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GLOBUS<br />
Amanshausers<br />
Album<br />
Vor Ort<br />
144. Reisekrise, Teil 8. Kein „Undertourism“-Sommer!<br />
Aber hoffentlich scheitern sinnlose Projekte.<br />
von Martin Amanshauser<br />
Von „Overtourism“ spricht man,<br />
wenn die Zahl der Bewohner eines<br />
Landes von der seiner Besucher übertroffen<br />
wird. Als überfüllteste Destination<br />
gilt Kroatien (4,1 Millionen Einwohner)<br />
mit jährlich 57,6 Millionen Touristen.<br />
Am anderen Ende der Skala steht<br />
Papua-Neuguinea (acht Millionen/<br />
200.000). Corona bescherte Kroatien<br />
schlagartig einen „Undertourism“ von<br />
papua-neuguineischen Ausmaßen.<br />
Viele fanden die menschenleeren Innenstädte<br />
schön. Doch trotz „koste es, was<br />
es wolle“ blieben auch die Börsen der<br />
Tourismusanbieter schön leer. Beileibe<br />
nicht aus medizinischen Gründen öffnen<br />
jetzt die meisten europäischen Staaten<br />
füreinander die Grenzen. Werden spektakuläre<br />
Infektionswellen folgen? Nein,<br />
die Tourismusmanager sind superoptimistisch.<br />
Wird schon schiefgehen.<br />
Mit einem Datenschutz-Glaubenskrieg<br />
zum Thema zentrale beziehungsweise<br />
dezentrale Datenspeicherung scheiterte<br />
im April eine einheitliche europäische<br />
Contact-Tracing-App. Deutschland diskutierte<br />
das öffentlich; Länder wie<br />
Österreich sparten sich die Debatte und<br />
entwickelten ihre National-Apps. Witze<br />
machten die Runde. Die coolste Funktion<br />
der Rote-Kreuz-App: Wischt man<br />
das Bild eines Covid-Infizierten, den<br />
man traf, nach links, verschwindet er<br />
ganz. Wischt man es hingegen nach<br />
rechts, darf man sich erneut mit ihm<br />
treffen!<br />
Der wohltuende Undertourism wird<br />
bald zu Ende sein. Bleibt die Hoffnung<br />
auf eine sinnvolle neue Ära mit weniger<br />
Menschenmassen und weniger Kurzstreckenflügen.<br />
Müssen ja wirklich nicht 57,6<br />
Millionen Leute nach Kroatien jetten.<br />
In Spitzenzeiten befanden sich weltweit<br />
gleichzeitig bis zu20.000 Flugzeuge<br />
(im Schnitt 10.000) in der Luft –über<br />
200.000 am Tag. Positiver Kollateraleffekt<br />
des Zusammenschmelzens der<br />
Branche: Endlich wackeln überflüssige<br />
Wachstumsprojekte wie jenes der dritten<br />
Piste des Flughafens Wien-Schwechat.<br />
Zukunftsbewusste Luftfahrt benötigt<br />
dringend eine durchdachte Phase<br />
des Postwachstums („degrowth“). Hinter<br />
der kleinen Corona-Tourismuskrise lauert<br />
jadie große, weil existenzielle Klimakrise,<br />
durch die uns das Reisevergnügen<br />
gänzlich zerstört werden könnte. s<br />
VORÜBERGEHEND.<br />
LeereStrände (wie<br />
hier in SriLanka)<br />
werden nichtleer<br />
bleiben: Der Druck<br />
des Tourismus ist<br />
groß, der coronabedingteUndertourism<br />
wirdbald vorbei sein.<br />
Nichtweit vonWien entfernt, aber schon<br />
eine ordentliche Bergwertung: „Vom<br />
Buckl zum Berg“ führt die 135 Kilometerlange<br />
Radtour durch die Wiener Alpen, sprich von<br />
der Buckligen Welt in das Schneebergland.<br />
Das lässt sich in zwei Tagen mit dem E-Bike<br />
locker schaffen –und als Radreise buchen.<br />
Startpunkt ist Krumbach, und man beginnt<br />
gleich mit einem Menü im Krumbacherhof;<br />
Andreas Ottner, der Wirt und Initiator der Tour,<br />
gibt einem auch noch Tipps auf den Weg.<br />
Sechs Stunden lang geht’s den Feistritztal-<br />
Radweg entlang, zwischen Krumbach über<br />
Kirchberg nach Grünbach werden an die<br />
950Höhenmeterbewältigt. Stopps sind kulinarischer<br />
Natur, etwa beim „GrünenBaum“ in<br />
Kirchberg oder im „Zur Schubertlinde“ in<br />
Grünbach, wo die Radfahrer übernachten und<br />
die kürzere zweite Etappe (375 Höhenmeter)<br />
retour nach Krumbach vorsich wissen.<br />
Mehr Infos zuder Tour: www.wieneralpen.at/<br />
buckl-zum-berg<br />
Viel zu wenig wissen wir eigentlich über die<br />
Bewohner der Meere, und auch selten<br />
wird das Reich der Fische so beschrieben wie<br />
in dem schönen Buch der Meeresbiologin Helen<br />
Scales. Im „Auge des Schwarms“tummeln<br />
sich schillernde und geheimnisvolle Wesen<br />
vomWalhai bis zum Mikrofisch auf ozeanumspannenden<br />
Wanderwegen. Scales erschließttauchend<br />
und erzählend für den Leser<br />
unbekanntes Unterwasserterrain<br />
und fremde Lebens-,<br />
sprich Jagd- oder Tarnstrategien,<br />
die viel älter sind als<br />
der Mensch.<br />
Helen Scales: „Im Auge des<br />
Schwarms“, Folio Verlag,<br />
25 Euro.<br />
Im Buch<br />
Texte: mad; www.amanshauser.at; Weitere Kolumnen auf: DiePresse.com/amanshauser Fotos: Dinuka Liyanawatte/Reuters, Wiener Alpen/Fröhlich, Folio Verlag.<br />
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