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Leseprobe: Klippen der Diebe

Leseprobe zu Walter Thorwartl: Klippen der Diebe

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Alfredo, die Schmalzlocke<br />

Als Nicolas zum Ruheplatz zurückkam, stand Isabella<br />

auf und zog unter ihrer Liege einen Kescher hervor.<br />

„Schau, das hätte ich fast vergessen. Das hab ich dir<br />

mitgebracht.“<br />

He, was sollte das wie<strong>der</strong>? Er war kein Sechsjähriger,<br />

<strong>der</strong> mit einem bunten Netz auf winzige Fischchen<br />

Jagd macht und dann schreiend daher gerannt kommt:<br />

„Papa, Mama, ich hab was gefangen!“<br />

Gut, dass ihn seine Kumpels zu Hause jetzt nicht<br />

sehen konnen! Die hätten sich zerkugelt vor Lachen.<br />

Er nahm den Kescher an und murmelte „Danke.“<br />

Isabella schüttelte den Kopf, dass ihre blonden<br />

Haare flogen. „Ich weiß, dass du kein kleines Kind<br />

mehr bist, aber vielleicht hilft dir <strong>der</strong> Kescher bei<br />

deinen Entdeckungen im Meer. Wer weiß?“<br />

„So unpraktisch ist das Ding nicht. Die Isabella ist<br />

gar nicht blöd“, dachte Nicolas. Er brachte ein<br />

Lächeln zustande und sagte noch einmal „Danke.“<br />

Papa stand umständlich auf. „Wir gehen ein bisschen<br />

spazieren. Halt du die Stellung.“<br />

Nicolas sah den beiden nach, wie sie Richtung<br />

Feriendorf davonschlen<strong>der</strong>ten.<br />

Er warf sich auf seine Liege, wirbelte den Kescher<br />

ein paar Mal durch die Luft und blickte dann gedankenverloren<br />

aufs Meer hinaus. Wie es wohl vor Jahrhun<strong>der</strong>ten<br />

hier gewesen war? Da hatte es sicher noch<br />

am Rand <strong>der</strong> zerklüfteten Bucht Piratenschlupflöcher<br />

gegeben, wo die Seeräuber in ihren flinken Booten<br />

nur darauf warteten, ein wehrloses Schiff zu überfallen<br />

und reiche Beute an die Küste in ihr Versteck<br />

zu schleppen.<br />

Er drehte sich seufzend weg – <strong>der</strong> Wirklichkeit zu.<br />

Auf <strong>der</strong> Wiese bis hin zu den <strong>Klippen</strong> lagerten die<br />

Touristen. Er schielte auf zwei Erwachsene, die auf<br />

ihren Strandliegen dösten. Zwei Fleisch- und Muskelhaufen,<br />

die sich unter Schnarchen hoben und senkten.<br />

Super, das waren ja schöne Aussichten auf das Alter:<br />

fett und regungslos wie ein toter Käfer in <strong>der</strong> Sonne<br />

braten.<br />

Nicolas legte sich zurück und starrte in den<br />

Himmel. Der erste Urlaub ohne Mama …<br />

Ein Jahr nach <strong>der</strong> Trennung seiner Eltern hatte Papa<br />

angerufen: „Wir fahren im Sommer für eine Woche<br />

nach Rovinj. Ans Meer. Kommst du mit, Nicolas?“<br />

Mit „wir“ waren Papa und Isabella gemeint, seine<br />

Freundin.<br />

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