das argument 175 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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178 Frigga Haug<br />
die Selbstverständlichkeit eines Lohnausgleichs bei Arbeitszeitverkürzung -<br />
ihn irgendwo in Frage zu stellen, eröffne die Möglichkeit seiner totalen Streichung;<br />
die Auffassung, daß Teilzeitarbeit keine beschäftigungspolitische Alternative<br />
sei; daß jede Loyalität mit den Arbeitslosen zuallererst eine mit den Gewerkschaften<br />
sein müsse - indem Lafontaine die Arbeitenden untereinander<br />
verpflichte, ermögliche er einen politischen Konflikt in der »Arbeitnehmerbewegung«.<br />
Er leiste der Opferideologie Vorschub und nähre schließlich die Illusion,<br />
daß die gegenwärtigen Probleme überhaupt »wirtschaftsfriedlich« zu lösen seien.<br />
Die Warnungen der IG-Metall zeigen Voraussicht. Seit der Veröffentlichung des<br />
Positionspapiers hat Lafontaine zusätzlich noch die weitere Flexibilisierung der<br />
Arbeitszeit und zuletzt die Wochenendarbeit als mögliche Lösungen <strong>für</strong> gegenwärtige<br />
Probleme in die politische Debatte gebracht.<br />
Das Buch: Die Gesellschaft der Zukunft<br />
Ausgangspunkt sind Gefühle von Angst und Ohnmacht - Ziel: mehr Demokratie.<br />
Diese soll erlernbar sein:<br />
»In einem diskursiven Lernprozeß müßte der einzelne die Fähigkeit erwerben, die abgegebene<br />
Verantwortung wieder zu übernehmen.« (19)<br />
Diesen Satz hätten wir als Motto unserer Empirie voranstellen können. Im Buch<br />
suchten wir zunächst nach den Themen, mit denen sich der Name Lafontaine in<br />
der öffentlichen Diskussion verbindet.<br />
Die Themen<br />
Auf diesen 272 sehr großzügig bedruckten Seiten ist von allem die Rede, was<br />
wichtig, was aktuell und was zur Zeit Mode ist. Da geht es von den Krebstoten<br />
zu denen auf der Autobahn, vom Datenhorror zum Terror, von den Müllbergen,<br />
den Chemieunfallen zur Megatechnik, von Aids zum Polit-Skandal in Schleswig<br />
Holstein über die Steuerreform zur Zinspolitik, über Gentechnologie, Kalten<br />
Krieg zum Euromarkt, zu den Frauen, Wohnungen und der neuen Innerlichkeit.<br />
Die Stichworte aus dem philosophischen und soziologischen politischen Diskurs<br />
kommen zu Wort: Dienstleistungsgesellschaft, Postmoderne, Risikogesellschaft,<br />
Zwei-Drittel-Gesellschaft, Arbeitsgesellschaft, Historikerstreit. Von Freiheit ist<br />
die Rede, von Aufklärung und Verantwortung. Es ist, als ob die Jedermannsfragen<br />
sich zusammendrängten, um von Lafontaine in neue Ordnung gebracht zu<br />
werden. Die Zeugen finden sich im Bücherschrank der Humanisten: da geht es<br />
philosophisch von Platon und Aristoteles (53), über Rousseau, Kant, Lukacs,<br />
Bloch bis Horkheimer und Günther Anders; politisch von Talleyrand über Lassalle,<br />
Bebei, Brandt und den italienischen Linksgewerkschafter Bruno Trentin<br />
bis zu Mitterrand; literarisch von Heine über Heinrich Mann, Tucholsky zu Camus.<br />
Luther tritt auf, häufig Marx, de Gaulle und Max Weber. 5 Dem Soziologen-Bestseller<br />
Beck ist eine Kapitelüberschrift gewidmet; kurz: Lafontaine weist<br />
sich aus in einer Tradition des linken Bürgertums, in der auch Marxisten wohnen<br />
können. So ist auch sein Buch an »die Linke« gerichtet, geschrieben aus der<br />
»Linken«, als die er wesentlich die Sozialdemokratie versteht, soweit sie sich den<br />
anstehenden Aufgaben stellt. Diese lassen sich bündeln zu drei Schwerpunkten:<br />
DAS ARGUMENT 17411989 ©