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das argument 175 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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196 Frigga Haug<br />

Arbeitsbegriff<br />

Unsere Gesprächsvorgabe enthielt den Begriff der »gesellschaftlichen Gesamtarbeit«.<br />

Wir verwiesen auf Arbeitsteilungen - insbesondere die zwischen den Geschlechtern<br />

- und hielten umgekehrt auf eine Weise an der Politik der Arbeitszeitverkürzung<br />

fest, als gäbe es keine anderen Arbeiten in unserer Gesellschaft<br />

als die Erwerbsarbeit. Wir stellten den Zusammenhang von Lohn und Leistung<br />

als Ferment unserer Gesellschaft zur Diskussion.<br />

Beim Nachdenken über den Vorschlag, den Arbeitsbegriff zu erweitern, be<strong>für</strong>chteten<br />

wir nicht so sehr, es könnte die Klassenlinie geschwächt, die Rolle der<br />

Erwerbsarbeit und damit der Gewerkschaften verkleinert werden, vielmehr hofften<br />

wir, daß die fesselnde Entfremdung, die der Kapitalismus in die als Lohnarbeit<br />

verrichtete gesellschaftlich nützliche Arbeit gebracht hat, aufzubrechen sei.<br />

Wir wollten an der Diskussion mitwirken, daß Arbeit einen Sinn haben müßte.<br />

Und umgekehrt, daß alle Arbeit, die gesellschaftlich nützlich ist, wesentliche,<br />

menschliche Tätigkeit ist. Ebenso wie Lafontaine sahen wir in diesem Zusammenhang<br />

die Bedeutung der Frauenfrage <strong>für</strong> die Reproduktion der gesellschaftlichen<br />

Verhältnisse, so wie sie sind. Daher vermuteten wir, daß insbesondere die<br />

Frauen in unseren Gruppen Veränderungsenergie bei diesem Thema mobilisieren<br />

würden.<br />

Beginnen wir diesmal mit den Gewerkschaftsgruppen, die hier wenig Probleme<br />

haben, ins Thema zu kommen. In der ersten Gruppe wird zunächst klar bestimmt:<br />

was den Kapitalinteressen nicht entspricht, ist natürlich gleichwohl Arbeit<br />

und sollte anerkannt werden. Der Maßstab, an dem dies gemessen wird, ist<br />

der gesellschaftliche Sinn. Dazu zählen: Arbeiten gegen <strong>das</strong> Fischsterben, gegen<br />

chemische Katastrophen, gegen die Probleme mit Atomenergie. Auch Hausarbeit<br />

anders zu gewichten, macht zunächst kein Problem, ja, dies ist vom Standpunkt<br />

der Männer geradezu ein Sprungbrett <strong>für</strong> die Absicherung weiterer Arbeitszeitverkürzung<br />

auf 30 Stunden und darunter, damit jeder an bislang bezahlter<br />

und an bislang unbezahlter Arbeit teilhaben kann. Doch scheint eine solche<br />

Position wie ein verbotener Gedanke neue Zurechtlegungen notwendig zu machen.<br />

Einer holt weit aus, vergegenwärtigt sich, die Betonung von Hausfrauen<br />

und ihrer Arbeit erinnerte an Faschismus; wir aber leben in einer Gesellschaft,<br />

in der Kapitalflucht <strong>das</strong> Erwirtschaftete nicht zugunsten derer, die es schufen,<br />

anwenden läßt. Im Gegenteil. Es folgt die bekannte Gleichung: Wachstum von<br />

Produktivität und Gewinnen bringt Wachstum an Arbeitslosigkeit, ja sogar schlechtere<br />

Arbeitsplätze. Die Strategie des Staates - die ABM-Stellen - sind, gemessen<br />

am zuvor Erörterten, »unproduktive Arbeit«. Leider wird an dieser Stelle nicht<br />

weitergedacht, sondern wie nach einem Rettungsanker abrupt auf die bekannte<br />

Losung zurückgegriffen: wir brauchen eine Sicherung vorhandener Arbeitsplätze.<br />

Anders die zweite Gewerkschaftsgruppe, in der auch Frauen mitreden. In die<br />

spontane Abwehr, Aufwertung der Hausarbeit erinnere an Geißler und solle<br />

Frauen zurück ins Haus ziehen, mischen sich sofort Zweifel: Frauen, die bereits<br />

einer Erwerbsarbeit nachgehen, sollen mehr Qualifikationen, mehr Geld bekommen,<br />

die, die zu Hause sind, ja, <strong>für</strong> sie ist diese Politik gut, sie sollen auch<br />

ein Gehalt bekommen. Es bleibt allerdings als vage Frage, ob der gesellschaft-<br />

DAS ARGUMENT 17411989 ©

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