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Infos<br />
Hotel: Sokrat HotelinTirana: Gut<br />
gelegen, ruhig, großes Frühstück.<br />
hotelsokrat.com<br />
HotelGuri in Elbasan: in der Festung,<br />
zu italienischer Villa umgebaut.<br />
Tel.: +355/(0)69208/30 89<br />
Essen/Trinken: Typisch sind frisches<br />
Gemüse inkl. Knoblauch<br />
und Frühlingszwiebeln, Schafskäse<br />
und Brot. Byrek mit Spinat,<br />
Käse oder Faschiertem. Fermet<br />
(Sauercreme aus Ziegenmilch),<br />
Auflauf von Elbasan (mit Joghurt,<br />
mariniertem Lamm und<br />
→<br />
mann“-Aufschrift unterwegs. Aber Albanien ist nicht<br />
mehr nur der Gnadenhof für Mitteleuropas Autoschrott:<br />
Sportwägen und SUVs zeigen, dass neues Geld auch mit<br />
neuen Autos protzen will.<br />
In den verfallenen Fabrikhallen des einstigen Kombinats<br />
„Stahl der Partei“ arbeiteten einst 11.000 Menschen.<br />
Heute schmelzen gerade einmal 3000 Angestellte<br />
Abfallmetall aus ganz Europa ein. Schon zwei,<br />
drei Kilometer weiter aber beginnen blühende Landschaften:<br />
Ginster leuchtet, Rebenreihen ziehen sich die<br />
Hänge hinauf, zwischen Pappeln und Vogelbeeren<br />
schmiegen sich Steinhäuser an steile Hänge. Bunker<br />
ragen wie halbversunkene Domkuppeln aus der Erde.<br />
Häuser in jedem Zustand der Nichtfertigstellung warten<br />
auf den nächsten Geldschub aus dem Ausland. Und entdeckt<br />
man irgendwo einen maurischen Tempel oder ein<br />
Märchenschloss mit einem schwarzen Adler, handelt es<br />
sich garantiert umein neues Hotel.<br />
Rebsorten und Bettenburgen. Bei türkischem Kaffee<br />
und Raki erfahren die Besucher, wie Ali und Flora<br />
Tafani im vergangenen Jahr von einem Aufkäufer um<br />
die ganze Tabakernte betrogen wurden. Nun versuchen<br />
sie es mit Heilkräutern. Zum Rotwein erzählt der 90-jährige<br />
Künstler Leke Tasi, wie er vom Regime Enver Hodschas<br />
wegen mangelnder Begeisterung in ein fernes<br />
Dorf deportiert wurde. Und Flori Uka, ein 43-jähriger<br />
Winzer, erklärt, wie erder alten Traubensorte<br />
Cernja zu neuer Blüte verhelfen will.<br />
Auch im Tourismus sind die Gegensätze frappierend.<br />
Entlang eines kilometerlangen Streifens<br />
an der Küste ziehen sich monströse Bettenburgen,<br />
wie sie Spanien vor 40Jahren verbrochen<br />
hat. In Berat, der schönen „Stadt der<br />
1000 Fenster“, sind viele albanische Schüler<br />
unterwegs, und von der 2400 Jahre alten Festung<br />
geht der Blick hinunter auf einen breiten<br />
Boulevard. Das dominierende Gebäude, das<br />
einer Mischung aus Petersdom und Tadj Mahal<br />
ähnelt, sollte ursprünglich als Privatuni betrieben<br />
werden. Dafür erhielt der Bauherr keine<br />
Genehmigung. Jetzt wird eszum Hotel.<br />
Ganz im Osten des Landes liegt der Shebenik-<br />
Jablanica-Nationalpark. Eine halbfertige Straße<br />
führt ins kleine Dorf Fushe Studa. Während<br />
STIMMUNG.<br />
Das Leben findet<br />
draußen statt: Die<br />
Straßen säumen<br />
Gastgärten.<br />
Eiern). Tipps: Restaurant Mangalemi:<br />
(mangalemihotel.com), Uka-<br />
Farm: Biofarm des früheren Landwirtschaftsministers<br />
Rexhep Uka.<br />
Infos: Visit-albania.com<br />
In den uralten Buchenwäldern<br />
leben Bären, Luchse, Wildziegen.<br />
RESERVE. DieÖlund<br />
Gasvorkommen<br />
des Landes<br />
sind noch wenig<br />
erschlossen.<br />
Fatnis Tupi, der Wirt des Lokals, im Kamin Weißbrot<br />
röstet und den Tisch mit Eingelegtem, harten Eiern,<br />
Salat, Lammstücken und Fergese (einer Mischung aus<br />
Leber, Käse und Öl) füllt, sitzen Männer aus dem Dorf<br />
beim Raki, rauchen und starren schweigend in den<br />
Regen. Juli Balla, der 34-jährige Chef der Ranger, erzählt<br />
von seiner Arbeit. Der größte Nationalpark Albaniens<br />
reicht von 260 bis in2660 Meter Höhe. Sein Juwel sind<br />
uralte Buchenwälder, indenen sich Bären, Luchse und<br />
Wildziegen tummeln. Das kleine Infozentrum nebenan<br />
hat eine italienische Organisation gestiftet. Die Zahl der<br />
Touristen nimmt zu, aber es gibt gerade mal 60 Betten<br />
in der Region. Deshalb organisieren er und seine Männer<br />
auch Treffen für Dorfbewohner, bei denen es um<br />
Hygiene, Kalkulation und Betriebsführung geht.<br />
„Nur der Tourismus kann das Dorf wiederbeleben“,<br />
ist sich Fatnis Tupi sicher.<br />
Am nächsten Morgen scheint die Sonne und<br />
Lorec, der freundliche Sohn des Wirten, führt<br />
die Besucher in die Berge. Farne und Wacholder<br />
säumen den Pfad. Aneiner Feuerstelle am türkisen<br />
Karstsee kickt er wütend ein paar zurückgebliebene<br />
Bierflaschen in die Asche. Seinetwegen,<br />
sagt Lorec, müsse die Zufahrtsstraße nicht verbessert<br />
werden. Touristen seien willkommen,<br />
aber noch mehr Leute mit Jeeps, die Bier tränken<br />
und rumgrölten, bräuchten sie hier nicht.<br />
400 Häuser in der Region stehen leer, seine<br />
Schwester arbeitet als Ärztin in Miami, er selbst<br />
findet im Dorf keine Frau. Und doch, sagt Lorec,<br />
der 31-Jährige, der jeden Tag inseinen Bergen<br />
wandert, lächelnd: „Alles ist gut, wie es ist.“ s<br />
Fotos: Die Recherche erfolgte „vor Corona“ auf Einladungn des Veranstalters „Reisen mit Sinnen“, www.reisenmitsinnen.de, Perboge/Istock, Getty via Istock,<br />
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