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Schaufenster 2020-06-12

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GLOBUS<br />

Amanshausers<br />

Album<br />

Vor Ort<br />

144. Reisekrise, Teil 8. Kein „Undertourism“-Sommer!<br />

Aber hoffentlich scheitern sinnlose Projekte.<br />

von Martin Amanshauser<br />

Von „Overtourism“ spricht man,<br />

wenn die Zahl der Bewohner eines<br />

Landes von der seiner Besucher übertroffen<br />

wird. Als überfüllteste Destination<br />

gilt Kroatien (4,1 Millionen Einwohner)<br />

mit jährlich 57,6 Millionen Touristen.<br />

Am anderen Ende der Skala steht<br />

Papua-Neuguinea (acht Millionen/<br />

200.000). Corona bescherte Kroatien<br />

schlagartig einen „Undertourism“ von<br />

papua-neuguineischen Ausmaßen.<br />

Viele fanden die menschenleeren Innenstädte<br />

schön. Doch trotz „koste es, was<br />

es wolle“ blieben auch die Börsen der<br />

Tourismusanbieter schön leer. Beileibe<br />

nicht aus medizinischen Gründen öffnen<br />

jetzt die meisten europäischen Staaten<br />

füreinander die Grenzen. Werden spektakuläre<br />

Infektionswellen folgen? Nein,<br />

die Tourismusmanager sind superoptimistisch.<br />

Wird schon schiefgehen.<br />

Mit einem Datenschutz-Glaubenskrieg<br />

zum Thema zentrale beziehungsweise<br />

dezentrale Datenspeicherung scheiterte<br />

im April eine einheitliche europäische<br />

Contact-Tracing-App. Deutschland diskutierte<br />

das öffentlich; Länder wie<br />

Österreich sparten sich die Debatte und<br />

entwickelten ihre National-Apps. Witze<br />

machten die Runde. Die coolste Funktion<br />

der Rote-Kreuz-App: Wischt man<br />

das Bild eines Covid-Infizierten, den<br />

man traf, nach links, verschwindet er<br />

ganz. Wischt man es hingegen nach<br />

rechts, darf man sich erneut mit ihm<br />

treffen!<br />

Der wohltuende Undertourism wird<br />

bald zu Ende sein. Bleibt die Hoffnung<br />

auf eine sinnvolle neue Ära mit weniger<br />

Menschenmassen und weniger Kurzstreckenflügen.<br />

Müssen ja wirklich nicht 57,6<br />

Millionen Leute nach Kroatien jetten.<br />

In Spitzenzeiten befanden sich weltweit<br />

gleichzeitig bis zu20.000 Flugzeuge<br />

(im Schnitt 10.000) in der Luft –über<br />

200.000 am Tag. Positiver Kollateraleffekt<br />

des Zusammenschmelzens der<br />

Branche: Endlich wackeln überflüssige<br />

Wachstumsprojekte wie jenes der dritten<br />

Piste des Flughafens Wien-Schwechat.<br />

Zukunftsbewusste Luftfahrt benötigt<br />

dringend eine durchdachte Phase<br />

des Postwachstums („degrowth“). Hinter<br />

der kleinen Corona-Tourismuskrise lauert<br />

jadie große, weil existenzielle Klimakrise,<br />

durch die uns das Reisevergnügen<br />

gänzlich zerstört werden könnte. s<br />

VORÜBERGEHEND.<br />

LeereStrände (wie<br />

hier in SriLanka)<br />

werden nichtleer<br />

bleiben: Der Druck<br />

des Tourismus ist<br />

groß, der coronabedingteUndertourism<br />

wirdbald vorbei sein.<br />

Nichtweit vonWien entfernt, aber schon<br />

eine ordentliche Bergwertung: „Vom<br />

Buckl zum Berg“ führt die 135 Kilometerlange<br />

Radtour durch die Wiener Alpen, sprich von<br />

der Buckligen Welt in das Schneebergland.<br />

Das lässt sich in zwei Tagen mit dem E-Bike<br />

locker schaffen –und als Radreise buchen.<br />

Startpunkt ist Krumbach, und man beginnt<br />

gleich mit einem Menü im Krumbacherhof;<br />

Andreas Ottner, der Wirt und Initiator der Tour,<br />

gibt einem auch noch Tipps auf den Weg.<br />

Sechs Stunden lang geht’s den Feistritztal-<br />

Radweg entlang, zwischen Krumbach über<br />

Kirchberg nach Grünbach werden an die<br />

950Höhenmeterbewältigt. Stopps sind kulinarischer<br />

Natur, etwa beim „GrünenBaum“ in<br />

Kirchberg oder im „Zur Schubertlinde“ in<br />

Grünbach, wo die Radfahrer übernachten und<br />

die kürzere zweite Etappe (375 Höhenmeter)<br />

retour nach Krumbach vorsich wissen.<br />

Mehr Infos zuder Tour: www.wieneralpen.at/<br />

buckl-zum-berg<br />

Viel zu wenig wissen wir eigentlich über die<br />

Bewohner der Meere, und auch selten<br />

wird das Reich der Fische so beschrieben wie<br />

in dem schönen Buch der Meeresbiologin Helen<br />

Scales. Im „Auge des Schwarms“tummeln<br />

sich schillernde und geheimnisvolle Wesen<br />

vomWalhai bis zum Mikrofisch auf ozeanumspannenden<br />

Wanderwegen. Scales erschließttauchend<br />

und erzählend für den Leser<br />

unbekanntes Unterwasserterrain<br />

und fremde Lebens-,<br />

sprich Jagd- oder Tarnstrategien,<br />

die viel älter sind als<br />

der Mensch.<br />

Helen Scales: „Im Auge des<br />

Schwarms“, Folio Verlag,<br />

25 Euro.<br />

Im Buch<br />

Texte: mad; www.amanshauser.at; Weitere Kolumnen auf: DiePresse.com/amanshauser Fotos: Dinuka Liyanawatte/Reuters, Wiener Alpen/Fröhlich, Folio Verlag.<br />

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