünfte<br />
muss aufgewertet werden. Im<br />
Übrigen werden bedeutende<br />
Infrastrukturen entstehen:<br />
die Cité des vins de Bourgogne,<br />
ein Netz an Cités des vins in<br />
Beaune, Chablis und Mâcon,<br />
die Cité internationale<br />
de la gastronomie et du vin in<br />
Dijon, das Maison du Comté<br />
in Poligny … Die kommenden<br />
Jahre werden für einige<br />
Überraschungen sorgen!<br />
Was die zukünftige Cité des<br />
vins de Bourgogne angeht, warum der Plural gegenüber der<br />
Cité du vin in Bordeaux? Soll man darin eine Abgrenzung<br />
sehen?<br />
Ich glaube, dass der Wein naturgemäß unterschiedlich<br />
ist, sodass sich automatisch eine Differenzierung ergibt.<br />
Die Climats machen das Terroir der Reben in Burgund<br />
einzigartig, sie sind seine Eigenart. Daher bringt dieses<br />
Terroir Weine hervor, die sich sehr voneinander unterscheiden,<br />
mehr als in Bordeaux. Diese Eigenart wollen<br />
wir hervorheben. Zudem gibt es hier in Burgund noch<br />
richtige Weinbauern: Die meisten Weinbaubetriebe haben<br />
eine überschaubare Größe, es gibt viele kleine Winzer.<br />
Im Bordelais ist dies weniger der Fall. Daher ist für uns<br />
auch die Nähe zwischen dem Menschen und den Reben<br />
wichtig. Ein zentraler Punkt der Cité des vins de Bourgogne<br />
wird es sein, die zutiefst menschliche Seite des Weins<br />
hervorzuheben.<br />
Madame la Présidente, wir danken Ihnen für das Gespräch.<br />
80 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
ART DE VIVRE Produkte<br />
Serie: Typisch französische Produkte (20)<br />
Das Gemüsepassiergerät<br />
Moulinex<br />
87 Jahre und noch immer ein nützlicher Helfer!<br />
Bereits seit 87 Jahren wird dieses Gemüsepassiergerät<br />
aus Edelstahl namens Moulinex<br />
erfolgreich verkauft und ist in Frankreich in<br />
den meisten Haushaltswarengeschäften und<br />
Handelsketten erhältlich.<br />
1931 erfand der Pariser Handwerker Jean Mantelet<br />
diese einfache Vorrichtung, angeblich weil er<br />
der Klümpchen in den Pürees seiner Gattin<br />
überdrüssig war. Um hier Abhilfe zu schaffen, entwickelte<br />
er eine kurbelbetriebene Gemüsepresse mit einem<br />
Sieb und einem Schaber aus Metall, mit der man jedes<br />
x-beliebige gekochte Gemüse passieren kann. Das Ergebnis:<br />
ein feines Püree, das garantiert keine Klümpchen<br />
mehr enthält.<br />
Zunächst verkaufte Jean Mantelet das Gerät ausschließlich<br />
auf Märkten und Ausstellungen.<br />
Angesichts des Erfolges bewarb er sich damit dann<br />
für die Foire de Paris, eine bedeutende zehntägige Verkaufsmesse<br />
in der Hauptstadt. Er wurde nicht nur zugelassen,<br />
sondern wurde für seine Gemüsepresse sogar<br />
mit einem Preis des prestigeträchtigen Concours Lépine<br />
bedacht, der jedes Jahr nützliche und vielversprechende<br />
Erfindung auszeichnet.<br />
Das Passiergerät wurde als revolutionär eingestuft<br />
und man riss sich förmlich darum. Es ging daher<br />
schnell in Serie, und der Erfolg war überwältigend:<br />
Zwischen 1933 und 1935 wurden zwei Millionen Exemplare<br />
verkauft!<br />
1937 verlegte Jean Mantelet seine Fabrik nach Alençon<br />
(Normandie) und erweiterte sein Sortiment, wenngleich<br />
er dem Prinzip der « Mühle » treu blieb: Mouli-Sel<br />
(Salzmühle), Mouli-Poivre (Pfeffermühle), Mouli-Persil<br />
(Petersilienmühle) verließen unter anderem die Bänder<br />
des Unternehmens. 1957 nahm das Unternehmen den<br />
Namen Moulinex an, eine Kontraktion der Begriffe<br />
« Moulin » und « express ». In den 60er-Jahren begann<br />
das Unternehmen damit, kleine Elektrogeräte zu entwickeln<br />
und kreierte einen Slogan, der in der Folge in<br />
Frankreich berühmt wurde: Moulinex libère la femme<br />
(Moulinex befreit die Frau).<br />
Seit dieser Zeit hat das Unternehmen Moulinex<br />
eine bewegte Zeit hinter sich, in deren Verlauf die Mitarbeiterzahl<br />
von 10 000 auf 2 000 sank und die Zahl<br />
der Produktionsstätten von 12 auf 3 reduziert wurde.<br />
Inzwischen wurde Moulinex vom französischen Konzern<br />
SEB übernommen, der insgesamt 30 Marken in<br />
seinem Markenportfolio hält, darunter Krups, Rowenta,<br />
Lagostina, Tefal und WMF. Die Gemüsepresse<br />
Moulinex wird nach wie vor verkauft und kostet heute<br />
in Frankreich rund 20 Euro.<br />
War Jean Mantelet aber wirklich der Erfinder der<br />
Gemüsepresse Moulinex? Offenbar reichte 1928 bereits<br />
ein Belgier namens Victor Simon das Patent für ein Gerät<br />
namens Passoire d’action rapide pour légumes et autres<br />
comestibles ein. In Deutschland entwickelte Charlotte<br />
Giebel in den 30er-Jahren ein ähnliches Küchengerät,<br />
das in der Umgangssprache schnell als Flotte Lotte<br />
bekannt wurde. Seit 1950 wird die Flotte Lotte vom<br />
Unternehmen GEFU produziert, dass sich auch die<br />
Markenrechte an diesem Namen schützen ließ. Wer<br />
auch immer dieses Gemüsepassiergerät erfunden hat:<br />
Knapp 90 Jahre später ist es diesseits und jenseits der<br />
Grenze immer noch ein wertvolles Hilfsmittel.<br />
In dieser Serie werden Produkte vorgestellt, die sich in fast jedem<br />
französischen Haushalt befinden oder die für viele Franzosen kleine<br />
Nationalheiligtümer sind. In den letzten Ausgaben sind erschienen:<br />
Hollywood- und Malabar-Kaugummis (<strong>Nr</strong>. 51), Petit Suisse (<strong>Nr</strong>. 52), Orangina<br />
(<strong>Nr</strong>. 53), Duralex-Gläser (<strong>Nr</strong>. 54), Messer (<strong>Nr</strong>. 55), l’école des loisirs (<strong>Nr</strong>. 56),<br />
Sophie la girafe (<strong>Nr</strong>. 57), Eau de Javel (<strong>Nr</strong>. 58), Bol à prénom (<strong>Nr</strong>. 59), Bistrostuhl<br />
« Drucker » (<strong>Nr</strong>. 60), der gelbe Briefkasten der Post (<strong>Nr</strong>. 61), Papier d’Arménie<br />
(<strong>Nr</strong>. 62), Salz La Baleine (<strong>Nr</strong>. 63), Literatursammlung La Pléiade (<strong>Nr</strong>. 64),<br />
Zitronenpresse aus Glas von Luminarc (<strong>Nr</strong>. 65), Boules Quies (<strong>Nr</strong>. 66), Ricard<br />
aux plantes fraîches (<strong>Nr</strong>. 67), Eau de Châteldon (<strong>Nr</strong>. 68) und Le Livre de Poche<br />
(<strong>Nr</strong>. 69).<br />
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 81
Auf der Suche nach Spiritualität<br />
Von einer Abtei zur anderen, treten Sie in die Fußstapfen der Pilger und Weltreisenden von einst. Abgesehen<br />
vom religiösen Aspekt sind diese Orte aufgrund ihrer Architektur, ihrer Geschichte, ihrer Seele<br />
ideal, um eine echte Pause zu machen. Eine Verbindung zu sich selbst wiederzufinden, zu seinen Gefühlen,<br />
seinem wahren Ich, seinen Wünschen und auch seinen Angehörigen.<br />
Für einige Augenblicke oder einige Tage öffnen auch Sie die Pforten dieser so einzigartigen Stätten.<br />
Unsere Route führt uns zum Jakobs- und Franziskusweg.<br />
Vor den Pforten des regionalen Naturparks des<br />
Morvan, Vézelay. Der Ewige Hügel und die Basilika<br />
Sainte-Marie-Madeleine (UNESCO-Stätte) sind eine<br />
Hochburg der Spiritualität der christlichen Welt. Seit 1993<br />
leben die Gemeinschaften von Jerusalem hier. Ordensleute<br />
öffnen uns die Tore der berühmten Basilika für einen privilegierten<br />
Besuch. Hier kann man eine besinnliche Auszeit nehmen<br />
und das Klosterleben entdecken. Neben diesem Sakralbau<br />
ist Vézelay eine Stadt mit sprühendem Charme, eines der<br />
„Schönsten Dörfer Frankreichs“. Ein Ort der Inspiration für<br />
die damaligen Erbauer, Schriftsteller und Künstler. Und für<br />
uns, hier und jetzt …<br />
Noch weiter nördlich, an der Grenze zu Île-de-France,<br />
kreuzt in Sens ein bemerkenswerter Bau unseren spirituellen<br />
Weg: die Kathedrale Saint-Etienne. 1164 geweiht, ist<br />
sie die erste gotische Kathedrale Frankreichs, wo sich zum<br />
ersten Mal ein Kreuzrippengewölbe gen Himmel erhebt.<br />
Im 12. Jh. ein revolutionäres Konzept. Das Querschiff wird<br />
später fertiggestellt (1490-1515). Mit seiner Fensterrose (11 m<br />
Durchmesser) gilt es als Meisterwerk des gotischen Flamboyantstils.<br />
Ein von Architekturgeschichte, aber auch von<br />
der Geschichte selbst geprägter Ort: Hier heiratete Ludwig<br />
IX., genannt der Heilige, am 27. Mai 1234 Margarete von<br />
der Provence. Ein Kirchenfenster illustriert die Ankunft von<br />
Thomas Becket, Erzbischof von Canterbury, der im 12. Jh.<br />
nach Sens flüchtete, um dem Zorn König Heinrichs II. zu<br />
entgehen. Abgesehen von seiner geschichtlichen Bedeutung<br />
ist dieser majestätische Ort mit seinem Licht einfach ergreifend.<br />
Yonne ist eindeutig ein spirituelles Land. Die 1128 durch<br />
den Abt Etienne de Toucy, Mönch aus Clairvaux, gegründete<br />
Abtei Reigny in Vermenton befindet sich in einzigartiger<br />
Lage am Ufer des Cure-Flusses, auf den Ländereien der<br />
Grafen von Auxerre und Nevers. Die im Mittelalter blühende<br />
Abtei zählte bis zu 300 Mönche. Der Hundertjährige<br />
82 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
ADVERTORIAL<br />
Krieg, die Religionskriege und die Französische Revolution<br />
haben das Bauwerk stark gezeichnet. Dennoch haben einige<br />
stattliche Überreste die Zeit überdauert, darunter das<br />
zisterziensische Refektorium aus dem 14. Jahrhundert. Ein<br />
elegantes Schiff mit Doppeltraveen und der Vielfarbigkeit jener<br />
Zeit. Außerdem noch vorhanden sind der Schlafsaal, die<br />
Wohnräume und der Speisesaal, im 18. Jh. von den Mönchen<br />
umgestaltet und sehr schön eingerichtet, sowie ein auffälliger<br />
Taubenschlag aus dem 17. Jh. Dieser denkmalgeschützte Bau<br />
bietet heute Unterkünfte und Empfangsräume. Eine zeitlose<br />
Erfahrung in einer prachtvollen gotischen Kulisse.<br />
Wir sind in der Saône-et-Loire; auch in die Mauern dieser<br />
Klosterstadt mit der ruhmreichen Vergangenheit haucht<br />
unser brodelndes 21. Jh. seinen Geist ein: Cluny. Die Abtei<br />
von Cluny wird 910 von Wilhelm von Aquitanien gegründet.<br />
Mehrere Äbte, Odo, Odilo, Hugo von Cluny, leiteten<br />
sie und verliehen dem Ort fast 200 Jahre lang eine wahre<br />
Stabilität und damit eine große Macht über die Christenwelt.<br />
Aber Jahrhunderte und Konflikte nagten schließlich an<br />
dem Bauwerk, das während der Revolution als Nationalgut<br />
an einen Baumaterialhändler verkauft wurde. Nur ein Teil<br />
eines Querschiffes mit Glockenturm und einige Kapitelle<br />
sind erhalten. Heute beherbergt die Stätte die Ecole Nationale<br />
Supérieure des Art et Métiers und das Nationalgestüt.<br />
Ein grandios gebliebener Ort, der in sich die Seele und Geschichte<br />
von 9 Jahrhunderten Klosterlebens birgt. Außerhalb<br />
der religiösen Gebäude erlaubt uns Cluny mit romanischen<br />
und gotischen Häusern, 2 Kirchen, einem Hôtel-Dieu und<br />
dem Tour des Fromages noch einen Blick ins Mittelalter.<br />
Eine faszinierende Reise.<br />
Wir bleiben im Departement Saône-et-Loire, genauer<br />
gesagt in einem weiteren Zentrum der Christenheit: Autun.<br />
Von der ersten Kirche aus dem 5. Jahrhundert ist nur<br />
eine Kapelle geblieben. Etienne I. de Baugé, Bischof von<br />
Autun, beschließt später den Bau einer Kathedrale, die dem<br />
heiligen Lazarus geweiht werden soll. Die Abteikirche von<br />
Paray-le-Monial stand Pate für die zwischen 1120 und 1130<br />
erbaute Kathedrale mit einem Spitzgewölbe. Der durch einen<br />
Blitzschlag zerstörte romanische Kirchturm wird 1469<br />
durch einen Vierungsturm mit steinerner Turmspitze ersetzt<br />
und weist schöne Skulpturen auf. Besonders auffällig sind<br />
die von Meister Gislebertus geschaffenen Skulpturen am<br />
Westportal. Die Kirchenfenster (1868) zeigen Szenen aus<br />
dem Leben des heiligen Leodegar. Ein weiteres Highlight<br />
sind die von Dominique Ingres geschaffenen Gemälde, die<br />
unter anderem das Martyrium von Symphorianus (1864)<br />
darstellen. Die umfangreichen Bauarbeiten können die Besichtigung<br />
der Kathedrale im Jahr 2018 behindern.<br />
Weitere Infos unter: kulturerbe.bourgognefranchecomte.com<br />
Linke Seite: Hôtel-Dieu de Tonnerre.<br />
Unten: Cathédrale Saint-Etienne de Sens.<br />
Links: die Abtei von Cluny.<br />
Mitte unten: Abbaye de Reigny.<br />
Unten rechts: Basilika von Vézelay.<br />
Fotos: Alain Doire - Bourgogne-<br />
Franche-Comté Tourisme
ART DE VIVRE Gastronomie<br />
84 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
Champignons<br />
Jacky Roulleau, der Gärtner der Nacht<br />
Die schönsten Überraschungen sind nicht immer die augenfälligsten.<br />
In der Region Pays de la Loire gibt es bekanntlich<br />
unter der Erde viele Hohlräume, da man dort früher Steine für<br />
die zahlreichen Schlösser abbaute, sodass kilometerlange<br />
Gänge entstanden sind. Rund 20 Kilometer südwestlich von<br />
Saumur befindet sich in einem dieser Gänge einer der letzten<br />
Orte Frankreichs – vielleicht sogar ganz Europas – an dem man<br />
noch auf althergebrachte und authentische Art die berühmten<br />
Champignons de Paris züchtet. Ein Besuch dort bietet die seltene<br />
Gelegenheit, den wahren Geschmack dieser feinen Pilze<br />
zu entdecken und vor allem Jacky Roulleau kennenzulernen,<br />
einen poetischen « Gärtner der Nacht ».<br />
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 85
ART DE VIVRE Gastronomie<br />
Wir läuten. Das Klingeln der<br />
Glocke hallt irgendwo in<br />
der Ferne wider. Nichts<br />
passiert. 10 Sekunden, 20 Sekunden,<br />
30 Sekunden. Wir sagen uns, dass<br />
man die Glocke vielleicht überhört<br />
hat. Also läuten wir erneut. Eher vorsichtig.<br />
Auch diesmal ertönt das<br />
Klingeln in der Ferne. Wieder verstreicht<br />
die Zeit, ohne dass etwas<br />
passiert. Eine Minute vergeht. Eine<br />
Minute kann lang sein, wenn man<br />
wartet … Wir wollen gerade ein drittes<br />
Mal läuten, als Schritte zu hören<br />
sind. In der Ferne taucht ein Licht<br />
auf, das durch die Galerie auf uns<br />
zukommt. Endlich sehen wir einen<br />
Mann, der mit seiner Stirnlampe<br />
über der blauen Kappe fast wie ein<br />
Minenarbeiter aussieht. « Ja, ja, ich<br />
komme schon …», sagt er mit einem<br />
breiten Lächeln. « Das ist das Problem<br />
eines Champignonzüchters, er<br />
ist unter der Erde, nicht oben …»<br />
Das ist also Jacky Roulleau, der<br />
« Gärtner der Nacht ».<br />
Es ist schön, Menschen wie<br />
Jacky zu treffen. Großzügig, begeistert,<br />
authentisch und humorvoll.<br />
Eine ganz unglaubliche Persönlichkeit.<br />
Stellen Sie sich vor, dass seine<br />
Familie seit drei Generationen – sein<br />
Sohn Julien arbeitet ebenfalls bereits<br />
mit – hier, einige Kilometer von<br />
Saumur entfernt, einen großen Teil<br />
ihrer Zeit unter der Erde verbringt.<br />
Jahreszeiten? Davon bekommen<br />
sie nicht viel mit. « Hier herrschen<br />
immer dieselben Temperaturen;<br />
Tag und Nacht, im Sommer wie<br />
im Winter hat es zwischen 14 und<br />
15 Grad », erklärt er. Bevor er lachend<br />
hinzufügt: « Sie müssen doch<br />
zugeben, dass dies ziemlich gut<br />
konserviert, nicht wahr? » Etwas<br />
zum Überziehen ist also wirklich<br />
nicht schlecht. Und wenn man in<br />
der wärmeren Jahreszeit wieder aus<br />
der Galerie ans Tageslicht kommt,<br />
fühlt man sich fast wie in tropischen<br />
Gefilden.<br />
Jacky und sein Sohn verbringen<br />
so viel Zeit unter der Erde, weil sie<br />
dort Pilze züchten, vor allem Champignons,<br />
Champignons de Paris, wie<br />
sie in Frankreich heißen. Die Geschichte<br />
begann 1950, denn damals<br />
wurden die unterirdischen Gänge in<br />
eine Champignonzuchtanlage umgewandelt.<br />
Die Zeit, die seither vergangen<br />
ist, ist belanglos angesichts<br />
der langen Geschichte dieses Pilzes,<br />
der einst zum Ruf der französischen<br />
Hauptstadt beitrug, obwohl er heute<br />
mit Paris überhaupt nichts mehr zu<br />
tun hat. Jacky ist ein perfekter Führer<br />
und beginnt auch gleich, uns aufzuklären:<br />
« Die Galerie ist zwar lang,<br />
insgesamt 120 Kilometer, ich werde<br />
Sie aber trotzdem nicht bis nach Paris<br />
mitnehmen, um Champignons zu<br />
ernten. Denn selbst auf dem direk-<br />
Jacky Roulleau erntet seine Champignons täglich. Der Raum wurde für das Foto beleuchtet, im Normalfall arbeitet Jacky ausschließlich im Licht seiner Stirnlampe.<br />
86 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
testen Weg müsste der Gang dann<br />
rund 300 Kilometer lang sein … Vor<br />
allem aber würde es nichts bringen,<br />
denn die Champignons de Paris werden<br />
schon lange nicht mehr in Paris<br />
produziert. » Jacky erklärt, dass die<br />
Geschichte des Champignons Anfang<br />
des 19. Jahrhunderts begann.<br />
Zu dieser Zeit baute man in Paris<br />
unter der Erde Steine ab, um mit<br />
ihnen über der Erde Gebäude zu<br />
errichten. Es entstanden zahlreiche<br />
Gänge, vor allem im Gebiet der heutigen<br />
14. und 15. Arrondissements:<br />
die berühmten Carrières de Grenelle.<br />
Angesichts der riesigen unterirdischen<br />
Galerien und Hohlräume kam<br />
man auf die sinnvolle Idee, diese für<br />
die Zucht von Champignons zu nutzen,<br />
die als Nahrung für die Menschen<br />
der Hauptstadt dienten. Einige<br />
Jahrzehnte später hatten sich bereits<br />
mehr als 100 Champignonzüchter in<br />
der Hauptstadt niedergelassen und<br />
die typischen weißen Pilze wurden<br />
logischerweise Champignons de Paris<br />
getauft.<br />
Das Geschäft lief und ernährte<br />
zahlreiche Familien. 1895 beschloss<br />
man dann allerdings, diese unterirdischen<br />
Pariser Gänge einem<br />
anderen Zweck zuzuführen und für<br />
ein revolutionäres Transportmittel<br />
zu nutzen: die Metro. Die Champignonzüchter<br />
wurden aufgefordert,<br />
diese Orte zu verlassen: Die Zeit,<br />
in der man in Paris Champignons de<br />
Paris züchtete, war vorbei. Bei der<br />
Suche nach Alternativen wurden die<br />
Produzenten aber schnell fündig: In<br />
der Gegend von Saumur gab es mehr<br />
als 1200 Kilometer Stollen unter der<br />
Erde, aus denen man die Steine für<br />
die berühmten Schlösser abgebaut<br />
hatte. Zweifellos ein idealer Ort!<br />
So kam es, dass quasi von heute auf<br />
morgen alle Champignonzüchter ihren<br />
Betrieb von Paris in die Region<br />
Pays de la Loire verlagerten.<br />
« Das brachte das Leben in unserem<br />
kleinen Ort ziemlich durcheinander<br />
», bemerkt Jacky. « Bevor man<br />
überhaupt Zeit gehabt hatte, genauer<br />
darüber nachzudenken, war der Ort<br />
schon die Nummer eins in Frankreichs<br />
Champignonzucht … Bis zu<br />
600 Menschen arbeiteten hier. » In<br />
Jackys Blick erkennt man einen Anflug<br />
von Nostalgie. Denn heute gibt<br />
es in ganz Frankreich nur rund 15<br />
Produzenten, die noch unterirdisch<br />
Champignons züchten, und darüber<br />
hinaus rund 40, die sie in klimatisierten<br />
Räumen über der Erde produzieren.<br />
Und vor allem wird, wie<br />
Jacky mit einem Seufzer bemerkt,<br />
« von drei Kilo Champignons, die<br />
in Frankreich konsumiert werden,<br />
nur ein einziges Kilo im Land selbst<br />
produziert. Der Rest wird importiert.<br />
» Liegt das an einer schlechten<br />
Organisation des Berufsstandes? In<br />
einem Land, das lokale Produkte oft<br />
mit Klauen und Zähnen und mithilfe<br />
von Appellations contrôlées und<br />
Appellations protégées verteidigt, ist<br />
es erstaunlich, dass der Champignon<br />
de Paris keinen solchen Schutz genießt.<br />
Doch davon abgesehen ist vor<br />
allem eine Art von Sozialdumping,<br />
das sich auf europäischer Ebene<br />
entwickelt hat, für die Situation verantwortlich:<br />
« Die meisten Champignons<br />
kommen jetzt aus Polen.<br />
Von unseren polnischen Freunden.<br />
Ich sage bewusst Freunde », erläutert<br />
Jacky, « denn ich glaube, auch für sie<br />
ist es nicht einfach … Wissen Sie,<br />
sie kommen oft zu mir, um mich um<br />
Rat zu fragen. Wir diskutieren miteinander,<br />
man schätzt sich gegenseitig<br />
… Manche jedenfalls. »<br />
Im Verlaufe des Gesprächs wird<br />
schnell klar, dass dieses « manche »<br />
sehr vielsagend ist. Man muss wissen,<br />
dass es bei der Champignonzucht<br />
alles Mögliche und Unmögliche<br />
gibt. Gutes und Schlechtes.<br />
Was in Konsumentenkreisen nicht<br />
zwangsläufig bekannt ist. Wir erfahren<br />
von Jacky, dass ein guter Champignon<br />
de Paris vor allem ein Pilz ist,<br />
der in Harmonie mit seiner Umgebung<br />
lebt. In diesen Galerien braucht<br />
man keine Ventilatoren, Sprühgeräte,<br />
Luftbefeuchter oder Düngemittel.<br />
Hier kontrolliert alles die Natur.<br />
« Man darf sich nichts vormachen »,<br />
sagt Jacky, « der überwiegende Teil<br />
aller Champignons wird heute überirdisch,<br />
auf industrielle Art und in<br />
klimatisierten Räumen gezüchtet.<br />
In groben Zügen: Die Pilze werden<br />
durch einen Roboter bewässert.<br />
Eine Sonde reagiert dann auf die<br />
Feuchtigkeit und löst Ventilatoren<br />
und Wärmegeräte aus. Eine andere<br />
Sonde erinnert den Roboter einige<br />
Stunden später daran, dass er wieder<br />
bewässern muss. Und so weiter …<br />
Auf diese Weise erhalten Sie zwar<br />
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 87
ART DE VIVRE Gastronomie<br />
Informationen<br />
Eine Besichtigung der Champignonzucht<br />
von Jacky und Julien Roulleau mit<br />
Erläuterungen in französischer oder<br />
englischer Sprache ist vom 4. März bis<br />
29. September <strong>2019</strong> täglich von 10 bis 12<br />
Uhr und von 14 bis 18 Uhr möglich (Dauer<br />
ca. 1 Stunde). Informationsmaterial in<br />
deutscher Sprache ist ebenfalls verfügbar.<br />
Selbstverständlich kann man vor Ort<br />
ultrafrische Champignons kaufen.<br />
La cave vivante du champignon<br />
Jacky und Julien Roulleau,<br />
1, rue du Château Sanziers<br />
49260 Le-Puy-Notre-Dame<br />
Telefon: +33 (0)2 41 40 36 47<br />
www.lechampignon.com<br />
einen Champignon, der schneller<br />
wächst (sieben bis neun Tage anstatt<br />
zehn bis zwölf), der aber nur<br />
Wasser enthält. Er fühlt sich weich<br />
an, ist praktisch geruchlos und hat<br />
nahezu null Geschmack. Es sind die<br />
Champignons, die in Plastikschalen<br />
abgepackt sind und die man meist in<br />
Supermärkten findet »<br />
Über unsere Frage, wie sich<br />
ein guter Champignon von einem<br />
schlechten unterscheidet, freut sich<br />
Jacky, da sie ihm zeigt, dass wir uns<br />
für seine Arbeit interessieren. Für<br />
ihn ist es ganz einfach: Man muss<br />
nur an dem frischen Pilz riechen.<br />
Ein guter Champignon de Paris hat<br />
einen charakteristischen Geruch,<br />
den man bemerkt, ohne dass man<br />
ihn direkt vor der Nase hat. Er<br />
muss sich fest anfühlen, darf nicht<br />
dunkel oder fleckig, sondern muss<br />
weiß sein, und er darf nicht geöffnet<br />
sein, das heißt, sein Hut muss am<br />
Stiel noch ganz geschlossen sein.<br />
Und Jacky weist vor allem auf einen<br />
wichtigen Punkt hin: « Auf jeden<br />
Fall merken Sie den Unterschied<br />
beim Garen: Industriell gezüchtete<br />
Champignons enthalten so viel<br />
Wasser, dass sie beim Garen vollkommen<br />
zusammenfallen. Alles<br />
verdampft, am Ende ist fast nichts<br />
mehr da. Klar sind diese Champignons<br />
vielleicht günstiger. Aber was<br />
bleibt nach der Zubereitung noch<br />
zum Essen übrig? Es ist interessant,<br />
sich diese Frage einmal zu stellen. »<br />
Jacky und sein Sohn haben in den<br />
Gängen ein kleines Museum eingerichtet,<br />
das sehr aufschlussreich ist.<br />
Es erzählt von der Geschichte dieser<br />
Räume, die bis 1938 als Wohnräume<br />
dienten. Fünf Jahrhunderte lang<br />
lebten hier Bauern in einem Raum<br />
rund um einen Kamin zusammen<br />
mit ihren Tieren. Pferdeställe,<br />
Tränken, Futtertröge: Alles ist noch<br />
vorhanden und wurde im Laufe der<br />
Jahre durch landwirtschaftliche<br />
Geräte ergänzt, die nach und nach<br />
aufgestöbert wurden. Vor allem<br />
aber erfährt man im Museum mehr<br />
über die verschiedenen Etappen der<br />
Champignonzucht, bevor man dann<br />
tiefer in die unterirdischen Stollen<br />
eindringt und die riesigen erhöhten<br />
Wannen entdeckt. Jacky erntet einen<br />
Champignon nach dem anderen und<br />
legt alle sorgfältig in eine Schale.<br />
Er arbeitet gewissenhaft, nur im<br />
Licht seiner Stirnlampe. Wir fragen<br />
Jacky, an was er bei seiner Arbeit<br />
denkt. « Entschuldigen Sie, ich<br />
konzentriere mich auf das Ernten »,<br />
sagt er, da er die Augen nicht von<br />
den Champignons abwendet. « Ich<br />
weiß nicht genau, an was ich denke.<br />
Ich ernte so, als sei es für mich.<br />
Ich wähle die Champignons aus,<br />
die mir gefallen, die ich gerne essen<br />
würde. Dann sage ich mir oft, dass<br />
ich Glück habe. Dort oben herrscht<br />
meist Unruhe, hier unten herrscht<br />
dagegen eine gedämpfte, behagliche<br />
Atmosphäre. Um mich herum gibt<br />
es keine Aggressivität. Der einzige<br />
Nachteil für mich ist die Dunkelheit.<br />
Das stimmt schon. Aber daran<br />
gewöhnt man sich schnell … »<br />
Wir sehen Jacky zu, wie er die<br />
Champignons erntet, und wir sagen<br />
uns, dass er recht hat. Hier ist alles<br />
so ruhig. Man hat fast den Eindruck,<br />
in eine andere Zeit versetzt zu<br />
sein. Die Geräusche sind gedämpft,<br />
Handyempfang gibt es keinen. Man<br />
fühlt sich wohl, ganz einfach wohl.<br />
Jacky fordert uns auf, uns einen<br />
Champignon auszusuchen, irgendeinen.<br />
Er sieht lecker, weiß und sauber<br />
aus. Wir schneiden den Stiel ab und<br />
kosten ihn. Er ist fest, fast knackig,<br />
wohlriechend und schmeckt aromatisch.<br />
Man hat den Eindruck, neue<br />
Aromen zu entdecken, als würde<br />
man zum ersten Mal einen Champignon<br />
de Paris kosten. Jacky freut sich<br />
sichtbar darüber, dass uns der Pilz<br />
schmeckt. Wir freuen uns dagegen,<br />
dass dieses Geschmackserlebnis,<br />
dank ihm, seinem Sohn und einigen<br />
wenigen anderen so authentisch<br />
arbeitenden Züchtern heute noch<br />
möglich ist. Wir nehmen uns vor,<br />
Jacky von nun an regelmäßig einen<br />
Besuch abzustatten und vor allem in<br />
Zukunft beim Kauf von Champignons<br />
ganz genau auf die Qualität zu<br />
achten!<br />
88 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 89
ART DE VIVRE Chantals Rezept<br />
Nachdem ich den Artikel über Champignons gelesen<br />
und dabei erfahren habe, auf welche außerordentliche<br />
Art und mit wie viel Liebe Jacky Roulleau seine Champignons<br />
züchtet, kam mir der Gedanke, Ihnen dieses<br />
Rezept vorzustellen, das ich zudem gerne im Frühjahr<br />
zubereite. Mit einem kleinen Blattsalat ist diese Pastete<br />
ein ideales Mittagessen, das man im Idealfall draußen<br />
in der <strong>Frühling</strong>ssonne einnimmt. Aber egal ob als Hauptgericht oder<br />
als Vorspeise: Die Tourte ist einfach zuzubereiten und bringt den feinen<br />
Geschmack frischer Champignons optimal zur Geltung. Bon appétit!<br />
Tourte printanière<br />
aux champignons de Paris<br />
Für 4-5 Personen • Zubereitung: ca. 20 Minuten • Backzeit: ca. 30 Minuten<br />
90 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
Zutaten:<br />
2 runde Blätterteige<br />
450 g sehr frische und feste<br />
Champignons<br />
4 Scheiben gekochter Schinken<br />
150 g Comté (alternativ Gruyère,<br />
dieser ist jedoch etwas weniger<br />
geschmacksintensiv)<br />
1 Eigelb<br />
30 g Butter<br />
2 Schalotten<br />
2 Knoblauchzehen<br />
1 Bund frische Petersilie<br />
Muskatnuss<br />
Salz und Pfeffer<br />
Zubereitung:<br />
•<br />
Ofen auf 210° C<br />
(Umluft) vorheizen.<br />
• Champignons mit klarem Wasser<br />
abspülen, um alle Reste von Erde<br />
zu entfernen. Gegebenenfalls den<br />
Stiel unten abschneiden (vor allem<br />
bei sehr großen Exemplaren).<br />
• Champignons und Schalotten<br />
hacken.<br />
• Butter in einer Pfanne bei mäßiger<br />
Temperatur schmelzen lassen.<br />
Champignons und Schalotten<br />
8 Minuten darin andünsten,<br />
dabei regelmäßig umrühren.<br />
• Knoblauchzehen schälen, Petersilie<br />
unter fließendem Wasser abspülen.<br />
Knoblauch und Petersilie ebenfalls<br />
hacken und beides zu den Champignons<br />
geben und mit Salz, Pfeffer<br />
und Muskatnuss abschmecken.<br />
• Blätterteig ausrollen und gegebenenfalls<br />
auf die Größe der Springform<br />
zuschneiden. Springform mit<br />
Backpapier auskleiden und eine<br />
Teigplatte hineinlegen. Den Teig<br />
mit einer Gabel in regelmäßigem<br />
Abstand einstechen. Einen Teil<br />
der Champignons auf den Teig<br />
geben (ca. 1,5 - 2 cm hoch).<br />
• Schinken und Comté in Streifen<br />
schneiden. Die Streifen auf<br />
die erste Lage Champignons<br />
legen und mit den restlichen<br />
Champignons bedecken.<br />
• Die zweite Teigplatte darauflegen<br />
und die Ränder der beiden Teigplatten<br />
zusammendrücken. Teig in der<br />
Mitte etwas einschneiden und einen<br />
kleinen « Kamin » aus Backpapier<br />
hineinstecken, damit während des<br />
Backens der Dampf entweichen<br />
kann. Oberfläche mit Eigelb<br />
einpinseln, damit die Pastete beim<br />
Backen eine goldgelbe Farbe erhält.<br />
• Im heißen Ofen ungefähr<br />
30 Minuten backen.<br />
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 91
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Traumstraßen – Frankreichs spektakulärste Traumstraßen 48<br />
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1 Paris <strong>Nr</strong>.<br />
Coup de cœur – Die Straßenbuchhändler an den Seine-Quais 65<br />
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Saint-Germain-des-Prés: Mehr als ein Viertel, die Seele 60<br />
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Musée d‘Histoire de la Médecine – ein ungewöhnliches 57<br />
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Pariser Rathaus – Ein Palast für die Hauptstädter 53<br />
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Serie: Restaurants und Brasserien der französischen 31<br />
Hauptstadt (6): Designrestaurants<br />
Serie: Restaurants und Brasserien der französischen 26<br />
Hauptstadt (1) – Die Restaurants der Stars<br />
Canal Saint-Martin – Das Geheimnis rosafarbener Schuhe 26<br />
Gastronomie – Eine Riesin im Bistro, das Germain in Saint- 25<br />
Germain-des-Près<br />
Stadtentwicklung – Seine Métropole: Reicht Paris bald bis 25<br />
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Hauptstadt der Liebe – Ist Paris noch sexy? 25<br />
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Arbeiter» zum bewohnten Museum<br />
Baie de Somme – Eine beeindruckende Reise (Teil 2): 63<br />
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Elsass – Kaysersberg,eines der Lieblingsdörfer der Franzosen 69<br />
Vogesen – Eine Fotoausstellung unter freiem Himmel im 68<br />
Herzen der Vogesen<br />
Grand-Est – Mondial Air Ballons, der poetische Aufstieg von 65<br />
456 Heißluftballons<br />
Grand-Est – Graufthal,das Elsass zur Zeit der Streichhölzer 64<br />
Kirrwiller – 520 Einwohner und die drittgrößte Music Hall 62<br />
Frankreichs<br />
Weihnachtskugeln aus Meisenthal – nicht nur Kugeln, 61<br />
sondern Objekte voller Sinn<br />
Château de Lunéville – Wie Phoenix aus der Asche 52<br />
Abbaye de Murbach – Es steht ein Kloster im Walde 47<br />
Musée Lalique – Eine Hommage an die Glasmacherkunst 43<br />
Genuss – Die AOC des Elsass 42<br />
10 Ideen… für ein Wochenende im Elsass 41<br />
Haut-Koenigsbourg – Ein wahrhaft deutsch-französisches 40<br />
Kulturerbe<br />
Bitche – Das zweite Leben einer Zitadelle 38<br />
Grand Ballon – Eine Wanderung auf die Spitze der Vogesen 37<br />
Neufchef & Aumetz – Das stolze Erbe der lothringischen 36<br />
Kumpel<br />
Epinal – Stadt der Parks und Museen 25<br />
Hotels<br />
Le Chambard – Kaysersberg<br />
Grand Hôtel & Spa Gérardmer – Gérardmer 68<br />
La Cheneaudière – Colroy-la-Roche 61<br />
La Clairière Bio- & Spa-Hotel – La Petite-Pierre 38<br />
5 Burgund & Jura <strong>Nr</strong>.<br />
Jura – Weihnachten im Jura: vom Rosenkranz zum<br />
69<br />
Spielzeugland<br />
Haute-Saône – Notre-Dame-du-Haut in Ronchamp: 69<br />
eine Rechenaufgabe für Le Corbusier<br />
Ostfrankreich – Vorreiter bei der Abschaffung der Sklaverei 68<br />
Jura – Salins-les-Bains: Salz, das weiße Gold prägt eine 67<br />
ganze Region<br />
Saône-et-Loire – Tournus, ein Zwischenstopp für Neugierige 66<br />
auf dem Weg in den Süden<br />
Côte d’Or – Vill’Art, das zweite Leben eines Steinbruchs 66<br />
Belfort – Die wiederentdeckte Genialität eines Künstlers 64<br />
Bourgogne-Franche-Comté – Alésia, Auf den Spuren der 63<br />
Gallier<br />
Route des Grands Crus – Die Champs-Elysées von Burgund 61<br />
Montbéliard – 30 Jahre Lumières de Noël 61<br />
Dijon – Mehr als nur Senf 53<br />
Genuss – Die AOC der Franche-Comté 47<br />
Genuss – Die AOC Burgunds 48<br />
Maison de Louis Pasteur – Ein Dorf im Fokus der<br />
43<br />
Wissenschaft<br />
Hospices de Beaune – Ein Krankenhaus mit Weinbergen 41<br />
Lac de Pannecière – Spaziergang durch die Ruinen eines 41<br />
untergegangenen Dorfes<br />
Montbéliard – Die Farben einer Stadt 41<br />
Peugeot-Museum – Mehr als ein Automobilmuseum 39<br />
Wein – Saint-Véran aus Burgund 35<br />
Belfort – Charaktervolle Kleinstadt mit bewegter Geschichte 26<br />
6 Loire-Tal <strong>Nr</strong>.<br />
Loire-Tal – Eine faszinierende Reise ins Land der Troglodyten 68<br />
Mayenne – Mit dem Hausboot auf der Mayenne 66<br />
Chédigny – ein Dorf wird zum Garten 65<br />
La grange de Meslay: Von der Holzkathedrale zum<br />
60<br />
Musiktempel<br />
Tours – Frischer Wind im Loiretal 59<br />
Chambord – Mehr als nur ein beeindruckendes Schloss 58<br />
Cheverny – Das Schloss von Tim und Struppi 43<br />
Ballonfahrt übers Loire-Tal – Bitte zeichne mir ein Schloss 38<br />
Blois – Ein Schloss der Geheimnisse und Intrigen 36<br />
Le Mans – Unerwartet anders 33<br />
Angers – Einfach l(i)ebenswert 30<br />
Hotels<br />
Troglododo – Azay-le-Rideau 31<br />
7 Normandie <strong>Nr</strong>.<br />
Le Havre – 500 Jahre, das will gefeiert werden ! 62<br />
Cherbourg – Dem Meer zugewandt 53<br />
Oscar Niemeyer – Mit Frankreich auf Du und Du 48<br />
Mont-Saint-Michel – Der Wunsch, eine Insel zu werden 48<br />
Genuss – Die AOC der Normandie 39<br />
10 Ideen… für die Normandie 37<br />
Mémorial Caen – Ein Museum für den Frieden 31<br />
Etretat – Kreidefelsen, Möwen, Belle-Epoque 26<br />
Landungsküste – Eine Reise zur Küste der Landung der 25<br />
Alliierten<br />
Hotels<br />
Domaine de la Corniche – Rolleboise 36<br />
8 Bretagne <strong>Nr</strong>.<br />
Finistère – Locronan, die bretonische Seele par excellence 66<br />
Côtes d’Armor – La Vallée des Saints, die bretonische 63<br />
Osterinsel<br />
Brest und Roscoff – Mehr als nur zwei Gärten 62<br />
Bretagne – Umfriedete Pfarrbezirke 61<br />
Ile d’Ouessant – Eine Insel voller Leben 58<br />
Montagnes Noires – Wo die Bretagne in die Höhe wächst 54<br />
Ploumanac’h – Die Magie der bretonischen Nordküste 48<br />
Vitré, Fougères, Combourg, Château des Rochers-Sévigné 47<br />
– Mittelalterliche Festungen und literarische Vermächtnisse<br />
Brest – Die unterschätzte Hafenstadt am Ende der Welt 41<br />
Genuss – Die AOC der Bretagne 40<br />
Abbaye de Daoulas – Kloster der Kultur und der Heilpflanzen 39<br />
Pointe du Raz – Das Ende der Welt 31<br />
Hotels<br />
Château de Sable – Porspoder 58<br />
Castel Beau Site – Ploumanac’h 48<br />
9 Atlantikküste <strong>Nr</strong>.<br />
Atlantiküste – Ein Paradies für Naturismus 67<br />
Nouvelle-Aquitaine – Coup de cœur: Parc de Majolan 66<br />
Nouvelle-Aquitaine – Die Metamorphose von Bordeaux, 64<br />
Eine Zwischenbilanz<br />
Coup de cœur – Die Eiche im Taubenschlag von Pouzay 63<br />
Bordeaux 60<br />
Wein – Jurade de Saint-Emilion 47<br />
Bordeaux – Bordeaux 2.0 46<br />
Ile d’Oléron, Ile de Ré, Ile Madame, Ile d’Aix, Fort Boyard 46<br />
– Reif für die Insel(n)<br />
Wein – Ein asiatischer Winzer im Bordelais 46<br />
Cognac – Von betrunkenen Spinnen und verdächtig<br />
42<br />
schwarzen Fassaden<br />
Radfernweg – Velodyssey, immer am Atlantik entlang 41<br />
Klöster – Abteien, die sogar Kinder begeistern 40<br />
Marais Poitevin – Die grünen Kanäle des Marais Poitevin 38<br />
Likör – Angélique de Niort, Likor aus einer Heilpflanze 38<br />
Wein – Château Bardins 37<br />
Futuroscope – Zukunftspark mit rosiger Zukunft 37<br />
Gironde – Wie Vauban eine Flussmündung abriegelte 36<br />
Saint-Emilion – Ein Besuch mit Freunden 26<br />
Hotels<br />
Hôtel de Sèze – Bordeaux 64<br />
Hôtel Napoléon – Ile d’Aix 46<br />
Logis Saint-Martin – Saint-Maixent-l’Ecole 37
10 Auvergne & Limousin <strong>Nr</strong>.<br />
Corrèze – Das Gefühl, in der Inkastadt Machu Micchu zu sein 68<br />
Nouvelle-Aquitaine – Les Pans de Travassac, eine<br />
63<br />
Spektakuläre Reise in das Land des Schiefers<br />
Genuss – Die AOC des Limousin 48<br />
Clermont-Ferrand – Aufbruch aus schwieriger Position 47<br />
Genuss – Die AOC der Auvergne 38<br />
Viaduc de Garabit – Der horizontale Eiffelturm im<br />
37<br />
Zentralmassiv<br />
Puy de Dôme – Die ewigen Reize erloschener Vulkane 26<br />
Volvic – Ein Ort erinnert sich an Monsieur Jean 25<br />
Hotels<br />
Domaine Saint Estève – Millau 53<br />
11 Périgord & Midi-Pyrénées <strong>Nr</strong>.<br />
Vallée de la Dordogne: Wo man « wie Gott in Frankreich 60<br />
lebt »<br />
Rodez – In der Heimat von Pierre Soulages 54<br />
Genuss – Die AOC von Midi-Pyrénées 50<br />
Tradition – Toulouse im Zeichen des Veilchens 47<br />
Airbus-Fabrik – Zu Besuch bei Airbus in Toulouse 46<br />
Gouffre de Padirac – Der Erdmitte ein Stückchen<br />
44<br />
näherkommen<br />
Pastell – Das blaue Gold 43<br />
Bastiden – Die neuen Städte des Mittelalters 42<br />
Genuss – Diskrete Früchtchen, Backpflaumen aus Agen 33<br />
Im Katharerland – Ein Wanderweg zwischen Mittelmeer und 30<br />
den Pyrenäen<br />
Hotels<br />
Chateau de la Treyne – Lacave, Vallée de la Dordogne 60<br />
Grand Hôtel Le Turenne – Beaulieu-sur-Dordogne 47<br />
Le Grand Balcon – Toulouse 42<br />
12 Pyrenäen <strong>Nr</strong>.<br />
Le Train Jaune – Ein Zug als Wahrzeichen 45<br />
13 Languedoc-Roussillon <strong>Nr</strong>.<br />
Aude – Die große Höhle von Cabrespine, ein unterirdisches 65<br />
Abenteuer<br />
Occitanie – Assignan,Das unglaubliche Schicksal eines 64<br />
französischen Dorfes<br />
Sigean: das Reservat der glücklichen Tiere 60<br />
Languedoc-Roussillon – Überraschende Mittelmeerregion 59<br />
Carcassonne – Imponierende Festungsstadt des Mittelalters 57<br />
Côte Vermeille – Paulilles, wenn die Hölle zum Paradies 57<br />
wird<br />
La Grande-Motte – Retrochic am Mittelmeer 50<br />
Sète – Authentisch und definitiv südländisch 48<br />
Saint-Guilhem-le-Désert – Wenn ein Krieger zum<br />
47<br />
Klosterbruder wird<br />
Stadtentwicklung – Montpellier, ein Synonym für Dynamik 47<br />
Pont du Gard – Altes Aquädukt erfrischend jung 41<br />
Céret & Collioure – Zwei Dörfer im Fokus der Kunst 37<br />
Wein – AOC Fitou, Qualitätsgarant aus dem Süden 33<br />
14 Rhône-Tal <strong>Nr</strong>.<br />
Lyon – Rendezvous in der Rue du Premier-Film 64<br />
Drôme – Wandern auf den Spuren der Hugenotten 62<br />
Lyon – Die Metamorphose eines Arbeiterviertels in ein 61<br />
Freilichtmuseum<br />
Lyon – Eine Stadt gewinnt ihre Flussufer zurück 59<br />
Lyon-Confluence – 24 Stunden im Neubauviertel 48<br />
Montélimar & Umgebung – Eine Reise zwischen gestern 46<br />
und morgen<br />
Tradition – Guignol, kleine Helden aus Lyon 43<br />
Drôme-Tal – Ein Geheimtipp zwischen Provence und Alpen 42<br />
Wein – Clairette de Die 42<br />
Genuss – Die AOC von Rhône-Alpes 41<br />
Grignan – Im Land der schönen Briefe: eine Reise nach 40<br />
Grignan<br />
Wein – Lirac, das « mediterranste » Weinanbaugebiet im 40<br />
Rhône-Tal<br />
Jardin Zen d’Erik Borja – Auf der Suche nach dem<br />
39<br />
verlorenen Garten<br />
Gastronomie – Michel Chabran, der Luxus der Simplizität 39<br />
Genuss – L’O Provençale: Olivenöl aus Nyons 36<br />
Palais Idéal du Facteur Cheval – Die Kraft eines Traumes 33<br />
Hotels<br />
Manoir de la Roseraie – Grignan 40<br />
15 Alpen <strong>Nr</strong>.<br />
Chambéry – Die alte Hauptstadt Savoyens 50<br />
Montblanc – Alpine Winterfreuden 31<br />
Val d’Isère – Internationale Skistation auf 1.850 Metern Höhe 30<br />
Montgenèvre – Wo Frankreich Skilaufen lernte 25<br />
Hotels<br />
Petit Hôtel Confidentiel – Chambéry 50<br />
16 Provence <strong>Nr</strong>.<br />
Camargue – Tanzende Flamingos in der Camargue 69<br />
Provence – Lavendel: eine überraschende deutschfranzösische<br />
67<br />
Geschichte.<br />
Provence – Mit Giono auf dem Berg der Schäfer 67<br />
Alpes-de-Haute-Provence – Salagon, ein einzigartiger Ort, 66<br />
um die Hochprovence zu verstehen<br />
Fontaine-de-Vaucluse – Die berühmteste Quelle Frankreichs 58<br />
Arles – Römische Pracht und prachtvolle Kunstvorlage 53<br />
Umwelt – Lavendel der Provence in Gefahr 46<br />
Orange – Eine Stadt spielt Theater 42<br />
10 Ideen… für die Provence 39<br />
Saint-Rémy-de-Provence – Die provenzalische Idylle von 33<br />
Saint-Rémy<br />
Avignon – Ein Tag in der Stadt der Päpste 31<br />
Mont Ventoux – Ein Berg und sein Mythos 26<br />
Luberon – Eine Spritztour durch die einsamen Hügel der 25<br />
Provence<br />
Hotels<br />
B Design & Spa – Le Paradou 39<br />
Attrap’Rêves – Allauch 33<br />
La Coquillade – Gargas 25<br />
17 Côte d’Azur <strong>Nr</strong>.<br />
Provence-Alpes-Côte-d’Azur – Géoparc de Haute-Provence, 65<br />
eine erstaunliche Reise in die Vergangenheit der Erde<br />
Hyères – eine authentische Ecke am Mittelmeer 63<br />
Antibes – Die Überraschung an der französischen Riviera 54<br />
Monaco – Internationales Zirkusfestival von Monte Carlo 53<br />
Gonfaron – Ein Eldorado für Schildkröten 50<br />
Monaco – Die unglaubliche Saga eines kleines Fürstentums 47<br />
Bormes-les-Mimosas – Wo Blumen wie Königinnen verehrt 39<br />
werden<br />
Ile de Port-Cros – Kleine Trauminsel im Mittelmeer 38<br />
Domaine du Rayol – Die Geschichte eines ungewöhnlichen 36<br />
Parks<br />
Nizza – <strong>Frühling</strong>sgefühle einer Diva 32<br />
Hotels<br />
La Bonne Etape – Château-Arnoux-Saint-Auban 65<br />
Clarion Grand Hôtel Aston – Nizza 41<br />
Château de la Messardière – Saint-Tropez 35<br />
18 Korsika <strong>Nr</strong>.<br />
Genuss – Die AOC Korsikas 43<br />
Überseegebiete (DOM/TOM)<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
Französisch-Guayana – Natur, Geschichte, Raumfahrt 37<br />
Martinique – Entdeckungen in einer Postkartenidylle 31<br />
Ti’Punch & Planteur – Der Charme der Antillen in zwei 31<br />
Cocktails<br />
Hotels<br />
Cap Est Lagoon Resort & Spa – Martinique 30<br />
Weitere Themen<br />
Chantals Rezepte<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
Appetitanreger<br />
Gratin de légumes du jardin 47<br />
Filets de harengs pommes à l’huile 25<br />
Suppen<br />
Soupe à l’oignon gratinée 48<br />
Gaspacho de tomates et fraises 46<br />
Gaspacho de tomate 40<br />
Velouté de laitue 38<br />
Salate<br />
Spinatsalat mit harten Eiern und knusprigen Hähnchenflügeln 66<br />
Quiches & Tartes<br />
Tarte d’automne aux champignons et à la farine de<br />
60<br />
châtaignes<br />
Tarte aux rillettes 37<br />
Quiche Lorraine 33<br />
Gratins, Aufläufe & Toasts<br />
Camembert rôti au four 57<br />
Croque Monsieur & Croque Madame 54<br />
Parmentier de canard 31<br />
Fleischgerichte<br />
Poulet fermier basse température à l’ail 62<br />
Rôti de porc aux pruneaux 59<br />
Coq au vin 43<br />
Epaule d’agneau rôtie au four 26<br />
Fischgerichte<br />
Encornets à la Sétoise 69<br />
Blanquette de saumon 65<br />
Millefeuille de crabe au saumon fumé 63<br />
Sole meunière 61<br />
Fondues und Saucen<br />
Die echte hausgemachte Mayonnaise 68<br />
Desserts<br />
Le Far Breton 64<br />
Profiteroles au chocolat chaud 58<br />
Poires safranées et ses tuiles à l’orange 42<br />
Crème brûlée à la fleur d’oranger 39<br />
Gebäck<br />
La Tarte Bourdaloue 67<br />
Les petits sablés de Noël 53<br />
Le Paris-Brest 50<br />
Cannelés 41<br />
Getränke<br />
Liqueur d’estragon 36<br />
Weine & Alkoholika<br />
Spirituosen – Roderich Dühr, ein Deutscher, der Cognac im 65<br />
Blut hat<br />
Wein/Portrait – Glucklich wie Sabine und Jörg in Frankreich 64<br />
Wein – Crémant, ein kleiner Schaumwein mausert sich 63<br />
Wein – Der elsässische Winzer Jean-Paul Schmitt ist seinen 61<br />
Reben näher denn je<br />
Alkoholische Getränke – Frankreich, das neue Eldorado für 60<br />
Bierliebhaber<br />
Wein – Der neue Trend beim Aperitif à la française 59<br />
Wein – Warum wird Wein nicht grundsätzlich im Holzfass 58<br />
gelagert?<br />
Champagner – Was Sie schon immer über Champagner 57<br />
wissen wollten<br />
Produktpiraterie – Wenn Weinflaschen gefälscht sind 54<br />
Weltkulturerbe – Frankreichs Winzer greifen zum Welterbetitel:<br />
53<br />
Les coteaux, maisons et caves de Champagne (Teil 2)<br />
Châteauneuf-du-Pape – Ein Wein mit päpstlicher Aura 50<br />
Weinfarbe – Eine kleine Weinfarbenkunde 48<br />
Jurade de Saint-Emilion – Mehr als Folklore: eine Tradition, 47<br />
die lebt!<br />
Peter Kwok – Ein asiatischer Winzer im Bordelais 46<br />
Picon – « Un Picon-Bière, s’il vous plaît » 43<br />
Cognac – Von betrunkenen Spinnen und verdächtig<br />
42<br />
schwarzen Fassaden<br />
Clairette de Die – Der Schaumwein für glückliche Menschen 42<br />
Lagerung – Tipps zum Aufbewahren von Wein 41<br />
Bier – Schattendasein oder Geheimtipp? 40<br />
Lirac – Das « mediterranste » Weinanbaugebiet im Rhône-Tal 40<br />
Wein & Gesundheit – Vive le vin! Vive la santé! 39<br />
Angélique de Niort – Likor aus einer Heilpflanze 38<br />
Château Bardins – Ein kleines Familien-Weingut in Pessac- 37<br />
Léognan<br />
Cognac – Eine ungewöhnliche Erfolgsgeschichte 36<br />
AOC Fitou – Qualitätsgarant aus dem Süden 33<br />
Ti’Punch & Planteur – Der Charme der Antillen in zwei 31<br />
Cocktails<br />
Loire – Biologisch-dynamischer Weinanbau an der Loire 26<br />
Cornas – Der Wein der terre brulée 25<br />
Genuss<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
Genuss – Bouchot-Muscheln: der Rolls-Royce unter den 69<br />
französischen Muscheln<br />
Gastronomie – Das beste aller Baguettes 66<br />
Gastronomie – Kaviar von der französischen Atlantikküste, 65<br />
der neue Star<br />
Gilles Choukroun – Ein Sternekoch, der die Pariser an den 62<br />
Flughafen zieht<br />
Gastronomie – Wenn ein junger Koch einen Michelin-Stern 61<br />
erhält<br />
Spitzengastronomie – Fabian Feldmann, ein deutscher 53<br />
Sternekoch im Land der Feinschmecker<br />
Produkte – Orangina 53<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC von Midi-Pyrénées 50<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC Aquitaniens 49<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC des Limousin 48<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC der Franche-Comté 47<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC Burgunds 46<br />
Trüffel – Schwarze Diamanten 44<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC Korsikas 43<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC des Elsass 42<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC von Rhône-Alpes 41<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC der Bretagne 40<br />
Gastronomie – Michel Chabran, der Luxus der Simplizität 39<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC der Normandie 39<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC der Auvergne 38<br />
Rillettes – Einfach, deftig, köstlich 37<br />
L’O Provençale – Olivenöl aus Nyons 36<br />
Backpflaumen aus Agen – Diskrete Früchtchen 33<br />
Ti’Punch & Planteur – Der Charme der Antillen in zwei 31<br />
Cocktails<br />
Piment d’Espelette – Edelchili aus dem Baskenland 25<br />
Politik & Wirtschaft<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
Wirtschaft – Frankreich-Deutschland: der Krieg der<br />
69<br />
Gummibärchen ist erklärt!<br />
Initiative – Die deutsch-französische Freundschaft: welch 65<br />
eine Energie!<br />
Politik – Präsidentschaftswahlen 2017, Präsidiale Orte 63<br />
Wirtschaft – Atomkraft in Frankreich: der Niedergang eines 59<br />
Systems, das sich zu sicher fühlte<br />
Regionen – Auf der Suche nach neuen Namen 54<br />
Kindergeld – Ist eine Reform überhaupt möglich? 53<br />
<strong>Nr</strong>.
Pestizide – Marie-Lys Bibeyran, eine Frau kämpft gegen 53<br />
Pestizide<br />
Landesstruktur – Reform der Regionen und Departements 50<br />
Verkehrspolitik – Die Wiederentdeckung der Langsamkeit 47<br />
Monnaie de Paris – Pessac, hinter den Kulissen der Euro- 47<br />
Münzprägung<br />
Hochschulpolitik – Teaching in English? Oh mon Dieu! 46<br />
Umwelt – Lavendel der Provence in Gefahr 46<br />
Gregor Gysi – Der Linken-Politiker und Frankreich 43<br />
Machtverhältnisse – Alles nach links 41<br />
Medien – Die politische Ausrichtung französischer Medien 40<br />
Tourismus – Hauptsache außergewöhnlich 40<br />
Volksabstimmungen – Modethema im Wahlkampf 39<br />
Fünf Jahre Sarkozy – Zeit für eine Bilanz 38<br />
François Hollande – Der neue Präsident? 37<br />
Umweltschutz – Kettensägenmassaker am Welterbe Canal 36<br />
du Midi<br />
Bistrosterben – Naht das Ende des Bistros? 33<br />
Reiseziele der Politiker – Plages de gauche, plages de 28<br />
droite, Urlaub in politischen Farben<br />
Gesellschaft & Alltag<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
Gesellschaft – Der unglaubliche Streit im das Erbe von 69<br />
Saint-Exupéry<br />
Interview – Serie «Quand on aime la France» (2)<br />
69<br />
René Martin, der französische Steve Jobs der Musik<br />
Interview – Serie «Quand on aime la France»<br />
68<br />
Roger Diederen, Direktor der Kunsthalle München<br />
Ernährung – Vorsicht vor triploiden Austern! 67<br />
Gesellschaft – Le Mondial la Marseillaise à pétanque, der 63<br />
größte Boule-Wettkampf der Welt<br />
Geschichte – Tromelin, Die Insel der vergessenen Sklaven 63<br />
Yacine Aït Kaci – Der Vater von Elyx, des Botschafters der 62<br />
guten Laune<br />
David Ken – Der Fotograf, der das Glück fotografiert 62<br />
Verkehr – Paris: das Tauziehen um die Umwandlung des 61<br />
Seine-Ufers in eine Fußgängerzone geht weiter<br />
Geschichte: Die Johnnies, die Lieblingsfranzosen der 60<br />
Engländer<br />
Frauen und Männer, die sich für die deutsch-französische 60<br />
Freundschaft einsetzen: Barbara Barberon-Zimmermann,<br />
Mitbegründerin des deutsch-französischen Kulturfestivals<br />
arabesques<br />
Brexit: Wie denken Briten, die in Frankreich leben, darüber? 60<br />
Fußball – Euro 2016: 10 Stadien warten auf die Fussballfans 59<br />
Integration – die Schwächen des französischen Systems 58<br />
Erfolgsgeschichten aus Frankreich –<br />
58<br />
Denis Mollat, der Buchhändler 2.0<br />
Geschichte – 300. Todestag von Ludwig XIV. in Versailles: 57<br />
Begräbnisrituale leben länger als Könige<br />
Gesellschaft – Hinter den Kulissen des CROSS Corsen. 57<br />
Erinnerungskultur – Passen Gedenken und Tourismus 52<br />
zusammen?<br />
Fußball – Annike Krahn, eine deutsche Fußballerin in Paris 50<br />
Fußball-EM 2016 – Frankreich im Stadienbaurausch 48<br />
EU-Hauptstadtjahre: 2013 – Nantes und Marseille werden 43<br />
europäische Hauptstädte<br />
Winterschlussverkauf – Der andere Wintersport 43<br />
Michel Chevalet – Der Mann, der den Franzosen die 42<br />
Wissenschaft erklärt<br />
Kriminalität – Angst über der Stadt 42<br />
Bürgerbewegung – Libérez les menhirs 42<br />
Jean Viard – Der Mann, der Frankreich beobachtet 41<br />
Simone Hérault – Die Stimme Frankreichs 40<br />
Berühmtheiten – Die 100 bekanntesten Franzosen 39<br />
Frankreichbild – Frankreichs Image in der Welt 39<br />
Académie Française – Die Unsterblichen, die 40 Wächter der 39<br />
französischen Sprache<br />
Der Präfekt – Lebendes Symbol des Zentralismus 38<br />
Lido – Carien, Startänzerin im Lido 37<br />
Tourismus – Trends für den Winterurlaub 2011/12 36<br />
Gardienne – Félisa, Gardienne in Paris 36<br />
Ehrenlegion – Geht es noch um Verdienste? 33<br />
Mona Ozouf – Bretonin, Französin und Europäerin 31<br />
Winterspiele 2018 – Annecy träumt von Olympia 26<br />
Humor – Die Komiker mit dem großen G: Humor à la 26<br />
française<br />
Kunst & Kultur<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
Kultur – Amüsante Geschichten rund um die französische 68<br />
Nationalhymne «La Marseillaise»<br />
Kultur – Festival de Piano de La Roque d’Anthéron 67<br />
Geschichte – Der Neandertaler: Unser Urahn erhält ein neues 67<br />
Image<br />
Portrait – Auf den Spuren von Jacques Prévert 64<br />
Sprache – Aussprache, Kartografie eines Systems à la 64<br />
française<br />
Kultur – 1977-2017: Centre Pompidou, 40 Jahre und immer 61<br />
noch überraschend<br />
Musik: Das unglaubliche Vermächtnis von Maurice Ravel 60<br />
Neue Museen – Museumseröffnungen wie am Fließband 54<br />
Künstlerdörfer – 10 Künstlerdörfer zum Verlieben 54<br />
Musée Soulages Rodez – In der Heimat von Pierre Soulages 54<br />
Louvre – Wie Mona Lisa & Co. den Krieg überlebten 50<br />
Musée Matisse – Kunstgenuss auf dem platten Land 47<br />
Götz Alsmann – Götz Alsmann in Paris 46<br />
Museen – Frankreichs Museen auf der Überholspur 45<br />
ST-ART – Eine Kunstmesse zwischen den Welten 38<br />
Céret & Collioure – Zwei Dörfer im Fokus der Kunst 37<br />
Französisches Historisches Museum – Ein Projekt schlägt 31<br />
hohe Wellen<br />
Eine Übersicht aller jemals erschienenen<br />
Themen, also auch der ausverkauften<br />
Ausgaben, finden Sie im Internet:<br />
www.frankreicherleben.de<br />
Pariser Philharmonie – Wenn Politik von der Realität 31<br />
eingeholt wird<br />
Fotostudio Harcourt – Un certain regard 26<br />
Museen – Neue Zeitalter für Frankreichs Museen 25<br />
Lebensart<br />
Produkte – Le Livre de Poche: eine kulturelle Revolution 69<br />
Produkte – Châteldon: der Champagner unter den<br />
68<br />
französischen Mineralwässern<br />
Produkte – Revolution in Sachen Aperitif! 67<br />
Produkte – Les boules Quies 66<br />
Produkte – Die Zitronenpresse aus Glas von Luminarc 65<br />
Produkte – La Pléiade 64<br />
Produkte – Das Salz La Baleine 63<br />
Produkte – Das Papier d’Arménie 62<br />
Produkte – Der gelbe Briefkasten der Post 61<br />
Produkte – Der Bistrostuhl « Drucker »: zeitlos und pariserisch 60<br />
Produkte – Bol à prénom 59<br />
Produkte – Eau de Javel 58<br />
Produkte – Sophie la girafe 57<br />
Spiele – Ein Puzzle als Unikat 54<br />
Produkte – Duralex-Gläser 53<br />
Tradition – Toulouse im Zeichen des Veilchens 47<br />
Guignol – Kleine Helden aus Lyon 43<br />
Le Bon Marché – Eine Pariser Institution feiert ihren 160. 41<br />
Geburtstag<br />
Bunte Töpfe – Keramik aus Vallauris 28<br />
Eine Riesin im Bistro – Das Bistro Germain in Paris 25<br />
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<strong>Nr</strong>. 22<br />
<strong>Nr</strong>. 25<br />
<strong>Nr</strong>. 26<br />
<strong>Nr</strong>. 30<br />
<strong>Nr</strong>. 31<br />
<strong>Nr</strong>. 32<br />
<strong>Nr</strong>. 36<br />
<strong>Nr</strong>. 37<br />
<strong>Nr</strong>. 38<br />
<strong>Nr</strong>. 39<br />
<strong>Nr</strong>. 40<br />
<strong>Nr</strong>. 41<br />
<strong>Nr</strong>. 42<br />
<strong>Nr</strong>. 43<br />
<strong>Nr</strong>. 46<br />
<strong>Nr</strong>. 47<br />
<strong>Nr</strong>. 48<br />
<strong>Nr</strong>. 50<br />
<strong>Nr</strong>. 53<br />
<strong>Nr</strong>. 54<br />
<strong>Nr</strong>. 57<br />
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von meinem Konto mittels Lastschrift einzuziehen. Die Mandatsreferenz<br />
wird mir gesondert mitgeteilt.<br />
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Diese Bestellung kann innerhalb von 14 Tagen beim Aboservice<br />
schriftlich ohne Angabe von Gründen widerrufen werden.
KULTUESCHOCK<br />
GLÜCKSSPIEL IM GEMEINDESAAL<br />
Liebe Freunde in Deutschland,<br />
ihr wundert euch vielleicht, dass ihr nach so kurzer<br />
Zeit schon wieder eine Mail von mir erhaltet. Es<br />
stimmt, mein letzter Bericht über unser Leben hier<br />
in der Provence liegt noch gar nicht so lange zurück,<br />
aber ich wollte euch unbedingt von etwas berichten,<br />
was in Deutschland unvorstellbar wäre. Gestern<br />
Abend war ich nämlich bei einem Loto …<br />
Ihr werdet euch fragen, ob das etwas mit dem<br />
deutschen Lotto zu tun hat. Grundsätzlich muss<br />
man dies zunächst bejahen. Es gibt nämlich in der<br />
Tat in Frankreich eine staatlich organisierte Lotterie.<br />
Wie beim deutschen Lotto « 6 aus 49 » kreuzt<br />
man dabei Zahlen zwischen 1 und 49 an: allerdings<br />
nur 5 sowie eine sogenannte Numéro chance zwischen<br />
1 und 10. Die Ziehungen finden Montag, Mittwoch<br />
und Samstag statt, wobei von Zeit zu Zeit besondere<br />
Ausspielungen wie das Super Loto oder das Grand<br />
Loto de Noël durchgeführt werden.<br />
Aber darum geht es in diesem Fall nicht. Denn<br />
neben diesem Loto, das mehr oder weniger dem in<br />
Deutschland bekannten Lotto ähnelt, gibt es hier<br />
noch ein anderes, ein traditionelles Loto. Angesichts<br />
der Reglementierungen des Glücksspiels in<br />
Deutschland wunderte ich mich, als eine Freundin<br />
mich vor einigen Jahren fragte, ob ich vielleicht zum<br />
Loto der Feuerwehr mitkommen wolle. Loto der<br />
Feuerwehr? Ich wurde neugierig und machte meine<br />
erste « Loto-Erfahrung ». Tja, und mittlerweile finde<br />
ich es wirklich ganz amüsant, ab und zu am Sonntagabend<br />
um 18 Uhr zu einem Loto zu gehen …<br />
Es handelt sich dabei um ein richtiges Glücksspiel,<br />
bei dem Zahlen gezogen werden und die<br />
Teilnehmer etwas gewinnen können. Veranstalter<br />
sind in der Regel Vereine, die mit einer solchen<br />
Veranstaltung ihre Vereinskasse aufbessern. Feuerwehr,<br />
Elternvereinigung, Tennisclub, Bouleclub …,<br />
fast jeder Verein veranstaltet SEIN Loto. Man stelle<br />
sich dabei einen Festsaal mit langen, vollbesetzten<br />
Tischreihen vor. Da kommen schnell einmal 300<br />
Personen zusammen. In einem Dorf kennen sich<br />
natürlich alle, sodass es immer sehr gesellig zugeht.<br />
Meist gibt es auch eine kleine Bewirtung, denn der<br />
veranstaltende Verein betreibt als « Nebeneinnahme<br />
» eine kleine Bar.<br />
Am Eingang kaufen die Teilnehmer zunächst<br />
sogenannte Cartons. Das sind kleine Kartons mit<br />
quadratischen Feldern: 9 pro Zeile, 3 Zeilen pro<br />
Karton, also insgesamt 27 Felder. Pro Zeile sind<br />
jeweils 5 Felder mit einer Zahl zwischen 1 und 99<br />
ausgefüllt, die übrigen sind leer. Die Zahlen sind<br />
willkürlich gewählt. Die Preise für die Cartons sind<br />
von Veranstalter zu Veranstalter unterschiedlich, ein<br />
gängiges Beispiel sind 10 Euro für 3 Cartons bzw.<br />
20 Euro für 7 Cartons. Der maximale Einsatz ist im<br />
Übrigen per Gesetz auf 20 Euro pro Spieler limitiert!<br />
Hat man seine Cartons erworben, sucht man<br />
sich einen Platz an einem der Tische und es kann<br />
losgehen!<br />
Die Ziehung der Zahlen wird auf der Bühne<br />
durch einen Animateur vorgenommen. Die 90<br />
Kugeln befinden sich entweder in einem Boulier<br />
(entspricht dem Ziehungsgerät des deutschen Lottos,<br />
nur viel kleiner und manuell betrieben) oder in<br />
einem kleinen Säckchen. Das Gerät wird mit einer<br />
Kurbel gedreht (mindestens drei Mal in eine Richtung<br />
und dann ein Mal in die Gegenrichtung). Der<br />
Animateur kündigt die gezogene Zahl laut und deutlich<br />
an, und die Spieler überprüfen, ob diese Zahl<br />
auf einem oder mehreren ihrer Cartons vorkommt.<br />
Wenn ja, wird das entsprechende<br />
Feld mit einem Pion,<br />
einem Jeton, markiert.<br />
Versierte Loto-<br />
Spieler<br />
96 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
haben ihre eigenen Jetons dabei. Das Lustige: Diese<br />
Jetons sind in der Regel magnetisch und können mit<br />
einem ebenfalls magnetischen Stab schnell abgeräumt<br />
werden, wenn die Partie vorüber ist. Bei der Ansage<br />
der Zahlen muss man sich – vor allem als Ausländer –<br />
sehr konzentrieren, da sie relativ schnell erfolgt. Manche<br />
Animateure schmücken die Zahlen bei der Ansage<br />
etwas aus. Für zusätzlichen Unterhaltungswert sorgen<br />
Ausdrücke wie: 18 – les pompiers (mit der Nummer<br />
18 ruft man in Frankreich die Feuerwehr an), 30 – nos<br />
voisins (ich lebe bekanntlich im Departement 13 und<br />
eines der Nachbardepartements ist 30, der Gard), 51<br />
– le Pastis (von der Pastismarke 51), 90 – le papé (der<br />
Opa) …<br />
Vor jeder Partie wird angekündigt, ob es um eine<br />
Quine oder um einen Carton plein geht. Bei der Quine<br />
muss man alle Zahlen einer Zeile (also 5 Zahlen)<br />
markiert haben, um zu gewinnen, beim Carton plein<br />
alle Zahlen eines Kartons (also alle 15). Zu gewinnen<br />
gibt es sogenannte Lots, die der Verein teilweise<br />
von « Sponsoren » erhält, meist aber durch attraktive<br />
Hauptpreise (Computer, ein halbes Lamm oder ein<br />
ganzer Schinken, Einkaufsgutscheine über mehrere<br />
Hundert Euro, Wellnessaufenthalte …) ergänzt, um<br />
möglichst viele Teilnehmer anzuziehen. Vor jeder<br />
Partie wird aufgezählt, aus welchen Einzelpreisen<br />
sich das entsprechende Lot zusammensetzt. Bei dieser<br />
Gelegenheit werden auch die Sponsoren entsprechend<br />
gewürdigt. Ein Beispiel für einen Carton plein könnte<br />
folgendermaßen aussehen: einige Konservendosen<br />
(weil es in der Nähe eine Konservenfabrik gibt), drei<br />
Flaschen Wein des örtlichen Weinguts, ein Restaurantgutschein,<br />
ein Früchtekorb des örtlichen Gemüseladens,<br />
ein Gutschein für einen bestimmten Kuchen<br />
aus der Bäckerei, ein Kugelschreiber und eine Stofftasche<br />
der Immobilienagentur, zwei Rubellose des<br />
Zeitungsladens sowie ein Einkaufsgutschein über 500<br />
Euro. Das Lot einer Quine ist etwas reduzierter.<br />
Während einer Partie geht es mitunter ziemlich<br />
turbulent<br />
zu, da viele<br />
Spieler ihrer Enttäuschung<br />
oder ihrer Hoffnung<br />
lautstark Ausdruck verleihen. Sobald<br />
aus irgendeiner Ecke der Ruf Va la<br />
chercher ertönt, weiß man, das dort jemand sitzt,<br />
dem nur noch eine einzige Zahl fehlt. Er fordert damit<br />
den Animateur auf, doch bitte « die richtige Zahl<br />
zu suchen » … Hat einer der Spieler eine Quine oder<br />
den Carton plein erreicht, muss er dies sofort akustisch<br />
anzeigen. In diesem Fall heißt es: Le 15 arrête le jeu,<br />
also 15 beendet das Spiel, wobei « 15 » für die jeweilige<br />
gezogene Zahl steht. Nun werden die Zahlen auf dem<br />
Carton von einem Contrôleur im Saal laut vorgelesen,<br />
um zu überprüfen, ob diese mit den gezogenen Zahlen<br />
übereinstimmen. Ist dies der Fall, heißt es: Vous<br />
pouvez démarquer, und man kann die Jetons auf den<br />
Kartons abräumen. Die Partie ist zu Ende.<br />
Gestern Abend war ich also bei einem solchen<br />
Loto. Gespielt wurden insgesamt 9 Quines, 2 Cartons<br />
pleins und eine Consolante, eine « Trostpartie ». Gewonnen<br />
habe ich – wie üblich – nicht. Aber es waren<br />
zwei unterhaltsame Stunden und das nächste Loto<br />
steht auch schon in meinem Terminkalender. Und wie<br />
sagt man so schön: Pech im Spiel, Glück in der Liebe!<br />
Macht’s gut.<br />
Sabine<br />
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong> · 97
IMPRESSUM/VORSCHAU<br />
Impressum<br />
Frankreich erleben ist das Ergebnis von Teamarbeit. Neben den Autoren und<br />
Fotografen tragen auch die Lektoren, Grafiker und alle anderen Mitarbeiter<br />
zur Qualität der einzelnen Artikel bei. Daher sind keine einzelnen Personen<br />
am Ende eines Artikels hervorgehoben, sondern findet die Nennung im<br />
Impressum statt.<br />
Frankreich erleben erscheint im Verlag<br />
Ajc Presse · 57, rue Chantecrit · 33300 Bordeaux<br />
Telefon: +33 (0)1 75 439 440 · Fax: +33 (0)1 75 434 549<br />
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Gründer des Magazins: Jean-Charles Albert und Markus Harnau<br />
Herausgeber: Jean-Charles Albert<br />
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Laurent Fournerie, Alain Lardière, Ina Muñoz, Annaïs Quetsub, Gérard Rival,<br />
Serge Robin, Sabine Schmitt<br />
Layout: Zauberhaus.eu<br />
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In der Sommerausgabe von Frankreich erleben,<br />
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mit einem der bekanntesten Mineralwässer<br />
der Welt verbunden ist.<br />
Bildnachweise (nach Seiten, Anordnung von links nach rechts,<br />
oben nach unten): Titel: Serge Robin, Ajc Presse • S.3: Serge<br />
Robin, Ajc Presse • S.4: Serge Robin, Ajc Presse; BIVB, RBC<br />
Architecture, DR • S.6: Serge Robin, Ajc Presse. • S.7: Benjamin<br />
Gavaudo, Centre des Monuments Nationaux; Pixabay • S.8:<br />
Pixabay; Antoine Grumbach, DR • S.9: Musée La Banque,<br />
Hyères, DR • S.10: Pixabay • S.11: Serge Robin, G. Brown, Ajc<br />
Presse • S.12-22 DR • S.23: Arte, DR • S.24: DR • S. 26-35:<br />
Serge Robin, Ajc Presse • S. 36-38: Hôtel Castel Clara, DR;<br />
Serge Robin, Ajc Presse • S.39: Serge Robin, Ajc Presse • S.40-<br />
46: Serge Robin, Ajc Presse • S.48-59: Gérard Rival, Ajc Presse<br />
• S.60-68: Serge Robin, Ajc Presse • S.<strong>70</strong>-71: Alain Lardière, Ajc<br />
Presse • S. 73: Ajc Presse, DR • S.77: TempsRéel, Dijon, Atelier<br />
d’architecture Anthony Béchu, M. Joly & ville de Dijon, DR • S.78-<br />
79: BIVB, Correia Architectes, Emmanuel Correia, DR; BIVB, DR;<br />
BIVB; RBC Architecture, DR • S.80: Y. Petit, Conseil Régional de<br />
Bourgogne-Franche-Comté • S.81: Moulinex, DR • S.82-83: DR<br />
• S.94-89: Serge Robin, Ajc Presse • S. 90-91: Nicole Cobac,<br />
Ajc Presse • S.96-97: Sabine Schmitt, DR • S. 98: Serge Robin,<br />
Alain Lardière, Ajc Presse.<br />
Sie werden in Archive eintauchen,<br />
um mehr über die unglaubliche<br />
und zu Unrecht in Vergessenheit<br />
geratene Geschichte eines Deutschen<br />
zu erfahren, der aus LIEBE<br />
die Stadt Bordeaux rettete.<br />
Und noch vieles mehr, aber wir wollen an dieser<br />
Stelle noch nicht alles verraten ...<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 71 - Sommer <strong>2019</strong><br />
Erscheint am 21. Mai <strong>2019</strong><br />
98 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2019</strong>
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