HUK 328 Juni 2020
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WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Kunzt&Kult<br />
mild<br />
FOTOS: ACTION PRESS / REX FEATURES LTD. (2), ACTION PRESS / PUBLIC ADDRESS,<br />
ARSENALFILMVERLEIHGMBH, CHRISTIAN CHARISIUS/DPA<br />
N<br />
och lebt die kleine Vorfreude.<br />
„Ich glaube,<br />
Rainer hat für den<br />
Abend heimlich einen<br />
Tisch bestellt in unserem Hamburger<br />
Lieblings-Steakhaus“, sagt Suzi und<br />
lächelt in knapp 1000 Kilometer Entfernung<br />
in den Bildschirm, „aber wenn<br />
ich meinen 70. Geburtstag tatsächlich<br />
„Suzi war<br />
eine<br />
Erneuerin.“<br />
ALICE COOPER ÜBER DIE MUSIKERIN<br />
ohne meinen Mann im Lockdown verbringen<br />
muss, dann werde ich das eben<br />
so machen!“ Denn Suzi ist gestrandet –<br />
in ihrem Refugium im britischen Essex<br />
nahe London, wo sie seit mehr als<br />
30 Jahren ein Haus besitzt. Und<br />
seit Mitte März festsitzt, Corona sei<br />
Undank. Auch zum lange geplanten<br />
Date mit Hinz&Kunzt muss sich der<br />
Weltstar nun via Skype von England<br />
aus einloggen. Die Zeiten sind eben,<br />
wie sie sind.<br />
Unglaublich: Suzi Quatro wird 70! Ihre<br />
Welthits prägten eine ganze Generation<br />
Musikfans, aber nur wenige wissen um die<br />
Verbindung von „The Wild One“ zu Hamburg.<br />
Jochen Harberg hat mit ihr via Skype<br />
gesprochen – hier ist Suzis Geschichte …<br />
Das große Geburtstagsfest in Essex mit<br />
Gästen aus aller Welt? Inzwischen abgesagt.<br />
Die kleine Feier mit Ehemann<br />
Rainer Haas am gemeinsamen Wohnsitz<br />
Hamburg? Völlig offen, ohne Garantie<br />
auf Happy End. Wenn man sich<br />
allerdings näher mit dem Leben der<br />
Susan Kay Quatro beschäftigt, geboren<br />
am 3. <strong>Juni</strong> 1950 in Detroit (USA),<br />
dann weiß man eh: Diese Frau ist<br />
hart im Nehmen.<br />
Rückblende, Januar <strong>2020</strong>. Im<br />
Zeise-Kino in Altona feiert eine<br />
brandneue Musik-Filmdoku vorab<br />
Deutschlandpremiere: „Suzi Q –<br />
Wegbereiterin, Inspiratorin, Überlebende“<br />
lautet der Titel. Der große<br />
Saal ist rappelvoll, und den<br />
vielen Zuschauer*innen stockt<br />
während der 100 Minuten oft genug<br />
der Atem. Es ist ein Werk von<br />
seltener, ungeschminkter Intensität.<br />
Zum einen, natürlich, voller<br />
berührender Bilder über eine<br />
Das Leben der Suzi Q.:<br />
Die große Doku sollte im<br />
März ins Kino kommen,<br />
Corona kam<br />
dazwischen. Jetzt gibt es<br />
den Film als DVD.<br />
nun schon seit mehr als einem halben<br />
Jahrhundert andauernde Weltkarriere<br />
im Musikbusiness. Zum anderen aber<br />
auch – und das ist das heimliche Hauptthema<br />
des Films – über familiäre Befindlichkeiten<br />
und verletzten Stolz, über<br />
kaum gezähmten Geschwisterneid und<br />
lange vermisstes Elternlob.<br />
Suzi, das wird durch die überlebensgroßen<br />
Bilder noch einmal glasklar,<br />
ist Anfang der 1970er „the first woman<br />
ever“ als international anerkannte<br />
Bandleaderin einer Rockband. Sie wird<br />
so Wegbereiterin für ungezählte Nachfolgerinnen,<br />
die erst durch sie erkennen,<br />
dass Frauen in einer Rockband reüssieren,<br />
Chefin sein und sogar Gitarre<br />
spielen können. „Sie trug ihren schweren<br />
Bass wie eine Feder“, staunt etwa<br />
Deborah „Blondie“ Harry, „Suzi war<br />
eine Erneuerin“, weiß ihr Langzeitwegbegleiter<br />
Alice Cooper. Das Irre daran:<br />
Umstritten ist sie bei aller Liebe<br />
vor allem in der eigenen Familie. Man<br />
hört die abschätzige Stimme des Vaters:<br />
„Suzi kann eigentlich gar nicht wirklich<br />
Bass spielen, oder?“ Man sieht eine<br />
Schwester in brutaler Offenheit sagen:<br />
„Ich werde nie ein Fan von Suzi Quatro<br />
sein.“ Der Schmerz über solche Vernichtung<br />
kriecht bis in die letzte Reihe<br />
des Kinos.<br />
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