Download - Quadrat Goslar/Bad Harzburg
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48 quadrat 07/2012 � hoffmanns erzählungen<br />
schluchzte, hockte ich mit Kumpels im<br />
Keller und probte Rocksongs, die wir aus<br />
dem amerikanischen Soldatensender<br />
AFN kannten. Unseren ersten Auftritt am<br />
letzten Novemberwochenende ’63 in der<br />
„Tarantel“ vom Augsburger Siedlerhof<br />
werde ich nie vergessen. 30 Minuten<br />
sollten wir spielen, doch erst nach drei<br />
Stunden ließ man uns von der Bühne, jeder<br />
um zwölf Mark reicher.“<br />
Mitte Oktober ’66 – Studio B auf dem NDR-<br />
Fernsehgelände in Hamburg-Lockstedt: Roy<br />
war mit seinem zweiten Song „Ganz in Weiß“ in<br />
den bundesdeutschen Hithimmel geschossen,<br />
Platz drei in allen Hitlisten, nur der Stones-Hit „Satisfaction“<br />
und die Byrds-Ballade „Mr. Tambourine<br />
Man“ noch vor ihm. Mit dem Sänger war ich vom<br />
„Goldenen Schuss“ mit Lou van Burg, dem „Blauen<br />
Bock“ mit Heinz Schenk, bis hin zu Mike Leckebuschs<br />
Bremer „Beat-Club“ mit Uschi Nerke<br />
ge zogen, hatte die neugierige Pressemeute gebändigt.<br />
Zweieinhalbmillionen Platten von „Ganz in<br />
Weiß“ hatten einen neuen Verkaufsrekord festgeschrieben.<br />
Jetzt hockten Roy und ich mit Chris<br />
„Pumpernickel“ Howland in der TV-Kantine zusammen,<br />
um die Ansage für die neue Black-Scheibe<br />
„Leg Dein Herz in meine Hände“ in der erfolgreichen<br />
Schlagersendung „Musik aus Studio B“<br />
abzusprechen. Inzwischen hatte sich aber noch<br />
eine Werbeschiene für die Schlagerindustrie aufgetan:<br />
sogenannte Musikfilme. Zehn Schlagerstars<br />
mit ihren neuesten Hits, dazu eine Klamottenstory<br />
und Schauspieler wie Uschi Glas, Peter Weck,<br />
Theo Lingen oder Willy Millowitsch und Titel wie<br />
„Immer Ärger mit den Paukern“ oder „Hurra, die<br />
Schule brennt“, und Millionen Kinobesucher<br />
klopften sich belus tigt auf die Schenkel. „Ich<br />
hasse diese Schwachsinns-Filme, diesen billigen<br />
Schund, in zwei Wochen runtergedreht und ohne<br />
Sinn und Verstand“, beteuerte Roy immer wieder.<br />
„Aber wo konnte ich besser mit Hits wie „Irgendjemand<br />
liebt auch Dich“, „Das Mädchen Carina“<br />
oder mit der kleinen Anita „Schön ist es auf der<br />
Welt zu sein“ an mein Pub likum kommen als mit<br />
diesen Filmen?“<br />
„du bist nicHt allein“ blieb 28 WocHen in den cHaRts und WuRde<br />
deR gRundstein füR die unglaublicHe KaRRieRe des Roy blacK.<br />
25 Jahre später – Oktober ’91: Roy Black saß mit<br />
mir auf der klobigen Holzbank vor seiner Fischerhütte<br />
nahe dem oberbayerischen Heldenstein, zwischen<br />
uns sein treuer Begleiter, der Golden Retriever<br />
„Inschalla“. Der Sänger, sonst immer gepflegt<br />
und adrett, sah grausig aus: tiefe Augenränder,<br />
schwarze Bartstoppel, Schlabberhose und fleckiger<br />
Sportbluson. Bei der freundschaftlichen Umarmung<br />
zur Begrüßung roch ich einen leichten Alkoholdunst.<br />
„Du weißt, wie sehr ich mein kleines<br />
Refugium hier liebe“, sprudelte es aus ihm heraus.<br />
„Hier kann ich all den Scheiß vergessen, die<br />
Intrigen in den Sendern, diesen täglichen Krampf<br />
um Chartplätze, die Idioten in den Plattenfirmen.<br />
Das ganze Showbusiness ist zum Kotzen. Und jetzt<br />
soll ich auch noch von hier verschwinden, weil der<br />
Bauer das Grundstück für eine Autobahntrasse<br />
verkauft hat, und meine operierte Herzklappe<br />
macht auch Probleme, aber ich hab’ keinen Bock,<br />
mich erneut unters Messer zu legen.“<br />
Bis lange nach Mitternacht diskutierte ich mit<br />
Roy, mit dem ich mich in fast drei Jahr-zehnten<br />
< Gemeinsam vor der Kamera:<br />
Roy Black und Uschi Glas.<br />
durch viele Tourneen und Stories angefreundet<br />
hatte. Wir erinnerten uns an die guten Zeiten, an<br />
die RTL-Serie „Ein Schloss am Wörthersee“, in<br />
der Roy monatelang den Hotel direktor Lenny<br />
Berger neben Klausjürgen Wussow, Pierre Brice<br />
und Uschi Glas spielte, an die Woge der Publikumgunst,<br />
die ihm ein Dutzend Goldener Bravo-Ottos<br />
und Bambis der „Bunten“ einbrachte,<br />
der immerhin mit deutschen Schlagern über 25<br />
Millionen Platten verkauft hatte zu einer Zeit, als<br />
die Blumenkinder in San Francisco entdeckten,<br />
dass es geilere Drogen gab als die Weinbrandbohnen<br />
der Eltern, und die Hippies aus der Londoner<br />
Carnabystreet die Beatles und die Stones<br />
feierten. Aber auch an den Karriereknick, als sich<br />
Roy vom Produzenten Hans Bertram trennte und<br />
es fast ein Dutzend Jahre dauerte, bis er mit „Sand<br />
in Deinen Augen“ wieder einen Mini-Hit landete.<br />
Auf der Rückfahrt nach München hatte ich ein ungutes<br />
Gefühl. Es war dieser leere, traurige Blick<br />
des Freundes, als er mich zum Auto brachte. So<br />
hilflos, so verzweifelt hatte ich ihn noch nie erlebt,<br />
nicht, als sein Vater Georg sich das Leben nahm,<br />
auch nicht, als seine erste Frau, das Gelegenheitsmodel<br />
Silke Vagts, Mutter seines Sohnes Thorsten,<br />
nach zehn Ehejahren freiwillig aus dem Leben<br />
schied.<br />
Drei Tage nach meinem Besuch in der Fischerhütte<br />
rief mich seine neue Lebensgefährtin Carmen<br />
Böhning aus dem westfälischen Herdecke an:<br />
„Roy ist tot. Ich fürchte, er wollte nicht mehr le-<br />
„icH Hasse diese scHWacHsinns-filme, diesen billigen scHund, in zWei WocHen<br />
RunteRgedReHt und oHne sinn und VeRstand“, beteueRte Roy immeR WiedeR.<br />
ben!“ Ich hatte es geahnt, machte mir Vorwürfe,<br />
dass ich nicht die Alarmglocken geläutet hatte.<br />
Über 8.000 Menschen – Familie, Freunde, Wegbegleiter<br />
aus der Musikbranche, Teams der verschieden<br />
Spielfilme und treue Fans nahmen an der<br />
Trauerfeier auf dem Friedhof von Augsburg-<br />
Göggingen teil.