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Ausgabe 27/2020

Das Magazin für Herisau und Umgebung. Erscheinungsdatum: 5. August 2020

Das Magazin für Herisau und Umgebung.
Erscheinungsdatum: 5. August 2020

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4 · Porträt <strong>27</strong>/<strong>2020</strong><br />

BEI MONDSCHEIN IM HOTPOT<br />

De Herisauer bringt in einer losen Serie Portraits<br />

über „Kreative Köpfe“. Bruno Fässler, ehemaliger<br />

Leiter Unterhalt der Gemeinde Herisau,<br />

ist frisch pensioniert und verbringt den Sommer<br />

auf der Alp seines Sohnes hoch über dem Rheintal.<br />

Ein Portrait über die ansteckende Zufriedenheit<br />

des einfachen Lebens.<br />

Mit Freude habe ich die Gelegenheit für dieses<br />

Portrait beim Schopf gepackt und mich mit meiner<br />

blauen Vespa auf den Weg zu Bruno Fässler gemacht.<br />

Nach eineinhalb Stunden Fahrt, über den<br />

Eichberg und durch das sonnige St. Galler Rheintal,<br />

erreiche ich Trübbach. Von da an wird’s schwieriger,<br />

es führt weit und breit kein Wegweiser zum Berggasthaus<br />

Gonzen, meinem Zwischenziel. Dafür mache<br />

ich Bekanntschaft mit mehreren Rheintalern<br />

und einigen Schotterpisten. Wie (genaustens!) instruiert,<br />

erkundige ich mich im besagten Berggasthaus<br />

nach einer Wirtin namens Lydia, stosse damit<br />

aber lediglich auf Kopfschütteln: «Hier gibt’s keine<br />

Lydia. Wer soll das denn sein?» Es stellt sich heraus,<br />

dass die junge Frau Luzia heisst – und mir strahlend<br />

den weiteren Weg zu Brunos «Älpli» erklärt. Zum<br />

Glück habe ich die Wanderschuhe angezogen, denn<br />

nun wird es «stotzig». Nach einer weiteren halben<br />

Stunde durch ein lauschiges Waldstück treffe ich<br />

auf dem «Älpli» ein. Zwei herzhafte Juchzer hallen<br />

mir auf den letzten Metern entgegen. Freudig empfangen<br />

werde ich nicht nur von Bernadette und<br />

Bruno Fässler, auch Alphündin Zita bellt enthusiastisch<br />

zur Begrüssung. Die beiden Grosskinder Emilia<br />

und Adrian sind hungrig – genau wie ich – und<br />

so setzen wir uns direkt vor der Haustüre auf die<br />

robuste Holzbank und frönen den Köstlichkeiten<br />

aus Bernadettes Küche: Es gibt Käserösti, gebratene<br />

Zucchetti, Spiegeleier und ein vielfältiges Salatbouquet<br />

– welch herrlicher Gaumenschmaus!<br />

Kein Pensionierungsschock<br />

Die Idylle abseits von jeglicher Zivilisation ist greifbar,<br />

die Aussicht ein Traum. Bruno hat sich hier gemeinsam<br />

mit Bernadette ein Höckli geschaffen, das<br />

seinesgleichen sucht. Der Standard ist bescheiden,<br />

das leibliche Wohl kommt aber auf keinen Fall zu<br />

kurz. Trotzdem: «Du, ich habe schon vier Kilo abgenommen!»,<br />

erzählt Bruno. «I bi fit wie en Sauchog!»<br />

(Bruno in Mundart ist übrigens viel träfer als Bruno<br />

in Hochdeutsch.) Lachend stimme ich ihm zu, das<br />

Bäuchlein ist weg. Vom ewigen Rauf und Runter<br />

ist er schon zusehends sehniger und zäher geworden<br />

– und fühlt sich offensichtlich blendend. Der<br />

Lebensraum ist draussen, es gibt immer etwas zu<br />

tun. Die Tiere wollen versorgt und das Gras gemäht<br />

werden und man schwitzt von früh bis spät<br />

«wie ein Kamel», ergänzt Bruno. «Das härtet ab<br />

und stärkt die Gesundheit», weiss Bernadette.<br />

«Mein operiertes Knie hat sich erst hier oben richtig<br />

erholt, die Muskulatur stärkt sich auf natürliche<br />

Weise.» Die Alphütte hat Bruno vor zehn Jahren saniert,<br />

sie ist ein Bijou aus Holz und Stein nach Fässler<br />

Art. Elf Helikopterflüge waren dazu nötig, der<br />

frischgebackene Pensionär ist heute noch begeistert<br />

von der Präzisionsarbeit der Piloten. Den Umbau<br />

hat er natürlich selbst angepackt: «Jä da isch<br />

gsee wie ne Puzzle, ha fascht nome chöne hööre!»<br />

Die Toilette war zuerst 165 Schritte weiter entfernt<br />

im Wald. Prustend erzählt Bruno von einem Gast,<br />

der (auf seinem nächtlichen Gang zum Naturlokus)<br />

im steilen Gelände versehentlich die Taschenlampe<br />

fallen gelassen hat ... Glücklicherweise ist das<br />

Schnee von gestern, heute verfügt die Alphütte<br />

über zweckmässige sanitäre Anlagen. Perfektion<br />

ist Brunos Markenzeichen, das war schon während<br />

seiner Arbeitstätigkeit nicht anders. Sein Job<br />

bei der Gemeinde kommt ihm aktuell jedoch vor<br />

wie aus einem anderen Leben. Immer wieder wird<br />

er gefragt, ob er ihn nicht vermisse: «Es erstaunt<br />

mich selbst, aber hier oben gibt es so viel zu tun, da<br />

habe ich gar keine Zeit, daran zu denken», stellt der<br />

63-Jährige fest. Ich verstehe ihn, diese Nähe zur Natur<br />

beinhaltet jene Qualität, die den Menschen zu<br />

erden vermag. Hier kommt die Seele zur Ruhe, der<br />

Geist wird still – auch wenn man nur zu Besuch ist.<br />

Ein Macher durch und durch<br />

Der Bauernsohn ist 1957 in Hirschberg, Appenzell,<br />

geboren und hat sich 1983 nach seiner Schreinerlehre<br />

auf ein Stelleninserat der Gemeinde Herisau<br />

beworben. «Damals musste man noch im Dorf<br />

wohnen, wenn man bei der Gemeinde arbeiten<br />

wollte. Also machte ich mich auf die Suche nach<br />

einer Bleibe für mich und meine zukünftige Frau.»<br />

Einen Tipp erhielt er vom ehemaligen Gemeindebaumeister<br />

Kurt Utz: Ein altes Bauernhaus Ufem<br />

Berg zwischen Saum und Sturzenegg war zu vermieten.<br />

«Jesses, diese uralte Hütte hättest Du sehen<br />

sollen! Kein Badezimmer, Löcher im Backofen<br />

und runtergewirtschaftet, das konnte ich meiner<br />

Bernadette doch nicht zumuten!» Lösungsorientiert,<br />

wie auch ich ihn kenne, habe er daraufhin<br />

zwanzig Liter Farbe organisiert und in Windeseile<br />

alles weiss gespritzt – natürlich ohne das Wissen<br />

seiner Zukünftigen. Die Blitzrenovation führte<br />

zum gewünschten Ziel und die beiden wurden in<br />

Herisau ansässig. Nach Zwischenaufenthalten an<br />

der Gossauerstrasse – mitten im lärmigen Dorf,<br />

Für die Entspannung nach der Arbeit – der Hotpot wird vorbereitet.<br />

Hier im Älpli fühlt sich Fässler wohl.<br />

wo Fässlers passionierte Chüngelzucht nicht erwünscht<br />

war – zog es die naturverbundenen Eheleute<br />

schnell wieder zurück aufs Land. Im Chalchofen<br />

konnte der leidenschaftliche Handwerker<br />

sich und seiner Familie schliesslich den Traum vom<br />

Eigenheim verwirklichen. Ich hatte beruflich selbst<br />

viele Schnittstellen mit Bruno: Seine Geschicklichkeit<br />

und sein Ideenreichtum waren ein Geschenk<br />

für die Kinderbetreuung Herisau. «Goht nüd, gets<br />

nüd» – dieser Mann ist ein findiger Geist und liebt<br />

es, individuelle Lösungen zu zaubern. In den Betreuungsräumen<br />

der Kinderbetreuung finden sich<br />

daher Garderoben, Wickelablagen, Zahnbürstelihalter,<br />

Fetzlihaken und Absperrgitter – alles Eigenmarke<br />

Fässler. Nach 37 Jahren bei der Gemeinde

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