Stahlmarkt 05-06/2020
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Handel & Service<br />
International<br />
Coronavirus verstärkt die<br />
Probleme der US-Stahlindustrie<br />
Werksschließungen wegen mangelnder Nachfrage aus dem<br />
Automobil-, Bau- und Energiesektor<br />
New York. Nachdem die US-amerikanische Stahlindustrie bereits zu Jahresbeginn rote Zahlen<br />
verkündete, drängt das Coronavirus die Branche endgültig in den Sog der Industrie-Rezession.<br />
Namhafte Produzenten des Landes fahren ihre Hochöfen herunter oder schließen ganze Werke<br />
und reagieren so auf die derzeit ausbleibende Nachfrage. Branchenverbände fordern derweil<br />
massive Investitionen in die Infrastruktur des Landes, unter deren maroden Zuständen die Industrie<br />
nicht erst seit der Corona-Krise leidet.<br />
Von unserer New Yorker Korrespondentin Brigitte Nacos<br />
In bislang keinem anderen Land hat<br />
das Coronavirus mehr Menschen<br />
infiziert und getötet als in den USA.<br />
Nachdem die Bevölkerungshochburgen<br />
an der Ost- und Westküste des<br />
Landes die ersten und am stärksten<br />
betroffenen Regionen waren, erreichte<br />
die durch das Virus ausgelöste<br />
Erkrankung Covid-19 auch die Mitte<br />
und den Süden des Landes. Mit welcher<br />
Wucht dessen Ausbreitung die<br />
hiesige Wirtschaft traf, demonstrierten<br />
die drei Automobilhersteller General<br />
Motors, Ford und Fiat/Chrysler,<br />
die in der ältesten und größten Industrieregion<br />
der USA, dem sogenannten<br />
»Rostgürtel«, ihre Werke stilllegten.<br />
Als kurz darauf die ausländischen Autokonzerne<br />
im Süden des Landes<br />
folgten, darunter Daimler-Benz und<br />
Volkswagen, war auch das Schicksal<br />
der einstigen »Big Steel«-Unternehmen<br />
besiegelt. US Steel und andere<br />
Traditionsunternehmen der Stahlindustrie<br />
fuhren schrittweise ihre Hochöfen<br />
herunter und stoppten in vielen<br />
Werken die Produktion. Denn nicht<br />
nur die Automobilindustrie, sondern<br />
auch die anderen Hauptabnehmer<br />
der Branche legten ihre Bestellungen<br />
vorerst auf Eis.<br />
Foto: Shutterstock<br />
Bis auf Weiteres geschlossen: Das US-Steel-Werk in Granite City, Illinois, steht<br />
vorerst still.<br />
Schwierige Lage schon vor<br />
Corona<br />
Die Krise, die Wirtschaftsexperten bereits<br />
als Rezession charakterisierten,<br />
erreichte den Stahlsektor zu einer Zeit,<br />
in der sich die Schutzzölle in Höhe von<br />
25 Prozent auf Importstahl aus China,<br />
der Europäischen Union und einer Reihe<br />
anderer Länder negativ auf das<br />
Preisniveau ausgewirkt hatten. Insbesondere<br />
bei den großen, integrierten<br />
Hüttenwerken – allen voran US Steel<br />
– verschlechterte sich die finanzielle<br />
Situation bereits vor dem Ausbruch<br />
des Coronavirus. Für das erste Jahresquartal<br />
und ohne den negativen Einfluss<br />
der Pandemie warnte die Unternehmensleitung<br />
bereits vor roten<br />
Zahlen. Aufgrund schwindender Aufträge,<br />
zunächst um die 20 Prozent,<br />
dann um 50 Prozent und mehr, kam<br />
es zu einem drastischen Rückgang der<br />
14 <strong>05</strong>-<strong>06</strong> | <strong>2020</strong>