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HUK 328 Juni 2020

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Das Hamburger<br />

Straßenmagazin<br />

Seit 1993<br />

N O <strong>328</strong><br />

<strong>Juni</strong>.20<br />

2,20 Euro<br />

Davon 1,10 Euro für<br />

unsere Verkäufer*innen<br />

Danke,<br />

Hamburg!<br />

Gemeinsam mit Ihnen<br />

wuppen wir die Krise.


HAMBURGER NEBENSCHAUPLÄTZE<br />

DER ETWAS ANDERE<br />

HAMBURGER<br />

STADTRUNDGANG<br />

Chris und Harald zeigen normalerweise fast jeden Tag Orte, die in<br />

keinem Reiseführer stehen: Bahnhofsmission statt Rathausmarkt,<br />

Drogenberatungsstelle statt Alsterpavillon. Sie lieben diese Aufgabe.<br />

Nun müssen sie leider wegen Corona pausieren. Aber bald sind sie<br />

hoffentlich wieder da! Wenn die Lockerungen es erlauben, mit einer<br />

echten Gruppe. Oder digital.<br />

Anmeldung und weitere Infos unter<br />

www.hinzundkunzt.de oder<br />

Telefon 040/32 10 83 11.


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Inhalt<br />

Gut aufgenommen:<br />

Im Bedpark in der Schanze<br />

haben wir viele Obdachlose<br />

untergebracht, damit<br />

sie sich vor Ansteckung<br />

mit dem Corona virus<br />

schützen können.<br />

Möglich war das nur<br />

durch eine Großspende.<br />

Überwältigende Solidarität und ein Entschluss<br />

Endlich sehen wir uns wieder! Die zweieinhalb Monate seit<br />

unserem Shutdown waren ganz schön lang und aufwühlend.<br />

Wir haben ja einen Tag nach der Rede von Angela Merkel, am<br />

19. März, beschlossen, den Straßenverkauf vorläufig einzustellen.<br />

Schließlich gehören die meisten Hinz&Künztler*innen zur<br />

Risikogruppe. Die Auszeit brauchten wir, um uns zu überlegen,<br />

wie wir die Verkäufer*innen an ihrem Platz so gut schützen<br />

können, dass sich alle wohlfühlen – und dass das wieder<br />

möglich ist, was immer unser Markenzeichen war: Austausch<br />

und Kontakt (Seite 6).<br />

Wenn Sie, liebe Hamburgerinnen und Hamburger, nicht<br />

gewesen wären, dann würden wir die Krise längst nicht so<br />

gut meistern: Sie haben uns Masken genäht, Lunchpakete<br />

gepackt, Plakate entworfen und gut sichtbar platziert und<br />

damit für unser Magazin geworben, das im April und Mai<br />

nur online zu lesen war. Sie haben mehr Geld in unseren<br />

Corona-Fonds gespendet, als wir uns je hätten träumen<br />

lassen, damit wir den Hinz&Künztler*innen eine Überlebenshilfe<br />

auszahlen können (Seite 38). Und Sie haben uns<br />

Geld gespendet, damit wir Obdachlose im Hotel unterbringen<br />

können (Seite 10). Wir sind überwältigt von Ihrer Solidarität.<br />

Was wir mit Ihnen erleben, ist mehr wert als jeder Lottogewinn.<br />

Und es macht Mut für unsere Arbeit.<br />

Ich muss auch gestehen: Hinz&Kunzt in so guten<br />

Händen zu wissen, macht es mir leichter, nach 27 Jahren das<br />

Projekt zu verlassen: Denn Ende des Jahres werde ich in Rente<br />

gehen. Wir fangen jetzt an, eine Nachfolgerin oder einen<br />

Nachfolger zu suchen (Seite 25). Ich bin schon gespannt,<br />

wie es weitergeht.<br />

Ihre Birgit Müller Chefredakteurin<br />

(Schreiben Sie uns doch an info@hinzundkunzt.de)<br />

TITELBILD UND FOTO OBEN: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

Inhalt<br />

Bedroht: Die Sternbrücke soll abgerissen werden – und mit ihr<br />

auch Clubs wie die Astra Stube. Es regt sich aber Protest (S. 18).<br />

Stadtgespräch<br />

Wandern in Hamburg<br />

04 Gut&Schön<br />

06 Wir sind wieder da! Hinz&Kunzt ist<br />

zurück auf der Straße<br />

Danke, Hamburg!<br />

16 Zahlen des Monats: Laptops und<br />

Tablets für Schüler*innen<br />

18 Abriss für mehr Autos – oder ist die<br />

Sternbrücke noch zu retten? Wie es mit<br />

dem Bauwerk weitergeht<br />

26 Koalition: SPD und Grüne verhandeln<br />

über Containern und Schwarzfahren<br />

30 Gegen den Coronakoller: Wo man in<br />

und um Hamburg grüne Wildnis findet<br />

10 Wie bei Freunden: Obdachlose finden<br />

Schutz im Hotel<br />

38 Wie Hamburger*innen uns durch die<br />

Coronakrise helfen<br />

44 Gabriele Koch aus dem Spendenmarketing<br />

hat viel zu tun – zum Glück!<br />

Eine Pionierin:<br />

Suzi Quatro wird<br />

70. Sie war die erste<br />

Leaderin einer<br />

Rockband (S. 48).<br />

Kunzt&Kult<br />

48 Hart im Nehmen: Die Musikerin<br />

Suzi Quatro wird 70<br />

52 Tipps für den <strong>Juni</strong><br />

56 Hamburger Geschichte(n)<br />

58 Momentaufnahme<br />

Rubriken<br />

14, 29 Kolumnen<br />

27, 28 Meldungen<br />

46 Leser*innenbriefe<br />

57 Rätsel, Impressum<br />

Wir unterstützen Hinz&Kunzt. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk


Kinder und Corona<br />

Kreativ und plietsch<br />

Corona macht erfinderisch! Jedenfalls die Kinder<br />

unseres Fotografen Dmitrij Leltschuk. In Planten<br />

un Blomen haben sie kurzerhand einen Plastikhandschuh<br />

zu einem Luftballon umfunktioniert.<br />

Das ist auch besser, als die Handschuhe stundenlang<br />

an den Händen zu haben, denn davon raten<br />

Expert*innen dringend ab. Also macht Corona<br />

Dmitrijs Kids auch noch plietsch! BELA<br />

•<br />

Mehr Fotos von Dmitrij: www. leltschuk.com


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Gut&Schön<br />

Briefe an Senior*innen<br />

Zeilen<br />

voller Hoffnung<br />

Katrin Kell organisiert gute<br />

Nachrichten für Senior*innen.<br />

FOTOS: DMITRIJ LELTSC<strong>HUK</strong> (S. 4 UND OBEN), DANIELA SCHERBRING (LINKS UNTEN),<br />

MAURICIO BUSTAMANTE (RECHTS UNTEN), DIAKONISCHES WERK HAMBURG<br />

Made auf Veddel<br />

Masken für Europa<br />

„In der Krise muss Europa zusammenhalten“, findet<br />

die Designerin Sibilla Pavenstedt. Ihr Label „Made<br />

auf Veddel“ setzt dafür Zeichen: Nesrin (Foto) und<br />

ihre Kolleg*innen fertigen Masken im Europalook,<br />

bedruckt oder handbestickt. Der Erlös wird an Institutionen<br />

gespendet, die sich für von Corona Betrof fene<br />

engagieren – auch an Hinz&Kunzt. LEU<br />

•<br />

Infos: www.care-for.eu<br />

Kulturbeutel für Helden<br />

Diese Kulturbeutel machen ihrem<br />

Namen alle Ehre! Downloadlinks zu<br />

Filmen, Gutscheine fürs Altonaer<br />

Museum, Liederabend-Tickets und<br />

vieles mehr – all das fanden<br />

Mitarbeiter*innen des AK Altona in<br />

den Taschen, die ihnen von den<br />

Organisator*innen der Altonale<br />

überreicht wurden. Sie seien, so<br />

Stadtteilfest-Geschäftsführerin Heike<br />

Gronholz, „ein sehr herzlicher Dank<br />

für ihren in diesen Zeiten unglaublich<br />

wertvollen Einsatz“. Die Altonale<br />

findet <strong>2020</strong> digital statt. JOC<br />

•<br />

Corona im Museum<br />

Eines Tages wird Corona Geschichte<br />

sein. Dafür sammelt das Museum<br />

für Hamburgische Geschichte schon<br />

heute Objekte, die dokumentieren,<br />

wie die Krise Hamburg verändert.<br />

Beispiel: das Schloss des Elbschlosskellers.<br />

Als die 24/7-Kneipe wegen<br />

Corona erstmals seit 70 Jahren zumachen<br />

musste, ging das gar nicht.<br />

Der Schlüssel war weg. Nun hat die<br />

zur Hilfseinrichtung umfunktionierte<br />

Kneipe ein neues Schloss – und<br />

das alte liegt im Museum. ATW<br />

•<br />

Angebote an: soenke.knopp@mhg.shmh.de<br />

„Wir kennen euch nicht und<br />

werden euch nie treffen, aber<br />

ihr habt uns ein Lächeln in unser<br />

Gesicht gezaubert.“ Mit<br />

solch innigen Worten bedanken<br />

sich derzeit nicht nur die<br />

Senior*innen aus dem „Walter<br />

Rumond Haus“ in Altona bei<br />

all jenen, die ihnen in dieser<br />

einsamen Coronazeit einen<br />

„Hoffnungsbrief“ geschrieben<br />

haben.<br />

Das Ganze geht ganz einfach:<br />

Wer mag, verfasst einen<br />

Brief an eine*n unbekannte*n<br />

Bewohner*in eines Hamburger<br />

Diakonie-Altenpflegeheims<br />

und erzählt darin möglichst<br />

persönlich von sich<br />

selbst. Die Briefe werden auf<br />

die insgesamt 43 Einrichtungen<br />

verteilt und dort gemeinsam<br />

mit den Pflegekräften gelesen<br />

und diskutiert.<br />

Vom Erfolg dieser Aktion,<br />

die noch bis mindestens Ende<br />

<strong>Juni</strong> andauern soll, sind die<br />

Initiator*innen schon jetzt begeistert:<br />

Mehr als 4000 Briefe<br />

konnten sie bereits unter 5200<br />

Senior*innen verteilen. „Sie<br />

sind zum Teil wunderschön<br />

gestaltet und anrührend“,<br />

freut sich Katrin Kell von der<br />

Diakonie Hamburg. Wer noch<br />

mitmachen will, schickt einen<br />

Brief an: Diakonie-Stiftung<br />

MitMenschlichkeit, „Hoffnungsbrief“,<br />

Königstraße 54,<br />

22767 Hamburg. Der herzliche<br />

Dank der Senior*innen ist<br />

Ihnen gewiss! JOC •<br />

Infos: www.huklink.de/hoffnungsbrief<br />

5


Endlich<br />

wieder da!


Stadtgespräch<br />

Nach dem Shutdown freuen sich die Hinz&Künztler*innen<br />

auf den Neustart. Aber ein bisschen mulmig ist ihnen schon.<br />

Sie werden Hilfe brauchen – von Hinz&Kunzt, aber auch von<br />

den Mitarbeiter*innen der Geschäfte, bei denen sie stehen.<br />

Stellvertretend für alle haben wir Thomas zu „seinem“ Edeka-<br />

Markt in Altona begleitet.<br />

TEXT: BIRGIT MÜLLER<br />

FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

Thomas hat im Dezember bei<br />

Hinz&Kunzt angefangen. Der<br />

Magazinverkauf gefällt ihm,<br />

vor allem die Kontakte zu den<br />

Kund*innen. Derzeit lebt der<br />

ehemalige Drogenkranke in<br />

einer Notübernachtung.<br />

D<br />

a steht er wieder, wenn<br />

auch nur fürs Foto. Mehr<br />

als zwei Monate ist es her,<br />

dass Thomas zum letzten<br />

Mal hier war, an seinem Verkaufsplatz<br />

bei Edeka in der Harkortstraße in Altona.<br />

Etwas mulmig ist dem 43-Jährigen<br />

zumute. Werden ihn seine Kund*innen<br />

überhaupt wiedererkennen, wenn er<br />

mit der <strong>Juni</strong>ausgabe vor ihnen steht?<br />

Denn der Hinz&Künztler wird coronabedingt<br />

etwas anders aussehen als vorher.<br />

Von Vertriebschef Christian Hagen<br />

hat er einen Mundschutz und eine Art<br />

Visier bekommen. Den Mundschutz<br />

braucht er, wenn er mal in den Laden<br />

geht, das Visier schützt ihn, wenn er<br />

draußen an seinem Platz verkauft.<br />

Aber wird sein Platz überhaupt<br />

noch sein Platz sein? Das will er heute<br />

erfragen. „Da, wo ich vorher stand, direkt<br />

am Eingang, wird’s wohl nicht<br />

mehr gehen“, befürchtet Thomas. „Ich<br />

will ja niemandem im Weg sein.“<br />

Thomas ist einer von rund 600<br />

Hinz&Künztler*innen, die ab dem 27.<br />

Mai wieder auf ihre Stammplätze zurückkehren<br />

werden. Und Thomas wird<br />

mit Sicherheit nicht der Einzige sein,<br />

der etwas Bammel hat.<br />

Aber zum Glück werden er und<br />

viele andere Hinz&Künztler*innen unterstützt.<br />

Von „ihren“ Marktleitern.<br />

Benjamin Hirche ist es auch, der Thomas<br />

in Sachen Verkaufsplatz berät. Hirche<br />

ist sogar der Meinung, dass er genau<br />

dahin zurückkommen kann, wo er<br />

immer war. „Da standen in den vergangenen<br />

Wochen auch die Sicherheitsleute“,<br />

sagt der 39-Jährige. „Wenn du dich<br />

7


Visier<br />

Diese Art Visier haben uns die<br />

MoinMakers (siehe Seite 38)<br />

gespendet. Ein toller Spuckschutz –<br />

und man kann sich gut sehen und<br />

miteinander sprechen.<br />

Ist vermutlich auf Dauer bequemer<br />

als eine Stoffmaske.<br />

Mundschutz<br />

Den Mundschutz braucht man in<br />

Geschäften sowie in Bus und Bahn.<br />

Zum Verkaufsstart bekommen<br />

die Hinz&Künztler*innen gespendete<br />

und selbstgenähte Masken.<br />

Gewaschen werden sie<br />

bei Hinz&Kunzt.<br />

Verkaufsausweis<br />

Hat mit Corona nichts zu tun, soll aber<br />

immer gut sichtbar getragen werden.


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

da anwurzelst, müssen die anderen<br />

eben um dich herumgehen, da ist genügend<br />

Platz!“<br />

Offensichtlich freut sich der Edeka-<br />

Chef, dass Thomas wieder da ist. Dabei<br />

kennen sich die beiden noch nicht lange:<br />

Hirche eröffnete seinen Laden erst<br />

im Oktober 2019 und Thomas fing im<br />

Dezember an. „Aber wo immer ich<br />

meine Lebensmittel verkauft habe –<br />

überall habe ich mit Hinz&Kunzt zusammengearbeitet“,<br />

sagt der Einzelhandelskaufmann.<br />

„Deswegen ist es für<br />

mich völlig normal, dass jemand vor<br />

der Tür steht und seinen Lebensunterhalt<br />

mit dem Magazinverkauf verdient.<br />

Das gehört einfach mit dazu.“<br />

Eine echte Win-win-Situation könne<br />

das sogar sein: „Wenn man solche<br />

Leute hat wie Thomas, dann ist das<br />

auch eine Kundenbindung, die man betreibt“,<br />

sagt Benjamin Hirche. „Er bindet<br />

seine Kunden, und die kommen immer<br />

wieder hierher, um ihn zu sehen,<br />

und gehen dann eventuell auch zu uns<br />

rein – und umgekehrt.“<br />

Thomas ist sichtlich erleichtert,<br />

dass er einen so guten Neustart bei „seinem“<br />

Marktleiter hat. Die vergangenen<br />

Wochen waren nicht gerade leicht für<br />

ihn. Corona hat ihm ganz schön zugesetzt.<br />

Denn er gehört wie die meisten<br />

Hinz&Künztler*innen zur Risikogruppe.<br />

Jahrelang war er drogenabhängig.<br />

Jetzt wird er mit Tabletten substituiert.<br />

„So habe ich nicht mehr das Bedürfnis,<br />

Drogen zu nehmen“, erklärt er. „Und<br />

„SO FÜHLE<br />

ICH MICH<br />

SICHERER.“<br />

ich habe durch die Tabletten auch keine<br />

Schmerzen.“ Er kifft „nur“ noch.<br />

Für ihn ein echter Fortschritt. „Ich bin<br />

auf einem guten Weg“, findet er selbst.<br />

Der Kontakt zu den Kund*innen helfe<br />

ihm. „Da weiß ich, warum ich morgens<br />

überhaupt aufstehen soll.“ Bis dann<br />

Corona kam. Da bekam er Angst. Um<br />

sich und um andere. Er ging nur noch<br />

Die Verbindung zwischen Einzelhandel und Hinz&Kunzt kann eine<br />

Win-win-Situation sein, findet Edeka-Chef Benjamin Hirche (links),<br />

daneben Thomas und Christian Hagen aus dem Hinz&Kunzt-Vertrieb.<br />

selten an seinen Verkaufsplatz. Trotzdem<br />

war es für ihn ein herber Schlag,<br />

als er hörte, dass Hinz&Kunzt vorübergehend<br />

schließt und man keine Magazine<br />

mehr kaufen kann. „Ich will nicht sagen,<br />

dass eine Welt zusammenbrach,<br />

aber irgendwie …“ Denn zu dem Zeitpunkt,<br />

als wir schlossen, wussten wir ja<br />

auch noch nicht, wie und wann es weitergehen<br />

würde. „Ich dachte schon, ich<br />

müsste wieder betteln“, sagt Thomas.<br />

„Und das wollte ich eigentlich auf keinen<br />

Fall.“ Zum Glück konnten wir unseren<br />

Verkäufer*innen eine Überlebenshilfe<br />

auszahlen (siehe Seite 38). Aber<br />

das war zu Beginn des Shutdowns noch<br />

nicht abzusehen.<br />

Doch auf die Hamburger*innen ist<br />

Verlass: Sie haben so viel für unseren<br />

Corona-Fonds gespendet, dass Thomas<br />

und die anderen Hinz&Künztler*innen<br />

im April und Mai insgesamt 490 Euro<br />

bekamen. Aber obwohl er die Finanzspritze<br />

dringend benötigt: „Es geht ja<br />

nicht nur ums Geld. Ich vermisse die<br />

vielen Kontakte und Gespräche“, sagt<br />

Thomas. Zum Glück wird es die bald<br />

wieder geben.<br />

Damit niemand Angst haben muss,<br />

sich oder andere anzustecken, arbeitet<br />

der Hinz&Kunzt-Vertrieb schon an<br />

weiteren Schutzmaßnahmen. Neben<br />

den Masken und Visieren werden die<br />

Verkäufer*innen mit Desinfektionsmittel<br />

ausgestattet. Und mit Magazinhaltern,<br />

aus denen sich die Kund*innen<br />

das Heft selbst herausnehmen können.<br />

Stichwort: kontaktloser Verkauf.<br />

Thomas hat inzwischen Maske und<br />

Visier getestet. „So fühle ich mich selbst<br />

sicherer“, sagt er. Er kann also kommen,<br />

der Tag der Tage, der erste Verkaufstag<br />

nach dem Shutdown. Thomas ist gewappnet.<br />

Und Filialleiter Benjamin Hirche<br />

ist sowieso sicher: Seine Kundinnen<br />

und Kunden warten längst auf Thomas.<br />

„Sie haben in den letzten Wochen oft<br />

nach ihm gefragt.“ •<br />

Kontakt: birgit.müller@hinzundkunzt.de<br />

Endlich wieder da:<br />

Wir erklären Thomas,<br />

wie er mit Schutzausrüstung<br />

kontaktlos<br />

verkaufen kann.<br />

Nutzen Sie den QR-<br />

Code oder den Link:<br />

www.huklink.de/<strong>328</strong>-verkaufsstart<br />

9


10


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Danke, Hamburg!<br />

„Urlaub von<br />

der Straße“<br />

150 Obdachlose leben derzeit in Hotels – bezahlt<br />

von der Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH.<br />

Wir haben einige von ihnen besucht. Begegnungen mit<br />

den Hotelgästen und ihren Sozialarbeiter*innen.<br />

TEXT: LUKAS GILBERT, JONAS FÜLLNER<br />

FOTOS: ANDREAS HORNOFF<br />

Was ich mir wünsche?“<br />

Volker greift in seine Jackentasche,<br />

zückt ein<br />

Exemplar der Allgemeinen<br />

Erklärung der Menschenrechte<br />

und kommt auf Artikel 25 zu sprechen,<br />

der auch das Recht auf eine Wohnung<br />

regelt: „Dass wir danach behandelt<br />

werden. Das wünsche ich mir.“<br />

Der Wunsch des Obdachlosen hat<br />

sich erfüllt. Der 64-Jährige lebt in einem<br />

Hotel in Ottensen – wenn auch<br />

nur übergangsweise. „Urlaub von der<br />

Straße“, nennt Volker das augenzwinkernd.<br />

Ermöglicht hat ihm seinen „Urlaub“<br />

die großzügige Spende der<br />

Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH<br />

an Hinz&Kunzt und Alimaus. Seit Mitte<br />

April sind zahlreiche soziale Träger<br />

zusammengerückt und haben insgesamt<br />

rund 150 Obdachlose in Hotelzimmern<br />

in ganz Hamburg untergebracht<br />

– als Schutzmaßnahme vor der<br />

Coronapandemie (siehe Seite 15).<br />

Dass Obdachlose plötzlich ein Zimmer<br />

für sich alleine haben, so was gab<br />

es noch nicht. Wer von der Straße wegwill,<br />

den führt es in Hamburg direkt ins<br />

Pik As oder Winternotprogramm.<br />

Notunterkünfte mit Mehrbettzimmern<br />

und Gemeinschaftsduschen und<br />

-toiletten: Ein wirksamer Infektionsschutz<br />

kann so nicht gewährleistet werden,<br />

kritisierten Hinz&Kunzt und die<br />

kirchlichen Wohlfahrtsverbände bereits<br />

im März.<br />

Im Hotel hingegen ist Hygiene und<br />

Abstandhalten möglich. Zudem wird<br />

das ungewöhnliche Hilfsprojekt gleich<br />

von mehreren Sozialarbeiter*innen begleitet.<br />

Zu ihnen gehören die beiden<br />

Straßensozialarbeiter Johan Graßhoff<br />

(Diakonie) und Julien Thiele (Caritas),<br />

Jonas Gengnagel von Hinz&Kunzt und<br />

Sozialarbeiterin Anke Beceral vom<br />

JesusCenter musste sofort an Volker denken,<br />

als sie vom Hotelprojekt hörte. Auch im Hotel<br />

bleibt sie seine Ansprechpartnerin.


Danke, Hamburg!<br />

Anke Beceral. Die 36-Jährige leitet das<br />

Café Augenblicke des Jesus Centers in<br />

der Sternschanze. Über sie ist Volker im<br />

Hotel untergekommen: „Als ich von<br />

der Möglichkeit gehört habe, musste<br />

ich sofort an ihn denken.“ Der Winter<br />

hatte dem 64-Jährigen mit dem langen<br />

Artur genießt die Zeit im<br />

Hotel. Erholung bedeutet für<br />

ihn aber auch, dass er mit<br />

anderen Obdachlosen den<br />

Garten im Bedpark schön<br />

gestaltet. Fast jeden Tag<br />

besucht Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter<br />

Jonas Gengnagel<br />

die Hotelgäste.<br />

grauen Bart schon stark zugesetzt:<br />

„Meine Batterien waren ziemlich alle“,<br />

sagt Volker. „Von daher ist es gut, dass<br />

ich mich hier wieder regenerieren kann<br />

und zu Kräften komme.“ In seinem<br />

Hotelzimmer in Ottensen kann Volker<br />

seinen Tag nun ganz nach seinen Vor-<br />

12<br />

stellungen gestalten. Und das Beste am<br />

Hotel? „Den ersten Kaffee am Morgen<br />

kann ich mir direkt in meinem Zimmer<br />

machen“, erzählt Volker glücklich.<br />

Frischen Kaffee, den gibt es im mybed<br />

in Bergedorf in jedem Zimmertrakt<br />

aus dem Vollautomaten – und zwar<br />

rund um die Uhr. Hotelbesitzer Michael<br />

Funk verdient sein Geld mit Übernachtungen,<br />

nebenbei vertreibt er aber<br />

auch in Hamburg gerösteten Espresso.<br />

Für die Gäste in seinem „Low-Budget-<br />

Hotel“ gibt es den sogar kostenlos. „Mir<br />

gefällt hier aber nicht nur der Kaffee“,<br />

sagt Jan und muss ein bisschen schmunzeln.<br />

Der 42-Jährige lebt mit wenigen<br />

Unterbrechungen seit rund zehn Jahren<br />

auf der Straße. Dass ihn Sozialarbeiter<br />

Johan Graßhoff jetzt in einem Dreisternehotel<br />

mit Zugang zur Dove-Elbe untergebracht<br />

hat, ist für ihn ein Lottogewinn.<br />

Das Bett, so bequem, dass viel<br />

Kaffee nötig ist, um ihn aus den Federn<br />

zu holen. Und dann das Kissen: „Wie<br />

ein Orgasmus“, sagt Jan und läuft ein<br />

wenig rot an.<br />

Den Komfort bei zugleich günstigen<br />

Preisen nutzen sonst eher Monteure,<br />

aber natürlich auch Tourist*innen<br />

und Reisegruppen, erzählt Michael<br />

Funk. Der my-bed-Betreiber ist Geschäftsmann<br />

mit dem Herz am rechten<br />

Fleck. „Wir sind ein Multikulti-Team<br />

und mir ist egal, woher jemand<br />

kommt“, sagt Funk, der bereits in der<br />

Migrationskrise 2015 seine Zimmer für<br />

unbegleitete minderjährige Geflüchtete<br />

zur Verfügung stellte.<br />

Den Menschen eine neue Chance<br />

bieten, das gehört für den 49-Jährigen<br />

dazu. So ist es wohl kein Zufall, dass einer<br />

der sonst obdachlosen Bewohner<br />

bereits als Praktikant in Funks Handwerksbetrieb<br />

anpackt. „Wenn alles gut<br />

geht, kann er ab <strong>Juni</strong> fest bei uns anfangen“,<br />

sagt Funk, und man nimmt ihm<br />

ab, dass er diese Aussage ernst meint.<br />

Jan hingegen muss nach vielen Jahren<br />

auf der Straße erst einmal Kräfte<br />

sammeln. Vielleicht kann er sogar über<br />

das Ende des Hilfsprogramms hinaus<br />

bleiben. Sozialarbeiter Johan Graßhoff<br />

hat ihn unter seine Fittiche genommen.


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Danke, Hamburg!<br />

Der erste Schritt: Anträge stellen. Zumindest<br />

für die Phase der Coronapandemie<br />

sollte das Jobcenter die Kosten<br />

der Unterkunft übernehmen, fordert<br />

Graßhoff. „Die Menschen brauchen<br />

jetzt einfach noch mehr Hilfe.“<br />

„Meine Batterien<br />

waren ziemlich<br />

alle“, sagt Volker.<br />

Dass er vorerst weg von der Straße ist,<br />

das hätte sich Jan Anfang April in seinen<br />

kühnsten Träumen nicht vorstellen<br />

können. Nachts schlief er vor einem<br />

Kaufhaus. Tagsüber bettelte der<br />

Hinz&Künztler verzweifelt in der Innenstadt<br />

um ein paar Euro. „Das war<br />

eine Katastrophe“, erinnert sich Jan.<br />

„Früher kamste ja noch über die Runden,<br />

aber jetzt? Der Erste bekommt<br />

was, der Zweite vielleicht. Aber der<br />

Dritte?“ Die Innenstadt sei in diesen<br />

Zeiten voller Obdachloser gewesen, die<br />

die wenigen Passant*innen vergeblich<br />

um ein paar Euro anschnorrten.<br />

Dass sich für Jan jetzt wieder eine<br />

Perspektive öffnet, sei ein Erfolg der<br />

Hotelunterbringung, sagt Johan Graßhoff.<br />

Gerade einmal drei, vier Obdachlose<br />

hatte der Straßensozialarbeiter im<br />

vergangenen Jahr in eine Wohnung begleitet.<br />

Jetzt hingegen konnte er zusammen<br />

mit Julien Thiele innerhalb von<br />

vier Wochen etwa 80 Obdachlose im<br />

Hotel einquartieren. „Und das ist ja nur<br />

ein Anfang“, pflichtet ihm sein Kollege<br />

Thiele bei, der ebenfalls im my-bed in<br />

Bergedorf einige der Obdachlosen<br />

betreut. Viele hätten leider schlechte<br />

Erfahrungen in den Notunterkünften<br />

gemacht. Sie meiden daher das Winternotprogramm<br />

mit seinen Mehrbettzimmern,<br />

die morgens geräumt werden<br />

müssen und die man nicht abschließen<br />

kann. „Die Frage, die uns am häufigsten<br />

gestellt wurde, war: ‚Wann müssen<br />

wir morgens raus?‘“, erzählt Thiele.<br />

Jan ist nach vielen Jahren<br />

auf der Straße sehr geschwächt.<br />

In den ersten Tagen im Hotel<br />

kann ihn selbst der gute Kaffee<br />

kaum aus den Federn locken.<br />

13<br />

Die Obdachlosen hätten völlig ungläubig<br />

reagiert, wenn er ihnen als Antwort<br />

einen Zimmerschlüssel in die Hand<br />

drückte.<br />

Auch für Volker waren das Winternotprogramm<br />

oder andere städtische<br />

Unterbringungen bereits seit Jahren<br />

keine Option: „Ich brauche mein eigenes<br />

Zimmer, aber da stelle ich keine<br />

Ausnahme dar. Jedem Menschen sollte<br />

die Möglichkeit eines eigenen Raums<br />

zur Verfügung gestellt werden.“<br />

Die Sozialbehörde will Obdachlose<br />

nicht in Hotels unterbringen. Die Betreuung<br />

durch Sozialarbeiter*innen sei<br />

dort nicht so einfach zu gewährleisten<br />

wie in den bestehenden Großunterkünften,<br />

ist die Befürchtung. Sozialarbeiterin<br />

Anke Beceral kann bei den Argumenten<br />

der Behörde nur den Kopf<br />

schütteln: „Die Erfahrungen, die wir<br />

gerade machen, zeigen doch, dass viel,<br />

viel mehr möglich ist, als man immer so<br />

denkt.“ Deshalb hat sie auch die Hoffnung<br />

nicht aufgegeben, dass noch etwas<br />

Positives entsteht aus der momentanen<br />

Situation: „Ich hoffe auf neue Unterbringungsmöglichkeiten<br />

und eine veränderte<br />

Sichtweise darauf, was möglich<br />

ist. Das wäre schön.“<br />

Auch Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter<br />

Jonas Gengnagel hat wenig Verständnis<br />

für die Argumentation der Behörde. Er<br />

ist für die Unterbringung von Obdachlosen<br />

im Hotel Bedpark im Schanzenviertel<br />

zuständig: „Natürlich ist es<br />

wichtig, dass die Menschen im Hotel<br />

eine Ansprechperson haben, aber das<br />

muss ja nicht zwingend heißen, dass alle<br />

Menschen ständig eine Sozialberatung<br />

brauchen.“ Zunächst einmal sei<br />

es viel nötiger, dass die Menschen Gelegenheit<br />

haben, zur Ruhe zu kommen:<br />

„In den ersten zwei, drei Tagen<br />

haben sich viele in ihr Zimmer verkrochen<br />

und einfach geschlafen und sich<br />

erholt“, erinnert sich Jonas Gengnagel.<br />

„Nach ein paar Tagen kamen sie frisch


Die Straßensozialarbeiter<br />

Julien Thiele (links) von der<br />

Caritas und Johan<br />

Graßhoff von der Diakonie<br />

genießen es, endlich mal<br />

Zimmer anbieten zu<br />

können.<br />

geduscht raus und sahen wesentlich entspannter<br />

aus als vorher. Das war sehr<br />

schön zu beobachten.“<br />

Das Hotelbett<br />

wirkt wie ein<br />

Türöffner.<br />

Einer, der bereits richtig regeneriert<br />

wirkt, ist Bedpark-Gast Artur. „Durch<br />

die Ruhe hier habe ich es endlich geschafft,<br />

mir Gedanken darüber zu machen,<br />

was ich eigentlich will. Ich habe<br />

einen Antrag beim Jobcenter gestellt,<br />

und als Nächstes möchte ich wieder arbeiten“,<br />

erzählt er.<br />

Die Erholung merkt man auch den<br />

anderen Obdachlosen im Bedpark an.<br />

Gemeinsam bringen sie den verwilderten<br />

Garten im Hinterhof auf Vordermann<br />

– es war ihre Idee. Die Betreiber<br />

vom Bedpark freut das. Hier kommt<br />

Sozialarbeiter Jonas Gengnagel regelmäßig<br />

zur Sprechstunde vorbei: „Immer<br />

gegen 14 Uhr, wenn auch das Essen<br />

ausgegeben wird. Dann ist das<br />

meiste Leben im Hinterhof. Da finden<br />

auch die vielen kleinen, informellen<br />

Gespräche statt.“<br />

Spricht man mit Gengnagel, Graßhoff,<br />

Thiele oder Beceral, spürt man<br />

eine gewisse Euphorie. Seit Jahren<br />

standen Sozialarbeiter*innen vor dem<br />

Problem, dass sie ihren Klient*innen<br />

kaum noch Angebote unterbreiten<br />

konnten. Wohnungen sind rar, echte<br />

Perspektiven daher in weiter Ferne und<br />

viele Obdachlose erhofften sich nur<br />

wenig von der Sozialarbeit. Das Hotelbett<br />

wirkt da wie ein Türöffner.<br />

Das beflügelt. 27 Kilometer mit<br />

dem Fahrrad haben Johan Graßhoff<br />

und Julien Thiele in den Beinen, als<br />

sie das my bed in Bergedorf erreichen.<br />

Daniel und Anja sind baff. „Das wäre<br />

mir viel zu anstrengend“, sagt der<br />

Hinz&Künztler und lacht. Das obdachlose<br />

Pärchen mit Hund hat den ganzen<br />

Winter auf der Straße verbracht. Zusammen<br />

ein Dach über dem Kopf zu<br />

finden, grenzt fast an ein Wunder. Pärchenzimmer<br />

sind Mangelware. Seltener<br />

gibt es nur noch Zimmer für Obdachlose<br />

mit Hunden. Die einzige Option:<br />

den Hund im Tierheim abgeben. Für<br />

14<br />

Funk unvorstellbar. „Ich bin Hundebesitzer“,<br />

sagt der Hotelbetreiber, der<br />

deshalb kein Problem mit Hunden in<br />

seinen Häusern hat. „Ich könnte meinen<br />

Hund auch niemals abgeben.“<br />

Natürlich ist allen Obdachlosen<br />

klar, dass wohl noch viele Monate vergehen<br />

werden, bis wieder so etwas wie<br />

Normalität herrscht. Johan Graßhoff<br />

mahnt deswegen zu mehr Weitsicht.<br />

„Der beste Pandemieplan wäre in<br />

meinen Augen, wenn man die Obdachlosigkeit<br />

beseitigt. Die Menschen brauchen<br />

jetzt Hilfe, wie wir sie ihnen<br />

bieten“, sagt er. „Aber auf lange Sicht<br />

hilft nur eine Wohnung.“ •<br />

Kontakt: redaktion@hinzundkunzt.de<br />

Reinhören ins Hotel:<br />

Mehr über das Hotelprojekt<br />

erfahren Sie<br />

in unserem Podcast.<br />

Scannen Sie den<br />

QR-Code oder folgen<br />

Sie diesem Link:<br />

www.huklink.de/<strong>328</strong>-hotels


Nach drei Monaten<br />

Hotelprojekt<br />

geht zu Ende<br />

Unser Hotelprojekt geht dem Ende entgegen.<br />

Leider. Drei Monate lang haben Alimaus,<br />

Diakonie und wir rund 150 Obdachlose in<br />

Hotels untergebracht – dank einer Großspende<br />

der Zigarettenfabrik Reemtsma. Wir<br />

von Hinz&Kunzt haben 50 Menschen einquartiert:<br />

im Bedpark und in Monteurszimmern.<br />

Aufgenommen wurden hauptsächlich<br />

Obdachlose, die sich eine Unterbringung im<br />

Winternotprogramm – mit vielen anderen<br />

Menschen und in Mehrbettzimmern – nicht<br />

zutrauen.<br />

Durch die Spende hatten wir die Gelegenheit,<br />

das zu tun, was wir immer und besonders<br />

zu Coronazeiten von der Behörde gefordert<br />

haben: Obdachlosen, wenn sie es wollten, Einzelzimmer<br />

anzubieten. Und bislang – toi, toi,<br />

toi – haben wir nur gute Erfahrungen gemacht.<br />

Binnen kurzer Zeit haben sich die meisten<br />

sichtlich erholt. Sie fühlten sich willkommen<br />

und hatten vor Ort Ansprechpartner*innen.<br />

Sie konnten sich richtig ausschlafen und hatten<br />

Privatsphäre. Sie bekamen sogar eine warme<br />

Mahlzeit am Tag und eine Lunchtüte. Und sie<br />

bekamen Besuch von den Sozialarbeiter*innen,<br />

die sie von der Straße und von Hinz&Kunzt<br />

kennen.<br />

Viele von ihnen haben neue Energie getankt.<br />

Das geht sogar so weit, dass sich einige<br />

wieder stark genug fühlen, den Lebenskampf<br />

aufzunehmen: Hartz IV zu beantragen, auch<br />

wenn sie negative Erfahrungen mit Ämtern gemacht<br />

haben. Eine Unterkunft oder Wohnung<br />

zu suchen, auch wenn sie wissen, dass es lange<br />

dauern kann, bis sie etwas bekommen. Sich ihrer<br />

Sucht zu stellen, auch wenn das Schmerzen<br />

bedeutet und Durchhaltevermögen braucht.<br />

Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer<br />

findet es allerdings wichtig, klarzumachen:<br />

„Wir haben die Obdachlosen aufgenommen,<br />

ohne irgendeine Anforderung an sie zu<br />

stellen. Wenn sie jetzt weitere Schritte gehen,<br />

dann tun sie das, weil sie etwas zur Ruhe gekommen<br />

sind. Und jeder Schritt bedeutet einen<br />

großen Kraftakt. Respekt!“<br />

Gerne würden wir das Hotelprojekt weiterführen.<br />

Aber das Geld ist Ende <strong>Juni</strong> aufgebraucht.<br />

Und noch ist keine weitere Großspende<br />

in Sicht. „Aber wir bleiben dran an den<br />

Menschen“, sagt Stephan Karrenbauer. Vom<br />

neuen Senat erhofft sich Hinz&Kunzt, dass er<br />

die Einzelunterbringung auf die Agenda setzt:<br />

„Auch da bleiben wir dran.“ BIM<br />

•<br />

Mieterhöhungsmurks?<br />

Unser Rat zählt.<br />

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Hinz&Kunzt bietet obdachlosen Menschen Halt. Eine Art Anker<br />

für diejenigen, deren Leben aus dem Ruder gelaufen ist. Möchten<br />

Sie uns dabei unterstützen und gleichzeitig den Menschen, die<br />

bei Hinz&Kunzt Heimat und Arbeit gefunden haben, helfen? Dann<br />

hinterlassen Sie etwas Bleibendes – berücksichtigen Sie uns<br />

in Ihrem Testament! Als Testamentsspender wird Ihr Name auf<br />

Wunsch auf unserem Gedenk-Anker in der Hafencity graviert. Ein<br />

maritimes Symbol für den Halt, den Sie den sozial Benachteiligten<br />

mit Ihrer Spende geben.


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Zahlen des Monats<br />

Schule in Zeiten von Corona<br />

Computer für alle?!<br />

60.000<br />

bis 80.000 Notebooks und Tablets will der Hamburger Senat in den kommenden Monaten<br />

kaufen, damit Schulen sie an Kinder verleihen können. „Wir hoffen, nach den Sommerferien größere<br />

Zahlen von Endgeräten ausliefern zu können“, so der Sprecher der Schulbehörde Peter Albrecht.<br />

Zudem sollen die Schulen bald Prepaidkarten ausgeben, wenn es Kindern an WLAN für<br />

digitalen Unterricht von zu Hause aus mangelt. In Hamburg gibt es rund 200.000 Schüler*innen.<br />

Möglich wird der Modernisierungsschub durch einen Beschluss der Großen Koalition im Bund:<br />

Jedes Kind aus einem einkommensschwachen Haushalt solle 150 Euro Zuschuss erhalten,<br />

um einen Computer für digitalen Unterricht in Zeiten von Corona kaufen zu können,<br />

verkündeten Union und SPD Ende April. Dieses Geld wird aber nicht an Eltern ausgezahlt, sondern<br />

an die Länder, erklärte Behördensprecher Albrecht. Und: Hamburg werde auf die 12,5 Millionen Euro<br />

des Bundes eigenes Geld drauflegen. „So können qualitativ bessere Geräte gekauft werden,<br />

durch den Verleih ist die Wartung durch uns sichergestellt.“<br />

Bislang sind Leihgeräte an Hamburger Schulen eine Seltenheit. Dass Chancengleichheit auch<br />

deshalb oft ein hehres Ziel bleibt, weiß Hülya Melic von der Elternkammer Hamburg zu berichten:<br />

„Schulbildung hat viel mit dem finanziellen Status der Eltern zu tun.“ Die Coronakrise verschärfe die<br />

Ungleichheit (siehe auch Seite 29). Denn manche Kinder, so die Elternvertreterin, kommen mit digital<br />

übermittelten Aufgaben nicht zurecht oder scheitern an fehlenden Voraussetzungen zu Hause: „Wer ein<br />

eigenes Laptop hat, hohes Datenvolumen und Eltern, die Ahnung haben, hat es jetzt viel leichter.“<br />

Dabei ist schon lange genug Geld da, um Computer für alle Kinder anzuschaffen: Seit einem<br />

Jahr warten 5,5 Milliarden Euro aus dem sogenannten Digitalpakt von Bund und Ländern darauf,<br />

ausgegeben zu werden. Doch die Beantragungs- und Bewilligungsprozesse sind kompliziert und<br />

langwierig: Erst 150 Millionen Euro haben die Bundesländer abgerufen – rund 3 Prozent der<br />

bereitgestellten Mittel. Immerhin: Mit 48 Millionen Euro liegt Hamburg hier im Ländervergleich vorne.<br />

Bis die neuen Leihgeräte in den Schulen ankommen, will die Elternkammer Hamburg mit der<br />

Kampagne „Gutes Geben“ verhindern, dass benachteiligte Kinder digital abgehängt werden:<br />

Sie bittet darum, Laptops, Tablets, Smartphones, Drucker und Router zu spenden. •<br />

TEXT: ULRICH JONAS<br />

ILLUSTRATION: ESTHER CZAYA<br />

Mehr Infos im Internet unter www.elternkammer-hamburg.de und www.tacheles-sozialhilfe.de<br />

17


Die kultige Sternbrücke in Altona soll abgerissen und durch einen<br />

gigantischen Neubau ersetzt werden. Bislang läuft fast alles schief:<br />

Es gab keine Bürger*innenbeteiligung und der Denkmalschutz wird<br />

aufgegeben – alles nur für den Autoverkehr, glauben Kritiker*innen.<br />

TEXT: BENJAMIN LAUFER<br />

FOTOS: DMITRIJ LELTSC<strong>HUK</strong>


Kultbrücke mitten in Altona:<br />

Jan Delay setzte ihr 2009<br />

auf dem Cover seines<br />

Albums „Wir Kinder vom<br />

Bahnhof Soul“ ein Denkmal,<br />

Fatih Akin drehte hier im<br />

gleichen Jahr Szenen von<br />

„Soul Kitchen“, viele fühlen<br />

sich bei ihrem Anblick an<br />

New York City erinnert.


Manche nehmen es mit Humor: Als der Entwurf für den Neubau<br />

(rechts) bekannt wurde, sammelte der Denkmalverein absurde<br />

Alternativentwürfe für die überdimensionierten Pläne. Alles ist dabei:<br />

der Todesstern aus Star Wars, die Londoner Tower Bridge oder ein<br />

gigantisches Brathähnchen. Aus Sicht der Kritiker*innen nicht<br />

weniger grotesk als die echten Pläne.


Der echte Entwurf: 18 Meter höher als bislang.<br />

So sieht die neue Sternbrücke aus, wenn es nach<br />

dem Willen von Bahn und Verkehrsbehörde geht.<br />

23<br />

FOTO: DB NETZ AG / VÖSSING INGENIEURGESELLSCHAFT MBH


W<br />

er unter der Sternbrücke<br />

steht und sich umschaut,<br />

kann ein heruntergekommenes<br />

Stahlgerüst<br />

sehen, zwischen dessen Stützen sich<br />

mühsam Autos, Busse und Fahrräder<br />

hindurchquetschen müssen. Man kann<br />

aber auch dort stehen und ins Schwärmen<br />

geraten über dieses „Meisterwerk<br />

der Ingenieurbaukunst“ und die „wunderbaren<br />

Unterbaukonstruktionen“. So<br />

wie Kristina Sassenscheidt: „Das ist die<br />

Ästhetik, die man sonst am Chilehaus<br />

findet und die ruft: ‚Hey, ich bin aus<br />

den 1920ern!‘“, sagt die Vorsitzende<br />

des Denkmalvereins. „Davon abgesehen<br />

gibt es nicht viele Stadträume in<br />

Hamburg, die so viel Seele haben.“<br />

Dass die denkmalgeschützte Brücke<br />

und mit ihr zahlreiche Gebäude im<br />

Umfeld abgerissen und durch einen gigantischen<br />

Neubau ersetzt werden sollen,<br />

bringt sie entsprechend auf die Palme.<br />

Auch die Initiative Sternbrücke, in<br />

der sich viele Anwohner*innen organisiert<br />

haben, protestiert. Denn Mitte April<br />

stellten Senat und Bahn die Öffentlichkeit<br />

vor vollendete Tatsachen und<br />

präsentierten ihre ganz eigene Vorstellung<br />

von der Zukunft der Sternbrücke,<br />

21 Meter hoch statt bisher 2,80. „Ich<br />

wusste nicht, ob ich lachen oder weinen<br />

soll“, sagt Sassenscheidt. „Der Entwurf<br />

ist völlig überdimensioniert und passt<br />

überhaupt nicht in das kleinteilige<br />

Stadtbild von Altona-Nord.“<br />

Eine Beteiligung von Parlamenten<br />

und Öffentlichkeit gab es bislang nicht,<br />

was auch die honorige Architektenkammer<br />

„angesichts der Tragweite der Entscheidungen<br />

und der Bedeutung des<br />

Projekts nicht akzeptabel“ findet. Innerhalb<br />

des Senats war die Entscheidung<br />

umstritten: Die Stadtentwicklungsbehörde<br />

ließ Alternativentwürfe<br />

prüfen, die Kulturbehörde wollte den<br />

Denkmalschutz verteidigen. Doch am<br />

Ende setzte sich die Verkehrsbehörde<br />

durch. Denn die Dimension des Entwurfs<br />

geht vor allem auf ihre Vorgabe<br />

zurück: 26,50 Meter breit soll der Verkehrsraum<br />

unter der Brücke werden,<br />

ohne störende Stützen.<br />

Und damit wurde aus der Diskussion<br />

über das Bauwerk auch eine darüber,<br />

wie eine zukunftsfähige Verkehrsplanung<br />

aussieht. Immerhin ist die<br />

Kreuzung ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt:<br />

Rund 50.000 Fahrzeuge passieren<br />

sie täglich auf der Straße, 900<br />

24<br />

Personenzüge fahren darüber hinweg.<br />

Fragt sich also, ob es überragendes Interesse<br />

am Brückenkoloss gibt, das alles<br />

andere überwiegt. Die Verkehrsbehörde<br />

versucht, ihn als Maßnahme der<br />

Radverkehrsförderung zu präsentieren.<br />

„Dass die Brückenpfeiler von der<br />

Straße verschwinden werden, verschafft<br />

dem Fuß- und Radverkehr endlich genug<br />

Platz in diesem Bereich“, argumentiert<br />

Sprecher Christian Füldner gegenüber<br />

Hinz&Kunzt. „Das wird sicher<br />

mehr Radfahrende anziehen.“ Mit<br />

einer Zunahme des Autoverkehrs rechne<br />

man in der Behörde hingegen nicht.<br />

Erst nach dem Hinweis auf ein<br />

Gutachten des Senats revidiert die Behörde<br />

diese Einschätzung. Das kam<br />

nämlich schon 2019 zu dem Schluss,<br />

dass der Verkehr in Altona wegen zahlreicher<br />

Bauprojekte künftig stark zunehmen<br />

wird. Und als die Behörde die<br />

Pläne der Öffentlichkeit vorstellte, zeigte<br />

sie einen Entwurf mit einer möglichen<br />

künftigen Straßenaufteilung – auf<br />

dem vor allem Autos mehr Platz bekommen<br />

würden. Deswegen kaufen<br />

auch die Altonaer Grünen der Verkehrsbehörde<br />

die Argumentation nicht<br />

ab. „Man braucht nicht so viel mehr


Stadtgespräch<br />

„Dieser Ort ist für viele Hamburger identitätsstiftend und hat<br />

mehr Liebe verdient“, findet Axel Bühler von der Initiative Sternbrücke,<br />

hier unter der Brücke mit Kristina Sassenscheidt (links)<br />

und Sonja Nielbock von der Anwohner*inneninitiative.<br />

Unsere Verkäufer und Verkäuferinnen sind aus Hamburg<br />

nicht mehr wegzudenken.<br />

Wir bauen Brücken zwischen Menschen und leisten seit mehr<br />

als 25 Jahren Lobbyarbeit für Hamburgs Obdachlose. Unsere<br />

Gesellschafter sind das Diakonische Werk Hamburg und die<br />

Patriotische Gesellschaft von 1765.<br />

Für unser Monatsmagazin, die Sondermagazine und unseren<br />

Auftritt in unterschiedlichen sozialen Medien suchen wir zum<br />

15. November <strong>2020</strong> eine<br />

Chefredaktion (m/w/d)<br />

Wir freuen uns auf<br />

eine kommunikative, kreative Persönlichkeit, die umfangreiche<br />

journalistische Kenntnisse und Crossmedia-Erfahrungen hat und<br />

unser Zeitungsprojekt mit einer sozialpolitischen und strategischen<br />

Denkweise in das neue Medienzeitalter führt. Wir legen Wert auf<br />

einen kooperativen Führungsstil, Offenheit, Transparenz und eine<br />

überdurchschnittliche soziale Kompetenz.<br />

Zum Aufgabenbereich<br />

gehören die Führung der Redaktion und gemeinsam mit der<br />

Geschäftsführung die Außenvertretung des Projekts.<br />

Sie erwartet<br />

ein stabiles und sozial erfolgreiches Projekt, ein heterogenes<br />

und motiviertes Team sowie eine spannende Herausforderung.<br />

Bezahlt werden Sie in Anlehnung an AVR-EKD.<br />

Bewerbungen bis zum 30. <strong>Juni</strong> <strong>2020</strong> an die<br />

Hinz&Kunzt gGmbH, z. Hd.: Jörn Sturm,<br />

joern.sturm@hinzundkunzt.de, Altstädter Twiete 1 - 5,<br />

20095 Hamburg.<br />

Weitere Infos unter www.hinzundkunzt.de<br />

oder vom Herausgeber Dirk Ahrens, ahrens@diakonie-hamburg.de<br />

Platz für den Rad verkehr“, sagt ihr verkehrspolitischer<br />

Sprecher Holger Süllberg. „Da geht es um Flächen für den<br />

Kraftverkehr.“ Mit einem Antrag in der Bezirksversammlung<br />

wollen sie daher versuchen, den Brückenneubau mit<br />

Maßnahmen zur Verkehrsreduzierung zu verknüpfen.<br />

Und dann sind da auch noch die Clubs in den Kasematten<br />

unter der Brücke wie Fundbureau, Waagenbau<br />

und Astrastube, die einem Abriss der Brücke zum Opfer<br />

fallen würden – und für die es auch noch keine Zukunftsperspektive<br />

gibt. Von der Bahn fühle man sich bei der<br />

Suche nach alternativen Standorten gut unterstützt, vom<br />

Bezirksamt Altona hingegen nicht, heißt es vom Waagenbau.<br />

„Ich finde, dass Clubs da hingehören“, entgegnete<br />

Bezirksamtsleiterin Stefanie von Berg (Grüne) bei einer<br />

Informationsveranstaltung im April dem Vorwurf und<br />

bekräftigte, bei der Suche nach neuen Orten behilflich<br />

sein zu wollen: „Ich war auch nicht immer 55, das ist auch<br />

für mich ein Teil meiner Geschichte.“<br />

Irgendwie hängen an der alten Sternbrücke also viele<br />

Emotionen. Ob sie noch zu retten sein wird? „Wir haben<br />

geringe Chancen, den Abriss zu verhindern, wenn selbst<br />

die Kulturbehörde die historische Brücke aufgibt“, räumt<br />

Sassenscheidt ein. Mit der Initiative Sternbrücke will sie<br />

deswegen ebenso wie die Altonaer Grünen wenigstens<br />

erreichen, dass eine kleinere Brücke gebaut wird. Die<br />

Hoffnung gilt den Koalitionsverhandlungen: Würde eine<br />

vielleicht grün geführte Verkehrsbehörde anders handeln?<br />

Bis Redaktionsschluss stand das noch nicht fest. •<br />

Kontakt: benjamin.laufer@hinzundkunzt.de<br />

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www.hinzundkunzt.de/newsletter-anmeldung<br />

Randnotizen<br />

DER WÖCHENTLICHE NEWSLETTER VON<br />

25


Katharina Fegebank<br />

(Grüne) und Peter<br />

Tschentscher (SPD)<br />

wollen die Verhandlungen<br />

mit ihren<br />

Fraktionen bis<br />

zur Sommerpause<br />

abschließen.<br />

Straflos containern?<br />

Die neue Koalition aus SPD und Grünen in der Hamburgischen<br />

Bürgerschaft will sich dafür einsetzen, dass Containern keine Straftat mehr<br />

ist. Schwarzfahren soll jedoch eine bleiben – was vor allem Arme betrifft.<br />

TEXT: LUKAS GILBERT<br />

FOTOS: AXEL HEIMKEN / DPA<br />

Wer in Deutschland aussortierte<br />

Lebensmittel<br />

aus Müllcontainern von<br />

Supermärkten fischt,<br />

macht sich strafbar – und wird entsprechend<br />

verfolgt. Bei den laufenden Koalitionsverhandlungen<br />

haben sich SPD<br />

und Grüne darauf geeinigt, sich für die<br />

Entkriminalisierung des sogenannten<br />

Containerns starkzumachen. Der Vorschlag<br />

ist nicht neu: Schon im vergangenen<br />

Jahr hatte sich Justizsenator Till<br />

Steffen (Grüne) bei der Justizministerkonferenz<br />

für eine entsprechende Strafrechtsreform<br />

eingesetzt – allerdings<br />

erfolglos.<br />

Mit der Einigung im Rücken<br />

wird die Justizbehörde nun nochmals<br />

versuchen, eine bundesweite Regelung<br />

durchzusetzen. Die Idee: Staatsanwaltschaften<br />

sollen Container-Verfahren<br />

einheitlich wegen Geringfügigkeit<br />

einstellen. Bereits nach der Schlappe<br />

26<br />

bei der letztjährigen Justizministerkonferenz<br />

hatte Hamburg den Bundesländern<br />

einen Vorschlag zukommen<br />

lassen, die „Richtlinien für das Strafverfahren<br />

und das Bußgeldverfahren“,<br />

die als bundesweite Orientierung für<br />

Staatsanwaltschaften dienen, zu ergänzen,<br />

wie ein Sprecher der Justizbehörde<br />

gegenüber Hinz&Kunzt erläutert und<br />

versichert: „Die Justizbehörde wird<br />

dieses Anliegen weiterhin mit Nachdruck<br />

verfolgen.“ Eine Entscheidung<br />

über den Vorschlag steht noch aus.<br />

Nichts ändern soll sich nach Ansicht<br />

der Koalitionäre in spe daran, dass<br />

Schwarzfahren eine Straftat ist. Die<br />

Grünen hätten sich auch hier gern für<br />

eine Abstufung zur Ordnungswidrigkeit<br />

eingesetzt – auch um die Justiz zu entlasten.<br />

Innensenator Andy Grote (SPD)<br />

machte im Anschluss an die Gespräche<br />

aber klar: „Beim Schwarzfahren wird<br />

sich nichts verändern.“ Besonders betroffen<br />

von dieser Regelung sind Arme:<br />

Können sie eine verhängte Strafe<br />

wegen „Erschleichens von Leistungen“<br />

nicht bezahlen, müssen sie eine Ersatzfreiheitsstrafe<br />

absitzen.<br />

Kritik an der Übereinkunft kam<br />

von der Hamburger Linksfraktion: Deren<br />

justizpolitische Sprecherin Cansu<br />

Özdemir bezeichnete die Einigung als<br />

peinlich. „Gerade jetzt, wo wegen des<br />

Coronalockdowns viele Menschen das<br />

Einkommen nicht mehr haben, um sich<br />

die teuren Fahrkarten des HVV zu kaufen,<br />

ist das nichts anderes als ein grünes<br />

Bekenntnis zur Kriminalisierung von<br />

Armut.“<br />

Was SPD und Grüne zur Bekämpfung<br />

von Obdachlosigkeit vereinbart<br />

haben, stand bei Redaktionsschluss<br />

noch nicht fest: Die Verhandlungsrunde<br />

zu Sozialem wurde verschoben. •<br />

Kontakt: lukas.gilbert@hinzundkunzt.de


Stadtgespräch<br />

Meldungen<br />

Politik & Soziales<br />

Engagement mit<br />

Herz für Hamburg<br />

Parlamente lehnen Oppositionsanträge ab<br />

Kein Coronazuschlag für Arme<br />

Die Forderung nach einem Zuschuss für Bedürftige in Zeiten<br />

der Pandemie hat in der Hamburgischen Bürgerschaft, im<br />

Bundestag und auch im Bundesrat keine Mehrheit gefunden.<br />

In Hamburg hatten die Linken 150 Euro Soforthilfe pro<br />

Monat für Menschen mit geringem Einkommen gefordert.<br />

Doch SPD, Grüne, CDU und AfD lehnten den Antrag ab.<br />

Auch im Bundestag fand ein ähnlicher Antrag keine Mehrheit.<br />

Dort hatten auch die Grünen 100 Zuschlag für Arme<br />

gefordert. Im Bundesrat wurde eine vergleichbare Initiative<br />

der Länder Berlin, Thüringen und Bremen zur Beratung in<br />

die Fachausschüsse überwiesen. UJO<br />

•<br />

Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie<br />

Bund plant schärfere Regeln<br />

Dumpinglöhne, miese Arbeitsbedingungen und beengte<br />

Unterkünfte in der Fleischindustrie sind nach zahlreichen<br />

Corona-Ausbrüchen erneut in der Kritik. Bundesarbeitsminister<br />

Hubertus Heil (SPD) plant schärfere Regeln für<br />

die Branche. Dort würden Strukturen geschaffen, „um<br />

Löhne zu drücken und Verantwortung abzuwälzen“, kritisierte<br />

Heil. Sein Gesetzentwurf lag bei Redaktionsschluss<br />

jedoch noch nicht vor. Die Gewerkschaft NGG forderte<br />

angesichts der Corona-Ausbrüche schärfere Kontrollen der<br />

Arbeits- und Wohnbedingungen. Auch müsse die Vergabe<br />

von Werkverträgen begrenzt werden. So solle es „Fleischkonzernen<br />

unmöglich gemacht werden, Kernaufgaben wie<br />

das Schlachten und Zerlegen von Tieren an billige und<br />

teilweise dubiose Fremdfirmen auszulagern“. Die Grünen<br />

forderten „einen Mindestpreis für tierische Produkte“, um<br />

Dumpingwettbewerbe zu stoppen. Gewerkschaften kritisieren<br />

die Verhältnisse in der Fleischindustrie seit Jahren,<br />

immer wieder gibt es Klagen über schlechte Arbeitsbedingungen<br />

und beengte Unterkünfte. Auch nach einer<br />

Selbstverpflichtung der Branche im Jahr 2015 änderte<br />

sich daran bislang wenig. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie<br />

mahnte angesichts der Debatte, „den Blick auch auf<br />

Betroffene in anderen Branchen zu richten“. Auf sogenannten<br />

Arbeiterstrichen, in Hotels und Gaststätten sowie<br />

in der Saisonarbeit und Landwirtschaft seien „Menschen<br />

unter teils skandalösen<br />

Bedingungen und<br />

Mehr Infos und Nachrichten unter:<br />

zu Niedrigstlöhnen<br />

www.hinzundkunzt.de<br />

beschäftigt“. UJO<br />

•<br />

27<br />

„Unsere Fluggäste am Hamburg Airport –<br />

immer mehr machen mit bei Spende Dein Pfand.“<br />

Klaus Peterstorfer, Hinz&Kunzt-Leergutbeauftragter<br />

am Hamburg Airport<br />

Wir machen gern<br />

gemeinsame Sache:<br />

Für „Spende Dein Pfand“<br />

kooperiert Hamburg Airport<br />

mit Hinz & Kunzt und Der<br />

Grüne Punkt – Duales System<br />

Deutschland GmbH (DSD).<br />

Vom Pfandgeld finanziert<br />

Hinz & Kunzt vier Arbeitsplätze<br />

am Flughafen Hamburg.<br />

SPENDE<br />

DEIN<br />

PFAND<br />

www.hamburg-airport.de


Stadtgespräch<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>328</strong>/JUNI <strong>2020</strong><br />

Meldungen<br />

Politik & Soziales<br />

In einem Kurzfilm zeigt Filmemacher<br />

Leve Kühl das Leben<br />

Obdachloser in der Pandemie:<br />

www.huklink.de/coronafilm<br />

Tötung in Rothenburgsort<br />

Polizei verhaftet Obdachlosen<br />

Die Polizei hat Anfang Mai einen<br />

36-Jährigen festgenommen, der am<br />

Ostersamstag in Rothenburgsort den<br />

Obdachlosen Mariusz getötet haben<br />

soll. Laut Polizei soll auch der Tatverdächtige<br />

obdachlos sein, die beiden<br />

hatten sich demnach zuvor gemeinsam<br />

im Notunterbringungsprogramm<br />

(siehe links) aufgehalten. Über das Motiv<br />

ist bislang nichts bekannt: Der Beschuldigte<br />

hat sich laut Staatsanwaltschaft<br />

noch nicht geäußert. BELA<br />

•<br />

Was die Stadt während der Pandemie für Obdachlose tut<br />

Jede*r hat jetzt Anspruch auf ein Bett<br />

Als Corona Hamburg Ende März mit ganzer Wucht erreichte, brach das Hilfesystem<br />

für Obdachlose plötzlich zusammen (ausführlich dazu: H&K 326 und 327;<br />

www.hinzundkunzt.de). Mittlerweile sind die meisten Angebote wieder verfügbar<br />

und wurden teilweise sogar ausgeweitet. Was bislang Winternotprogramm hieß,<br />

wurde ab April zum Notunterbringungs- und Versorgungsprogramm (NUVP).<br />

Die Standorte sind dieselben: zwei Großunterkünfte mit Mehrbettzimmern in<br />

Hammerbrook und Lokstedt. In beiden Unterkünften werde laut Sozialbehörde<br />

auf eine „lockere Belegung“ geachtet. Das heißt: in der Regel zwei, maximal drei<br />

Menschen pro Zimmer. Außerdem wurden die Öffnungszeiten verlängert – die<br />

Menschen müssen die Unterkünfte aber zwischen 11 und 15 Uhr verlassen.<br />

Die „Wärmestube“ – ein Raum ohne Betten, in den vor allem Obdachlose aus<br />

Osteuropa verwiesen werden, wenn sie im Herkunftsland eine Bleibe haben sollen<br />

– gibt es im NUVP nicht mehr. Im vergangenen Winter wurden noch etwa 250<br />

Menschen aus den Notunterkünften dorthin geschickt. Stattdessen hat nun jede*r<br />

Anspruch auf ein Bett. 439 Menschen haben die beiden Notunterkünfte zuletzt<br />

genutzt. Auch ohne Papiere haben die Obdachlosen dort Anspruch auf medizinische<br />

Betreuung und Coronatests. Die meisten ehrenamtlich betriebenen Wohncontainer<br />

mit Einzelzimmern auf dem Gelände von Kirchen und Hochschulen<br />

bleiben ebenfalls geöffnet. Zusätzlich wurden Unterkünfte für obdachlose Frauen<br />

und für von Obdachlosigkeit bedrohte Sexarbeiter*innen geschaffen. In einer<br />

Jugendherberge an der Horner Rennbahn können außerdem bis zu 60 Wohnungslose<br />

aus den Folgeunterkünften untergebracht und betreut werden, die sich<br />

mit dem Virus infiziert haben. Insgesamt haben zuletzt mehr als 600 Menschen<br />

das NUVP genutzt, das bis mindestens Ende Juli laufen soll. Von CDU- und<br />

Linksfraktion kommt aber Kritik: Sie befürchten größere Corona-Ausbrüche<br />

in den Gemeinschaftsunterkünften. Ein Antrag der Linksfraktion auf eine Hotelunterbringung<br />

von Obdachlosen wurde jedoch abgelehnt. LG<br />

•<br />

Nach Kündigung<br />

Harburg Huus bangt um<br />

seine Zukunft<br />

Nachdem der Harburger Obdachlosenunterkunft<br />

Harburg Huus der<br />

Mietvertrag zum 15. April 2021 gekündigt<br />

wurde, ist ihr Fortbestand in<br />

Gefahr. Die angebotene Alternativfläche<br />

sei zu klein, so DRK-Vorstand<br />

Harald Krüger. Außerdem finanziere<br />

sich die Einrichtung über Spenden:<br />

„Es gibt keine Garantie, dass wir für<br />

einen erneuten Umbau genug Gelder<br />

einwerben können.“ JOF<br />

•<br />

Trotz Reanimation<br />

Obdachloser stirbt in Klinik<br />

Ein gerade mal 32 Jahre alter Obdachloser<br />

ist Mitte Mai im Krankenhaus<br />

verstorben. Passanten hatten ihn<br />

gegen 18 Uhr leblos am ZOB unweit<br />

des Hauptbahnhofs entdeckt. Die zu<br />

Hilfe gerufene Polizei konnte den<br />

jungen Mann zwar zunächst reanimieren.<br />

Ein Rettungswagen brachte<br />

ihn anschließend ins Krankenhaus,<br />

wo er allerdings noch am Abend<br />

starb. Eine Obduktion soll jetzt die<br />

Todesursache ermitteln. Fremdverschulden<br />

könne jedoch ausgeschlossen<br />

werden, sagte ein Polizeisprecher<br />

gegenüber Hinz&Kunzt. JOF<br />

•<br />

FOTO: SCREENSHOT „DIE FLUCHT“ VON LEVE KÜHL, PRIVAT (S. 29)<br />

28


Stadtgespräch<br />

Sisters Network<br />

Homeschooling in der<br />

Flüchtlingsunterkunft<br />

Diakonie-Kritik<br />

Abschiebungen problematisch<br />

Felix Wienecke, Abschiebebeobachter der Diakonie, hat zwischen<br />

März 2019 und Februar dieses Jahres 124 Abschiebungen<br />

vom Hamburger Flughafen aus dokumentiert. 20 davon<br />

stufte er als „besonders problematisch“ ein. Das entspricht 16<br />

Prozent. „Wir müssen leider feststellen, dass Hamburg nach<br />

wie vor Menschen mit schwersten Erkrankungen abschiebt“,<br />

beklagt Dirk Hauer, Leiter des Fachbereichs Armut und Existenzsicherung<br />

bei der Diakonie. Auch werde bei den Abschiebungen<br />

die psychische Belastung für Kinder zu wenig<br />

berücksichtigt. Die Innenbehörde wollte den Bericht gegenüber<br />

Hinz&Kunzt nicht bewerten. BELA<br />

•<br />

HRP Hamburg Residential<br />

Leerstand trotz Bußgeldern<br />

Mit erneuten Wohnnutzungsgeboten für 43 Wohnungen<br />

versucht das Bezirksamt Nord, den Druck auf die HRP<br />

Hamburg Residential zu erhöhen. Die Immobilienfirma<br />

mit Sitz in Luxemburg lässt bis zu 100 Wohnungen in<br />

Hamburg teilweise schon seit Jahren leer stehen. Die verhängten<br />

Buß- und Zwangsgelder scheinen die HRP nicht<br />

besonders zu schmerzen: Zwar sei die Firma „Zahlungsverpflichtungen<br />

in fünfstelliger Höhe nachgekommen“,<br />

erklärte der Bezirk. Doch habe sie seit Januar keine der 94<br />

in Nord leer stehenden Wohnungen vermietet. Der Bezirk<br />

versuche weiter, die Vermietung „durch Zwangsgelder<br />

durchzusetzen“. UJO<br />

•<br />

Weil Eigentümer nicht bauen<br />

Hausbesetzung als Protest<br />

Mit der Besetzung eines leer stehenden Hauses in der<br />

Blücherstraße haben Aktivist*innen bezahlbaren Wohnraum<br />

für alle gefordert. Die Immobilie in Altona zeigt eine<br />

Regelungslücke auf, die jahrelangen Leerstand immer wieder<br />

möglich macht: Da das Haus zuletzt gewerblich genutzt<br />

wurde, fällt es nicht unter das Hamburgische Wohnraumschutzgesetz.<br />

Dass das Bezirksamt bereits vor vier Jahren eine<br />

Baugenehmigung für 58 Wohnungen auf dem Grundstück<br />

erteilt hat, darunter 19 Sozialwohnungen, ändert<br />

daran nichts, so ein<br />

Bezirkssprecher: „Es<br />

Mehr Infos und Nachrichten unter:<br />

gibt keine Bauverpflichtung.“<br />

UJO<br />

www.hinzundkunzt.de<br />

•<br />

Kein Schreibtisch, keine<br />

Ruhe, kein Internet:<br />

Für Prüfungen oder für<br />

die Schule zu lernen, ist<br />

für geflüchtete Kinder<br />

und Jugendliche schon<br />

in normalen Zeiten<br />

schwierig. Der Unterrichtsausfall<br />

durch Corona<br />

hat ihre Lage in den Unterkünften noch<br />

deutlich verschärft. „Corona ist wie ein Brennglas“,<br />

findet Stephanie Landa (Foto), Gründerin<br />

des Sisters Network. Das Projekt unterstützt<br />

vor allem junge geflüchtete Frauen<br />

zwischen 16 und 21 Jahren bei ihrem Übergang<br />

von Schule in Beruf oder Studium.<br />

Die meisten der Sisters leben in Folgeunterkünften<br />

von fördern & wohnen. Auch nach<br />

Monaten müssen viele immer noch ohne<br />

WLAN auskommen, haben keinen eigenen<br />

Rechner oder Drucker. Damit wird das Lernen<br />

während des Unterrichtsausfalls erschwert. Oft<br />

fehlt auch die Medienkompetenz, das Datenvolumen<br />

muss gekauft werden. Landa macht<br />

das große Sorgen. Sie befürchtet, dass die Sisters<br />

wie viele andere geflüchtete Kinder und<br />

Jugendliche den Anschluss verlieren.<br />

„Manche der jungen Frauen sind völlig abgetaucht“,<br />

berichtet die 54-Jährige. „Sie haben<br />

keine Ansprache, sprechen kaum oder wenig<br />

Deutsch – so geht vieles von dem verloren, was<br />

sie schon erreicht haben.“ Manche finden sich<br />

zu seltenen Videokonferenzen zusammen,<br />

doch ihre Sorgen und Nöte können sie dabei<br />

kaum besprechen: „In den beengten Wohnverhältnissen<br />

gibt es für sie keine Privatsphäre.“<br />

Die mühsam erlangte Freiheit der jungen<br />

Frauen durch Bildung und Sprache wird nun<br />

durch familiäre Pflichten und Betreuung der<br />

Geschwister oft wieder eingeschränkt. „Dabei<br />

sind viele gerade dabei, ihren Mittleren Schulabschluss<br />

zu machen, und das nach Wochen<br />

ohne Schule,“ sagt Landa. „Die Sisters kämpfen,<br />

aber sie müssen an zu vielen Fronten<br />

kämpfen. Was sagt das eigentlich über unser<br />

Bildungssystem?“<br />

Einige lassen sich nicht unterkriegen. Und<br />

so machen sie Präsentationen eben mit dem<br />

Smartphone, weil es anders nicht geht und sie<br />

unbedingt den Anschluss halten wollen. „Ich<br />

bewundere die Kreativität und die Ausdauer<br />

dieser Sisters“, sagt Landa. LEU<br />

•<br />

Mehr Infos: www.sistersnetwork.de<br />

29


Einfach mal<br />

durchschnaufen!<br />

Sich Luft verschaffen, den Horizont erweitern, die müden Glieder bewegen, am<br />

besten in der Natur? Nichts leichter als das. Der Botanische Verein zu Hamburg hat<br />

einen Wanderführer zusammengestellt, perfekt für die kleine Flucht aus dem Alltag.<br />

TEXT: ANNETTE WOYWODE


Torfduft im Himmelmoor<br />

Anfahrt: Bahnlinie A1 bis Quickborn, von dort Bus 294 bis Station Am Mühlenberg.<br />

Weiter zwei Kilometer zu Fuß entlang der Himmelmoorchaussee bis zum Torfwerk.<br />

Dort beginnt ein etwa vier Kilometer langer Rundweg um den östlichen Teil des Moors.<br />

FOTO: BARBARA ENGELSCHALL<br />

Vor Ort: Es ist das größte Hochmoor Schleswig-Holsteins. Seit 1990 werden Moorflächen<br />

renaturiert, 2018 endete der Torfabbau. Der federnde, würzig duftende Torfboden<br />

bietet einen angenehmen Untergrund zum Wandern – herrliche Weitblicke über wieder<br />

vernässte Abbauflächen inklusive. Am Rande des Weges wächst an einigen Stellen<br />

Sonnentau, eine kleine fleischfressende Pflanze. Wer schlecht zu Fuß ist, kann –<br />

sofern Corona es wieder erlaubt – an manchen Tagen auch die Lore nehmen, die<br />

auf alten Gleisen durchs Moor juckelt. Infos unter www.torfbahn-himmelmoor.de


Bald 130 Jahre hat der Botanische<br />

Verein zu Hamburg auf<br />

dem Buckel. Und schon damals<br />

lief es ähnlich wie heute:<br />

„Man ist herumgelaufen – früher noch<br />

mit steifem Hut und Anzug – und hat<br />

Exkursionen gemacht“, sagt der Vereinsvorsitzende<br />

Hans-Helmut Poppendieck.<br />

Man trifft sich, um die Hamburger<br />

Pflanzenwelt anzugucken und zu<br />

erforschen. Unter den 390 Mitgliedern<br />

sind viele freiberufliche Botaniker*innen<br />

und Biolog*innen. Irgendjemand kennt<br />

also immer die Namen der Gewächse,<br />

die einem auf Tour begegnen.<br />

Nur herumspazieren tun die Mitglieder<br />

natürlich nicht: Der Verein betreut<br />

elf Naturschutzgebiete, darunter<br />

den Duvenstedter Brook und das<br />

Schnaakenmoor, außerdem zwei Naturdenkmale<br />

wie die Sievertsche Tongrube,<br />

eine kleine, direkt am Ring 3<br />

gelegene ehemalige Tongrube, in der<br />

seltene Gräser und Blumen wachsen.<br />

32<br />

Auch an Kartierungen und Ansiedlungsprojekten<br />

sind die Natur freun d*innen<br />

beteiligt – alles ehrenamtlich. So schufen<br />

sie beispielsweise im Jahr 2000 am Overhaken<br />

(Bild oben) in Kooperation mit der<br />

Umweltbehörde einen naturnahen Priel.<br />

Das Forschungsbiotop gefällt besonders<br />

dem Schierlings-Wasserfenchel. Die vom<br />

Aussterben bedrohte Pflanze kommt<br />

weltweit nur an den Ufern der Tideelbe<br />

vor. Am Overhaken hat sie sich erfolgreich<br />

angesiedelt.


FOTO: J. NEUBECKER<br />

Um aber die Schönheiten der Natur<br />

nicht nur für sich zu behalten, sondern<br />

mit anderen zu teilen, haben Hans-Helmut<br />

Poppendieck und seine Mitsteiter-<br />

*innen den „Botanischen Wanderführer<br />

für Hamburg und Umgebung“<br />

zusammengestellt (siehe Infokasten S. 39).<br />

95 Touren sind enthalten. Vielfach führen<br />

sie in Naturschutzgebiete – in denen<br />

man keine Pflanzen anfassen und<br />

die Wege auch nicht verlassen darf.<br />

Ausgerechnet dort mit dem Wander-<br />

führer Menschen hinzulocken, sieht der<br />

72-Jährige nicht als Problem. Im Gegenteil:<br />

„Die Leute haben ein Recht darauf,<br />

sich in der Natur zu bewegen und<br />

zu entspannen“ – getreu dem Vereinsmotto<br />

„Nur was man kennt und liebt,<br />

das schützt man auch.“ Dabei muss niemand<br />

durchs Unterholz kriechen, um<br />

kleine und große Wunder zu entdecken.<br />

Alle Abbildungen im Buch zeigen die<br />

Botanik, wie man sie so vom Wegesrand<br />

aus bestaunen kann. •<br />

Wasser und Wald<br />

am Overhaken<br />

Anfahrt: Ab ZOB Hauptbahnhof<br />

mit Bus 120 bis Station Oortkatenufer<br />

oder Overhaken. Von dort<br />

führt ein etwa 1,5 km langer Weg<br />

teils direkt an der Elbe entlang.<br />

Gummistiefel mitnehmen!<br />

Vor Ort: Auf dem Overhaken<br />

liegen Naturzerstörung und<br />

-bewahrung dicht beieinander.<br />

Man kann direkt neben der Schilfzone<br />

am sandigen Flussufer entlangwandern.<br />

Gut zu sehen sind<br />

dort die Schilfsprossen, die eigentlich<br />

unter der Erde liegen müssten,<br />

hier aber freigespült wurden –<br />

Bodenerosionen, die seit der vorigen<br />

Elbvertiefung stark zugenommen<br />

haben. Etwas weiter ab vom<br />

Ufer wächst dagegen ein tropisch<br />

anmutender Wald. An einem Priel<br />

gedeiht sogar der stark gefährdete<br />

Schierlings-Wasserfenchel.<br />

33


Paddeln auf der Gose-Elbe<br />

Anfahrt: S21 bis Bergedorf, dann Bus 122 bis Wulffsbrücke. Von da 300 Meter bis zur<br />

„Paddel-Meier Bootsvermietung“ in der Heinrich-Osterath-Straße 256, Infos: www.paddel-meier.de<br />

Vor Ort: Entlang der Gose-Elbe gibt es keine Wanderwege. Wer den ehemaligen Nebenarm der<br />

Stromelbe erkunden will, muss sich ins Boot setzen – und wird belohnt mit Amazonas-Feeling. Dichte<br />

Ufer vegetation und wunderschöne Wasserpflanzen wie die Gelbe Teichrose begleiten die Kanut*innen<br />

oder Kajakfahrer*innen. Möglich sind Touren von 4,5 Kilometern (ganzjährig) bis zu 20 Kilometern<br />

Länge (erst ab Mitte <strong>Juni</strong>).<br />

34


Wandern in Hamburg<br />

Schatzsuche in der Liether Kalkgrube<br />

Anfahrt: Regionalbahn bis Elmshorn, dann Bus 6503 bis Klein Nordende (Sandhöhe),<br />

ab da 1 Kilometer Fußweg zur Grube. Dort entweder über einen steilen Schotterweg<br />

in die Grube absteigen oder den 1,7 Kilometer langen Panoramaweg wählen.<br />

Vor Ort: In der Liether Kalkgrube wurde bis 1986 Kalk abgebaut. In Norddeutschland<br />

kommt Kalkstein sehr selten vor, und so wachsen hier Pflanzenschätze, nach denen<br />

man in Hamburg und Umgebung sonst vergeblich sucht. Sogar mehrere Orchideenarten<br />

sind hier zu Hause. Aber nicht nur deshalb lohnt sich der Weg hierher. Allein die<br />

rötlich und weiß schimmernden Grubenhänge sind eine Augenweide. Mehrere<br />

Aussichtsplatt formen erlauben vielfältige Einblicke. Weitere Infos, auch zu öffentlichen<br />

Führungen, sind unter www.lietherkalkgrube.de zu finden.<br />

FOTOS: INGOB RANDT (S. 34 UNTEN), MANFRED HAACKS (S. 34 OBEN), BARBARA ENGELSCHALL<br />

35


Weitblick in der Fischbeker Heide<br />

Anfahrt: S3 oder S31 bis Neugraben, dann Bus 240 bis<br />

Fischbeker Heuweg. Dort die Straße Scharlbarg entlang bis zum<br />

Naturschutzgebiet. Hier kann man stundenlang wandern, wer will,<br />

geht weiter in die angrenzende Wulmstorfer Heide.<br />

Vor Ort: Auch wenn die Besenheide erst im Spätsommer blüht:<br />

Ein Besuch der Fischbeker Heide lohnt sich immer, schon allein<br />

wegen der Weitblicke über die offene Landschaft. Südöstlich des<br />

Flugplatzes geht es in den Wald hinein. Hier wachsen seltsam<br />

vielstämmige Eichen, sogenannte Kratteichen. Zur Brennholzgewinnung<br />

wurden die Bäume immer wieder beschnitten, dann trieben<br />

sie unregelmäßig neu aus – eine Methode aus dem Mittelalter.<br />

Interessant ist auch das moorige Gelände am früheren Ausgang<br />

der ehemaligen Röttiger-Kaserne. Hier wachsen Wollgras oder<br />

Moorlilien. Am Wegesrand stehen gelb blühende Ginsterarten.<br />

FOTOS: INGO BRANDT (S. 36 UND S. 37 UNTEN), HANS-HELMUT POPPENDIECK<br />

36


Bunker in den Besenhorster<br />

Sandbergen<br />

Anfahrt: S21 bis Bergedorf, dann<br />

Bus 228 bis Borghorst. Von hier aus geht<br />

es über den Altengammer Hauptdeich,<br />

dann rechts hinein entlang der Borghorster<br />

Elblandschaft und auf vielen Wegen durch<br />

die Besenhorster Sandberge.<br />

Vor Ort: Vom Altengammer Hauptdeich<br />

aus sind weite Blicke über die Elbwiesen<br />

möglich. Bis zum Bau der Geesthachter Elbschleuse<br />

1955 war dieses Gebiet der Tide<br />

ausgesetzt. Die sandigen Hügel sind einstige<br />

Uferwälle des Stroms. Der Weg führt vorbei<br />

an artenreichen Wiesen und Weiden.<br />

Auch der Schild-Ehrenpreis (rechts) blüht<br />

hier. Im Wald der Besenhorster Sandberge<br />

sind Ruinen einer Munitionsfabrik zu entdecken.<br />

Hier wurde im Nationalsozialismus<br />

Pulver für Waffen und Raketen hergestellt.<br />

Wandern in Hamburg<br />

Die<br />

Großuhrwerkstatt<br />

Bent Borwitzky<br />

Uhrmachermeister<br />

Telefon: 040/298 34 274<br />

www.grossuhrwerkstatt.de<br />

Verkauf und Reparatur<br />

von mechanischen Tisch-,<br />

Wand- und Standuhren<br />

INNERE KRAFT – FÜR DICH & ANDERE<br />

BARMBEK<br />

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QIGONG<br />

TAIJIQUAN<br />

MEDITATION<br />

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www.tai-chi- lebenskunst.de<br />

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SCHALTEN<br />

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040/284094-0<br />

Mail:<br />

anzeigen@hinzundkunzt.de<br />

Natur erleben – mitten in der Stadt und drum herum:<br />

Das Buch „Der Botanische Wanderführer für Hamburg und Umgebung“ enthält<br />

95 Tagestouren und Spaziergänge, jeweils plus Anfahrtsbeschreibung mit öffentlichen<br />

Verkehrsmitteln und einer kleinen Wanderkarte. Absolut geeignet auch für Menschen, die<br />

sich nur so mittel für jede Blume am Wegesrand interessieren. 352 Seiten, 19,90 Euro.<br />

Infos zum Botanischen Verein unter www.botanischerverein.de<br />

37


Er kennt die Sorgen und Nöte der<br />

Hinz&Künztler*innen besonders gut:<br />

Unser Vertriebskollege Siegfried<br />

„Sigi“ Pachan war früher selbst<br />

obdachlos. Um sich stellvertretend<br />

für das Hinz&Kunzt-Team und alle<br />

Verkäufer*innen bei Ihnen zu<br />

bedanken, hat er sich deshalb<br />

gerne als Titelmodell zur<br />

Verfügung gestellt.


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Danke, Hamburg!<br />

Ohne Sie<br />

würden wir die Krise<br />

nicht meistern<br />

Wir danken allen Hamburgerinnen und Hamburgern, Privatleuten<br />

und Unternehmen, die uns in Zeiten von Corona beistehen.<br />

TEXT: DAS TEAM VON HINZ&KUNZT<br />

FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE (S. 38)<br />

DMITRIJ LELTSC<strong>HUK</strong>, PRIVAT<br />

Wir sind überwältigt von Ihrer<br />

Hilfsbereitschaft. Die vielen<br />

Geldspenden der vergangenen<br />

Wochen ermöglichen es uns, unsere<br />

Verkäufer*innen gut durch die Krise<br />

zu begleiten. Sie nähten für uns Masken,<br />

packten Carepakete oder stärkten<br />

uns mit Rat und Tat den Rücken. Doch<br />

ganz egal wie: Sie beweisen uns und vor<br />

allem den Hinz&Künztler* innen und<br />

Obdachlosen, dass sie in Krisenzeiten<br />

auf Sie bauen können. Wir wissen, dass<br />

auch Sie unter Corona leiden, Angst<br />

haben vor der Krankheit oder gar finanzielle<br />

Sorgen. Umso mehr danken<br />

wir Ihnen für Ihre Solidarität und<br />

Großzügigkeit.<br />

Aus dem Corona-Fonds wollten wir an<br />

alle aktiven Hinz&Künztler*innen im<br />

April 100 Euro auszahlen. 530 ist die<br />

durchschnittliche monatliche Zahl an<br />

aktiven Verkäufer*innen, daran orientierten<br />

wir uns. Und mehr als 100 Euro<br />

trauten wir uns nicht zu. Schließlich<br />

wäre das eine Summe von 53.000 Euro<br />

gewesen. Ein mehr als hochgestecktes<br />

Ziel. Damals war zudem nicht abzusehen,<br />

dass zwei Monate kein gedrucktes<br />

Magazin erscheinen würde. In Wirklichkeit<br />

waren es schließlich rund 600<br />

aktive Hinz&Künztler*innen. Aber das<br />

alles haben wir geschafft, denn Hunderte<br />

Menschen haben gespendet – am<br />

Ende um die 390.000 Euro (zu Redaktionsschluss<br />

Mitte Mai). Im April und Mai<br />

zahlten wir an jede*n Hinz&Künztler*in<br />

insgesamt 490 Euro aus. Zum Neustart<br />

bekamen sie 20 Magazine geschenkt.<br />

Wir konnten alle Verkäu fer*innen mit<br />

Masken und Visieren so ausrüsten, dass<br />

39<br />

sie sich und andere nicht gefährden<br />

(siehe Seite 6). Und es bleibt noch Geld<br />

übrig für Notfälle, wie zum Beispiel für<br />

Miete und Unterbringung.<br />

Wir können unser Herzensprojekt jetzt<br />

selbst umsetzen: Obdachlose während<br />

der Coronakrise in Hotels unterbringen.<br />

Das hatten wir von der Stadt gefordert.<br />

Vergeblich. Aber von den Reemtsma<br />

Cigarettenfabriken GmbH haben<br />

wir 150.000 Euro bekommen – genau<br />

für diesen Zweck. Wie es den Hotelgästen<br />

geht, lesen Sie ab Seite 10.<br />

Die Beiersdorf AG hat sich zuerst bei<br />

uns gemeldet und gefragt, wie sie uns<br />

unterstützen kann. Neben einer Lieferung<br />

selbst hergestellten Desinfektions-


Danke, Hamburg!<br />

Im Visier<br />

Echte Hightech-Visiermasken haben wir von den MoinMakers<br />

bekommen. Die 700 Plastikschilde schützen das ganze Gesicht<br />

und helfen den Hinz&Künztler*innen an ihrem Verkaufsplatz.<br />

Die Idee dazu stammt von Jan-Henryk Susek, 36 (rechts).<br />

Der selbstständige Versicherungskaufmann besitzt zwei<br />

3-D-Drucker und ist Leiter der MoinMakers in Stormarn.<br />

„Ursprünglich wollte ich medizinisches Personal versorgen,<br />

aber für die gab es eine andere Lösung.“ Sein Kollege Max<br />

Janssen schlug dann Hinz&Kunzt vor. „Es ist schon toll, wenn<br />

man sonst Zahnpastaquetschen druckt, auf einmal etwas so<br />

Sinnvolles herzustellen“, so der 27-jährige Student. Geholfen<br />

haben den beiden mehrere Ehrenamtliche aus der Region, die<br />

einen 3-D-Drucker besitzen, alle sogenannte Makers. Etwa 30<br />

Minuten dauert der Druck einer Visiermaske – das macht rund<br />

350 Druckstunden für Hinz&Kunzt.<br />

•<br />

mittels, stellte das Unternehmen seinen<br />

Mitarbeiter*innen 2270 Magazine<br />

der digitalen April-Ausgabe von<br />

Hinz&Kunzt zur Verfügung!<br />

Unser Sponsor HanseWerk Natur hat<br />

sofort Hilfe außer der Reihe für unsere<br />

Verkäufer*innen angeboten. Nach dem<br />

Motto „Lesen hilft“ erhielten auch rund<br />

1500 Kolleg*innen von HanseWerk die<br />

digitale April-Ausgabe des Hamburger<br />

Straßenmagazins.<br />

Kurz nachdem wir den Magazinverkauf<br />

einstellen mussten, hat uns Stefan<br />

Krücken vom Ankerherz Verlag angerufen.<br />

Er bot an, über seinen Online-<br />

Vertrieb Exemplare der Märzausgabe<br />

zu vertreiben. Eine tolle Hilfe, weil er<br />

über seinen Verteiler ganz andere Menschen<br />

erreicht als wir.<br />

Die Firma Obstmonster hatte schon in<br />

der ersten Woche der Coronakrise<br />

eine Kiste mit Obst vor die Tür unserer<br />

Geschäftsstelle in der Altstädter Twiete<br />

gestellt. Regelmäßig erhielten wir<br />

seither weitere Obstlieferungen für<br />

Verkäufer*innen, die vorbeikommen.<br />

Die Firma Tesa liefert uns seit Wochen<br />

vormittags tolle Lunchbeutel, die wir an<br />

Bedürftige weitergeben. Tchibo schickte<br />

Energieriegel, und Getränke zum<br />

Mitnehmen (alkoholfrei!) haben die<br />

Mitglieder von Rotaract Hamburg mit<br />

der Rotary-Stiftung und der Holst &<br />

Meyer GmbH&Co. KG organisiert.<br />

Der Kabarettist Christoph Sieber hat<br />

beim Livestream unter dem Motto<br />

Geldsegen<br />

Ob klein, ob groß – für uns zählt jeder Cent. Mal spendeten die Hamburger*innen<br />

„nur“ 2,20 Euro, von denen 1,10 Euro an unser Onlinemagazin flossen, der Rest in den<br />

Corona-Fonds. Andere gaben sogar 10.000 Euro. Ceylan Siekmann ist eine Spenderin<br />

von vielen. Die 37-Jährige, die im Lebensmittel-Agrarsektor arbeitet, schreibt uns:<br />

„Mir geht es ziemlich gut trotz der außergewöhnlichen Umstände. Bis auf den Weltschmerz<br />

und dass ich meine Mutter zu selten sehe, hat sich an meiner Situation grundsätzlich<br />

nichts geändert.“ Gespendet hat sie „in erster Linie aus Solidarität mit den<br />

Obdachlosen unserer Stadt“, schreibt sie. „Hinz&Kunzt war gezwungen, den Verkauf<br />

der Zeitschrift einzustellen, aber ihr habt gleichzeitig dafür gesorgt, dass viele Obdachlose<br />

in Notunterkünfte gekommen sind. Vielen Dank dafür! Wir sollten den Schwachen<br />

und Bedürftigen immer beiseite stehen.“<br />

•<br />

40


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Danke, Hamburg!<br />

„Das gute Viertel“ zu Spenden für<br />

Hinz&Kunzt aufgerufen. Hinter „Das<br />

gute Viertel“ steckt die NGO Sea-Eye.<br />

Unterschiedliche Künstler*innen sendeten<br />

im April mehrmals im Livestream<br />

auf Facebook eine Viertelstunde Musik,<br />

Comedy, Lesungen und vieles mehr.<br />

Die Spenden wurden geviertelt und gehen<br />

zu gleichen Teilen an die auftretenden<br />

Künstler*innen, zwei weitere wechselnde<br />

Organisationen und Sea-Eye.<br />

Die Agentur UPFRONT, die Fotograf*innen<br />

vertritt, bot auf ihrer Homepage<br />

Arbeiten der beteiligten Kreativen<br />

zum Kauf an. Zehn Prozent des aktuellen<br />

Verkaufs werden an Hinz&Kunzt<br />

gespendet.<br />

Grenzenlos<br />

Sogar aus dem Ausland haben wir Spenden bekommen – zum Beipiel von Isabel<br />

Schwartau. Unsere ehemalige Kollegin ist vor vier Jahren in die Schweiz übergesiedelt,<br />

wo sie seitdem ein Café mit angeschlossenem Secondhandladen schmeißt.<br />

Auch dort sind Beschränkungen wegen der Pandemie allgegenwärtig. Gerade<br />

musste die 51-Jährige ihren Laden für mehrere Wochen schließen. Daher fühlt sie<br />

sich momentan „sehr ausgeruht, aber froh, wenn es wieder normal weitergeht –<br />

wegen der Finanzen“, schreibt sie uns. Trotzdem hat sie uns von ihrem Geld etwas<br />

abgegeben, denn: „Ich kenne das Projekt und die Verkäufer*innen durch meine Zeit<br />

dort sehr gut und weiß, wie sehr sie den Erlös durch den Magazinverkauf brauchen.<br />

Aber auch, dass das Projekt eine so wichtige Anlaufstelle ist. Wenn ich könnte,<br />

würde ich Hinz&Kunzt gern viel mehr geben.“<br />

•<br />

Der Internetsender Rocket Beans TV<br />

spendete den Erlös aus dem Verkauf ihres<br />

#stayhome-Shirts im Rocket-Beans-<br />

Onlineshop an Hinz&Kunzt.<br />

Das Hamburger Abendblatt hat uns<br />

für die Hinz&Künztler*innen Lebensmittelgutscheine<br />

zur Verfügung gestellt.<br />

Das Uebel & Gefährlich hat am 15.<br />

April <strong>2020</strong> in der Reihe #stayathome<br />

einen Livestream gesendet mit Künstlerin<br />

Alli Neumann. Ein Viertel der Einnahmen<br />

aus dem Verkauf der Spendentickets<br />

ging an Hinz&Kunzt. Danke<br />

an die Künstlerin und an das Uebel-&-<br />

Gefährlich-Team – sie alle haben zu<br />

kämpfen um zu überleben, umso mehr<br />

schätzen wir ihre Unterstützung!<br />

Maler Felix Eckardt aus Hamburg spendete<br />

die Hälfte des Erlöses seiner Bilder,<br />

die er für eine Serie in der ZEIT gemalt<br />

hatte, an soziale oder kulturelle Einrichtungen.<br />

Hinz&Kunzt wurde mehrfach<br />

bedacht – vielen Dank an den Künstler<br />

und die Käufer*innen!<br />

Der Künstler A Lee Brown hat auf seiner<br />

Facebook-Seite „Morgenstern &<br />

Brown“ zwei Bilder versteigert und den<br />

Erlös an Hinz&Kunzt gespendet.<br />

41


Danke, Hamburg!<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>328</strong>/JUNI <strong>2020</strong><br />

Nachbarschaftshilfe<br />

Viele Hamburger*innen sind von sich aus kreativ geworden, um<br />

ihren Hinz&Künztler*innen zu helfen. So auch Nicolas Monasterios<br />

Castro. Gemeinsam mit Händler*innen am Eppendorfer<br />

Baum hat er eine Nachbarschaftsinitiative gestartet, um die<br />

polnischen Zwillingsbrüder Piotr und Paweł finanziell zu unterstützen.<br />

Sie verkaufen dort seit Jahren Hinz&Kunzt – jeder auf<br />

einer anderen Straßenseite, aber direkt gegenüber.<br />

Über seine eigene Coronasituation will der 37­jährige Immobilienberater<br />

nicht klagen. „Ich bleibe optimistisch“, schreibt er uns.<br />

„Meine Tochter vermisst ihre Großeltern und ihren Kindergarten<br />

sehr: ,Blöder COVID!“‘<br />

Die Aktion für die Zwillinge hat er gestartet, weil er „Piotr und<br />

Paweł ihr tätiges Sein zurückgeben“ wollte, „weil sie einfach zum Eppendorfer Baum dazugehören, keine umfangreichen Transferleistungen<br />

zu erwarten haben und sonst durchs Raster fallen würden“. Dazu liefert er noch eine Anekdote: Viele Menschen hätten bis zur<br />

Nachbarschaftsaktion gedacht, dass es sich bei den eineiigen Zwillingen um nur einen Verkäufer handelt, „der ständig mit seinen Magazinen<br />

die Straßenseite wechselt. Ein bisschen wie bei Loriot.“ (Anm. der Redaktion: Sogar Hinz&Kunzt-Redaktionsmitglieder, die in der<br />

Gegend wohnten, sind diesem Irrtum lange aufgesessen.)<br />

•<br />

Die Mopo hat mit „Das Hamburger<br />

Wir“ Spenden gesammelt und die<br />

Leser*innen Vorschläge für Einrichtungen<br />

machen lassen, die unterstützt werden<br />

sollen. Auch Hinz&Kunzt durfte<br />

eine Spende in Empfang nehmen!<br />

Unsere Anzeigenagentur Wahring &<br />

Co. Media GmbH hat uns für ihre Arbeit<br />

für die beiden Online-Ausgaben<br />

des Hamburger Straßenmagazins im<br />

April und Mai keine Rechnung gestellt.<br />

Ein schönes Geschenk!<br />

Judith Rakers, die Hinz&Kunzt schon<br />

lange freundschaftlich verbunden ist,<br />

war in der ZDF-Quizshow „Da kommst<br />

du nie drauf“ zu Gast. Ihren Gewinn<br />

hat die Tagesschau-Sprecherin an uns<br />

gespendet.<br />

Pappkamerad*innen<br />

Eine tolle Idee hatte die Agentur Philipp und Keuntje<br />

für uns: Aufsteller, die anstelle der Hinz&Künztler*­<br />

innen in den Supermärkten stehen. Die lebens ­<br />

großen Pappkameraden sollten an die fehlenden<br />

Verkäufer*innen erinnern und eine Möglichkeit zum<br />

Spenden bieten. Ina Vodivnik, 26, Senior­Texterin, und<br />

ihr Grafikerkollege Marian Schütt, 32, haben die Idee<br />

entwickelt. Beim Einkaufen stellte sich ihnen schnell<br />

die Frage: „Wo sind eigentlich die ganzen Hinz&Kunzt­<br />

Verkäufer*innen? Und kann ich irgendetwas tun, um zu<br />

helfen?“ Die Pappfiguren waren die Antwort. Davon<br />

waren auch die Supermärkte begeistert. „Hinz&Kunzt<br />

durch Aufsteller zu unterstützen, war für uns Ehrensache“,<br />

sagt Jürgen Eberhardt, 60, Marktleiter bei Edeka<br />

Niemerszein in der Langen Reihe. Trotzdem: „Wir freuen<br />

uns, wenn hier wieder jemand mit dem Magazin<br />

steht: Menschen sind spannender als Pappe.“<br />

•<br />

42


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Danke, Hamburg!<br />

Ina Neumann, Geschäftsführerin der<br />

Werbeagentur TBWA Hamburg, war<br />

gleich klar, dass es für ein Straßenmagazin<br />

fatal ist, nur online vertreten zu sein.<br />

Ihr Team entwarf eine Plakatkampagne,<br />

bei der man mithilfe der App<br />

Open.cam die Mai­Ausgabe scannen<br />

und lesen kann. Dank WallDecaux<br />

leuchten uns nun die starken Motive<br />

auf City­Light­Postern entgegen. In 25<br />

Filialen von Budnikowsky hängen sie<br />

ebenfalls.<br />

Ein Rave für Hinz&Kunzt in Coronazeiten?<br />

Ja! Die Gruppe SOKO Kickloch<br />

hat es möglich gemacht. Am 11.<br />

Mai, abends an der Elbe, herrliches<br />

Licht, herrliche Sounds. Zwar ohne<br />

tanzende Menschenmenge – die sollte<br />

ja zu Hause bleiben –, dafür mit einem<br />

engagierten DJ­Team, das seine<br />

Hörer*innen um Spenden für die Arbeit<br />

von Hinz&Kunzt gebeten hat.<br />

• Beate Schmidt<br />

• Sabine Maier und die Nachbar*innen<br />

aus dem Pannsweg<br />

• FC St. Pauli<br />

• Flemming Pinck von den<br />

Hamburger Goldkehlchen und dem<br />

Modelabel inferno ragazzi<br />

• Sibilla Pavenstedt und<br />

Made auf Veddel<br />

Herzlichen Dank auch an:<br />

• Lothar Protzek<br />

• Winterhude United FC<br />

• Auto Nova GmbH<br />

• Fairnetzer.1910<br />

• Pastor Uwe Heinrich<br />

und die Kirchengemeinde Langenfelde<br />

• MenscHHamburg<br />

• GLS­Treuhand Stiftung Bochum<br />

• HASPA Hamburg Stiftung<br />

• Förderverein Winternotprogramm<br />

für Obdachlose<br />

• Ecker+Ecker GmbH<br />

• Presense Technologie GmbH<br />

• Wehlen Stiftung<br />

Kontakt: gabriele.koch@hinzundkunzt.de<br />

Im Laufe der Coronazeit haben etliche<br />

Spender*innen Gesichtsmasken genäht<br />

– direkt für Hinz&Kunzt oder an andere<br />

verkauft und den Erlös gespendet.<br />

Wenn wir ab diesem Monat wieder mit<br />

dem gedruckten Magazin auf Hamburgs<br />

Straßen zurück sind, können wir<br />

allen Hinz&Künztler*innen Masken<br />

zur Verfügung stellen:<br />

• Die Hamburger Filialen des<br />

Bio­Supermarktes Erdkorn verkaufen<br />

unter dem Motto „Ich trage sie für<br />

Dich, Du trägst sie für mich“ Behelfsmasken<br />

aus Baumwolle. Von dem Erlös<br />

geht 1 Euro pro Maske an Hinz&Kunzt<br />

(in den Filialen in Schleswig­Holstein an<br />

das Kieler Straßen magazin Hempels).<br />

• Bettina Vogt­Blaschke vom<br />

Onlineshop heleneundtom auf etsy<br />

• Freundeskreis­Mitglied Petra Raab<br />

• Kerstin Beilcke hat selbst genähte<br />

Masken an die Kolleg*innen der Anna­<br />

Warburg­Schule verkauft.<br />

• Annette Voß<br />

• Lotte Kezia Schmidt­Lorenz<br />

und Emma­Lee Bunk<br />

• Der Onlineshop Wir lieben<br />

Hamburg, den das ExtraCard­Team<br />

eingerichtet hat, spendet von jeder verkauften<br />

Maske 1 Euro an Hinz&Kunzt.<br />

Beschützt<br />

Ulrike Fischer-Heiland hat Masken genäht und verkauft. Den Erlös hat die 55-Jäh rige<br />

komplett an Hinz&Kunzt überwiesen. Und das, obwohl es der selbstständigen Journalistin<br />

finanziell gerade auch nicht rosig geht. Sie scheibt uns: „Aufträge bleiben aus,<br />

werden storniert oder geschoben. Da ich vorwiegend für die Tourismus- und Kulturbranche<br />

arbeite, ahnt man, was das bedeutet. Andererseits habe ich plötzlich mehr<br />

Zeit für Mann und Tochter, das fühlt sich gut an.“<br />

Trotz der eigenen Engpässe war es ihr wichtig, Hinz&Kunzt zu unterstützen:<br />

„Unsere Verkäufer*innen in der Hoheluftchaussee waren plötzlich nicht mehr da.<br />

Von heute auf morgen unsichtbar zu werden, muss furchtbar sein, denn es fehlt jetzt<br />

ja nicht nur der Lohn, sondern das komplette soziale Miteinander. Außerdem zählt die<br />

Zeitschrift Hinz&Kunzt für mich zu den wichtigsten Stimmen Hamburgs! Ich hab<br />

irgendwann abends meine Nähmaschine rausgeholt und einfach losgelegt. Und<br />

auch wenn mein Konto gerade eher ,geht so‘ ist, mein Karma ist top!“<br />

•<br />

43


Danke, Hamburg!<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>328</strong>/JUNI <strong>2020</strong><br />

Gabriele Koch<br />

aus dem<br />

Spendenmarketing<br />

im Homeoffice.<br />

„Wir werden von<br />

vielen Menschen getragen“<br />

Der Alltag von Gabriele Koch (Spendenmarketing) und Susanne Wehde<br />

(Spendenverwaltung und Rechnungswesen) wurde durch Corona auf den Kopf gestellt:<br />

Den Magazinverkauf auf der Straße mussten wir einstellen, stattdessen haben wir zu<br />

Spenden für den Corona-Fonds aufgerufen, um allen aktiven Hinz&Künztler*innen eine<br />

Überlebenshilfe auszahlen zu können. Wir haben mit Gabi über die Situation gesprochen.<br />

TEXT: LUKAS GILBERT<br />

FOTO: MICHAEL RICHTER<br />

Hinz&Kunzt: Ende März mussten wir<br />

alle ins Homeoffice. Wie hat sich deine<br />

Arbeit verändert?<br />

GABI: Ich habe das große Glück, zu Hause<br />

ein eigenes Zimmer mit einem<br />

Schreibtisch zu haben. Im Büro hätte<br />

ich die viele Arbeit auch nie geschafft,<br />

dort würde mir die Ruhe fehlen.<br />

44<br />

Denn das Spendenaufkommen war<br />

glück licherweise enorm. Anfangs<br />

hatte ich mir vorgenommen, jeden Tag<br />

mit Kolleg*innen, der Familie und<br />

Freund*innen zu telefonieren und zu hören,<br />

wie es ihnen mit der Situation geht.<br />

Dazu bin ich fast gar nicht gekommen.<br />

Stattdessen habe ich mit vielen besorgten<br />

Menschen und mit lokalen Unternehmen<br />

gesprochen, um gemeinsam zu<br />

überlegen, wie geholfen werden kann –<br />

und tue das bis heute.<br />

Was sind das für Menschen, die für<br />

unsere Arbeit spenden?<br />

Das ist zum Glück ganz unterschiedlich.


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Manche spenden große Summen,<br />

andere haben selbst nicht viel und<br />

denken trotzdem an uns. Eine tolle<br />

Erfahrung!<br />

Viele Spender*innen hatten auch<br />

kreative Ideen. Eine Frau aus dem<br />

Freundeskreis hat etwa Schutzmasken<br />

verkauft und das eingenommene Geld<br />

gespendet, ein Schüler hat an seiner<br />

Schule einen Gabenzaun organisiert.<br />

Das zeigt, dass wir ein Projekt sind, das<br />

von vielen, vielen Menschen getragen<br />

wird, die unsere Arbeit wichtig finden.<br />

Ohne sie könnten wir nicht für die<br />

Hinz&Künztler* innen da sein!<br />

Wir hatten ja zu Spenden für unser<br />

Online-Magazin aufgerufen und den<br />

Corona-Fonds ins Leben gerufen, um die<br />

Hinz&Künztler*innen finanziell unterstützen<br />

zu können. Wie lief das für euch?<br />

Wegen der vielen Kleinspenden musste<br />

kurzfristig die Spendensoftware ergänzt<br />

werden. Das hat anfangs zu technischen<br />

Problemen geführt und mir und Susanne<br />

ziemliches Kopfzerbrechen bereitet.<br />

Mittlerweile läuft die Software zwar<br />

rund, aber wir bitten um Verständnis,<br />

dass wir mit der Bearbeitung der Spenden<br />

aus dem Homeoffice nicht immer<br />

schnell sind. Dass der Corona-Fonds so<br />

Danke, Hamburg!<br />

gut angenommen wurde, ist schön zu<br />

sehen und macht deutlich: Viele Menschen<br />

sind wirklich besorgt um die<br />

Verkäufer*innen. Einige haben sogar<br />

explizit Geld an „ihre*n“ Verkäufer*in<br />

gespendet. Das zeigt, dass der Magazinverkauf<br />

und der Kontakt mit den<br />

Kund*innen durch nichts zu ersetzen<br />

sind. Hier entstehen Verbindungen<br />

zwischen Menschen, das ist neben dem<br />

Geldverdienen ganz wichtig für unsere<br />

Verkäufer*innen.<br />

Welche Herausforderungen siehst du<br />

für die Zukunft?<br />

Wir müssen den Menschen jetzt verständlich<br />

machen, dass wir immer für<br />

die Hinz&Künztler*innen da sind und<br />

wir jetzt wieder Spenden für das gesamte<br />

Projekt brauchen. Schließlich müssen<br />

sich die Verkäufer*innen darauf verlassen<br />

können, dass die Hilfsstruktur, die<br />

wir anbieten, funktioniert. Jenseits jeder<br />

Spende wird es aber auch in Zukunft<br />

wichtig sein, das Magazin zu kaufen –<br />

denn nur so können die Verkäufer*innen<br />

mit den Kund*innen auf Augenhöhe<br />

sein: Weil sie ein hochwertiges Produkt<br />

anbieten, das sein Geld wert ist. •<br />

Kontakt: gabriele.koch@hinzundkunzt.de<br />

JA,<br />

ICH WERDE MITGLIED<br />

IM HINZ&KUNZT-<br />

FREUNDESKREIS.<br />

Damit unterstütze ich die<br />

Arbeit von Hinz&Kunzt.<br />

Meine Jahresspende beträgt:<br />

60 Euro (Mindestbeitrag für<br />

Schüler*innen/Student*innen/<br />

Senior*innen)<br />

100 Euro<br />

Euro<br />

Datum, Unterschrift<br />

Ich möchte eine Bestätigung<br />

für meine Jahresspende erhalten.<br />

(Sie wird im Februar des Folgejahres zugeschickt.)<br />

Meine Adresse:<br />

Name, Vorname<br />

Straße, Nr.<br />

PLZ, Ort<br />

Telefon<br />

E-Mail<br />

Einzugsermächtigung:<br />

Ich erteile eine Ermächtigung zum<br />

Bankeinzug meiner Jahresspende.<br />

Ich zahle: halbjährlich jährlich<br />

Unsere neuen Freunde<br />

• Anastasia Anzupow-Schultz<br />

• Lars Bardenhagen • Jutta Bauer • Gela Bohn<br />

• Dorothee Bramlage • Annika Brinkhaus<br />

• Cornelis Broeders • Niels Dethlefsen<br />

• Sventa Dettweiler • Elisabetta Gargioni<br />

• Manuela Grimm • Benjamin Grimm-Lebsanft<br />

• Britta Günther • Berit Heeschen<br />

• Tobias Hermann • Tobias Hermes<br />

• Gesa Hollaender • Jutta Holtzheimer<br />

• Susanne Kirstein • Elena Koch<br />

• Britta Kollenbroich • Sonja König<br />

• Isabel Kreutz • Gerrit Kuhn<br />

• Anja Kutzer • Katharina Lacy<br />

• Christine Ludwig • Eric Mazewitsch<br />

• Bernd Nath • Ilka Niemüller<br />

• Anja Oksas • Jürgen Poluschinski<br />

• Christina Prasch<br />

• Bianca Rade • Bettina Rakers<br />

• Sophie Regel • Ulrich Rodeck<br />

• Stefanie Rückert • Julia Schell<br />

• Bernadette Schlaffner<br />

• Theodor Arthur Wilhelm Schmidt<br />

• Jette Schubert • Rainer Schumacher<br />

• Daniel Schwab • Iris Steinhorst<br />

• Uta Stremmel • Maren Stümke<br />

• Jochen Sturtzkopf • Susanne Tewes<br />

• Andre Timmann • Anna Tissen<br />

• Hilke Veth • Maren Wendler<br />

• Petra Wentland • Edmund Zange<br />

• Metaxia Zapounidou<br />

IBAN<br />

BIC<br />

Bankinstitut<br />

Ich bin damit einverstanden, dass mein Name in<br />

der Rubrik „Dankeschön“ in einer Ausgabe des<br />

Hamburger Straßenmagazins veröffentlicht wird:<br />

Ja<br />

Nein<br />

Wir garantieren einen absolut vertraulichen<br />

Umgang mit den von Ihnen gemachten Angaben.<br />

Die übermittelten Daten werden nur zu internen<br />

Zwecken im Rahmen der Spendenverwaltung<br />

genutzt. Die Mitgliedschaft im Freundeskreis ist<br />

jederzeit kündbar. Wenn Sie keine Informationen<br />

mehr von uns bekommen möchten, können<br />

Sie jederzeit bei uns der Verwendung Ihrer<br />

personenbezogenen Daten widersprechen.<br />

Unsere Datenschutzerklärung können Sie<br />

einsehen unter www.huklink.de/datenschutz<br />

Bitte Coupon ausschneiden und senden an:<br />

Hinz&Kunzt-Freundeskreis<br />

Altstädter Twiete 1-5, 20095 Hamburg<br />

Wir unterstützen Hinz&Kunzt. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk<br />

45<br />

HK <strong>328</strong>


Buh&Beifall<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>328</strong>/JUNI <strong>2020</strong><br />

Was unsere Leser*innen meinen<br />

„Toll, dass man die Ausgabe auch online lesen kann.“<br />

Tolle Onlineausgabe<br />

H&K 327<br />

Toll, dass man die Ausgabe auch<br />

online lesen kann. Ich habe gerade<br />

auf Eurer Internetseite über PayPal<br />

gespendet! Macht weiter so!<br />

CHRISTINA PETER VIA FACEBOOK<br />

Geld für freie Fahrt statt<br />

Imagefilm<br />

H&K Online und S. 26: Rot-Grün will Containern<br />

entkriminalisieren – Schwarzfahren<br />

bleibt Straftat<br />

In Hamburg kann es schon mal passieren,<br />

dass man für das Lösen eines falschen<br />

Fahrscheins festgenommen und<br />

abgeführt wird. Das ist nicht gut. Und<br />

statt für freie Fahrt wird Geld für teure<br />

Imagefilme ausgegeben, die man sich<br />

angucken muss. So kann das nicht<br />

weitergehen. TORGE BRAEMER VIA FACEBOOK<br />

Nur Geschwafel<br />

H&K Online: Papst erklärt<br />

Straßenzeitungen seine Solidarität<br />

Der reichste Staat der Welt ist der Vatikan,<br />

sie besitzen weltweit die meisten<br />

Immobilien, aber deren Solidarität<br />

besteht immer nur aus Geschwafel …<br />

SASCHA RINGLER VIA FACEBOOK<br />

Zweierlei Maß?<br />

H&K 327: Corona in der<br />

Gemeinschaftsunterkunft<br />

Werden in dieser Pandemie Menschen<br />

mit zweierlei Maß behandelt?<br />

Nach diesem Bericht bekommt<br />

man hier diesen Eindruck!<br />

ERICH HEEDER VIA FACEBOOK<br />

Hartes Pfflaster<br />

H&K Online und S. 28: Tatverdächtiger nach<br />

Totschlag an Obdachlosem festgenommen<br />

Wir trauern um<br />

Fritz Krenz<br />

9. Dezember 1957 – 7. Mai <strong>2020</strong><br />

Fritz ist nach langer, schwerer Krankheit<br />

zu Hause bei seinen Freunden verstorben.<br />

Die Verkäufer und<br />

das Team von Hinz&Kunzt<br />

Mich wollte man während meiner<br />

Zeit auf der Straße anzünden,<br />

zusammentreten oder erschießen.<br />

Die Straße ist ein hartes Pflaster.<br />

NILS MIEBACH VIA FACEBOOK<br />

Briefe von Leser*innen geben die Meinung der<br />

Verfasser*innen wieder, nicht die der Redaktion.<br />

Wir behalten uns vor, die Briefe zu kürzen.<br />

IHRE SPENDE<br />

HILFT!<br />

Hamburger Sparkasse<br />

IBAN: DE56 200505501280167873<br />

BIC: HASPDEHHXXX<br />

WIR TRAUERN 2019 UM<br />

AFGHANISTAN: 5. Januar Nuri Dschawid, Radiojournalist/Blogger | 5. Februar<br />

Rahmani Rahimullah, Fernsehjournalist | 5. Februar Aria Schafik, Radiojournalist |<br />

15. März Chairchah Sultan Mahmud, Radiojournalist | 1. Juli Imeailsi Abdulrauf,<br />

Medienmitarbeiter | GHANA: 16. Januar Ahmed Hussein-Suale, Fernsehjournalist |<br />

HAITI: 10. Oktober Néhémie Joseph, Radiojournalist | HONDURAS: 17. März<br />

Leonardo Gabriel Hernández, Fernsehjournalist | 31. August Edgar Joel Aguilar,<br />

Fernseh-journalist | IRAK: 4. Oktober Hischam Fares Al-Adhami, freier Journalist |<br />

6. November Amdsched al-Dahamat, Autor/Bürgerjournalist | JEMEN: 28. Januar Siad<br />

al-Schaarabi, Medienmitarbeiter/Producer | 5. Mai Ghaleb Labhasch, Bürgerjournalist |<br />

KOLUMBIEN: 9. Mai Mauricio Lezama, Dokumentarfilmer | LIBYEN: 19. Januar<br />

Mohammed bin Chalifa, Journalist | MEXIKO: 20. Januar Rafael Murúa Manríquez,<br />

Radiojournalist | 19. Februar Jesús Eugenio Ramos Rodríguez, Radiojournalist |<br />

15. März Santiago Barroso, Radiojournalist | 25. März Omar Iván Camacho<br />

Mascareño, Sportreporter | 2. Mai Telésforo Santiago Enríquez, Radiojournalist |<br />

16. Mai Francisco Romero Díaz, Printjournalist | 11. <strong>Juni</strong> Norma Sarabia Garduza,<br />

Printjournalistin | 30. Juli Rogelio Barragán Pérez, Onlinejournalist | 3. August Jorge<br />

Ruiz Vázquez, Printjournalist | 24. August Nevith Condés Jaramillo, Onlinejournalist |<br />

NIGERIA: 22. Juli Precious Owolabi, Fernsehjournalist | PAKISTAN: 4. Mai Ali Sher<br />

Rajpar, Printjournalist | 16. <strong>Juni</strong> Muhammad Bilal Khan, Bürgerjournalist | 30. April<br />

Malik Amanullah Khan, Printjournalist | 30. August Mirza Waseem Baig, Fernsehjournalist<br />

| 24. November Urooj Iqbal, Printjournalistin | PHILIPPINEN: 10. Juli<br />

Eduardo Dizon, Radiojournalist | 7. November Dindo Generoso, Radiojournalist |<br />

1. Dezember Benjie Caballero, Radiojournalist | DEMOKRATISCHE REPUBLIK<br />

KONGO: 2. November Papy Mahamba Mumbere, Radiojournalist | SOMALIA: 12. Juli<br />

Hodan Nalayeh, Fernsehjournalistin | 12. Juli Mohamed Sahal Omar, Fernsehjournalist<br />

| 14. August Abdinasir Abdulle Ga’Al, Radiojournalist | SYRIEN: 23. März<br />

Mohammad Dschumaa, Medienmitarbeiter | 18. <strong>Juni</strong> Amdschad Bakir, Fotojournalist<br />

| 23. <strong>Juni</strong> Omar al-Dimaschki, Bürgerjournalist | 17. Juli Alaa Najef<br />

al-Chader al-Chalidi, Fotojournalist | 21. Juli Anas al-Diab, Bürgerjournalist |<br />

15. August Samer al-Sallum, Bürgerjournalist | 10. Oktober Welat Erdemci, freier<br />

Journalist/Fotograf | 13. Oktober Saad Ahmad, Agenturjournalist | 13. Oktober<br />

Mohammed Rascho, Fernsehjournalist | 10. November Abdel Hamid al-Jussef,<br />

Fotojournalist | TSCHAD: 25. Mai Obed Nangbatna, Fernsehjournalist | UKRAINE:<br />

20. <strong>Juni</strong> Wadim Komarow, Printjournalist | VEREINIGTES KÖNIGREICH: 19. April Lyra<br />

McKee, freie Journalistin/Autorin<br />

Ihre Spende für die Pressefreiheit: www.reporter-ohne-grenzen.de/spenden<br />

46


Kunzt&Kult<br />

Pionierin: Skype-Gespräch mit Suzi Quatro<br />

zum 70. Geburstag (S. 48).<br />

Grenzgänger: Jürgen Jobsen zeigt, wo in<br />

Hamburg Dänemark anfing (S. 56).<br />

Hotelbewohner: Hinz&Künztler Rainer ist<br />

vorläufig von der Straße runter (S. 58).<br />

Die Uraufführung für „(R)Evolution“<br />

am Thalia Theater war kaum zwei<br />

Wochen her, da kam der Shutdown.<br />

Und jetzt? Ist es Teil des Online-Programms<br />

„The Rest Is Missing“, in dem das Thalia<br />

täglich Produktionen aus seinem Repertoire<br />

zum Streamen freigibt. Aktuell war das Stück<br />

der israelischen Regisseurin Yael Ronen<br />

ohnehin: Es handelt von Chancen und Krisen<br />

des Menschen in einer digitalisierten Welt.<br />

FOTO: KRAFFT ANGERER


Wild<br />

TEXT: XXXXXX NAME<br />

FOTOS: XXXXXX NAME<br />

Die Chefin gibt alles: Anfang der 70er-<br />

Jahre feiert Suzi Quatro als erste<br />

Leaderin einer Rockband weltweite<br />

Erfolge. Ihre Markenzeichen: hochhackige<br />

Stiefel (wie hier bei einem<br />

Konzert 1980), hauteng anliegender<br />

„Jumpsuit“ – gerne auch aus Leder!<br />

48


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Kunzt&Kult<br />

mild<br />

FOTOS: ACTION PRESS / REX FEATURES LTD. (2), ACTION PRESS / PUBLIC ADDRESS,<br />

ARSENALFILMVERLEIHGMBH, CHRISTIAN CHARISIUS/DPA<br />

N<br />

och lebt die kleine Vorfreude.<br />

„Ich glaube,<br />

Rainer hat für den<br />

Abend heimlich einen<br />

Tisch bestellt in unserem Hamburger<br />

Lieblings-Steakhaus“, sagt Suzi und<br />

lächelt in knapp 1000 Kilometer Entfernung<br />

in den Bildschirm, „aber wenn<br />

ich meinen 70. Geburtstag tatsächlich<br />

„Suzi war<br />

eine<br />

Erneuerin.“<br />

ALICE COOPER ÜBER DIE MUSIKERIN<br />

ohne meinen Mann im Lockdown verbringen<br />

muss, dann werde ich das eben<br />

so machen!“ Denn Suzi ist gestrandet –<br />

in ihrem Refugium im britischen Essex<br />

nahe London, wo sie seit mehr als<br />

30 Jahren ein Haus besitzt. Und<br />

seit Mitte März festsitzt, Corona sei<br />

Undank. Auch zum lange geplanten<br />

Date mit Hinz&Kunzt muss sich der<br />

Weltstar nun via Skype von England<br />

aus einloggen. Die Zeiten sind eben,<br />

wie sie sind.<br />

Unglaublich: Suzi Quatro wird 70! Ihre<br />

Welthits prägten eine ganze Generation<br />

Musikfans, aber nur wenige wissen um die<br />

Verbindung von „The Wild One“ zu Hamburg.<br />

Jochen Harberg hat mit ihr via Skype<br />

gesprochen – hier ist Suzis Geschichte …<br />

Das große Geburtstagsfest in Essex mit<br />

Gästen aus aller Welt? Inzwischen abgesagt.<br />

Die kleine Feier mit Ehemann<br />

Rainer Haas am gemeinsamen Wohnsitz<br />

Hamburg? Völlig offen, ohne Garantie<br />

auf Happy End. Wenn man sich<br />

allerdings näher mit dem Leben der<br />

Susan Kay Quatro beschäftigt, geboren<br />

am 3. <strong>Juni</strong> 1950 in Detroit (USA),<br />

dann weiß man eh: Diese Frau ist<br />

hart im Nehmen.<br />

Rückblende, Januar <strong>2020</strong>. Im<br />

Zeise-Kino in Altona feiert eine<br />

brandneue Musik-Filmdoku vorab<br />

Deutschlandpremiere: „Suzi Q –<br />

Wegbereiterin, Inspiratorin, Überlebende“<br />

lautet der Titel. Der große<br />

Saal ist rappelvoll, und den<br />

vielen Zuschauer*innen stockt<br />

während der 100 Minuten oft genug<br />

der Atem. Es ist ein Werk von<br />

seltener, ungeschminkter Intensität.<br />

Zum einen, natürlich, voller<br />

berührender Bilder über eine<br />

Das Leben der Suzi Q.:<br />

Die große Doku sollte im<br />

März ins Kino kommen,<br />

Corona kam<br />

dazwischen. Jetzt gibt es<br />

den Film als DVD.<br />

nun schon seit mehr als einem halben<br />

Jahrhundert andauernde Weltkarriere<br />

im Musikbusiness. Zum anderen aber<br />

auch – und das ist das heimliche Hauptthema<br />

des Films – über familiäre Befindlichkeiten<br />

und verletzten Stolz, über<br />

kaum gezähmten Geschwisterneid und<br />

lange vermisstes Elternlob.<br />

Suzi, das wird durch die überlebensgroßen<br />

Bilder noch einmal glasklar,<br />

ist Anfang der 1970er „the first woman<br />

ever“ als international anerkannte<br />

Bandleaderin einer Rockband. Sie wird<br />

so Wegbereiterin für ungezählte Nachfolgerinnen,<br />

die erst durch sie erkennen,<br />

dass Frauen in einer Rockband reüssieren,<br />

Chefin sein und sogar Gitarre<br />

spielen können. „Sie trug ihren schweren<br />

Bass wie eine Feder“, staunt etwa<br />

Deborah „Blondie“ Harry, „Suzi war<br />

eine Erneuerin“, weiß ihr Langzeitwegbegleiter<br />

Alice Cooper. Das Irre daran:<br />

Umstritten ist sie bei aller Liebe<br />

vor allem in der eigenen Familie. Man<br />

hört die abschätzige Stimme des Vaters:<br />

„Suzi kann eigentlich gar nicht wirklich<br />

Bass spielen, oder?“ Man sieht eine<br />

Schwester in brutaler Offenheit sagen:<br />

„Ich werde nie ein Fan von Suzi Quatro<br />

sein.“ Der Schmerz über solche Vernichtung<br />

kriecht bis in die letzte Reihe<br />

des Kinos.<br />

49


Wild<br />

mild<br />

Suzis erste und ewige Liebe:<br />

ihr Bass! Mit ihm rockt sie die<br />

Bühnen der Welt – in Zeiten von<br />

Corona gibt sie auf Facebook<br />

öffentliche Lehrstunden.<br />

Nach Filmende betritt die nur 1,52 kleine<br />

Protagonistin die Bühne des Zeises,<br />

hinaufgetragen vom donnernden Applaus<br />

des Publikums. Als ich sie aus dem<br />

Publikum heraus nach ihrer Lieblingsszene<br />

frage, wählt sie einen intimen<br />

Moment, in dem der Regisseur fragt,<br />

was die heutige Suzi ihrem Kinder-Ich<br />

von damals gerne sagen würde, wenn<br />

sie denn könnte. Die Leinwandheldin<br />

muss an dieser Stelle schwer schlucken:<br />

„Renn nicht so schnell, kleine Suzi, deine<br />

Kindheit geht so schnell vorbei, genieße<br />

jeden Moment!“<br />

Im Zeitraffer: Little Suzi ist das<br />

vierte von fünf Kindern des Ehepaars<br />

Art und Helen Quatro. Der Vater jobbt<br />

als semiprofessioneller Musiker, alle<br />

Kinder kommen früh mit seiner Welt in<br />

Berührung. Als Fünfjährige sieht Suzi<br />

den hüftschwingenden Elvis Presley im<br />

TV, und sofort ist ihr klar: „DAS will ich<br />

auch machen!“ Früh greift sie zum Bass,<br />

merkt: „Der ist mein Ding!“ Mit zarten<br />

14 ist sie Teil der Girlie-Familienband<br />

„Pleasure Seekers“, in der Suzi und ihre<br />

Schwestern mit leichtgewichtiger Partymukke<br />

auf Tour gehen. Suzi verzichtet<br />

dafür auf den Highschool-Abschluss.<br />

Ein Musikmanager macht Suzis Bruder,<br />

der die Truppe und deren Nachfolgeband<br />

„Cradle“ managt, ein Angebot:<br />

Er will die talentierte Suzi – aber nur<br />

Suzi – unter Vertrag nehmen. Der Familienrat<br />

beschließt, dem Küken das<br />

Angebot zu verheimlichen. Die Schwestern<br />

sollen bitte schön zusammen Karriere<br />

machen.<br />

Erst ganze zwei Jahre später erfährt<br />

Suzi von der Offerte. Sie sucht empört<br />

das Weite, nimmt das Vertragsangebot<br />

an, geht 1971 alleine nach London.<br />

Innere Verwundung, Einsamkeit<br />

und brennender Ehrgeiz werden zu<br />

mächtigen Triebfedern: „Gegenüber<br />

meiner Familie habe ich damals nur<br />

gedacht: ,Wartet ab, euch zeige ich es<br />

50<br />

Suzi und die starken<br />

Jungs: Ihre Band trägt<br />

sie von Erfolg zu Erfolg.<br />

allen!‘“ Nach zwei knallharten Jahren<br />

endlich der ersehnte Durchbruch: „Can<br />

the Can“ und „48 Crash“ erobern<br />

schnell die halbe Welt. Und es entstehen<br />

ikonische, so nie gesehene Rockstar<br />

bilder: Suzi kühl-überlegen als<br />

Bandleaderin in heißem Lederanzug<br />

und Plateaustiefeln – mit den drei starken<br />

Muskeljungs der Band zu ihren<br />

Füßen. Darunter auch Gitarrist Len<br />

Tuckey, den sie 1976 heiratet.<br />

Suzi lebt fortan ein Künstlerleben<br />

voller Vielfalt, obwohl sie mit Tuckey<br />

1982 und 1984 die beiden Kinder<br />

Laura und Richard bekommt. Sie<br />

reüssiert als Schauspielerin in einer<br />

amerikanischen TV-Serie namens<br />

„Happy Days“. Spielt in London die


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Kunzt&Kult<br />

Hauptrolle im Musical „Annie, get your<br />

gun“. Schreibt bald darauf selbst ein<br />

Musical, das im Westend aufgeführt<br />

wird. Die mittlerweile marode Ehe<br />

zieht sie quälende sechs Jahre durch bis<br />

zum Gehtnichtmehr, „ich bin ein<br />

katholisches Mädchen und die Tochter<br />

meiner Mutter. Und die hat gesagt:<br />

,einmal verheiratet, immer verheiratet‘“,<br />

erklärt Suzi ihren Durchhaltewillen.<br />

Nach der Trennung heiratet sie<br />

1993 den Hamburger Promoter Rainer<br />

Haas, der schon 1974 in der Musikhalle<br />

„Ich war nie<br />

ein Sex-and<br />

Drugs-Girl.“<br />

SUZI QUATRO<br />

Suzi, nicht zu stoppen!<br />

Mehr als ein halbes Jahrhundert<br />

währt nun schon<br />

ihr Künstlerleben, und<br />

auch mit 70 ist sie noch<br />

voller Pläne: „Mein Weg ist<br />

noch lange nicht zu Ende.“<br />

im Publikum steht, als Suzi oben von<br />

der Bühne aus runterrockt. Jetzt zieht<br />

sie die Kinder groß, „ich war wirklich<br />

eine gute Mutter“, findet sie heute stolz,<br />

„das war mir auch ungeheuer wichtig.“<br />

Stillstand? Trotzdem nix für Suzi!<br />

Nebenher macht sie immer weiter<br />

Platten, geht auf Tour, schreibt eine<br />

Biografie und eine Art Gedichtband, ist<br />

Gastgeberin einer Musik-Radioshow<br />

auf BBC 2, hat immer wieder kleinere<br />

Rollen im Fernsehen. Dann zuletzt besagte<br />

Kinodoku über das eigene Leben,<br />

mehr als drei Jahre wird daran gearbeitet.<br />

Aber all das Schillernde, Extrovertierte<br />

ist nur die öffentliche Seite ihrer<br />

Persönlichkeit.<br />

Es gibt die Bühnen-Suzi – und es<br />

gibt die private Suzi, komplett allürenfrei<br />

und mit durchaus konservativen<br />

Zügen. „Ich war niemals so ein Sexand-Drugs-Girl“,<br />

gesteht sie. Und muss<br />

lachen, als ich sie nach ihrem frühen<br />

Image als globales Pin-up-Girl frage.<br />

„Meine Tochter sagt mir heute noch:<br />

‚Mama, du hast bis heute keine Ahnung,<br />

wie man richtig flirtet.‘ Und<br />

weißt du was? Das stimmt! Ich habe<br />

niemals Spielchen gespielt mit Männern.“<br />

Als ich auf das Thema Politik zu<br />

sprechen komme, seufzt Suzi hörbar<br />

auf: „Aaaaah, politics!“ Nein, nein,<br />

nein, sie sei „eine Entertainerin, und es<br />

würde sich für mich falsch anfühlen,<br />

wenn ich meine Meinung meinem Publikum<br />

in die Kehle stecke und es zwinge,<br />

das runterzuschlucken.“<br />

Lieber füttert sie da in Zeiten von<br />

Corona die sozialen Netzwerke: „Darin<br />

bin ich echt gut geworden und jetzt sehr<br />

aktiv, gebe zum Beispiel auf Facebook<br />

51<br />

jeden Tag ein Tutorial für Bassgitarristen.“<br />

Dauereinsam ist Suzi im Essex-<br />

Exil ohnehin nicht. Ihre Kids Laura<br />

und Richard wohnen quasi „einfach<br />

nur die Straße runter“, sagt Mama Suzi,<br />

Richard komme oft zum Musikmachen<br />

vorbei: „Wir haben im Lockdown<br />

gerade schon Songs für die nächste<br />

Platte geschrieben“, erzählt sie stolz,<br />

„das fühlt sich großartig an.“<br />

Schon für ihr 2019er-Album „No<br />

Control“, für das sie gemeinsam mit<br />

Richard viele Stücke einspielte, gab es<br />

glänzende Kritiken – und mehr als 100<br />

Liveauftritte in aller Welt, auch in<br />

Hamburg. Ich erzähle ihr, dass ich auf<br />

dem Album einen neuen Lieblingssong<br />

entdeckt habe: „Bass Line“ – ein verhangenes,<br />

aber brutal intensives Stück<br />

mit der wie gemalten Songzeile: „Walking<br />

down the Bass line won’t lead you<br />

astray“, frei übersetzt: „Wenn du dich<br />

dem Bass anvertraust, wird er dich nicht<br />

in die Irre führen.“ Da strahlt Suzi über<br />

das ganze Gesicht. „Ist der Song<br />

nicht großartig? Mein Bass-Solo darin<br />

dominiert sogar über die E-Gitarre! Da<br />

bin ich so stolz drauf.“ Und sie kann es<br />

fühlen: „Mein Weg ist noch lange nicht<br />

zu Ende.“ •<br />

Kontakt: redaktion@hinzundkunzt.de<br />

Rock-Ikone Suzi Quatro<br />

Seit mehr als fünf Jahrzehnten im Musikgeschäft,<br />

17 Studioalben, mehr als 55<br />

Millionen verkaufte Tonträger weltweit:<br />

Suzi Quatro ist einer der großen weiblichen<br />

Stars der Rockmusik-Geschichte.<br />

Ihre Hits wie „Can The Can“, „48 Crash“,<br />

„If You Can‘t Give Me Love“, „The Wild<br />

One“ oder „Stumblin’ in“ (im Duett mit<br />

Chris Norman) haben eine Generation<br />

von Musikfans begleitet. 2016 erhielt sie<br />

für ihre Verdienste von der Anglia Ruskin<br />

University, Cambridge, den Ehrendoktortitel<br />

in Musik.<br />

Die brandneue Film-Doku über ihr<br />

Leben („Suzi Q – Trailblazer. Inspiration.<br />

Survivor.“) ist jetzt im Handel erhältlich.<br />

Quatro hat zwei Kinder und ist seit 1993<br />

in zweiter Ehe mit dem Hamburger<br />

Musikpromoter Rainer Haas verheiratet,<br />

ihre Wohnsitze sind Essex, Hamburg-<br />

Niendorf und Mallorca.


Kult<br />

Tipps für den<br />

Monat <strong>Juni</strong>:<br />

subjektiv und<br />

einladend<br />

Ausstellung<br />

„Gute Aussichten“ in den Deichtorhallen<br />

Fotograf Lukas van Bentum reiste für seine<br />

Fotoreihe „Identity Negotiation“ nach Kaliningrad.<br />

Die Welt ist eine andere geworden: digitaler,<br />

schwerer zu begreifen, weniger<br />

verlässlich. Fake News und Fake Identitäten<br />

waren schon Teil des medialen<br />

Grundrauschens, bevor Corona das öffentliche<br />

Leben weitgehend ins Internet<br />

verlegte. Bekanntes Terrain also für die<br />

jungen Fotograf*innen, mit denen die<br />

Deichtorhallen ihre Rückkehr aus dem<br />

Shutdown feiern. „Gute Aussichten“<br />

heißt die Ausstellung, ebenso wie der<br />

Nachwuchspreis, mit dem die neun<br />

Nachwuchskünstler*innen ausgezeichnet<br />

wurden. Ihre Werke spiegeln den<br />

Blick ihrer Generation auf weltweite<br />

Krisen und Kriege und hinterfragen,<br />

wie sich Erzählungen im Netz verändern.<br />

Brandaktuell. •<br />

Deichtorhallen, Deichtorstraße 1-2,<br />

Di–So, 11–18 Uhr, Eintritt 12/7 Euro,<br />

www.deichtorhallen.de<br />

52


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Kunzt&Kult<br />

Steigert die Vorfreude:<br />

„Liliom“<br />

steht mit etwas<br />

Glück in der kommenden<br />

Spielzeit<br />

wieder auf dem<br />

Programm.<br />

Ausstellung<br />

Mit den Ohren besser sehen<br />

Gucken mit den Ohren: Das macht<br />

die Kunsthalle mit ihrem Format<br />

„Ohrenschau“ möglich. Mehr als<br />

40 Bilder werden im Netz gezeigt<br />

und beschrieben, dabei geht es auch<br />

um die Künstler*innen und ihre Zeit.<br />

Auch nach der Wiedereröffnung<br />

lohnt sich das Hinhorchen – wer<br />

vorher hört, sieht später mehr. •<br />

Kunsthalle, Glockengießerwall 5,<br />

Di–So, 10–18 Uhr, Eintritt 14/8 Euro,<br />

www.hamburger-kunsthalle.de<br />

FOTOS: LUKAS VAN BENTUM, WWW.GUTEAUSSICHTEN.ORG (S. 52), MATTHIAS HORN (S. 53 OBEN), KLAUS MÜLLER (S. 53 UNTEN)<br />

Theater<br />

Wiedersehen mit Publikumslieblingen<br />

Theaterfans müssen tapfer sein: Live gibt es im <strong>Juni</strong> nichts zu sehen. Doch sangund<br />

klanglos von der Bühne zu verschwinden, kommt für die Theaterleute auch<br />

nicht infrage. Im Internet geht die Spielzeit weiter: Das Publikum darf hinter die<br />

Kulissen schauen, hört den Ensemblemitgliedern beim Rezitieren ihrer Lieblingsgedichte<br />

zu, kann bei Online-Spielübungen für Profis mitmachen – und vor allem<br />

jeden Abend kostenlos meisterhafte Inszenierungen anschauen. Klar, es fehlt das<br />

vorfreudige Gewusel im Foyer, der Puderduft im Saal, der Applaus. Dafür gibt es<br />

beim Thalia Theater ein Wiedersehen mit Don Giovanni, Woyzeck oder Danton,<br />

die sich im analogen Spielplan nur noch selten blicken lassen. Auch ständig ausverkaufte<br />

Produktionen wie „Hereroland“ sind online zu sehen. •<br />

#thaliadigital, www.thalia-theater.de<br />

Ausstellung<br />

Leinen los für die Kultur<br />

Seit mehr als 30 Jahren halten ehemalige Seeleute mit Tatkraft und Erfahrung die<br />

Cap San Diego in Schuss. Doch jetzt droht der historische Stückgutfrachter in<br />

eine finanzielle Schieflage zu geraten: Wegen der Coronakrise dürfen an Bord<br />

keine Touristen mehr übernachten, die Kombüse bleibt zu, ebenso der Escape-<br />

Room und der Hochseilgarten.<br />

Bilanz der ersten sieben<br />

Wochen Shutdown:<br />

80.000 Euro Ausgaben, 5000<br />

Euro Einnahmen. Jetzt kommt<br />

langsam Land in Sicht: Rundgänge<br />

an Bord sind wieder<br />

erlaubt, und auch Kunstausstellungen<br />

werden eröffnet.<br />

Die Gruppe „Horizonte“<br />

aus Schleswig-Holstein zeigt<br />

Gemälde und Zeichnungen<br />

mit maritimen Motiven. •<br />

Cap San Diego, Überseebrücke,<br />

Ausstellung ab Do, 4.6., Mo–So,<br />

10–18 Uhr, Eintritt 7/4 Euro,<br />

www.capsandiego.de<br />

Mit der Ausstellung „Horizonte 4.0“ nimmt die<br />

Kunst auf der Cap San Diego wieder Fahrt auf.<br />

Podcast<br />

Im Gespräch bleiben<br />

Mit der Podcast-Reihe „Stay in<br />

Touch“ setzt Kampnagel die Debatten<br />

fort, die sonst auf der Bühne verhandelt<br />

werden: Wie wirken Machtstrukturen<br />

auf die, die keine Macht<br />

haben? Wie geht Kunst jenseits der<br />

Gendernormen? All das ist weiterhin<br />

wichtig, gerade in Krisenzeiten. •<br />

Kampnagel, www.kampnagel.de/de/<br />

programm/podcast-stay-in-touch<br />

Ausstellung<br />

Häfen verbinden<br />

Das Deutsche Hafenmuseum ist noch<br />

nicht gebaut, aber es gibt schon ein<br />

Programm: Mit der Fotoausstellung<br />

„Two Ports – One World“ stellen<br />

Schüler*innen aus Hamburg und<br />

Daressalaam bildlich eine Verbindung<br />

der beiden Hafenstädte her. •<br />

Museum für Hamburgische Geschichte,<br />

Holstenwall 24, Mo, Mi–Fr, 10–17 Uhr,<br />

Sa+So, 10–18 Uhr, Eintritt 9,50/6 Euro,<br />

www.shmh.de<br />

Ausstellung<br />

Ausgezeichnete Fotoprojekte<br />

Jedes Jahr vergibt das Olympus Fellowship<br />

Stipendien für besondere<br />

Fotoarbeiten. Nun sind die geförderten<br />

Projekte in Hamburg zu sehen.<br />

Online zeigt das Haus der Fotografie<br />

die Menschen hinter den Ideen. •<br />

Haus der Fotographie, Deichtorstraße<br />

1–2, Di–So, 11–18 Uhr, Eintritt<br />

12/7 Euro, www.deichtorhallen.de<br />

53


Beim Kammerkonzert<br />

„Urban Gardening“<br />

erforscht das Ensemble<br />

Resonanz das Klangpotenzial<br />

von Pflanzen.<br />

Ausstellung<br />

Musik aus dem Wohnzimmer-Dschungel<br />

„Musik ist alles, was hörbar ist“, sagt<br />

John Cage. „Sie umfasst die Klänge<br />

und Geräusche innerhalb und<br />

außerhalb von Konzertsälen.“ Die<br />

Musiker*innen des Ensembles<br />

Resonanz nehmen den Komponisten<br />

beim Wort. Ihr Saal, der resonanzraum,<br />

bleibt zwar bist auf Weiteres<br />

tonlos und menschenleer. Doch Musik<br />

kommt auch aus dem Wohnzimmer-<br />

Dschungel, aus dem Hobbykeller, vom<br />

Balkon oder aus der Küche, wie das<br />

Ensemble in seinen „Produktionen aus<br />

der Vereinzelung“ beweist. Notgedrungen<br />

leben die Musiker*innen nun vor<br />

der Webcam aus, was sie auch sonst antreibt:<br />

die Freude am Experiment und<br />

die Neugier auf ungeahnte Klangerlebnisse.<br />

Auf ihrer Internetplattform<br />

resonanz.digital zeigen sie neue<br />

Produktionen und herausragende<br />

Konzerte, die alle hergebrachten<br />

Erwartungen an klassische Kammermusik<br />

übertreffen. Toll für alle, die das<br />

Ensemble noch nicht kennen – aber<br />

auch für Freund*innen des Hauses, die<br />

trotz Shutdown ihren musikalischen<br />

Horizont erweitern wollen. •<br />

Ensemble Resonanz, www.ensembleresonanz.com/resonanz-digital<br />

54


Kunzt&Kult<br />

Kinofilm des Monats<br />

Kleine Gang,<br />

böse Gang<br />

FOTOS: GERHARD KÜHNE (S. 54), RBB/SALZGEBER (S. 55 OBEN), KOLUMNE: PRIVAT<br />

Fernsehen<br />

Liebe in allen Facetten<br />

Ausstellung<br />

Ein Syrer auf dem Mars<br />

1987 flog der erste syrische Kosmonaut<br />

Mohamed Ahmed Faris ins Weltall.<br />

Die Designerin Anna Banout entwirft<br />

eine „Memory Box“ für eine<br />

fiktive Weltraummission 100 Jahre<br />

später: Welche Gegenstände und Erzählungen<br />

würden Faris' Nachfolger<br />

in die Kiste packen, wenn sie vorhätten,<br />

auf den Mars auszuwandern?<br />

Hinter der futuristisch anmutenden<br />

Idee steht eine interessante Überlegung:<br />

Auch nach Jahrzehnten der<br />

Zerwürfnisse, Krisen und Fluchtbewegungen<br />

gibt es geteilte Erinnerungen<br />

und Objekte, die etwas wie Heimat<br />

bewahren und eine Grundausrüstung<br />

liefern für den Neuanfang. Das Museum<br />

für Kunst und Gewerbe zeigt die<br />

„Fossilien der Zukunft“ in der neuen<br />

Ausstellung „Syria 2087“. •<br />

MKG, Steintorplatz, Di-So, 10–18 Uhr,<br />

Do, 10–21 Uhr, Eintritt 12/8 Euro, unter<br />

18 Jahren frei, www.mkg-hamburg.de<br />

Nathan (Arnaud Valois) ist selbst HIVnegativ,<br />

schließt sich aber den Aktivisten<br />

an – auch, weil er sich verliebt hat.<br />

Paris, 1990er-Jahre: HIV verbreitet sich in der Stadt der Liebe, die Gesellschaft<br />

schweigt, die Regierung tut nichts. So jedenfalls erleben es die Aktivist*innen, von<br />

denen der Film „120 BPM“ erzählt. In Guerilla-Taktik stürmen sie Klassenzimmer,<br />

um aufzuklären, und randalieren in den Firmensitzen der Pharma-Lobby.<br />

Das rbb Fernsehen zeigt den Film in einer internationalen queeren Filmreihe.<br />

Es geht um große Themen: Politik, Protest und Liebe jenseits der Grenzen<br />

heterosexueller Paarbeziehungen. Die achtteilige Reihe läuft bis Mitte August. •<br />

rbb Fernsehen, Start der Reihe am Do, 18.6., www.rbb-online.de/fernsehen<br />

Bühne<br />

Neue Zugänge zum Ballett<br />

Die Tänzer*innen des Hamburg Balletts<br />

trainieren wieder. Und wer will,<br />

kann mitmachen: Bei den virtuellen<br />

Übungsstunden probt eine Ballerina<br />

zu Hause vor der Webcam, das Filmchen<br />

ist dann zu sehen im Online-<br />

Programm. Auch Krafttraining gibt<br />

es zum Mitmachen. Wer lieber Publikum<br />

bleibt, darf gelenkschonend zuschauen,<br />

was die Profis können. Jede<br />

Woche gibt es ein Stück von John<br />

Neumeier jeweils für 48 Stunden<br />

kostenlos im Stream zu sehen, dazu<br />

Dokus über das Ballett oder Auszüge<br />

aus den Werken junger Choreograf*innen,<br />

die vorerst nicht auf der<br />

Bühne gezeigt werden können. •<br />

Hamburg Ballett, www.hamburgballett.de<br />

Über Tipps für Juli freut sich<br />

Annabel Trautwein. Bitte bis zum 10.6.<br />

schicken: redaktion@hinzundkunzt.de<br />

Das Vorrecht der Jugend ist,<br />

neben vielen anderen, böse<br />

wirken zu wollen, ohne wirklich<br />

böse zu sein. Dicke Hose<br />

fühlt sich mit 17 möglicherweise<br />

auch einfach besser an<br />

als mit 51. Und wird leichter<br />

verziehen.<br />

Darauf jedenfalls setzt<br />

vorerst der jugendliche Protagonist<br />

des seit Ende Mai auf<br />

Netflix gezeigten Dramas<br />

„I’m no longer here“. Mit<br />

seiner doch recht schrillen<br />

Gang lebt Ulises in den Tag –<br />

oder besser die Nacht – hinein.<br />

Kolumbianische Musik,<br />

Tanz, tiefhängende Hosen<br />

und Subkulturgehabe – das<br />

volle Programm irgendwo im<br />

mexikanischen Hinterland.<br />

Und dann, aus einer Nichtigkeit<br />

heraus, kommt es zum<br />

Streit mit den wirklich bösen<br />

Jungs. Die machen schnell<br />

klar, dass mit ihnen nicht zu<br />

spaßen ist. Ulises flieht vor<br />

dem heimischen Drogenkartell<br />

nach New York. Und<br />

fühlt sich dort zunehmend<br />

isoliert und einsam. Aus<br />

Traurigkeit wird Verzweiflung,<br />

aus Verzweiflung Wut.<br />

Zugegeben, was Filme<br />

angeht, hat Netflix nicht immer<br />

ein glückliches Händchen.<br />

Und dann tauchen Perlen<br />

wie diese auf und stechen<br />

wohltuend aus dem Comedyund<br />

Action-Einerlei heraus.<br />

Regisseur Fernando Frias de<br />

la Parra gelingt es dank junger<br />

authentischer Schauspieler*innen<br />

fast spielend, das<br />

große Gefühl jugendlicher<br />

Unverstandenheit auf die<br />

Leinwand zu bannen. •<br />

André Schmidt<br />

geht seit<br />

Jahren für uns<br />

ins Kino.<br />

Er arbeitet in der<br />

PR-Branche.<br />

55


Hamburger<br />

Geschichte(n)<br />

#3<br />

Kunzt&Kult<br />

Der Grenzpfeiler<br />

am Nobistor<br />

Der dritte Teil der Serie Hamburger Geschichte(n)<br />

führte uns – vor Corona! – auf die Reeperbahn, wo einst die<br />

Vorstadt St. Pauli endete – und Dänemark begann.<br />

TEXT: ANNABEL TRAUTWEIN; FOTOS: ANDREAS HORNOFF<br />

Mehr als nur ein Laternenmast<br />

auf dem Kiez:<br />

Jürgen Jobsen zeigt uns<br />

den früheren Grenzpfeiler<br />

am Nobistor.<br />

Da, wo Jürgen steht,<br />

begann damals<br />

Dänemark.<br />

Historische Spurensuche im Rotlichtviertel?<br />

Gar nicht so einfach. Denn<br />

auch wenn der Kiez eine bewegte Geschichte<br />

hat – um Aufmerksamkeit der<br />

Passanten buhlen vor allem Showbars<br />

und Nachtclubs, Imbissbuden und<br />

Spielhallen. Schnelles Vergnügen, hier<br />

und jetzt im Angebot! Die Leuchtreklamen<br />

blitzen selbst am helllichten<br />

Tag. Jürgen Jobsen (64) aber lässt sich<br />

nicht ablenken. Stoisch schiebt der<br />

Hinz&Kunzt-Mitarbeiter sein Fahrrad<br />

die Reeperbahn entlang, vorbei an Susis<br />

Showbar und der Großen Freiheit.<br />

„Es kann nicht mehr weit weg sein“,<br />

sagt er. Jürgen hält Ausschau nach dem<br />

alten Grenzpfeiler am Nobistor.<br />

Heute mitten im Trubel, markierte<br />

er vor rund 170 Jahren den Übergang<br />

zwischen zwei Reichen. „Hier fing Dänemark<br />

an“, erklärt Jürgen. Die Stadt<br />

Altona – aus Hamburger Sicht „allzu<br />

nah“ – war damals noch holsteinisch<br />

und stand bis 1864 unter dänischer<br />

Krone. Die ist auch auf dem Grenzpfeiler<br />

repräsentiert, in Form eines gekrönten<br />

Monogramms: „CR VIII“, die Initialen<br />

des dänischen Königs Christian<br />

der Achte. Auf der anderen Seite des<br />

Pfeilers steht der Spruch „Nobis bene“<br />

(„Uns das Gute“). Darunter prangt das<br />

Altonaer Wappen, eine Burg mit drei<br />

Zinnen, die Tore weit geöffnet. Die<br />

Stadt war stolz auf ihre Offenheit.<br />

Zwar galt auch hier seit 1750 die Torsperre.<br />

Doch wer nachts wieder nach<br />

Altona rein wollte, wurde am Nobistor<br />

allenfalls symbolisch gehindert: Zwischen<br />

dem eigentlichen Tor und den<br />

beiden Grenzpfeilern blieb genug Platz,<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>328</strong>/JUNI <strong>2020</strong><br />

um hindurchzuschlüpfen.<br />

Ganz andere Sitten<br />

herrschten offenbar am<br />

Millerntor, dem Grenzübergang<br />

zur Freien und<br />

Hansestadt. „Wenn man<br />

Hamburger war, musste<br />

man zu einer bestimmten<br />

Zeit drinnen sein“, erzählt<br />

Jürgen. „Sonst musste man<br />

ein Torgeld bezahlen.“ Das<br />

konnte teuer werden.<br />

Aber die Nacht auf St. Pauli verbringen,<br />

zwischen Amüsierschuppen<br />

und zwielichtigen Spelunken? Eine<br />

Vorstellung, die Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

noch sprichwörtliche Torschlusspanik<br />

erzeugte. Eine der kleinen Millerntorwachen<br />

gibt es noch, sie ist auch<br />

als Platte bei Obdachlosen beliebt. „Da<br />

kann man noch einigermaßen geschützt<br />

sein Nachtlager aufschlagen“,<br />

sagt Jürgen. Im Laufe des Straßenumbaus<br />

wurde das Häuschen versetzt, von<br />

der alten Stadtgrenze fehlt heute jede<br />

Spur. Der Grenzpfeiler am Nobistor<br />

dagegen blieb an seinem Platz. 2013<br />

ließ der Denkmalverein ihn restaurieren.<br />

Womöglich bekommt er sogar sein<br />

Gegenstück zurück. Der zweite Pfeiler<br />

wurde zwar im Krieg zerstört, aber die<br />

Fragmente liegen noch im Depot des<br />

Museums für Hamburgische Geschichte.<br />

Im April 2016 entschied die Bezirksversammlung<br />

Hamburg-Mitte, ihn wieder<br />

herrichten zu lassen. Dann wäre<br />

bald auch der alte Spruch wieder vollständig:<br />

„Uns das Gute – Niemandem<br />

das Schlechte.“ •<br />

Kontakt: annabel.trautwein@hinzundkunzt.de<br />

Jürgen Jobsen (64)<br />

war früher<br />

Hinz&Künztler<br />

und arbeitet seit<br />

Jahren im Vertrieb.<br />

Preisfrage:<br />

„Nobis bene“ steht auf dem Grenzpfeiler.<br />

Wie lautet die Fortsetzung des lateinischen<br />

Spruchs, die den zweiten Pfeiler<br />

zierte? Schreiben Sie uns (siehe rechts)!<br />

HISTORISCHES FOTO AUS DEM BUCH „ALTONA & OTTENSEN: BILDER AUS DEN VERGANGENEN TAGEN“ VON FRITZ LACHMUND<br />

56


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Rätsel<br />

ILLUSTRATION (BLEISTIFT IM IMPRESSUM): BERND MÖLCK-TASSEL<br />

Heeresabteilung<br />

österr.<br />

Rindfleischspeise<br />

süddeutsch:<br />

schneefrei<br />

missglückter<br />

Rennbeginn<br />

englische<br />

Bezeichnung<br />

für:<br />

Graf<br />

körperl.<br />

u. seel.<br />

Überbelastung<br />

Doppelstern<br />

im<br />

„Perseus“<br />

Volk in<br />

Südostnigeria<br />

geistliches<br />

Lied<br />

dt. Hochgeschwindigkeitszug<br />

(Abk.)<br />

Kurzform<br />

von:<br />

Dorothea<br />

8<br />

7<br />

1<br />

7<br />

5<br />

8<br />

lateinisch:<br />

Wasser<br />

2<br />

6<br />

3<br />

5<br />

9<br />

4<br />

6<br />

die<br />

Goldene<br />

Stadt<br />

Spende,<br />

Stiftung<br />

3<br />

2<br />

8<br />

4<br />

schrill,<br />

durchdringend<br />

Erdteilbevölkerung<br />

Überschuss<br />

niederländ.<br />

Name<br />

der Rur<br />

6<br />

2<br />

1<br />

7<br />

4<br />

5<br />

4<br />

3<br />

10<br />

verkürzte<br />

Unterschrift<br />

Ausruf<br />

des<br />

Ansporns<br />

(veraltet)<br />

5<br />

9<br />

6<br />

8<br />

5<br />

2<br />

Gott in<br />

der islamischen<br />

Religion<br />

Handynachricht<br />

(Abk.)<br />

radioaktives<br />

chem.<br />

Element<br />

Boxkampfplatz<br />

4<br />

5<br />

6<br />

AR0909-1219_4sudoku<br />

heilkräftiges<br />

Harz<br />

Gottheit<br />

der Germanen<br />

kraterförmige<br />

Senke,<br />

Kratersee<br />

Jugendlicher<br />

(Kurzwort)<br />

dt.<br />

Privat-<br />

TV-Sender<br />

(Abk.)<br />

Geröllwüste<br />

(hamit.)<br />

Klausner,<br />

einzeln<br />

lebender<br />

Mönch<br />

Zier-,<br />

Heilpflanze<br />

Figur aus<br />

der Oper<br />

„Tiefland“<br />

geistige<br />

Wesensart,<br />

Gesinnung<br />

Arno-<br />

Zufluss<br />

in der<br />

Toskana<br />

frühere<br />

französische<br />

Münze<br />

orient.<br />

Knüpftechnik<br />

Kriegsschiff<br />

Schwellung<br />

an<br />

dorischen<br />

Säulen<br />

Rhein-<br />

Zufluss<br />

(Baden)<br />

rechnungsmäßiger<br />

Anteil<br />

unbest.<br />

weibl.<br />

franz.<br />

Artikel<br />

die Landwirtschaft<br />

betreff.<br />

nordgermanische<br />

Meeresriesin<br />

Lösungen an: Hinz&Kunzt, Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg,<br />

per Fax an 040 32 10 83 50 oder per E-Mail an info@hinzundkunzt.de.<br />

Einsendeschluss: 26. <strong>Juni</strong> <strong>2020</strong>. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />

Wer die korrekte Lösung für eines der beiden Rätsel oder die Antwort<br />

auf die Preisfrage auf Seite 56 einsendet, kann zwei Karten für die Hamburger<br />

Kunsthalle oder eins von zwei Sachbüchern „Hinter der Grenze,<br />

vor dem Gesetz“ (Hamburger Editionen) gewinnen. Die Antwort auf die<br />

Mai-Preisfrage lautete: Sie zierten eine Brücke. Das Lösungswort beim<br />

Kreuzworträtsel war: Darbietung. Die Sudoku-Zahlenreihe: 483 917 256.<br />

6<br />

8<br />

2<br />

3<br />

7<br />

8<br />

3<br />

9<br />

1<br />

2<br />

7<br />

10<br />

9<br />

12194 – raetselservice.de<br />

Füllen Sie das Gitter so<br />

aus, dass die Zahlen von<br />

1 bis 9 nur je einmal in<br />

jeder Reihe, in jeder<br />

Spalte und in jedem<br />

Neun-Kästchen-Block<br />

vorkommen.<br />

Als Lösung schicken<br />

Sie uns bitte die farbig<br />

gerahmte, unterste<br />

Zahlenreihe.<br />

Impressum<br />

Redaktion und Verlag<br />

Hinz&Kunzt<br />

gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH<br />

Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg<br />

Tel. 040 32 10 83 11, Fax 040 32 10 83 50<br />

Anzeigenleitung Tel. 040 32 10 84 01<br />

E-Mail info@hinzundkunzt.de, www.hinzundkunzt.de<br />

Herausgeber<br />

Landespastor Dirk Ahrens, Diakonisches Werk Hamburg<br />

Externer Beirat<br />

Prof. Dr. Harald Ansen (Armutsexperte HAW-Hamburg),<br />

Mathias Bach (Kaufmann), Dr. Marius Hoßbach (Korten Rechtsanwälte AG),<br />

Olaf Köhnke (Ringdrei Media Network),<br />

Thomas Magold (BMW-Niederlassungsleiter i.R.),<br />

Karin Schmalriede (Lawaetz-Stiftung),<br />

Dr. Bernd-Georg Spies (Russell Reynolds),<br />

Alexander Unverzagt (Medienanwalt), Oliver Wurm (Medienberater)<br />

Geschäftsführung Jörn Sturm<br />

Redaktion Birgit Müller (bim; Chefredakteurin, V.i.S.d.P.),<br />

Annette Woywode (abi; Stellv., CvD), Jonas Füllner (jof),<br />

Lukas Gilbert (lg), Jochen Harberg (joc), Ulrich Jonas (ujo),<br />

Benjamin Laufer (bela), Misha Leuschen (leu), Annabel Trautwein (atw)<br />

Online-Redaktion Benjamin Laufer (CvD), Jonas Füllner, Lukas Gilbert<br />

Korrektorat Kristine Buchholz und Kerstin Weber<br />

Redaktionsassistenz Cedric Horbach,<br />

Marina Schünemann, Anja Steinfurth<br />

Artdirektion grafikdeerns.de<br />

Öffentlichkeitsarbeit Sybille Arendt, Friederike Steiffert<br />

Anzeigenleitung Sybille Arendt<br />

Anzeigenvertretung Caroline Lange,<br />

Wahring & Company, Tel. 040 284 09 418, c.lange@wahring.de<br />

Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 24 vom 1. Januar 2019<br />

Vertrieb Christian Hagen (Leitung), Sigi Pachan,<br />

Jürgen Jobsen, Meike Lehmann, Sergej Machov,<br />

Frank Nawatzki, Elena Pacuraru, Reiner Rümke, Marcel Stein,<br />

Eugenia Streche, Cornelia Tanase, Silvia Zahn<br />

Spendenmarketing Gabriele Koch<br />

Spendenverwaltung/Rechnungswesen Susanne Wehde<br />

Sozialarbeit Stephan Karrenbauer (Leitung), Jonas Gengnagel<br />

Isabel Kohler, Irina Mortoiu<br />

Das Stadtrundgang-Team Stephan Karrenbauer (Leitung),<br />

Chris Schlapp, Harald Buchinger<br />

Das BrotRetter-Team Stephan Karrenbauer (Leitung),<br />

Stefan Calin, Gheorghe-R zvan Marior, Pawel Marek Nowak<br />

Das Team von Spende Dein Pfand am Airport Hamburg<br />

Stephan Karrenbauer (Leitung), Uwe Tröger, Klaus Peterstorfer,<br />

Herbert Kosecki, Torsten Wenzel<br />

Litho PX2 Hamburg GmbH & Co. KG<br />

Produktion Produktionsbüro Romey von Malottky GmbH<br />

Druck und Verarbeitung A. Beig Druckerei und Verlag,<br />

Damm 9–15, 25421 Pinneberg<br />

Umschlag-Druck Neef+Stumme premium printing GmbH & Co. KG<br />

QR Code ist ein eingetragenes Warenzeichen von Denso Wave Incorporated<br />

Spendenkonto Hinz&Kunzt<br />

IBAN: DE56 2005 0550 1280 1678 73<br />

BIC: HASPDEHHXXX<br />

Die Hinz&Kunzt gGmbH mit Sitz in Hamburg ist durch den aktuellen<br />

Freistellungsbescheid bzw. nach der Anlage zum Körperschaftssteuerbescheid<br />

des Finanzamts Hamburg-Nord, Steuernummer 17/414/00797, vom<br />

21.1.2019, für den letzten Veranlagungszeitraum 2017 nach § 5 Abs.1 Nr. 9<br />

des Körperschaftssteuergesetzes von der Körperschaftssteuer und nach<br />

§ 3 Nr. 6 des Gewerbesteuergesetzes von der Gewerbesteuer befreit.<br />

Geldspenden sind steuerlich nach §10 EStG abzugsfähig. Hinz&Kunzt ist als<br />

gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH im Handelsregister beim<br />

Amtsgericht Hamburg HRB 59669 eingetragen.<br />

Wir bestätigen, dass wir Spenden nur für die Arbeit von Hinz&Kunzt<br />

einsetzen. Adressen werden nur intern verwendet und nicht an Dritte<br />

weitergegeben. Beachten Sie unsere Datenschutzerklärung, abrufbar auf<br />

www.hinzundkunzt.de. Hinz&Kunzt ist ein unabhängiges soziales Projekt, das<br />

obdachlosen und ehemals obdachlosen Menschen Hilfe zur Selbsthilfe bietet.<br />

Das Magazin wird von Journalisten geschrieben, Wohnungslose und<br />

ehemals Wohnungslose verkaufen es auf der Straße. Sozialarbeiter<br />

unterstützen die Verkäufer.<br />

Das Projekt versteht sich als Lobby für Arme.<br />

Gesellschafter<br />

Druckauflage 2. Quartal <strong>2020</strong>:<br />

Coronabedingt gab es im April<br />

und Mai keine gedruckte Ausgabe.<br />

Druckauflage im <strong>Juni</strong>: 60.000<br />

57


Momentaufnahme<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>328</strong>/JUNI <strong>2020</strong><br />

Leben im Hotel:<br />

Um das Gespräch<br />

mit Rainer als<br />

Podcast zu hören,<br />

scannen Sie den<br />

QR-Code oder folgen<br />

Sie diesem Link:<br />

www.huklink.de/<strong>328</strong>-momentaufnahme<br />

Rainer ganz<br />

entspannt: Er ist<br />

einer der ersten<br />

Bewohner*innen in<br />

unserem Hotel projekt<br />

im Bedpark.<br />

„ Jetzt habe ich wieder<br />

Kraft für die Zukunft“<br />

Rainer, 57, verkauft an der U-Bahn-Station Jungfernstieg,<br />

Ausgang Europapassage.<br />

TEXT: BIRGIT MÜLLER<br />

FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

Wie schnell er da sein könne, fragte eine<br />

Arbeitskollegin seiner Frau am Telefon.<br />

Es sei etwas passiert. Dass seine Frau<br />

gestorben war, erfuhr Rainer erst vor<br />

Ort. Für ihn brach eine Welt zusammen.<br />

Wieder mal hatte der Tod ihm genommen,<br />

was ihm das Wertvollste im<br />

Leben war. 51 Jahre war Rainer damals<br />

alt, seine Frau 58. Das war im Jahr<br />

2014, ein paar Monate später bekam er<br />

selbst einen Schlaganfall, „vermutlich<br />

wegen des inneren Stresses und Spätfolgen<br />

meines Alkoholismus‘“, sagt<br />

Rainer. Und wieder ein paar Monate<br />

später landete er auf der Straße. Zum<br />

zweiten Mal in seinem Leben. „Mein<br />

Vermieter hatte Eigenbedarf angemeldet“,<br />

sagt Rainer. Kraft zum Kämpfen<br />

hatte er nicht.<br />

Sechs Jahre ist das jetzt her, und<br />

Rainer ist wieder auf einem guten Weg.<br />

Er hat nämlich einiges geschafft. Er verkauft<br />

Hinz&Kunzt – und er hat sich ans<br />

Alleinsein gewöhnt, sagt er. Vielleicht<br />

sogar etwas zu gut: „Ich habe eine Art<br />

Mauer um mich gebaut. Ich lass ungern<br />

Menschen an mich ran.“<br />

Aufgewachsen ist er auf dem Kiez.<br />

Er hing sehr an der Mutter, der Oma<br />

und vor allem an seinem Vater, der Lkw-<br />

Fahrer war. In den Sommerferien durfte<br />

er oft mit ihm durch die Welt reisen.<br />

Nach der Hauptschule wurde er Lagerarbeiter.<br />

Dann starben schnell hintereinander<br />

seine Mutter und seine Oma.<br />

Rainer war Ende 20, aber die Familie<br />

war sein Ankerpunkt. Freunde hatte er<br />

kaum. Er begann zu trinken. 1995 landete<br />

auf der Straße – und bei<br />

Hinz&Kunzt. „Ich verlor den Halt“,<br />

sagt er. Vier Jahre später lernte er eine<br />

Frau kennen. Suzana war eine Kundin.<br />

Eines Tages gestand sie ihm, dass sie<br />

sich in ihn verliebt habe. Rainer konnte<br />

es nicht fassen. In ihn, der doch obdachlos<br />

war. „Aber sie sagte auch, ich müsste<br />

mir wegen des Alkohols Hilfe holen“,<br />

erzählt er. „Ich dachte nur: ‚Was hat die<br />

denn? Ich hab doch kein Problem.‘“ Er<br />

hat zwar nie eine Therapie gemacht,<br />

aber durch ihre Liebe hat er seinen Alkoholkonsum<br />

„in den Griff gekriegt“.<br />

„Sie hat wieder einen Menschen aus mir<br />

gemacht“, sagt Rainer. Ihr Tod hat ihn<br />

erneut nach unten gerissen, wenn auch<br />

nicht so tief wie zuvor. „Früher trank ich<br />

zwei Flaschen Korn und ein paar Bier“,<br />

sagt er. „Jetzt nur noch zwei, drei Bier.“<br />

Trotzdem hat es lange gedauert, bis<br />

er aus seiner Depression und Trauer<br />

aufgetaucht ist. Eigentlich erst jetzt, ausgerechnet<br />

in Coronazeiten. Rainer gehört<br />

nämlich zu den Obdachlosen, die<br />

im Hotel untergebracht sind. „Ich bin<br />

etwas zur Ruhe gekommen“, sagt er. So<br />

sehr, dass er ein Ziel hat: Er will nicht<br />

mehr auf die Straße zurück, wenn das<br />

Hotelprogramm endet. Und anders als<br />

vor seiner Beziehung zu Suzana ist<br />

er sich etwas wert. Seinen Geburtstag<br />

feiert er zwar ganz allein, „aber ich<br />

schenke mir immer eine Rose, als Symbol<br />

dafür: Du hast wieder ein Jahr auf<br />

der Straße überlebt.“ •<br />

Kontakt: birgit.mueller@hinzundkunzt.de<br />

Rainer und die anderen Hinz&Künztler*innen<br />

erkennt man am Verkaufsausweis.<br />

914<br />

58


KUNZT-<br />

KOLLEKTION<br />

BESTELLEN SIE DIESE UND WEITERE PRODUKTE BEI: Hinz&Kunzt gGmbH,<br />

www.hinzundkunzt.de/shop, shop@hinzundkunzt.de, Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg,<br />

Tel. 32 10 83 11. Preise zzgl. Versandkostenpauschale 4 Euro, Ausland auf Anfrage.<br />

Schürze „KunztKüche“<br />

100 % GOTS-zertifizierte Bio-Baumwolle.<br />

Farbe: blaubeerblau. Schürzenbreite ca. 80 cm,<br />

Länge ca. 86 cm. Hautfreundlich, atmungsaktiv,<br />

langlebig, pflegeleicht und knitterarm.<br />

Maschinenwäsche bis 60 Grad.<br />

Von Kaya & Kato GmbH, www.kaya-kato.de,<br />

Preis: 25 Euro<br />

„Willkommen in der KunztKüche!“<br />

Das Kochbuch zum 25. Geburtstag<br />

von Hinz&Kunzt<br />

Ein kulinarisches Dankeschön an die<br />

Hamburger*innen mit 25 Drei-Gänge-Menüs<br />

von Sterneköch*innen und jungen Wilden.<br />

Gebundenes Kochbuch, 194 Seiten, farbige<br />

Fotos und rund 180 inspirierende Rezepte.<br />

Preis: 15 Euro<br />

Tee „Chillax“<br />

Bio-Kräutertee aus Griechenland:<br />

Bergtee vom Olymp* (40 %),<br />

Zitronenverbene* (40 %), Johanniskraut* (20 %),<br />

von Aroma Olymp (www.aroma-olymp.com).<br />

Von Hand geerntet in Griechenland, von den<br />

Elbe-Werkstätten in Hamburg verpackt, 25 g.<br />

Preis: 4,90 Euro<br />

*aus kontrolliert biologischer Landwirtschaft<br />

Niemand kennt<br />

Hamburgs<br />

Straßen besser<br />

„Ein mittelschönes Leben“<br />

Eine Geschichte über Obdachlosigkeit<br />

für Kinder zwischen 7 und 10 Jahren<br />

von Kirsten Boie, illustriert<br />

von Jutta Bauer, 7. Auflage 2017.<br />

Preis: 4,80 Euro<br />

Hamburger Küchenquartett<br />

„Sauber bleiben“<br />

Zwei Schwämme, Spülbürste und<br />

Geschirrtuch (100 % Bio-Baumwolle,<br />

aus Fair-Trade-Produktion) exklusiv<br />

für Hinz&Kunzt von STUDIOBUEHLER,<br />

www.studiobuehler.com<br />

Preis: 15,90 Euro<br />

Tasse „Ahoi“<br />

Sonderedition für Hinz&Kunzt<br />

von der Hamburger<br />

Firma AHOI MARIE.<br />

Qualitätsporzellan von Kahla<br />

aus Thüringen.<br />

Design: Ellen Bechel,<br />

keramischer Siebdruck.<br />

Durchmesser: 9 cm,<br />

Höhe: 9 cm,<br />

mikrowellen- und<br />

spülmaschinentauglich.<br />

Preis: 14,90 Euro


Dagmar Hirche, Wege aus der Einsamkeit e. V.:<br />

Komm ins Netz<br />

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Tablet, Apps und Co.<br />

Es ist leichter, als du denkst.<br />

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für ältere Menschen auf<br />

koerber-stiftung.de/digitale-alterswelten<br />

Stand Mai <strong>2020</strong>, Änderungen vorbehalten! Groothuis.de Foto: Stefan Maria Rother<br />

Körber-Stiftung<br />

Kehrwieder 12 | 20457 Hamburg<br />

Telefon 040 · 80 81 92 - 0<br />

E-Mail info@koerber-stiftung.de

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