Nr. 05 - September / Oktober 2006

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Fokus Korsika Mit der Eisenbahn durch Korsikas Bergwelt Die meisten Urlauber erkunden Napoleons Geburtsinsel mit den eigenen vier Rädern, manchmal auch auf zweien oder gar zu Fuß über einen der vielen Wanderwege. Dabei gibt es noch eine andere originelle Möglichkeit, das bergige Inland Korsikas zu erleben: die Eisenbahn. Die Chemins de Fer de la Corse (CFC) unterhält mit der Strecke von Bastia nach Ajaccio und dem Zubringerdienst von Calvi nach Ponte Leccia eine von Frankreichs aufregendsten Zugstrecken. 36 · Frankreich erleben · September / Oktober 2006
Korsikas Eisenbahnnetz ist nicht lang, dennoch war sein Bau ein epochales Ereignis für die französische Mittelmeerinsel. Im 19. Jahrhundert benötigt es viele Jahre der Diskussion, Überzeugungsarbeit, Planung und Gegenplanung, bis das erste Gleisstück verlegt wird. Dabei braucht gerade das schwer zugängliche Innere des Eilands dringend diese innovative Verkehrstechnik. General Conti hat 1855 als Erster die Idee, eine Eisenbahnlinie zu bauen. Er sieht darin eine Möglichkeit, den Handel mit Italien und Algerien zu beschleunigen. Verschiedene Hindernisse vereiteln jedoch das Projekt. Zehn Jahre später fährt zum ersten Mal ein kleiner Zug durch Ajaccio, mit dem Steine zum Bau der neuen Hafenanlage transportiert werden. Kurz danach wird erstmalig eine Studie zur Trassenführung für eine Linie von Bastia über Corte nach Ajaccio in Auftrag gegeben. Doch anstatt schnell einen Bau zu initiieren, wird über Trassenvarianten diskutiert. Das Projekt verschiebt sich erneut. Es dauert noch bis zum Ende des Jahrhunderts, bis das Projekt ernsthaft in Angriff genommen wird, wenn auch die Finanzierung erneut für diverse Querelen sorgt. 1877 stimmen die Inselbewohner schließlich dem Bau einer Trasse von Bastia nach Ajaccio zu, und die Arbeiten beginnen im Dezember 1878. In den folgenden 15 Jahren erfährt Korsika das größte Bauprojekt seiner Geschichte. Viele ausländische Arbeiter, besonders aus Italien, sind an dem Bau beteiligt. Doch die Korsen, angezogen von den guten Gehältern, lernen schnell und können zunehmend die ausländischen Arbeiter ersetzen. Es ist ein ambitioniertes Projekt. Die geografischen Gegebenheiten der Insel stellen eine große Herausforderung an die Ingenieure der damaligen Zeit. Tunnel, Brücken und Wasserleitungen für den späteren Dampfbetrieb müssen konstruiert werden. Grundstückseigentümer entlang des Trassenverlaufs fordern immer absurdere Preise für ihren Grund und Boden. Auch Unfälle erschüttern den Baufortschritt. So sterben zwölf Arbeiter im Jahre 1879 beim Bau eines Tunnels. Doch die Mühe und Anstrengung lohnen sich. Es entsteht eine der kühnsten Eisenbahnstrecken Frankreichs. Sogar Gustave Eiffel, der Erbauer des Eiffelturms, ist an der Realisierung der korsischen Eisenbahn beteiligt: Er baut das beeindruckende Viadukt von Vecchio, 140 Meter lang und 94 Meter hoch, getragen von zwei Stützen aus Stein. Seit 1976 steht diese Eisenbahnbrücke unter Denkmalschutz. Nachdem Ajaccio, Bastia und Calvi ans Streckennetz angeschlossen sind, dauert es noch bis 1935, bis auch Porto Veccio im Süden der Insel durch eine Strecke entlang der Ostküste per Zug erreicht werden kann. Doch es ist ausgerechnet die jüngste Strecke, die die Deutschen beim Rückzug aus Korsika im Zweiten Weltkrieg für immer zerstören. In den 60er-Jahren kommt es zu Überlegungen, Korsikas Eisenbahn stillzulegen. Die Korsen protestieren jedoch heftig und nachdrücklich, so dass die Pläne schließlich aufgegeben werden. Seitdem ist die korsische Eisenbahn längst ein touristischer Standortfaktor geworden. Neben Einheimischen sieht man deshalb vor allem auch Touristen und Eisenbahnfans aus der ganzen Welt in den Zügen. Heute besteht das Netz aus einem Ypsilon. Neben der Strecke von Bastia nach Ajaccio, gibt es in Ponte Leccia einen Anschluss nach Calvi. Mehrmals täglich verkehren die Züge auf beiden Verbindungen. Insbesondere auf der Strecke ab Corte in den Süden erwartet den Fahrgast eine spektakuläre Reise. Die Waggons schaukeln durch enge Kurven, dunkle Tunnel und über zahlreiche Viadukte. Immer wieder hat man das Gefühl, der Zug berühre die Felswand. Grandiose Ausblicke bieten sich nach jeder neuen Kurve. Das Tempo ist dabei jedoch auch heute noch sehr korsisch. So braucht der Zug von Bastia bis Ajaccio für rund 160 Kilometer gut vier Stunden. Auf Korsika ist man noch weit vom TGV-Zeitalter auf dem Kontinent entfernt. Dafür entschädigt das unvergessliche Erlebnis, Korsikas Bergwelt von der Schiene aus zu erkunden. Frankreich erleben · September / Oktober 2006 · 37
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