Julius Grünewald G - Zeit Kunstverlag
Julius Grünewald G - Zeit Kunstverlag
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moden, Anrichten, Polstergarnituren, Kronleuchtern<br />
und Rundtischen auf gedrechselten Säulen an Halt und<br />
Zusammenhalt gebrechen könnte.<br />
Bilder ohne Kontext? Tatsächlich scheint aller Zusammenhang<br />
wie zerrissen. Abgetrennt vom Körper die<br />
Füße, entfernt vom Kopf das Ohr, isoliert vom guten<br />
Service die Teekanne, ohne erste und ohne letzte<br />
Stufe die Treppe in den Keller (Abb. 5). Der Frankfurter<br />
Schrank (Abb. 1), der in die Stube gehört und dort<br />
seinen unverrückbaren Platz hat, steht im Bild wie ein<br />
Ausstellungsstück auf einer Antiquitätenmesse. Und<br />
ein Laib Brot liegt nicht schnitttüchtig auf dem Brett,<br />
sondern taucht aus dem schwarzen Bild-All auf wie<br />
ein Asteroid.<br />
Abrisse<br />
Es gibt in diesem Werk kein Panorama,<br />
kein bemessenes Bild<br />
der Welt. Alles ist Ausschnitt,<br />
Abschnitt, Abriss. Auch der Blick<br />
in die scheinbar intakten Zimmer der Kindheit sind nur<br />
Schnellblicke. Hastblicke, nicht Rastblicke. Es ist nicht<br />
so, dass der Maler genüsslich verweilte in seinen Interieurs.<br />
Es ist auch nicht so, dass die behäbige Opulenz<br />
der Einrichtung, die Emblematik familiärer Wohlordnung<br />
noch einmal emphatisch aufgerufen würde. Aus<br />
dem grünen Biedermeier-Sofa, dem Rundtisch mit<br />
roter Decke, aus Vitrinenschrank, Blumentöpfen und<br />
oval gerahmter Ahnengalerie an der Wand wird kein<br />
bürgerliches Idyll. Idylle wäre natürliche oder künstliche<br />
Gefügtheit, Harmonie, Angepasstheit und Ausgeglichenheit,<br />
das Aufgehen der Teile im Ganzen. <strong>Julius</strong><br />
<strong>Grünewald</strong> fällt kein Ganzes mehr ein. Als habe einer<br />
hastig den Zettel vom Block gerissen, so wirkt die Faktur<br />
seiner Bilder immer. Die Gegenstände blitzen auf<br />
in ihm, stellen sich jählings ein, halten ihn besetzt,<br />
treiben ihn um, dass er wieder und wieder malerisch<br />
auf sie losstürmen muss.<br />
Man könnte versucht sein, im Brio, mit dem der Maler<br />
seine Interieurs und Interieur-Teile aus der mal dünn,<br />
mal pastos aufgetragenen Farbe entstehen lässt,<br />
eine Methode der Abstandswahrung zu vermuten. So<br />
als wollte er sich im ungestümen Gestus gegen die<br />
Dinge wehren, die ihn nicht loslassen. Aber es wäre<br />
die falsche Spur. So wenig der Maler die wundersam<br />
<strong>Julius</strong> <strong>Grünewald</strong><br />
unberührte Ohrenbackensessel-Seligkeit zelebriert, so<br />
wenig distanziert er sich von ihr. Nichts falscher, als in<br />
<strong>Grünewald</strong>s unendlicher „Reise durch mein Zimmer“ 6<br />
eine Art Selbsttherapie zu vermuten. Dass es unsereinem<br />
etwas ungemütlich werden kann, wenn die Teppichmuster<br />
wie Blutfäden auf dem Boden zucken und<br />
man mit gelindem Schrecken an die Prä-Ikea-Epoche<br />
denkt, als Tanten und Onkel zum Geburtstag eingeladen<br />
hatten, ist etwas ganz anderes. Vielleicht teilt der<br />
Maler unsere Phobien, wer weiß. Aber daß er von ihnen<br />
handelte, liesse sich nicht sagen. Wenn ein Fotograf<br />
wie der Düsseldorfer Thomas Ruff sich mit der Kamera<br />
bei sich zu Hause umsieht, im Elternhaus und bei<br />
Es ist nicht zuletzt die Insistenz, mit der der Maler<br />
seine Malgegenstände vorführt, die so irritiert und<br />
fasziniert in einem.«<br />
Nachbarn, wo die Nachkriegsmoderne nierenförmige<br />
und tütenlampige Designspuren hinterlassen hat, die<br />
in den frühen achtziger Jahren anmuteten, als sei das<br />
Leben gerade dabei, sich ins Museum zu verabschieden,<br />
dann ist seiner Dokumentation unübersehbar<br />
auch ein ironischer Kommentar eingeschrieben. Die<br />
Bilder von <strong>Julius</strong> <strong>Grünewald</strong> geben sich gänzlich uninteressiert<br />
an Kritik, unzuständig für Opposition, Besserwissen,<br />
Ironie.<br />
Kopfalbum<br />
Komisch ist es schon, wenn einer wieder und wieder<br />
Wildschweine en face gemalt hat, dass es aussah,<br />
als wollte er mit Bache und Keiler den Würdebestand<br />
einer hochherrschaftlichen Porträtgalerie testen. Aber<br />
die Komik war nicht Intention. Es gibt überhaupt keine<br />
Zeige-Absicht in diesem Werk. Kein Bild, das irgendein<br />
– wie auch immer geartetes – Verhältnis zu seinen<br />
Gegenständen verriete. Es war einfach so. Damals.<br />
Zu Hause. Bache und Keiler gehörten zum Jagdhaushalt<br />
des Vaters. Was soll man dafür, was kann man<br />
dagegen sagen? Sie lagen eine Kindheit, eine Jugend<br />
lang auf der Strecke und sind von dort geradewegs<br />
ins Kopf-album geraten. Wie, weiß kein Mensch. Kein<br />
Mensch weiß, wie Kopfalben entstehen. Aber der Maler<br />
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