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HUK 328 Juni 2020

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Hamburger<br />

Geschichte(n)<br />

#3<br />

Kunzt&Kult<br />

Der Grenzpfeiler<br />

am Nobistor<br />

Der dritte Teil der Serie Hamburger Geschichte(n)<br />

führte uns – vor Corona! – auf die Reeperbahn, wo einst die<br />

Vorstadt St. Pauli endete – und Dänemark begann.<br />

TEXT: ANNABEL TRAUTWEIN; FOTOS: ANDREAS HORNOFF<br />

Mehr als nur ein Laternenmast<br />

auf dem Kiez:<br />

Jürgen Jobsen zeigt uns<br />

den früheren Grenzpfeiler<br />

am Nobistor.<br />

Da, wo Jürgen steht,<br />

begann damals<br />

Dänemark.<br />

Historische Spurensuche im Rotlichtviertel?<br />

Gar nicht so einfach. Denn<br />

auch wenn der Kiez eine bewegte Geschichte<br />

hat – um Aufmerksamkeit der<br />

Passanten buhlen vor allem Showbars<br />

und Nachtclubs, Imbissbuden und<br />

Spielhallen. Schnelles Vergnügen, hier<br />

und jetzt im Angebot! Die Leuchtreklamen<br />

blitzen selbst am helllichten<br />

Tag. Jürgen Jobsen (64) aber lässt sich<br />

nicht ablenken. Stoisch schiebt der<br />

Hinz&Kunzt-Mitarbeiter sein Fahrrad<br />

die Reeperbahn entlang, vorbei an Susis<br />

Showbar und der Großen Freiheit.<br />

„Es kann nicht mehr weit weg sein“,<br />

sagt er. Jürgen hält Ausschau nach dem<br />

alten Grenzpfeiler am Nobistor.<br />

Heute mitten im Trubel, markierte<br />

er vor rund 170 Jahren den Übergang<br />

zwischen zwei Reichen. „Hier fing Dänemark<br />

an“, erklärt Jürgen. Die Stadt<br />

Altona – aus Hamburger Sicht „allzu<br />

nah“ – war damals noch holsteinisch<br />

und stand bis 1864 unter dänischer<br />

Krone. Die ist auch auf dem Grenzpfeiler<br />

repräsentiert, in Form eines gekrönten<br />

Monogramms: „CR VIII“, die Initialen<br />

des dänischen Königs Christian<br />

der Achte. Auf der anderen Seite des<br />

Pfeilers steht der Spruch „Nobis bene“<br />

(„Uns das Gute“). Darunter prangt das<br />

Altonaer Wappen, eine Burg mit drei<br />

Zinnen, die Tore weit geöffnet. Die<br />

Stadt war stolz auf ihre Offenheit.<br />

Zwar galt auch hier seit 1750 die Torsperre.<br />

Doch wer nachts wieder nach<br />

Altona rein wollte, wurde am Nobistor<br />

allenfalls symbolisch gehindert: Zwischen<br />

dem eigentlichen Tor und den<br />

beiden Grenzpfeilern blieb genug Platz,<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>328</strong>/JUNI <strong>2020</strong><br />

um hindurchzuschlüpfen.<br />

Ganz andere Sitten<br />

herrschten offenbar am<br />

Millerntor, dem Grenzübergang<br />

zur Freien und<br />

Hansestadt. „Wenn man<br />

Hamburger war, musste<br />

man zu einer bestimmten<br />

Zeit drinnen sein“, erzählt<br />

Jürgen. „Sonst musste man<br />

ein Torgeld bezahlen.“ Das<br />

konnte teuer werden.<br />

Aber die Nacht auf St. Pauli verbringen,<br />

zwischen Amüsierschuppen<br />

und zwielichtigen Spelunken? Eine<br />

Vorstellung, die Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

noch sprichwörtliche Torschlusspanik<br />

erzeugte. Eine der kleinen Millerntorwachen<br />

gibt es noch, sie ist auch<br />

als Platte bei Obdachlosen beliebt. „Da<br />

kann man noch einigermaßen geschützt<br />

sein Nachtlager aufschlagen“,<br />

sagt Jürgen. Im Laufe des Straßenumbaus<br />

wurde das Häuschen versetzt, von<br />

der alten Stadtgrenze fehlt heute jede<br />

Spur. Der Grenzpfeiler am Nobistor<br />

dagegen blieb an seinem Platz. 2013<br />

ließ der Denkmalverein ihn restaurieren.<br />

Womöglich bekommt er sogar sein<br />

Gegenstück zurück. Der zweite Pfeiler<br />

wurde zwar im Krieg zerstört, aber die<br />

Fragmente liegen noch im Depot des<br />

Museums für Hamburgische Geschichte.<br />

Im April 2016 entschied die Bezirksversammlung<br />

Hamburg-Mitte, ihn wieder<br />

herrichten zu lassen. Dann wäre<br />

bald auch der alte Spruch wieder vollständig:<br />

„Uns das Gute – Niemandem<br />

das Schlechte.“ •<br />

Kontakt: annabel.trautwein@hinzundkunzt.de<br />

Jürgen Jobsen (64)<br />

war früher<br />

Hinz&Künztler<br />

und arbeitet seit<br />

Jahren im Vertrieb.<br />

Preisfrage:<br />

„Nobis bene“ steht auf dem Grenzpfeiler.<br />

Wie lautet die Fortsetzung des lateinischen<br />

Spruchs, die den zweiten Pfeiler<br />

zierte? Schreiben Sie uns (siehe rechts)!<br />

HISTORISCHES FOTO AUS DEM BUCH „ALTONA & OTTENSEN: BILDER AUS DEN VERGANGENEN TAGEN“ VON FRITZ LACHMUND<br />

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