Frankreich heute Bio-Sorelia Bio-Sorelia: Eine kleine Nuss erobert das Herz der Franzosen oder wie die Franzosen ein Bioprodukt entdecken Dass Frankreich Deutschland hinterherhinkt, wenn es um die Herstellung und Anwendung biologischer oder umweltschonender Produkte geht, ist bekannt. Doch inzwischen haben die Franzosen begonnen, diesen Rückstand aufzuholen. Oft bringen originelle Ideen oder persönliche Initiativen die Franzosen dazu, ihre Gewohnheiten zu ändern. Das kleine Unternehmen Bio-Sorelia hat seinen Sitz in der Nähe von Chartres im Departement Eure-et-Loire. Ganz allein tritt es mit seinem alternativen, umweltverträglichen Produkt, einer Waschnuss, gegen die Waschmittelindustrie an. Zunächst wurde das Produkt belächelt, doch nun kommt es in Frankreich in Mode. Porträt eines nicht alltäglichen Unternehmens. 44 · Frankreich erleben · <strong>September</strong> / <strong>Oktober</strong> <strong>2006</strong>
Marc Duval, 51 Jahre, hat einen untypischen beruflichen Weg eingeschlagen: Vor 25 Jahren arbeitete er in der chemischen Industrie an der Herstellung von Reinigungsmitteln. « Beim ständigen Hantieren mit den chemischen Substanzen sagte ich mir eines Tages, dass es so nicht mehr weitergehen kann, dass es mit der ganzen Chemie aufhören muss, denn sonst zerstört man die Umwelt », erzählt er. « Es müsste doch ein Mittel geben, mit dem man seine Wäsche umweltschonender waschen kann ». Marc verließ den Industriekonzern, für den er arbeitete, und gründete ein eigenes Unternehmen im IT-Sektor. « Aber die Idee eines ökologischen Waschmittels ließ mich nicht mehr los. Immer wieder ging es mir durch den Kopf. Man kann die Welt der Reinigungsmittel nicht so einfach hinter sich lassen. Es ist eine echte Leidenschaft. Alles, was mit Saubermachen zu tun hat, interessiert mich… ». Kein Wunder, dass ihm im Jahr 2000 beim angesehenen Concours Lépine in Paris eine Silbermedaille für den von ihm entwickelten « Tonstein » verliehen wurde, bei dem es sich um ein natürliches Produkt auf der Basis von Ton handelt, das Fett und Kalk im Haushalt entfernt. Bei diesem Wettbewerb, der jedes Jahr stattfindet, werden besonders originelle und innovative Erfindungen ausgezeichnet. « Im Prinzip war meine Überlegung ganz einfach: Ich fragte mich, wie die Leute in früheren Jahrhunderten putzten, als es noch keine Chemie gab. Sie besaßen Erde und Asche zum Reiben und Wasser zum Abspülen. So kam ich auf den Ton und habe 1999 den Tonstein auf den Markt gebracht ». Durch Mundpropaganda wurde dieses erste Produkt zu einem Erfolg. Die Leute probierten das Mittel aus und erzählten anderen davon. So wurde es langsam bekannt. Marcs kleines Unternehmen verfügte natürlich nicht über die Ressourcen für große Werbekampagnen. Seine Stärke lag in der Qualität der Produkte und der Entschlossenheit seines Besitzers. Für ihn stand fest, dass man putzen und waschen können muss, ohne die Umwelt zu schädigen. Selbst ohne große finanzielle Mittel gelang es Marc, neue innovative Produkte einzuführen. Bisher dominierten die großen Industriekonzerne in diesem Bereich die Forschung und brachten in einem rücksichtslosen Wettbewerb ständig neue Waschmittel auf den Mark. Es war die Zeit, als in Frankreich gerade eine Werbung für eine Waschmittelmarke lief, die « weißer als weiß » zu waschen versprach. Aber Marc ließ sich nicht beirren, im Gegenteil: « Ja, klar, verglichen mit denen war ich ein Niemand mit meinen kleinen gelben Töpfen mit Tonstein. Aber ich habe immer geglaubt, dass es auch in meiner Situation möglich ist, Forschung zu betreiben. Es ist mehr eine Frage des Einfallsreichtums als des Geldes. Ich arbeite nicht auf der Ebene der Moleküle, bei mir geht es um die Mischungen. Vor allem aber werde ich nicht durch kommerzielle Denkmuster behindert ». Nochmals wendete Marc das gleiche Prinzip an: Er fragte sich wiederum, was Menschen, die keine Chemie zur Verfügung haben, tun, um ihre Kleider zu waschen. Bei seinen Forschungen untersuchte er entlegene Gebiete Südamerikas, Chinas und insbesondere Indiens. Vor Ort probierte er die Methoden an seiner eigenen Kleidung aus. In Nordindien fand er schließlich, was er suchte: die Waschnuss. Seit Jahrhunderten verwendet man dort diese Nuss, die Frucht eines Baumes mit dem botanischen Namen Sapindus Mukorossis, die ohne Dünger und Pestizide auf diesem 15 bis 20 Meter hohen Baum wächst. Diese Früchte werden beim Reifungsprozess braun und klebrig. Nach dem Pflücken trocknet man sie zuerst und schlägt sie dann auf. Die Nussschale enthält Saponin, ein natürliches Waschmittel. Die Schalen werden so abgepackt, dass eine gute Haltbarkeit gewährleistet ist. Der Kern ist nicht essbar und kann nicht weiterverwertet werden. « Diese Nüsse haben die gleiche Waschkraft wie ein normales Waschmittel und vor allem schädigen sie die Wäsche nicht, in Indien wird sogar Seide damit gewaschen », erklärt Marc. Sein Unternehmen Bio-Sorelia importiert derzeit alle zwei Wochen einen Container mit acht Tonnen Nüssen. Die Früchte kommen aus Nepal und Pakistan. Wegen steigender Nachfrage soll die Produktion verstärkt werden. « Die Händler haben den Preis um 50 Prozent in einem Jahr erhöht. Aber ich denke, das wird sich wieder legen, auch wenn das Produkt immer begehrter wird. Neue Bäume wurden gepflanzt, aber bis zur ersten Ernte dauert es drei Jahre ». 500 Gramm Nüsse, die für weniger als 15 Euro verkauft werden, reichen für 100 bis 150 Waschmaschinenfüllungen. Diese Alternative ist somit viel wirtschaftlicher als übliche Waschmittel. In Frankreich beschäftigt das Unternehmen vier Vollzeitkräfte. Die Verpackung übernimmt ein Betrieb, in dem Behinderte ins Berufsleben integriert werden sollen. « Manche betrachten uns immer noch als Träumer, aber die Waschmittelhersteller fangen an, aufmerksam zu werden. Sie sehen, dass wir für unsere Produkte zahlreiche Auszeichnungen erhalten und dass die Verbraucher sich heute mehr um die Umwelt sorgen. Unsere Kunden sind begeistert von unserer Arbeit: Sie schreiben uns, rufen uns an und kommen zu uns ins Haus. Das ist eine alternative Form von Wirtschaft ». Die Nüsse werden über das Internet, in Bioläden und auf Märkten verkauft. Der Verkauf beschränkt sich nicht nur auf Frankreich, sondern zum Beispiel auch in Deutschland werden die Waschnüsse angeboten. In Frankreich läuft der Vertrieb noch sehr individuell ab. Trotzdem kommt das Produkt immer besser an. Es ist einfach zu einer Mode geworden, überall spricht man darüber. Bedeutende Zeitungen haben über die Waschnuss berichtet, bekannte Persönlichkeiten gaben an, sie zu benutzen, und Fernsehsendungen meldeten die Entdeckung eines neuen Waschmittels... Kurz und gut, die Franzosen haben entdeckt, dass man auch ohne Umweltverschmutzung waschen kann. Eine kleine Revolution! Bio-Sorelia im Internet www.biosorelia.com Frankreich erleben · <strong>September</strong> / <strong>Oktober</strong> <strong>2006</strong> · 45