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FINDORFF GLEICH NEBENAN Nr. 14

FINDORFF GLEICH NEBENAN ist das Stadtteilmagazin für Findorff und Bremen für Handel, Dienstleistung, Kultur & Politik

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q MARCEL SCHRÖDER ÜBER DIE MANGELNDE WERTSCHÄTZUNG DES POLIZEIBERUFS<br />

» Ein Angriff auf uns alle ! «<br />

E<br />

s vergeht kaum nur eine Woche, in der es in<br />

Bremen keine Meldungen über brennende<br />

Autos, eingeschlagene Scheiben oder Farbattacken<br />

auf Parteibüros gibt. Anfang Mai hat es<br />

die Polizeistation in Findorff erwischt. Unbekannte<br />

haben die Scheiben mit einer Waschbetonplatte<br />

eingeworfen. Man kann froh sein,<br />

dass die Station zu der Zeit nicht besetzt war.<br />

Die Häufigkeit, mit der gerade<br />

Einsatzkräfte und allen voran Polizisten zum<br />

Opfer von Gewalt werden, ist erschreckend.<br />

So gab es laut Innenbehörde im letzten<br />

Jahr 947 registrierte Straftaten gegenüber<br />

Einsatzkräften. 95 Prozent davon<br />

richteten sich gegen Polizisten. Das<br />

ist ein Anstieg von 120 Straftaten<br />

im Vergleich zum Vorjahr. Die reale<br />

Zahl wird dabei noch höher liegen, da<br />

beispielsweise nicht jede Beleidigung<br />

zur Anzeige gebracht wird.<br />

Als wären die Angriffe auf die Menschen,<br />

die für unsere Sicherheit sorgen, für<br />

sich genommen nicht schon schlimm<br />

genug, führt dies auch zu zahlreichen<br />

Folgeproblemen. So ist der Personalmangel<br />

bei der Bremer Polizei seit Jahren<br />

bekannt. Es gibt leider viele Gründe, wieso immer weniger<br />

junge Menschen diesen wichtigen Beruf ausüben wollen. Im<br />

Gespräch mit jungen Polizistinnen und Polizisten kommt dabei<br />

ein Problem besonders häufig zur Sprache: Die mangelnde<br />

Attraktivität des Polizeiberufs.<br />

Dabei tragen nicht nur die Gewalttaten zu einer verminderten<br />

Attraktivität des Polizeiberufs bei, sondern neben der geringen<br />

Bezahlung der Einstazkäfte auch die mangelnde Unterstützung<br />

und Wertschätzung durch Politik, Medien und Gesellschaft.<br />

Politisch relativ leicht lösen ließe sich das Problem der Bezahlung.<br />

Dafür müsste der Senat jedoch die Prioritäten im Haushalt<br />

anders setzen. Das ist anscheinend politisch nicht gewollt.<br />

Dabei ist die Gewährleistung der Sicherheit die Hauptaufgabe<br />

eines Staates und sollte daher auch als solche behandelt werden.<br />

Meiner Meinung nach darf es nicht sein, dass Polizisten<br />

vor dem Verwaltungsgericht ihren Lohn einklagen müssen.<br />

Der Personalmangel führt letztlich dazu, dass Gesetze nicht<br />

richtig durchgesetzt werden können und die öffentliche Sicherheit<br />

insgesamt leidet. Das merken wir auch in Findorff immer<br />

wieder: Es ist völlig egal, wie viele Verkehrsschilder wir im<br />

Beirat aufstellen lassen, wenn niemand da ist, der diese Regeln<br />

auch durchsetzt. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs: Auch<br />

bei der Bremer Kriminalpolizei wächst der Berg liegen gebliebener<br />

Akten immer weiter. Lagen vor etwa drei Jahren noch<br />

<strong>FINDORFF</strong> <strong>GLEICH</strong> <strong>NEBENAN</strong> | 24<br />

ZWISCHENRUF<br />

unter 10.000 unbearbeitete Akten auf den Schreibtischen,<br />

waren es 2019 schon 15.000. Die Bearbeitungszeit einer Körperverletzung<br />

beträgt durchschnittlich fünf Monate. Dabei handelt<br />

es sich wohlgemerkt nur um das polizeiliche Ermittlungsverfahren,<br />

noch nicht um das anschließende Gerichtsverfahren.<br />

Wenn Straftaten nicht oder nicht zeitnah aufgeklärt werden,<br />

leidet darunter nicht nur die öffentliche Sicherheit, sondern<br />

am Ende auch das Vertrauen in den Rechtsstaat.<br />

Die fehlende Personalstärke wird schließlich durch immer<br />

mehr Überwachung öffentlicher Plätze und strengere<br />

Gesetze zu kompensieren versucht. Dadurch<br />

werden die Grundrechte immer weiter<br />

eingeschränkt. Verbrecher werden jedoch<br />

nicht durch Gesetze und Kameras, sondern<br />

durch Polizisten gefangen.<br />

Das Personalproblem bei der Polizei wirkt<br />

sich damit unmittelbar auf die öffentliche<br />

Sicherheit, die Akzeptanz des Rechtsstaates<br />

und die bürgerlichen Freiheitsrechte der<br />

Bremerinnen und Bremer aus. Angesichts<br />

dieser Tatsache muss der Polizeiberuf daher dringend<br />

attraktiver werden. Jeder Angriff auf<br />

die Polizei untergräbt dieses Unterfangen<br />

und ist damit ein Angriff auf uns alle.<br />

Zweifellos handelt es sich gerade bei der<br />

Frage nach der Wertschätzung nicht nur<br />

um ein politisches, sondern um ein gesamtgesellschaftliches<br />

Problem, denn Wertschätzung lässt sich nicht einfach »von<br />

oben« anordnen. Aber gerade deshalb sollten Politikerinnen<br />

und Politiker aller Parteien hier mit gutem Beispiel voran gehen.<br />

Nur wenn wir die Polizistinnen und Polizisten unterstützen<br />

und ihnen die Wertschätzung zukommen lassen, die sie verdienen,<br />

werden wir die Attraktivität des Polizeiberufs langfristig<br />

steigern können. Dazu gehört auch, Angriffe auf die Polizei<br />

nicht still hinzunehmen und klar zu verurteilen. Hier würde ich<br />

mir parteiübergreifend daher häufigere und klarere öffentliche<br />

Stellungnahmen für dieses für die Sicherheit und Freiheit der<br />

Bremerinnen und Bremer so fundamentale Thema wünschen.<br />

q ÜBER MARCEL SCHRÖDER<br />

Marcel Schröder ist 24 Jahre alt, Jurist und wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter/Doktorand an der Universität Bremen. Er engagiert<br />

sich bei der FDP und leitet dort den Landesfachausschuss für<br />

Innen- und Rechtspolitik. Zudem ist er stellvertretender Kreisvorsitzender<br />

der FDP Bremen Mitte-West und stellvertretender<br />

Landesvorsitzender der Jungen Liberalen Bremen. Im Beirat<br />

Findorff vertritt er die FDP unter anderem im Ausschuss für<br />

Wirtschaft, Inneres, Kultur, Integration und Sport sowie im<br />

Ausschuss für Bildung.<br />

Text: Marcel Schröder, Foto: privat ▲<br />

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