HUK 328 Juni 2020
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Das Hamburger<br />
Straßenmagazin<br />
Seit 1993<br />
N O <strong>328</strong><br />
<strong>Juni</strong>.20<br />
2,20 Euro<br />
Davon 1,10 Euro für<br />
unsere Verkäufer*innen<br />
Danke,<br />
Hamburg!<br />
Gemeinsam mit Ihnen<br />
wuppen wir die Krise.
HAMBURGER NEBENSCHAUPLÄTZE<br />
DER ETWAS ANDERE<br />
HAMBURGER<br />
STADTRUNDGANG<br />
Chris und Harald zeigen normalerweise fast jeden Tag Orte, die in<br />
keinem Reiseführer stehen: Bahnhofsmission statt Rathausmarkt,<br />
Drogenberatungsstelle statt Alsterpavillon. Sie lieben diese Aufgabe.<br />
Nun müssen sie leider wegen Corona pausieren. Aber bald sind sie<br />
hoffentlich wieder da! Wenn die Lockerungen es erlauben, mit einer<br />
echten Gruppe. Oder digital.<br />
Anmeldung und weitere Infos unter<br />
www.hinzundkunzt.de oder<br />
Telefon 040/32 10 83 11.
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Inhalt<br />
Gut aufgenommen:<br />
Im Bedpark in der Schanze<br />
haben wir viele Obdachlose<br />
untergebracht, damit<br />
sie sich vor Ansteckung<br />
mit dem Corona virus<br />
schützen können.<br />
Möglich war das nur<br />
durch eine Großspende.<br />
Überwältigende Solidarität und ein Entschluss<br />
Endlich sehen wir uns wieder! Die zweieinhalb Monate seit<br />
unserem Shutdown waren ganz schön lang und aufwühlend.<br />
Wir haben ja einen Tag nach der Rede von Angela Merkel, am<br />
19. März, beschlossen, den Straßenverkauf vorläufig einzustellen.<br />
Schließlich gehören die meisten Hinz&Künztler*innen zur<br />
Risikogruppe. Die Auszeit brauchten wir, um uns zu überlegen,<br />
wie wir die Verkäufer*innen an ihrem Platz so gut schützen<br />
können, dass sich alle wohlfühlen – und dass das wieder<br />
möglich ist, was immer unser Markenzeichen war: Austausch<br />
und Kontakt (Seite 6).<br />
Wenn Sie, liebe Hamburgerinnen und Hamburger, nicht<br />
gewesen wären, dann würden wir die Krise längst nicht so<br />
gut meistern: Sie haben uns Masken genäht, Lunchpakete<br />
gepackt, Plakate entworfen und gut sichtbar platziert und<br />
damit für unser Magazin geworben, das im April und Mai<br />
nur online zu lesen war. Sie haben mehr Geld in unseren<br />
Corona-Fonds gespendet, als wir uns je hätten träumen<br />
lassen, damit wir den Hinz&Künztler*innen eine Überlebenshilfe<br />
auszahlen können (Seite 38). Und Sie haben uns<br />
Geld gespendet, damit wir Obdachlose im Hotel unterbringen<br />
können (Seite 10). Wir sind überwältigt von Ihrer Solidarität.<br />
Was wir mit Ihnen erleben, ist mehr wert als jeder Lottogewinn.<br />
Und es macht Mut für unsere Arbeit.<br />
Ich muss auch gestehen: Hinz&Kunzt in so guten<br />
Händen zu wissen, macht es mir leichter, nach 27 Jahren das<br />
Projekt zu verlassen: Denn Ende des Jahres werde ich in Rente<br />
gehen. Wir fangen jetzt an, eine Nachfolgerin oder einen<br />
Nachfolger zu suchen (Seite 25). Ich bin schon gespannt,<br />
wie es weitergeht.<br />
Ihre Birgit Müller Chefredakteurin<br />
(Schreiben Sie uns doch an info@hinzundkunzt.de)<br />
TITELBILD UND FOTO OBEN: MAURICIO BUSTAMANTE<br />
Inhalt<br />
Bedroht: Die Sternbrücke soll abgerissen werden – und mit ihr<br />
auch Clubs wie die Astra Stube. Es regt sich aber Protest (S. 18).<br />
Stadtgespräch<br />
Wandern in Hamburg<br />
04 Gut&Schön<br />
06 Wir sind wieder da! Hinz&Kunzt ist<br />
zurück auf der Straße<br />
Danke, Hamburg!<br />
16 Zahlen des Monats: Laptops und<br />
Tablets für Schüler*innen<br />
18 Abriss für mehr Autos – oder ist die<br />
Sternbrücke noch zu retten? Wie es mit<br />
dem Bauwerk weitergeht<br />
26 Koalition: SPD und Grüne verhandeln<br />
über Containern und Schwarzfahren<br />
30 Gegen den Coronakoller: Wo man in<br />
und um Hamburg grüne Wildnis findet<br />
10 Wie bei Freunden: Obdachlose finden<br />
Schutz im Hotel<br />
38 Wie Hamburger*innen uns durch die<br />
Coronakrise helfen<br />
44 Gabriele Koch aus dem Spendenmarketing<br />
hat viel zu tun – zum Glück!<br />
Eine Pionierin:<br />
Suzi Quatro wird<br />
70. Sie war die erste<br />
Leaderin einer<br />
Rockband (S. 48).<br />
Kunzt&Kult<br />
48 Hart im Nehmen: Die Musikerin<br />
Suzi Quatro wird 70<br />
52 Tipps für den <strong>Juni</strong><br />
56 Hamburger Geschichte(n)<br />
58 Momentaufnahme<br />
Rubriken<br />
14, 29 Kolumnen<br />
27, 28 Meldungen<br />
46 Leser*innenbriefe<br />
57 Rätsel, Impressum<br />
Wir unterstützen Hinz&Kunzt. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk
Kinder und Corona<br />
Kreativ und plietsch<br />
Corona macht erfinderisch! Jedenfalls die Kinder<br />
unseres Fotografen Dmitrij Leltschuk. In Planten<br />
un Blomen haben sie kurzerhand einen Plastikhandschuh<br />
zu einem Luftballon umfunktioniert.<br />
Das ist auch besser, als die Handschuhe stundenlang<br />
an den Händen zu haben, denn davon raten<br />
Expert*innen dringend ab. Also macht Corona<br />
Dmitrijs Kids auch noch plietsch! BELA<br />
•<br />
Mehr Fotos von Dmitrij: www. leltschuk.com
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Gut&Schön<br />
Briefe an Senior*innen<br />
Zeilen<br />
voller Hoffnung<br />
Katrin Kell organisiert gute<br />
Nachrichten für Senior*innen.<br />
FOTOS: DMITRIJ LELTSC<strong>HUK</strong> (S. 4 UND OBEN), DANIELA SCHERBRING (LINKS UNTEN),<br />
MAURICIO BUSTAMANTE (RECHTS UNTEN), DIAKONISCHES WERK HAMBURG<br />
Made auf Veddel<br />
Masken für Europa<br />
„In der Krise muss Europa zusammenhalten“, findet<br />
die Designerin Sibilla Pavenstedt. Ihr Label „Made<br />
auf Veddel“ setzt dafür Zeichen: Nesrin (Foto) und<br />
ihre Kolleg*innen fertigen Masken im Europalook,<br />
bedruckt oder handbestickt. Der Erlös wird an Institutionen<br />
gespendet, die sich für von Corona Betrof fene<br />
engagieren – auch an Hinz&Kunzt. LEU<br />
•<br />
Infos: www.care-for.eu<br />
Kulturbeutel für Helden<br />
Diese Kulturbeutel machen ihrem<br />
Namen alle Ehre! Downloadlinks zu<br />
Filmen, Gutscheine fürs Altonaer<br />
Museum, Liederabend-Tickets und<br />
vieles mehr – all das fanden<br />
Mitarbeiter*innen des AK Altona in<br />
den Taschen, die ihnen von den<br />
Organisator*innen der Altonale<br />
überreicht wurden. Sie seien, so<br />
Stadtteilfest-Geschäftsführerin Heike<br />
Gronholz, „ein sehr herzlicher Dank<br />
für ihren in diesen Zeiten unglaublich<br />
wertvollen Einsatz“. Die Altonale<br />
findet <strong>2020</strong> digital statt. JOC<br />
•<br />
Corona im Museum<br />
Eines Tages wird Corona Geschichte<br />
sein. Dafür sammelt das Museum<br />
für Hamburgische Geschichte schon<br />
heute Objekte, die dokumentieren,<br />
wie die Krise Hamburg verändert.<br />
Beispiel: das Schloss des Elbschlosskellers.<br />
Als die 24/7-Kneipe wegen<br />
Corona erstmals seit 70 Jahren zumachen<br />
musste, ging das gar nicht.<br />
Der Schlüssel war weg. Nun hat die<br />
zur Hilfseinrichtung umfunktionierte<br />
Kneipe ein neues Schloss – und<br />
das alte liegt im Museum. ATW<br />
•<br />
Angebote an: soenke.knopp@mhg.shmh.de<br />
„Wir kennen euch nicht und<br />
werden euch nie treffen, aber<br />
ihr habt uns ein Lächeln in unser<br />
Gesicht gezaubert.“ Mit<br />
solch innigen Worten bedanken<br />
sich derzeit nicht nur die<br />
Senior*innen aus dem „Walter<br />
Rumond Haus“ in Altona bei<br />
all jenen, die ihnen in dieser<br />
einsamen Coronazeit einen<br />
„Hoffnungsbrief“ geschrieben<br />
haben.<br />
Das Ganze geht ganz einfach:<br />
Wer mag, verfasst einen<br />
Brief an eine*n unbekannte*n<br />
Bewohner*in eines Hamburger<br />
Diakonie-Altenpflegeheims<br />
und erzählt darin möglichst<br />
persönlich von sich<br />
selbst. Die Briefe werden auf<br />
die insgesamt 43 Einrichtungen<br />
verteilt und dort gemeinsam<br />
mit den Pflegekräften gelesen<br />
und diskutiert.<br />
Vom Erfolg dieser Aktion,<br />
die noch bis mindestens Ende<br />
<strong>Juni</strong> andauern soll, sind die<br />
Initiator*innen schon jetzt begeistert:<br />
Mehr als 4000 Briefe<br />
konnten sie bereits unter 5200<br />
Senior*innen verteilen. „Sie<br />
sind zum Teil wunderschön<br />
gestaltet und anrührend“,<br />
freut sich Katrin Kell von der<br />
Diakonie Hamburg. Wer noch<br />
mitmachen will, schickt einen<br />
Brief an: Diakonie-Stiftung<br />
MitMenschlichkeit, „Hoffnungsbrief“,<br />
Königstraße 54,<br />
22767 Hamburg. Der herzliche<br />
Dank der Senior*innen ist<br />
Ihnen gewiss! JOC •<br />
Infos: www.huklink.de/hoffnungsbrief<br />
5
Endlich<br />
wieder da!
Stadtgespräch<br />
Nach dem Shutdown freuen sich die Hinz&Künztler*innen<br />
auf den Neustart. Aber ein bisschen mulmig ist ihnen schon.<br />
Sie werden Hilfe brauchen – von Hinz&Kunzt, aber auch von<br />
den Mitarbeiter*innen der Geschäfte, bei denen sie stehen.<br />
Stellvertretend für alle haben wir Thomas zu „seinem“ Edeka-<br />
Markt in Altona begleitet.<br />
TEXT: BIRGIT MÜLLER<br />
FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE<br />
Thomas hat im Dezember bei<br />
Hinz&Kunzt angefangen. Der<br />
Magazinverkauf gefällt ihm,<br />
vor allem die Kontakte zu den<br />
Kund*innen. Derzeit lebt der<br />
ehemalige Drogenkranke in<br />
einer Notübernachtung.<br />
D<br />
a steht er wieder, wenn<br />
auch nur fürs Foto. Mehr<br />
als zwei Monate ist es her,<br />
dass Thomas zum letzten<br />
Mal hier war, an seinem Verkaufsplatz<br />
bei Edeka in der Harkortstraße in Altona.<br />
Etwas mulmig ist dem 43-Jährigen<br />
zumute. Werden ihn seine Kund*innen<br />
überhaupt wiedererkennen, wenn er<br />
mit der <strong>Juni</strong>ausgabe vor ihnen steht?<br />
Denn der Hinz&Künztler wird coronabedingt<br />
etwas anders aussehen als vorher.<br />
Von Vertriebschef Christian Hagen<br />
hat er einen Mundschutz und eine Art<br />
Visier bekommen. Den Mundschutz<br />
braucht er, wenn er mal in den Laden<br />
geht, das Visier schützt ihn, wenn er<br />
draußen an seinem Platz verkauft.<br />
Aber wird sein Platz überhaupt<br />
noch sein Platz sein? Das will er heute<br />
erfragen. „Da, wo ich vorher stand, direkt<br />
am Eingang, wird’s wohl nicht<br />
mehr gehen“, befürchtet Thomas. „Ich<br />
will ja niemandem im Weg sein.“<br />
Thomas ist einer von rund 600<br />
Hinz&Künztler*innen, die ab dem 27.<br />
Mai wieder auf ihre Stammplätze zurückkehren<br />
werden. Und Thomas wird<br />
mit Sicherheit nicht der Einzige sein,<br />
der etwas Bammel hat.<br />
Aber zum Glück werden er und<br />
viele andere Hinz&Künztler*innen unterstützt.<br />
Von „ihren“ Marktleitern.<br />
Benjamin Hirche ist es auch, der Thomas<br />
in Sachen Verkaufsplatz berät. Hirche<br />
ist sogar der Meinung, dass er genau<br />
dahin zurückkommen kann, wo er<br />
immer war. „Da standen in den vergangenen<br />
Wochen auch die Sicherheitsleute“,<br />
sagt der 39-Jährige. „Wenn du dich<br />
7
Visier<br />
Diese Art Visier haben uns die<br />
MoinMakers (siehe Seite 38)<br />
gespendet. Ein toller Spuckschutz –<br />
und man kann sich gut sehen und<br />
miteinander sprechen.<br />
Ist vermutlich auf Dauer bequemer<br />
als eine Stoffmaske.<br />
Mundschutz<br />
Den Mundschutz braucht man in<br />
Geschäften sowie in Bus und Bahn.<br />
Zum Verkaufsstart bekommen<br />
die Hinz&Künztler*innen gespendete<br />
und selbstgenähte Masken.<br />
Gewaschen werden sie<br />
bei Hinz&Kunzt.<br />
Verkaufsausweis<br />
Hat mit Corona nichts zu tun, soll aber<br />
immer gut sichtbar getragen werden.
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Stadtgespräch<br />
da anwurzelst, müssen die anderen<br />
eben um dich herumgehen, da ist genügend<br />
Platz!“<br />
Offensichtlich freut sich der Edeka-<br />
Chef, dass Thomas wieder da ist. Dabei<br />
kennen sich die beiden noch nicht lange:<br />
Hirche eröffnete seinen Laden erst<br />
im Oktober 2019 und Thomas fing im<br />
Dezember an. „Aber wo immer ich<br />
meine Lebensmittel verkauft habe –<br />
überall habe ich mit Hinz&Kunzt zusammengearbeitet“,<br />
sagt der Einzelhandelskaufmann.<br />
„Deswegen ist es für<br />
mich völlig normal, dass jemand vor<br />
der Tür steht und seinen Lebensunterhalt<br />
mit dem Magazinverkauf verdient.<br />
Das gehört einfach mit dazu.“<br />
Eine echte Win-win-Situation könne<br />
das sogar sein: „Wenn man solche<br />
Leute hat wie Thomas, dann ist das<br />
auch eine Kundenbindung, die man betreibt“,<br />
sagt Benjamin Hirche. „Er bindet<br />
seine Kunden, und die kommen immer<br />
wieder hierher, um ihn zu sehen,<br />
und gehen dann eventuell auch zu uns<br />
rein – und umgekehrt.“<br />
Thomas ist sichtlich erleichtert,<br />
dass er einen so guten Neustart bei „seinem“<br />
Marktleiter hat. Die vergangenen<br />
Wochen waren nicht gerade leicht für<br />
ihn. Corona hat ihm ganz schön zugesetzt.<br />
Denn er gehört wie die meisten<br />
Hinz&Künztler*innen zur Risikogruppe.<br />
Jahrelang war er drogenabhängig.<br />
Jetzt wird er mit Tabletten substituiert.<br />
„So habe ich nicht mehr das Bedürfnis,<br />
Drogen zu nehmen“, erklärt er. „Und<br />
„SO FÜHLE<br />
ICH MICH<br />
SICHERER.“<br />
ich habe durch die Tabletten auch keine<br />
Schmerzen.“ Er kifft „nur“ noch.<br />
Für ihn ein echter Fortschritt. „Ich bin<br />
auf einem guten Weg“, findet er selbst.<br />
Der Kontakt zu den Kund*innen helfe<br />
ihm. „Da weiß ich, warum ich morgens<br />
überhaupt aufstehen soll.“ Bis dann<br />
Corona kam. Da bekam er Angst. Um<br />
sich und um andere. Er ging nur noch<br />
Die Verbindung zwischen Einzelhandel und Hinz&Kunzt kann eine<br />
Win-win-Situation sein, findet Edeka-Chef Benjamin Hirche (links),<br />
daneben Thomas und Christian Hagen aus dem Hinz&Kunzt-Vertrieb.<br />
selten an seinen Verkaufsplatz. Trotzdem<br />
war es für ihn ein herber Schlag,<br />
als er hörte, dass Hinz&Kunzt vorübergehend<br />
schließt und man keine Magazine<br />
mehr kaufen kann. „Ich will nicht sagen,<br />
dass eine Welt zusammenbrach,<br />
aber irgendwie …“ Denn zu dem Zeitpunkt,<br />
als wir schlossen, wussten wir ja<br />
auch noch nicht, wie und wann es weitergehen<br />
würde. „Ich dachte schon, ich<br />
müsste wieder betteln“, sagt Thomas.<br />
„Und das wollte ich eigentlich auf keinen<br />
Fall.“ Zum Glück konnten wir unseren<br />
Verkäufer*innen eine Überlebenshilfe<br />
auszahlen (siehe Seite 38). Aber<br />
das war zu Beginn des Shutdowns noch<br />
nicht abzusehen.<br />
Doch auf die Hamburger*innen ist<br />
Verlass: Sie haben so viel für unseren<br />
Corona-Fonds gespendet, dass Thomas<br />
und die anderen Hinz&Künztler*innen<br />
im April und Mai insgesamt 490 Euro<br />
bekamen. Aber obwohl er die Finanzspritze<br />
dringend benötigt: „Es geht ja<br />
nicht nur ums Geld. Ich vermisse die<br />
vielen Kontakte und Gespräche“, sagt<br />
Thomas. Zum Glück wird es die bald<br />
wieder geben.<br />
Damit niemand Angst haben muss,<br />
sich oder andere anzustecken, arbeitet<br />
der Hinz&Kunzt-Vertrieb schon an<br />
weiteren Schutzmaßnahmen. Neben<br />
den Masken und Visieren werden die<br />
Verkäufer*innen mit Desinfektionsmittel<br />
ausgestattet. Und mit Magazinhaltern,<br />
aus denen sich die Kund*innen<br />
das Heft selbst herausnehmen können.<br />
Stichwort: kontaktloser Verkauf.<br />
Thomas hat inzwischen Maske und<br />
Visier getestet. „So fühle ich mich selbst<br />
sicherer“, sagt er. Er kann also kommen,<br />
der Tag der Tage, der erste Verkaufstag<br />
nach dem Shutdown. Thomas ist gewappnet.<br />
Und Filialleiter Benjamin Hirche<br />
ist sowieso sicher: Seine Kundinnen<br />
und Kunden warten längst auf Thomas.<br />
„Sie haben in den letzten Wochen oft<br />
nach ihm gefragt.“ •<br />
Kontakt: birgit.müller@hinzundkunzt.de<br />
Endlich wieder da:<br />
Wir erklären Thomas,<br />
wie er mit Schutzausrüstung<br />
kontaktlos<br />
verkaufen kann.<br />
Nutzen Sie den QR-<br />
Code oder den Link:<br />
www.huklink.de/<strong>328</strong>-verkaufsstart<br />
9
10
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Danke, Hamburg!<br />
„Urlaub von<br />
der Straße“<br />
150 Obdachlose leben derzeit in Hotels – bezahlt<br />
von der Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH.<br />
Wir haben einige von ihnen besucht. Begegnungen mit<br />
den Hotelgästen und ihren Sozialarbeiter*innen.<br />
TEXT: LUKAS GILBERT, JONAS FÜLLNER<br />
FOTOS: ANDREAS HORNOFF<br />
Was ich mir wünsche?“<br />
Volker greift in seine Jackentasche,<br />
zückt ein<br />
Exemplar der Allgemeinen<br />
Erklärung der Menschenrechte<br />
und kommt auf Artikel 25 zu sprechen,<br />
der auch das Recht auf eine Wohnung<br />
regelt: „Dass wir danach behandelt<br />
werden. Das wünsche ich mir.“<br />
Der Wunsch des Obdachlosen hat<br />
sich erfüllt. Der 64-Jährige lebt in einem<br />
Hotel in Ottensen – wenn auch<br />
nur übergangsweise. „Urlaub von der<br />
Straße“, nennt Volker das augenzwinkernd.<br />
Ermöglicht hat ihm seinen „Urlaub“<br />
die großzügige Spende der<br />
Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH<br />
an Hinz&Kunzt und Alimaus. Seit Mitte<br />
April sind zahlreiche soziale Träger<br />
zusammengerückt und haben insgesamt<br />
rund 150 Obdachlose in Hotelzimmern<br />
in ganz Hamburg untergebracht<br />
– als Schutzmaßnahme vor der<br />
Coronapandemie (siehe Seite 15).<br />
Dass Obdachlose plötzlich ein Zimmer<br />
für sich alleine haben, so was gab<br />
es noch nicht. Wer von der Straße wegwill,<br />
den führt es in Hamburg direkt ins<br />
Pik As oder Winternotprogramm.<br />
Notunterkünfte mit Mehrbettzimmern<br />
und Gemeinschaftsduschen und<br />
-toiletten: Ein wirksamer Infektionsschutz<br />
kann so nicht gewährleistet werden,<br />
kritisierten Hinz&Kunzt und die<br />
kirchlichen Wohlfahrtsverbände bereits<br />
im März.<br />
Im Hotel hingegen ist Hygiene und<br />
Abstandhalten möglich. Zudem wird<br />
das ungewöhnliche Hilfsprojekt gleich<br />
von mehreren Sozialarbeiter*innen begleitet.<br />
Zu ihnen gehören die beiden<br />
Straßensozialarbeiter Johan Graßhoff<br />
(Diakonie) und Julien Thiele (Caritas),<br />
Jonas Gengnagel von Hinz&Kunzt und<br />
Sozialarbeiterin Anke Beceral vom<br />
JesusCenter musste sofort an Volker denken,<br />
als sie vom Hotelprojekt hörte. Auch im Hotel<br />
bleibt sie seine Ansprechpartnerin.
Danke, Hamburg!<br />
Anke Beceral. Die 36-Jährige leitet das<br />
Café Augenblicke des Jesus Centers in<br />
der Sternschanze. Über sie ist Volker im<br />
Hotel untergekommen: „Als ich von<br />
der Möglichkeit gehört habe, musste<br />
ich sofort an ihn denken.“ Der Winter<br />
hatte dem 64-Jährigen mit dem langen<br />
Artur genießt die Zeit im<br />
Hotel. Erholung bedeutet für<br />
ihn aber auch, dass er mit<br />
anderen Obdachlosen den<br />
Garten im Bedpark schön<br />
gestaltet. Fast jeden Tag<br />
besucht Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter<br />
Jonas Gengnagel<br />
die Hotelgäste.<br />
grauen Bart schon stark zugesetzt:<br />
„Meine Batterien waren ziemlich alle“,<br />
sagt Volker. „Von daher ist es gut, dass<br />
ich mich hier wieder regenerieren kann<br />
und zu Kräften komme.“ In seinem<br />
Hotelzimmer in Ottensen kann Volker<br />
seinen Tag nun ganz nach seinen Vor-<br />
12<br />
stellungen gestalten. Und das Beste am<br />
Hotel? „Den ersten Kaffee am Morgen<br />
kann ich mir direkt in meinem Zimmer<br />
machen“, erzählt Volker glücklich.<br />
Frischen Kaffee, den gibt es im mybed<br />
in Bergedorf in jedem Zimmertrakt<br />
aus dem Vollautomaten – und zwar<br />
rund um die Uhr. Hotelbesitzer Michael<br />
Funk verdient sein Geld mit Übernachtungen,<br />
nebenbei vertreibt er aber<br />
auch in Hamburg gerösteten Espresso.<br />
Für die Gäste in seinem „Low-Budget-<br />
Hotel“ gibt es den sogar kostenlos. „Mir<br />
gefällt hier aber nicht nur der Kaffee“,<br />
sagt Jan und muss ein bisschen schmunzeln.<br />
Der 42-Jährige lebt mit wenigen<br />
Unterbrechungen seit rund zehn Jahren<br />
auf der Straße. Dass ihn Sozialarbeiter<br />
Johan Graßhoff jetzt in einem Dreisternehotel<br />
mit Zugang zur Dove-Elbe untergebracht<br />
hat, ist für ihn ein Lottogewinn.<br />
Das Bett, so bequem, dass viel<br />
Kaffee nötig ist, um ihn aus den Federn<br />
zu holen. Und dann das Kissen: „Wie<br />
ein Orgasmus“, sagt Jan und läuft ein<br />
wenig rot an.<br />
Den Komfort bei zugleich günstigen<br />
Preisen nutzen sonst eher Monteure,<br />
aber natürlich auch Tourist*innen<br />
und Reisegruppen, erzählt Michael<br />
Funk. Der my-bed-Betreiber ist Geschäftsmann<br />
mit dem Herz am rechten<br />
Fleck. „Wir sind ein Multikulti-Team<br />
und mir ist egal, woher jemand<br />
kommt“, sagt Funk, der bereits in der<br />
Migrationskrise 2015 seine Zimmer für<br />
unbegleitete minderjährige Geflüchtete<br />
zur Verfügung stellte.<br />
Den Menschen eine neue Chance<br />
bieten, das gehört für den 49-Jährigen<br />
dazu. So ist es wohl kein Zufall, dass einer<br />
der sonst obdachlosen Bewohner<br />
bereits als Praktikant in Funks Handwerksbetrieb<br />
anpackt. „Wenn alles gut<br />
geht, kann er ab <strong>Juni</strong> fest bei uns anfangen“,<br />
sagt Funk, und man nimmt ihm<br />
ab, dass er diese Aussage ernst meint.<br />
Jan hingegen muss nach vielen Jahren<br />
auf der Straße erst einmal Kräfte<br />
sammeln. Vielleicht kann er sogar über<br />
das Ende des Hilfsprogramms hinaus<br />
bleiben. Sozialarbeiter Johan Graßhoff<br />
hat ihn unter seine Fittiche genommen.
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Danke, Hamburg!<br />
Der erste Schritt: Anträge stellen. Zumindest<br />
für die Phase der Coronapandemie<br />
sollte das Jobcenter die Kosten<br />
der Unterkunft übernehmen, fordert<br />
Graßhoff. „Die Menschen brauchen<br />
jetzt einfach noch mehr Hilfe.“<br />
„Meine Batterien<br />
waren ziemlich<br />
alle“, sagt Volker.<br />
Dass er vorerst weg von der Straße ist,<br />
das hätte sich Jan Anfang April in seinen<br />
kühnsten Träumen nicht vorstellen<br />
können. Nachts schlief er vor einem<br />
Kaufhaus. Tagsüber bettelte der<br />
Hinz&Künztler verzweifelt in der Innenstadt<br />
um ein paar Euro. „Das war<br />
eine Katastrophe“, erinnert sich Jan.<br />
„Früher kamste ja noch über die Runden,<br />
aber jetzt? Der Erste bekommt<br />
was, der Zweite vielleicht. Aber der<br />
Dritte?“ Die Innenstadt sei in diesen<br />
Zeiten voller Obdachloser gewesen, die<br />
die wenigen Passant*innen vergeblich<br />
um ein paar Euro anschnorrten.<br />
Dass sich für Jan jetzt wieder eine<br />
Perspektive öffnet, sei ein Erfolg der<br />
Hotelunterbringung, sagt Johan Graßhoff.<br />
Gerade einmal drei, vier Obdachlose<br />
hatte der Straßensozialarbeiter im<br />
vergangenen Jahr in eine Wohnung begleitet.<br />
Jetzt hingegen konnte er zusammen<br />
mit Julien Thiele innerhalb von<br />
vier Wochen etwa 80 Obdachlose im<br />
Hotel einquartieren. „Und das ist ja nur<br />
ein Anfang“, pflichtet ihm sein Kollege<br />
Thiele bei, der ebenfalls im my-bed in<br />
Bergedorf einige der Obdachlosen<br />
betreut. Viele hätten leider schlechte<br />
Erfahrungen in den Notunterkünften<br />
gemacht. Sie meiden daher das Winternotprogramm<br />
mit seinen Mehrbettzimmern,<br />
die morgens geräumt werden<br />
müssen und die man nicht abschließen<br />
kann. „Die Frage, die uns am häufigsten<br />
gestellt wurde, war: ‚Wann müssen<br />
wir morgens raus?‘“, erzählt Thiele.<br />
Jan ist nach vielen Jahren<br />
auf der Straße sehr geschwächt.<br />
In den ersten Tagen im Hotel<br />
kann ihn selbst der gute Kaffee<br />
kaum aus den Federn locken.<br />
13<br />
Die Obdachlosen hätten völlig ungläubig<br />
reagiert, wenn er ihnen als Antwort<br />
einen Zimmerschlüssel in die Hand<br />
drückte.<br />
Auch für Volker waren das Winternotprogramm<br />
oder andere städtische<br />
Unterbringungen bereits seit Jahren<br />
keine Option: „Ich brauche mein eigenes<br />
Zimmer, aber da stelle ich keine<br />
Ausnahme dar. Jedem Menschen sollte<br />
die Möglichkeit eines eigenen Raums<br />
zur Verfügung gestellt werden.“<br />
Die Sozialbehörde will Obdachlose<br />
nicht in Hotels unterbringen. Die Betreuung<br />
durch Sozialarbeiter*innen sei<br />
dort nicht so einfach zu gewährleisten<br />
wie in den bestehenden Großunterkünften,<br />
ist die Befürchtung. Sozialarbeiterin<br />
Anke Beceral kann bei den Argumenten<br />
der Behörde nur den Kopf<br />
schütteln: „Die Erfahrungen, die wir<br />
gerade machen, zeigen doch, dass viel,<br />
viel mehr möglich ist, als man immer so<br />
denkt.“ Deshalb hat sie auch die Hoffnung<br />
nicht aufgegeben, dass noch etwas<br />
Positives entsteht aus der momentanen<br />
Situation: „Ich hoffe auf neue Unterbringungsmöglichkeiten<br />
und eine veränderte<br />
Sichtweise darauf, was möglich<br />
ist. Das wäre schön.“<br />
Auch Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter<br />
Jonas Gengnagel hat wenig Verständnis<br />
für die Argumentation der Behörde. Er<br />
ist für die Unterbringung von Obdachlosen<br />
im Hotel Bedpark im Schanzenviertel<br />
zuständig: „Natürlich ist es<br />
wichtig, dass die Menschen im Hotel<br />
eine Ansprechperson haben, aber das<br />
muss ja nicht zwingend heißen, dass alle<br />
Menschen ständig eine Sozialberatung<br />
brauchen.“ Zunächst einmal sei<br />
es viel nötiger, dass die Menschen Gelegenheit<br />
haben, zur Ruhe zu kommen:<br />
„In den ersten zwei, drei Tagen<br />
haben sich viele in ihr Zimmer verkrochen<br />
und einfach geschlafen und sich<br />
erholt“, erinnert sich Jonas Gengnagel.<br />
„Nach ein paar Tagen kamen sie frisch
Die Straßensozialarbeiter<br />
Julien Thiele (links) von der<br />
Caritas und Johan<br />
Graßhoff von der Diakonie<br />
genießen es, endlich mal<br />
Zimmer anbieten zu<br />
können.<br />
geduscht raus und sahen wesentlich entspannter<br />
aus als vorher. Das war sehr<br />
schön zu beobachten.“<br />
Das Hotelbett<br />
wirkt wie ein<br />
Türöffner.<br />
Einer, der bereits richtig regeneriert<br />
wirkt, ist Bedpark-Gast Artur. „Durch<br />
die Ruhe hier habe ich es endlich geschafft,<br />
mir Gedanken darüber zu machen,<br />
was ich eigentlich will. Ich habe<br />
einen Antrag beim Jobcenter gestellt,<br />
und als Nächstes möchte ich wieder arbeiten“,<br />
erzählt er.<br />
Die Erholung merkt man auch den<br />
anderen Obdachlosen im Bedpark an.<br />
Gemeinsam bringen sie den verwilderten<br />
Garten im Hinterhof auf Vordermann<br />
– es war ihre Idee. Die Betreiber<br />
vom Bedpark freut das. Hier kommt<br />
Sozialarbeiter Jonas Gengnagel regelmäßig<br />
zur Sprechstunde vorbei: „Immer<br />
gegen 14 Uhr, wenn auch das Essen<br />
ausgegeben wird. Dann ist das<br />
meiste Leben im Hinterhof. Da finden<br />
auch die vielen kleinen, informellen<br />
Gespräche statt.“<br />
Spricht man mit Gengnagel, Graßhoff,<br />
Thiele oder Beceral, spürt man<br />
eine gewisse Euphorie. Seit Jahren<br />
standen Sozialarbeiter*innen vor dem<br />
Problem, dass sie ihren Klient*innen<br />
kaum noch Angebote unterbreiten<br />
konnten. Wohnungen sind rar, echte<br />
Perspektiven daher in weiter Ferne und<br />
viele Obdachlose erhofften sich nur<br />
wenig von der Sozialarbeit. Das Hotelbett<br />
wirkt da wie ein Türöffner.<br />
Das beflügelt. 27 Kilometer mit<br />
dem Fahrrad haben Johan Graßhoff<br />
und Julien Thiele in den Beinen, als<br />
sie das my bed in Bergedorf erreichen.<br />
Daniel und Anja sind baff. „Das wäre<br />
mir viel zu anstrengend“, sagt der<br />
Hinz&Künztler und lacht. Das obdachlose<br />
Pärchen mit Hund hat den ganzen<br />
Winter auf der Straße verbracht. Zusammen<br />
ein Dach über dem Kopf zu<br />
finden, grenzt fast an ein Wunder. Pärchenzimmer<br />
sind Mangelware. Seltener<br />
gibt es nur noch Zimmer für Obdachlose<br />
mit Hunden. Die einzige Option:<br />
den Hund im Tierheim abgeben. Für<br />
14<br />
Funk unvorstellbar. „Ich bin Hundebesitzer“,<br />
sagt der Hotelbetreiber, der<br />
deshalb kein Problem mit Hunden in<br />
seinen Häusern hat. „Ich könnte meinen<br />
Hund auch niemals abgeben.“<br />
Natürlich ist allen Obdachlosen<br />
klar, dass wohl noch viele Monate vergehen<br />
werden, bis wieder so etwas wie<br />
Normalität herrscht. Johan Graßhoff<br />
mahnt deswegen zu mehr Weitsicht.<br />
„Der beste Pandemieplan wäre in<br />
meinen Augen, wenn man die Obdachlosigkeit<br />
beseitigt. Die Menschen brauchen<br />
jetzt Hilfe, wie wir sie ihnen<br />
bieten“, sagt er. „Aber auf lange Sicht<br />
hilft nur eine Wohnung.“ •<br />
Kontakt: redaktion@hinzundkunzt.de<br />
Reinhören ins Hotel:<br />
Mehr über das Hotelprojekt<br />
erfahren Sie<br />
in unserem Podcast.<br />
Scannen Sie den<br />
QR-Code oder folgen<br />
Sie diesem Link:<br />
www.huklink.de/<strong>328</strong>-hotels
Nach drei Monaten<br />
Hotelprojekt<br />
geht zu Ende<br />
Unser Hotelprojekt geht dem Ende entgegen.<br />
Leider. Drei Monate lang haben Alimaus,<br />
Diakonie und wir rund 150 Obdachlose in<br />
Hotels untergebracht – dank einer Großspende<br />
der Zigarettenfabrik Reemtsma. Wir<br />
von Hinz&Kunzt haben 50 Menschen einquartiert:<br />
im Bedpark und in Monteurszimmern.<br />
Aufgenommen wurden hauptsächlich<br />
Obdachlose, die sich eine Unterbringung im<br />
Winternotprogramm – mit vielen anderen<br />
Menschen und in Mehrbettzimmern – nicht<br />
zutrauen.<br />
Durch die Spende hatten wir die Gelegenheit,<br />
das zu tun, was wir immer und besonders<br />
zu Coronazeiten von der Behörde gefordert<br />
haben: Obdachlosen, wenn sie es wollten, Einzelzimmer<br />
anzubieten. Und bislang – toi, toi,<br />
toi – haben wir nur gute Erfahrungen gemacht.<br />
Binnen kurzer Zeit haben sich die meisten<br />
sichtlich erholt. Sie fühlten sich willkommen<br />
und hatten vor Ort Ansprechpartner*innen.<br />
Sie konnten sich richtig ausschlafen und hatten<br />
Privatsphäre. Sie bekamen sogar eine warme<br />
Mahlzeit am Tag und eine Lunchtüte. Und sie<br />
bekamen Besuch von den Sozialarbeiter*innen,<br />
die sie von der Straße und von Hinz&Kunzt<br />
kennen.<br />
Viele von ihnen haben neue Energie getankt.<br />
Das geht sogar so weit, dass sich einige<br />
wieder stark genug fühlen, den Lebenskampf<br />
aufzunehmen: Hartz IV zu beantragen, auch<br />
wenn sie negative Erfahrungen mit Ämtern gemacht<br />
haben. Eine Unterkunft oder Wohnung<br />
zu suchen, auch wenn sie wissen, dass es lange<br />
dauern kann, bis sie etwas bekommen. Sich ihrer<br />
Sucht zu stellen, auch wenn das Schmerzen<br />
bedeutet und Durchhaltevermögen braucht.<br />
Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer<br />
findet es allerdings wichtig, klarzumachen:<br />
„Wir haben die Obdachlosen aufgenommen,<br />
ohne irgendeine Anforderung an sie zu<br />
stellen. Wenn sie jetzt weitere Schritte gehen,<br />
dann tun sie das, weil sie etwas zur Ruhe gekommen<br />
sind. Und jeder Schritt bedeutet einen<br />
großen Kraftakt. Respekt!“<br />
Gerne würden wir das Hotelprojekt weiterführen.<br />
Aber das Geld ist Ende <strong>Juni</strong> aufgebraucht.<br />
Und noch ist keine weitere Großspende<br />
in Sicht. „Aber wir bleiben dran an den<br />
Menschen“, sagt Stephan Karrenbauer. Vom<br />
neuen Senat erhofft sich Hinz&Kunzt, dass er<br />
die Einzelunterbringung auf die Agenda setzt:<br />
„Auch da bleiben wir dran.“ BIM<br />
•<br />
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Zahlen des Monats<br />
Schule in Zeiten von Corona<br />
Computer für alle?!<br />
60.000<br />
bis 80.000 Notebooks und Tablets will der Hamburger Senat in den kommenden Monaten<br />
kaufen, damit Schulen sie an Kinder verleihen können. „Wir hoffen, nach den Sommerferien größere<br />
Zahlen von Endgeräten ausliefern zu können“, so der Sprecher der Schulbehörde Peter Albrecht.<br />
Zudem sollen die Schulen bald Prepaidkarten ausgeben, wenn es Kindern an WLAN für<br />
digitalen Unterricht von zu Hause aus mangelt. In Hamburg gibt es rund 200.000 Schüler*innen.<br />
Möglich wird der Modernisierungsschub durch einen Beschluss der Großen Koalition im Bund:<br />
Jedes Kind aus einem einkommensschwachen Haushalt solle 150 Euro Zuschuss erhalten,<br />
um einen Computer für digitalen Unterricht in Zeiten von Corona kaufen zu können,<br />
verkündeten Union und SPD Ende April. Dieses Geld wird aber nicht an Eltern ausgezahlt, sondern<br />
an die Länder, erklärte Behördensprecher Albrecht. Und: Hamburg werde auf die 12,5 Millionen Euro<br />
des Bundes eigenes Geld drauflegen. „So können qualitativ bessere Geräte gekauft werden,<br />
durch den Verleih ist die Wartung durch uns sichergestellt.“<br />
Bislang sind Leihgeräte an Hamburger Schulen eine Seltenheit. Dass Chancengleichheit auch<br />
deshalb oft ein hehres Ziel bleibt, weiß Hülya Melic von der Elternkammer Hamburg zu berichten:<br />
„Schulbildung hat viel mit dem finanziellen Status der Eltern zu tun.“ Die Coronakrise verschärfe die<br />
Ungleichheit (siehe auch Seite 29). Denn manche Kinder, so die Elternvertreterin, kommen mit digital<br />
übermittelten Aufgaben nicht zurecht oder scheitern an fehlenden Voraussetzungen zu Hause: „Wer ein<br />
eigenes Laptop hat, hohes Datenvolumen und Eltern, die Ahnung haben, hat es jetzt viel leichter.“<br />
Dabei ist schon lange genug Geld da, um Computer für alle Kinder anzuschaffen: Seit einem<br />
Jahr warten 5,5 Milliarden Euro aus dem sogenannten Digitalpakt von Bund und Ländern darauf,<br />
ausgegeben zu werden. Doch die Beantragungs- und Bewilligungsprozesse sind kompliziert und<br />
langwierig: Erst 150 Millionen Euro haben die Bundesländer abgerufen – rund 3 Prozent der<br />
bereitgestellten Mittel. Immerhin: Mit 48 Millionen Euro liegt Hamburg hier im Ländervergleich vorne.<br />
Bis die neuen Leihgeräte in den Schulen ankommen, will die Elternkammer Hamburg mit der<br />
Kampagne „Gutes Geben“ verhindern, dass benachteiligte Kinder digital abgehängt werden:<br />
Sie bittet darum, Laptops, Tablets, Smartphones, Drucker und Router zu spenden. •<br />
TEXT: ULRICH JONAS<br />
ILLUSTRATION: ESTHER CZAYA<br />
Mehr Infos im Internet unter www.elternkammer-hamburg.de und www.tacheles-sozialhilfe.de<br />
17
Die kultige Sternbrücke in Altona soll abgerissen und durch einen<br />
gigantischen Neubau ersetzt werden. Bislang läuft fast alles schief:<br />
Es gab keine Bürger*innenbeteiligung und der Denkmalschutz wird<br />
aufgegeben – alles nur für den Autoverkehr, glauben Kritiker*innen.<br />
TEXT: BENJAMIN LAUFER<br />
FOTOS: DMITRIJ LELTSC<strong>HUK</strong>
Kultbrücke mitten in Altona:<br />
Jan Delay setzte ihr 2009<br />
auf dem Cover seines<br />
Albums „Wir Kinder vom<br />
Bahnhof Soul“ ein Denkmal,<br />
Fatih Akin drehte hier im<br />
gleichen Jahr Szenen von<br />
„Soul Kitchen“, viele fühlen<br />
sich bei ihrem Anblick an<br />
New York City erinnert.
Manche nehmen es mit Humor: Als der Entwurf für den Neubau<br />
(rechts) bekannt wurde, sammelte der Denkmalverein absurde<br />
Alternativentwürfe für die überdimensionierten Pläne. Alles ist dabei:<br />
der Todesstern aus Star Wars, die Londoner Tower Bridge oder ein<br />
gigantisches Brathähnchen. Aus Sicht der Kritiker*innen nicht<br />
weniger grotesk als die echten Pläne.
Der echte Entwurf: 18 Meter höher als bislang.<br />
So sieht die neue Sternbrücke aus, wenn es nach<br />
dem Willen von Bahn und Verkehrsbehörde geht.<br />
23<br />
FOTO: DB NETZ AG / VÖSSING INGENIEURGESELLSCHAFT MBH
W<br />
er unter der Sternbrücke<br />
steht und sich umschaut,<br />
kann ein heruntergekommenes<br />
Stahlgerüst<br />
sehen, zwischen dessen Stützen sich<br />
mühsam Autos, Busse und Fahrräder<br />
hindurchquetschen müssen. Man kann<br />
aber auch dort stehen und ins Schwärmen<br />
geraten über dieses „Meisterwerk<br />
der Ingenieurbaukunst“ und die „wunderbaren<br />
Unterbaukonstruktionen“. So<br />
wie Kristina Sassenscheidt: „Das ist die<br />
Ästhetik, die man sonst am Chilehaus<br />
findet und die ruft: ‚Hey, ich bin aus<br />
den 1920ern!‘“, sagt die Vorsitzende<br />
des Denkmalvereins. „Davon abgesehen<br />
gibt es nicht viele Stadträume in<br />
Hamburg, die so viel Seele haben.“<br />
Dass die denkmalgeschützte Brücke<br />
und mit ihr zahlreiche Gebäude im<br />
Umfeld abgerissen und durch einen gigantischen<br />
Neubau ersetzt werden sollen,<br />
bringt sie entsprechend auf die Palme.<br />
Auch die Initiative Sternbrücke, in<br />
der sich viele Anwohner*innen organisiert<br />
haben, protestiert. Denn Mitte April<br />
stellten Senat und Bahn die Öffentlichkeit<br />
vor vollendete Tatsachen und<br />
präsentierten ihre ganz eigene Vorstellung<br />
von der Zukunft der Sternbrücke,<br />
21 Meter hoch statt bisher 2,80. „Ich<br />
wusste nicht, ob ich lachen oder weinen<br />
soll“, sagt Sassenscheidt. „Der Entwurf<br />
ist völlig überdimensioniert und passt<br />
überhaupt nicht in das kleinteilige<br />
Stadtbild von Altona-Nord.“<br />
Eine Beteiligung von Parlamenten<br />
und Öffentlichkeit gab es bislang nicht,<br />
was auch die honorige Architektenkammer<br />
„angesichts der Tragweite der Entscheidungen<br />
und der Bedeutung des<br />
Projekts nicht akzeptabel“ findet. Innerhalb<br />
des Senats war die Entscheidung<br />
umstritten: Die Stadtentwicklungsbehörde<br />
ließ Alternativentwürfe<br />
prüfen, die Kulturbehörde wollte den<br />
Denkmalschutz verteidigen. Doch am<br />
Ende setzte sich die Verkehrsbehörde<br />
durch. Denn die Dimension des Entwurfs<br />
geht vor allem auf ihre Vorgabe<br />
zurück: 26,50 Meter breit soll der Verkehrsraum<br />
unter der Brücke werden,<br />
ohne störende Stützen.<br />
Und damit wurde aus der Diskussion<br />
über das Bauwerk auch eine darüber,<br />
wie eine zukunftsfähige Verkehrsplanung<br />
aussieht. Immerhin ist die<br />
Kreuzung ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt:<br />
Rund 50.000 Fahrzeuge passieren<br />
sie täglich auf der Straße, 900<br />
24<br />
Personenzüge fahren darüber hinweg.<br />
Fragt sich also, ob es überragendes Interesse<br />
am Brückenkoloss gibt, das alles<br />
andere überwiegt. Die Verkehrsbehörde<br />
versucht, ihn als Maßnahme der<br />
Radverkehrsförderung zu präsentieren.<br />
„Dass die Brückenpfeiler von der<br />
Straße verschwinden werden, verschafft<br />
dem Fuß- und Radverkehr endlich genug<br />
Platz in diesem Bereich“, argumentiert<br />
Sprecher Christian Füldner gegenüber<br />
Hinz&Kunzt. „Das wird sicher<br />
mehr Radfahrende anziehen.“ Mit<br />
einer Zunahme des Autoverkehrs rechne<br />
man in der Behörde hingegen nicht.<br />
Erst nach dem Hinweis auf ein<br />
Gutachten des Senats revidiert die Behörde<br />
diese Einschätzung. Das kam<br />
nämlich schon 2019 zu dem Schluss,<br />
dass der Verkehr in Altona wegen zahlreicher<br />
Bauprojekte künftig stark zunehmen<br />
wird. Und als die Behörde die<br />
Pläne der Öffentlichkeit vorstellte, zeigte<br />
sie einen Entwurf mit einer möglichen<br />
künftigen Straßenaufteilung – auf<br />
dem vor allem Autos mehr Platz bekommen<br />
würden. Deswegen kaufen<br />
auch die Altonaer Grünen der Verkehrsbehörde<br />
die Argumentation nicht<br />
ab. „Man braucht nicht so viel mehr
Stadtgespräch<br />
„Dieser Ort ist für viele Hamburger identitätsstiftend und hat<br />
mehr Liebe verdient“, findet Axel Bühler von der Initiative Sternbrücke,<br />
hier unter der Brücke mit Kristina Sassenscheidt (links)<br />
und Sonja Nielbock von der Anwohner*inneninitiative.<br />
Unsere Verkäufer und Verkäuferinnen sind aus Hamburg<br />
nicht mehr wegzudenken.<br />
Wir bauen Brücken zwischen Menschen und leisten seit mehr<br />
als 25 Jahren Lobbyarbeit für Hamburgs Obdachlose. Unsere<br />
Gesellschafter sind das Diakonische Werk Hamburg und die<br />
Patriotische Gesellschaft von 1765.<br />
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oder vom Herausgeber Dirk Ahrens, ahrens@diakonie-hamburg.de<br />
Platz für den Rad verkehr“, sagt ihr verkehrspolitischer<br />
Sprecher Holger Süllberg. „Da geht es um Flächen für den<br />
Kraftverkehr.“ Mit einem Antrag in der Bezirksversammlung<br />
wollen sie daher versuchen, den Brückenneubau mit<br />
Maßnahmen zur Verkehrsreduzierung zu verknüpfen.<br />
Und dann sind da auch noch die Clubs in den Kasematten<br />
unter der Brücke wie Fundbureau, Waagenbau<br />
und Astrastube, die einem Abriss der Brücke zum Opfer<br />
fallen würden – und für die es auch noch keine Zukunftsperspektive<br />
gibt. Von der Bahn fühle man sich bei der<br />
Suche nach alternativen Standorten gut unterstützt, vom<br />
Bezirksamt Altona hingegen nicht, heißt es vom Waagenbau.<br />
„Ich finde, dass Clubs da hingehören“, entgegnete<br />
Bezirksamtsleiterin Stefanie von Berg (Grüne) bei einer<br />
Informationsveranstaltung im April dem Vorwurf und<br />
bekräftigte, bei der Suche nach neuen Orten behilflich<br />
sein zu wollen: „Ich war auch nicht immer 55, das ist auch<br />
für mich ein Teil meiner Geschichte.“<br />
Irgendwie hängen an der alten Sternbrücke also viele<br />
Emotionen. Ob sie noch zu retten sein wird? „Wir haben<br />
geringe Chancen, den Abriss zu verhindern, wenn selbst<br />
die Kulturbehörde die historische Brücke aufgibt“, räumt<br />
Sassenscheidt ein. Mit der Initiative Sternbrücke will sie<br />
deswegen ebenso wie die Altonaer Grünen wenigstens<br />
erreichen, dass eine kleinere Brücke gebaut wird. Die<br />
Hoffnung gilt den Koalitionsverhandlungen: Würde eine<br />
vielleicht grün geführte Verkehrsbehörde anders handeln?<br />
Bis Redaktionsschluss stand das noch nicht fest. •<br />
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Randnotizen<br />
DER WÖCHENTLICHE NEWSLETTER VON<br />
25
Katharina Fegebank<br />
(Grüne) und Peter<br />
Tschentscher (SPD)<br />
wollen die Verhandlungen<br />
mit ihren<br />
Fraktionen bis<br />
zur Sommerpause<br />
abschließen.<br />
Straflos containern?<br />
Die neue Koalition aus SPD und Grünen in der Hamburgischen<br />
Bürgerschaft will sich dafür einsetzen, dass Containern keine Straftat mehr<br />
ist. Schwarzfahren soll jedoch eine bleiben – was vor allem Arme betrifft.<br />
TEXT: LUKAS GILBERT<br />
FOTOS: AXEL HEIMKEN / DPA<br />
Wer in Deutschland aussortierte<br />
Lebensmittel<br />
aus Müllcontainern von<br />
Supermärkten fischt,<br />
macht sich strafbar – und wird entsprechend<br />
verfolgt. Bei den laufenden Koalitionsverhandlungen<br />
haben sich SPD<br />
und Grüne darauf geeinigt, sich für die<br />
Entkriminalisierung des sogenannten<br />
Containerns starkzumachen. Der Vorschlag<br />
ist nicht neu: Schon im vergangenen<br />
Jahr hatte sich Justizsenator Till<br />
Steffen (Grüne) bei der Justizministerkonferenz<br />
für eine entsprechende Strafrechtsreform<br />
eingesetzt – allerdings<br />
erfolglos.<br />
Mit der Einigung im Rücken<br />
wird die Justizbehörde nun nochmals<br />
versuchen, eine bundesweite Regelung<br />
durchzusetzen. Die Idee: Staatsanwaltschaften<br />
sollen Container-Verfahren<br />
einheitlich wegen Geringfügigkeit<br />
einstellen. Bereits nach der Schlappe<br />
26<br />
bei der letztjährigen Justizministerkonferenz<br />
hatte Hamburg den Bundesländern<br />
einen Vorschlag zukommen<br />
lassen, die „Richtlinien für das Strafverfahren<br />
und das Bußgeldverfahren“,<br />
die als bundesweite Orientierung für<br />
Staatsanwaltschaften dienen, zu ergänzen,<br />
wie ein Sprecher der Justizbehörde<br />
gegenüber Hinz&Kunzt erläutert und<br />
versichert: „Die Justizbehörde wird<br />
dieses Anliegen weiterhin mit Nachdruck<br />
verfolgen.“ Eine Entscheidung<br />
über den Vorschlag steht noch aus.<br />
Nichts ändern soll sich nach Ansicht<br />
der Koalitionäre in spe daran, dass<br />
Schwarzfahren eine Straftat ist. Die<br />
Grünen hätten sich auch hier gern für<br />
eine Abstufung zur Ordnungswidrigkeit<br />
eingesetzt – auch um die Justiz zu entlasten.<br />
Innensenator Andy Grote (SPD)<br />
machte im Anschluss an die Gespräche<br />
aber klar: „Beim Schwarzfahren wird<br />
sich nichts verändern.“ Besonders betroffen<br />
von dieser Regelung sind Arme:<br />
Können sie eine verhängte Strafe<br />
wegen „Erschleichens von Leistungen“<br />
nicht bezahlen, müssen sie eine Ersatzfreiheitsstrafe<br />
absitzen.<br />
Kritik an der Übereinkunft kam<br />
von der Hamburger Linksfraktion: Deren<br />
justizpolitische Sprecherin Cansu<br />
Özdemir bezeichnete die Einigung als<br />
peinlich. „Gerade jetzt, wo wegen des<br />
Coronalockdowns viele Menschen das<br />
Einkommen nicht mehr haben, um sich<br />
die teuren Fahrkarten des HVV zu kaufen,<br />
ist das nichts anderes als ein grünes<br />
Bekenntnis zur Kriminalisierung von<br />
Armut.“<br />
Was SPD und Grüne zur Bekämpfung<br />
von Obdachlosigkeit vereinbart<br />
haben, stand bei Redaktionsschluss<br />
noch nicht fest: Die Verhandlungsrunde<br />
zu Sozialem wurde verschoben. •<br />
Kontakt: lukas.gilbert@hinzundkunzt.de
Stadtgespräch<br />
Meldungen<br />
Politik & Soziales<br />
Engagement mit<br />
Herz für Hamburg<br />
Parlamente lehnen Oppositionsanträge ab<br />
Kein Coronazuschlag für Arme<br />
Die Forderung nach einem Zuschuss für Bedürftige in Zeiten<br />
der Pandemie hat in der Hamburgischen Bürgerschaft, im<br />
Bundestag und auch im Bundesrat keine Mehrheit gefunden.<br />
In Hamburg hatten die Linken 150 Euro Soforthilfe pro<br />
Monat für Menschen mit geringem Einkommen gefordert.<br />
Doch SPD, Grüne, CDU und AfD lehnten den Antrag ab.<br />
Auch im Bundestag fand ein ähnlicher Antrag keine Mehrheit.<br />
Dort hatten auch die Grünen 100 Zuschlag für Arme<br />
gefordert. Im Bundesrat wurde eine vergleichbare Initiative<br />
der Länder Berlin, Thüringen und Bremen zur Beratung in<br />
die Fachausschüsse überwiesen. UJO<br />
•<br />
Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie<br />
Bund plant schärfere Regeln<br />
Dumpinglöhne, miese Arbeitsbedingungen und beengte<br />
Unterkünfte in der Fleischindustrie sind nach zahlreichen<br />
Corona-Ausbrüchen erneut in der Kritik. Bundesarbeitsminister<br />
Hubertus Heil (SPD) plant schärfere Regeln für<br />
die Branche. Dort würden Strukturen geschaffen, „um<br />
Löhne zu drücken und Verantwortung abzuwälzen“, kritisierte<br />
Heil. Sein Gesetzentwurf lag bei Redaktionsschluss<br />
jedoch noch nicht vor. Die Gewerkschaft NGG forderte<br />
angesichts der Corona-Ausbrüche schärfere Kontrollen der<br />
Arbeits- und Wohnbedingungen. Auch müsse die Vergabe<br />
von Werkverträgen begrenzt werden. So solle es „Fleischkonzernen<br />
unmöglich gemacht werden, Kernaufgaben wie<br />
das Schlachten und Zerlegen von Tieren an billige und<br />
teilweise dubiose Fremdfirmen auszulagern“. Die Grünen<br />
forderten „einen Mindestpreis für tierische Produkte“, um<br />
Dumpingwettbewerbe zu stoppen. Gewerkschaften kritisieren<br />
die Verhältnisse in der Fleischindustrie seit Jahren,<br />
immer wieder gibt es Klagen über schlechte Arbeitsbedingungen<br />
und beengte Unterkünfte. Auch nach einer<br />
Selbstverpflichtung der Branche im Jahr 2015 änderte<br />
sich daran bislang wenig. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie<br />
mahnte angesichts der Debatte, „den Blick auch auf<br />
Betroffene in anderen Branchen zu richten“. Auf sogenannten<br />
Arbeiterstrichen, in Hotels und Gaststätten sowie<br />
in der Saisonarbeit und Landwirtschaft seien „Menschen<br />
unter teils skandalösen<br />
Bedingungen und<br />
Mehr Infos und Nachrichten unter:<br />
zu Niedrigstlöhnen<br />
www.hinzundkunzt.de<br />
beschäftigt“. UJO<br />
•<br />
27<br />
„Unsere Fluggäste am Hamburg Airport –<br />
immer mehr machen mit bei Spende Dein Pfand.“<br />
Klaus Peterstorfer, Hinz&Kunzt-Leergutbeauftragter<br />
am Hamburg Airport<br />
Wir machen gern<br />
gemeinsame Sache:<br />
Für „Spende Dein Pfand“<br />
kooperiert Hamburg Airport<br />
mit Hinz & Kunzt und Der<br />
Grüne Punkt – Duales System<br />
Deutschland GmbH (DSD).<br />
Vom Pfandgeld finanziert<br />
Hinz & Kunzt vier Arbeitsplätze<br />
am Flughafen Hamburg.<br />
SPENDE<br />
DEIN<br />
PFAND<br />
www.hamburg-airport.de
Stadtgespräch<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>328</strong>/JUNI <strong>2020</strong><br />
Meldungen<br />
Politik & Soziales<br />
In einem Kurzfilm zeigt Filmemacher<br />
Leve Kühl das Leben<br />
Obdachloser in der Pandemie:<br />
www.huklink.de/coronafilm<br />
Tötung in Rothenburgsort<br />
Polizei verhaftet Obdachlosen<br />
Die Polizei hat Anfang Mai einen<br />
36-Jährigen festgenommen, der am<br />
Ostersamstag in Rothenburgsort den<br />
Obdachlosen Mariusz getötet haben<br />
soll. Laut Polizei soll auch der Tatverdächtige<br />
obdachlos sein, die beiden<br />
hatten sich demnach zuvor gemeinsam<br />
im Notunterbringungsprogramm<br />
(siehe links) aufgehalten. Über das Motiv<br />
ist bislang nichts bekannt: Der Beschuldigte<br />
hat sich laut Staatsanwaltschaft<br />
noch nicht geäußert. BELA<br />
•<br />
Was die Stadt während der Pandemie für Obdachlose tut<br />
Jede*r hat jetzt Anspruch auf ein Bett<br />
Als Corona Hamburg Ende März mit ganzer Wucht erreichte, brach das Hilfesystem<br />
für Obdachlose plötzlich zusammen (ausführlich dazu: H&K 326 und 327;<br />
www.hinzundkunzt.de). Mittlerweile sind die meisten Angebote wieder verfügbar<br />
und wurden teilweise sogar ausgeweitet. Was bislang Winternotprogramm hieß,<br />
wurde ab April zum Notunterbringungs- und Versorgungsprogramm (NUVP).<br />
Die Standorte sind dieselben: zwei Großunterkünfte mit Mehrbettzimmern in<br />
Hammerbrook und Lokstedt. In beiden Unterkünften werde laut Sozialbehörde<br />
auf eine „lockere Belegung“ geachtet. Das heißt: in der Regel zwei, maximal drei<br />
Menschen pro Zimmer. Außerdem wurden die Öffnungszeiten verlängert – die<br />
Menschen müssen die Unterkünfte aber zwischen 11 und 15 Uhr verlassen.<br />
Die „Wärmestube“ – ein Raum ohne Betten, in den vor allem Obdachlose aus<br />
Osteuropa verwiesen werden, wenn sie im Herkunftsland eine Bleibe haben sollen<br />
– gibt es im NUVP nicht mehr. Im vergangenen Winter wurden noch etwa 250<br />
Menschen aus den Notunterkünften dorthin geschickt. Stattdessen hat nun jede*r<br />
Anspruch auf ein Bett. 439 Menschen haben die beiden Notunterkünfte zuletzt<br />
genutzt. Auch ohne Papiere haben die Obdachlosen dort Anspruch auf medizinische<br />
Betreuung und Coronatests. Die meisten ehrenamtlich betriebenen Wohncontainer<br />
mit Einzelzimmern auf dem Gelände von Kirchen und Hochschulen<br />
bleiben ebenfalls geöffnet. Zusätzlich wurden Unterkünfte für obdachlose Frauen<br />
und für von Obdachlosigkeit bedrohte Sexarbeiter*innen geschaffen. In einer<br />
Jugendherberge an der Horner Rennbahn können außerdem bis zu 60 Wohnungslose<br />
aus den Folgeunterkünften untergebracht und betreut werden, die sich<br />
mit dem Virus infiziert haben. Insgesamt haben zuletzt mehr als 600 Menschen<br />
das NUVP genutzt, das bis mindestens Ende Juli laufen soll. Von CDU- und<br />
Linksfraktion kommt aber Kritik: Sie befürchten größere Corona-Ausbrüche<br />
in den Gemeinschaftsunterkünften. Ein Antrag der Linksfraktion auf eine Hotelunterbringung<br />
von Obdachlosen wurde jedoch abgelehnt. LG<br />
•<br />
Nach Kündigung<br />
Harburg Huus bangt um<br />
seine Zukunft<br />
Nachdem der Harburger Obdachlosenunterkunft<br />
Harburg Huus der<br />
Mietvertrag zum 15. April 2021 gekündigt<br />
wurde, ist ihr Fortbestand in<br />
Gefahr. Die angebotene Alternativfläche<br />
sei zu klein, so DRK-Vorstand<br />
Harald Krüger. Außerdem finanziere<br />
sich die Einrichtung über Spenden:<br />
„Es gibt keine Garantie, dass wir für<br />
einen erneuten Umbau genug Gelder<br />
einwerben können.“ JOF<br />
•<br />
Trotz Reanimation<br />
Obdachloser stirbt in Klinik<br />
Ein gerade mal 32 Jahre alter Obdachloser<br />
ist Mitte Mai im Krankenhaus<br />
verstorben. Passanten hatten ihn<br />
gegen 18 Uhr leblos am ZOB unweit<br />
des Hauptbahnhofs entdeckt. Die zu<br />
Hilfe gerufene Polizei konnte den<br />
jungen Mann zwar zunächst reanimieren.<br />
Ein Rettungswagen brachte<br />
ihn anschließend ins Krankenhaus,<br />
wo er allerdings noch am Abend<br />
starb. Eine Obduktion soll jetzt die<br />
Todesursache ermitteln. Fremdverschulden<br />
könne jedoch ausgeschlossen<br />
werden, sagte ein Polizeisprecher<br />
gegenüber Hinz&Kunzt. JOF<br />
•<br />
FOTO: SCREENSHOT „DIE FLUCHT“ VON LEVE KÜHL, PRIVAT (S. 29)<br />
28
Stadtgespräch<br />
Sisters Network<br />
Homeschooling in der<br />
Flüchtlingsunterkunft<br />
Diakonie-Kritik<br />
Abschiebungen problematisch<br />
Felix Wienecke, Abschiebebeobachter der Diakonie, hat zwischen<br />
März 2019 und Februar dieses Jahres 124 Abschiebungen<br />
vom Hamburger Flughafen aus dokumentiert. 20 davon<br />
stufte er als „besonders problematisch“ ein. Das entspricht 16<br />
Prozent. „Wir müssen leider feststellen, dass Hamburg nach<br />
wie vor Menschen mit schwersten Erkrankungen abschiebt“,<br />
beklagt Dirk Hauer, Leiter des Fachbereichs Armut und Existenzsicherung<br />
bei der Diakonie. Auch werde bei den Abschiebungen<br />
die psychische Belastung für Kinder zu wenig<br />
berücksichtigt. Die Innenbehörde wollte den Bericht gegenüber<br />
Hinz&Kunzt nicht bewerten. BELA<br />
•<br />
HRP Hamburg Residential<br />
Leerstand trotz Bußgeldern<br />
Mit erneuten Wohnnutzungsgeboten für 43 Wohnungen<br />
versucht das Bezirksamt Nord, den Druck auf die HRP<br />
Hamburg Residential zu erhöhen. Die Immobilienfirma<br />
mit Sitz in Luxemburg lässt bis zu 100 Wohnungen in<br />
Hamburg teilweise schon seit Jahren leer stehen. Die verhängten<br />
Buß- und Zwangsgelder scheinen die HRP nicht<br />
besonders zu schmerzen: Zwar sei die Firma „Zahlungsverpflichtungen<br />
in fünfstelliger Höhe nachgekommen“,<br />
erklärte der Bezirk. Doch habe sie seit Januar keine der 94<br />
in Nord leer stehenden Wohnungen vermietet. Der Bezirk<br />
versuche weiter, die Vermietung „durch Zwangsgelder<br />
durchzusetzen“. UJO<br />
•<br />
Weil Eigentümer nicht bauen<br />
Hausbesetzung als Protest<br />
Mit der Besetzung eines leer stehenden Hauses in der<br />
Blücherstraße haben Aktivist*innen bezahlbaren Wohnraum<br />
für alle gefordert. Die Immobilie in Altona zeigt eine<br />
Regelungslücke auf, die jahrelangen Leerstand immer wieder<br />
möglich macht: Da das Haus zuletzt gewerblich genutzt<br />
wurde, fällt es nicht unter das Hamburgische Wohnraumschutzgesetz.<br />
Dass das Bezirksamt bereits vor vier Jahren eine<br />
Baugenehmigung für 58 Wohnungen auf dem Grundstück<br />
erteilt hat, darunter 19 Sozialwohnungen, ändert<br />
daran nichts, so ein<br />
Bezirkssprecher: „Es<br />
Mehr Infos und Nachrichten unter:<br />
gibt keine Bauverpflichtung.“<br />
UJO<br />
www.hinzundkunzt.de<br />
•<br />
Kein Schreibtisch, keine<br />
Ruhe, kein Internet:<br />
Für Prüfungen oder für<br />
die Schule zu lernen, ist<br />
für geflüchtete Kinder<br />
und Jugendliche schon<br />
in normalen Zeiten<br />
schwierig. Der Unterrichtsausfall<br />
durch Corona<br />
hat ihre Lage in den Unterkünften noch<br />
deutlich verschärft. „Corona ist wie ein Brennglas“,<br />
findet Stephanie Landa (Foto), Gründerin<br />
des Sisters Network. Das Projekt unterstützt<br />
vor allem junge geflüchtete Frauen<br />
zwischen 16 und 21 Jahren bei ihrem Übergang<br />
von Schule in Beruf oder Studium.<br />
Die meisten der Sisters leben in Folgeunterkünften<br />
von fördern & wohnen. Auch nach<br />
Monaten müssen viele immer noch ohne<br />
WLAN auskommen, haben keinen eigenen<br />
Rechner oder Drucker. Damit wird das Lernen<br />
während des Unterrichtsausfalls erschwert. Oft<br />
fehlt auch die Medienkompetenz, das Datenvolumen<br />
muss gekauft werden. Landa macht<br />
das große Sorgen. Sie befürchtet, dass die Sisters<br />
wie viele andere geflüchtete Kinder und<br />
Jugendliche den Anschluss verlieren.<br />
„Manche der jungen Frauen sind völlig abgetaucht“,<br />
berichtet die 54-Jährige. „Sie haben<br />
keine Ansprache, sprechen kaum oder wenig<br />
Deutsch – so geht vieles von dem verloren, was<br />
sie schon erreicht haben.“ Manche finden sich<br />
zu seltenen Videokonferenzen zusammen,<br />
doch ihre Sorgen und Nöte können sie dabei<br />
kaum besprechen: „In den beengten Wohnverhältnissen<br />
gibt es für sie keine Privatsphäre.“<br />
Die mühsam erlangte Freiheit der jungen<br />
Frauen durch Bildung und Sprache wird nun<br />
durch familiäre Pflichten und Betreuung der<br />
Geschwister oft wieder eingeschränkt. „Dabei<br />
sind viele gerade dabei, ihren Mittleren Schulabschluss<br />
zu machen, und das nach Wochen<br />
ohne Schule,“ sagt Landa. „Die Sisters kämpfen,<br />
aber sie müssen an zu vielen Fronten<br />
kämpfen. Was sagt das eigentlich über unser<br />
Bildungssystem?“<br />
Einige lassen sich nicht unterkriegen. Und<br />
so machen sie Präsentationen eben mit dem<br />
Smartphone, weil es anders nicht geht und sie<br />
unbedingt den Anschluss halten wollen. „Ich<br />
bewundere die Kreativität und die Ausdauer<br />
dieser Sisters“, sagt Landa. LEU<br />
•<br />
Mehr Infos: www.sistersnetwork.de<br />
29
Einfach mal<br />
durchschnaufen!<br />
Sich Luft verschaffen, den Horizont erweitern, die müden Glieder bewegen, am<br />
besten in der Natur? Nichts leichter als das. Der Botanische Verein zu Hamburg hat<br />
einen Wanderführer zusammengestellt, perfekt für die kleine Flucht aus dem Alltag.<br />
TEXT: ANNETTE WOYWODE
Torfduft im Himmelmoor<br />
Anfahrt: Bahnlinie A1 bis Quickborn, von dort Bus 294 bis Station Am Mühlenberg.<br />
Weiter zwei Kilometer zu Fuß entlang der Himmelmoorchaussee bis zum Torfwerk.<br />
Dort beginnt ein etwa vier Kilometer langer Rundweg um den östlichen Teil des Moors.<br />
FOTO: BARBARA ENGELSCHALL<br />
Vor Ort: Es ist das größte Hochmoor Schleswig-Holsteins. Seit 1990 werden Moorflächen<br />
renaturiert, 2018 endete der Torfabbau. Der federnde, würzig duftende Torfboden<br />
bietet einen angenehmen Untergrund zum Wandern – herrliche Weitblicke über wieder<br />
vernässte Abbauflächen inklusive. Am Rande des Weges wächst an einigen Stellen<br />
Sonnentau, eine kleine fleischfressende Pflanze. Wer schlecht zu Fuß ist, kann –<br />
sofern Corona es wieder erlaubt – an manchen Tagen auch die Lore nehmen, die<br />
auf alten Gleisen durchs Moor juckelt. Infos unter www.torfbahn-himmelmoor.de
Bald 130 Jahre hat der Botanische<br />
Verein zu Hamburg auf<br />
dem Buckel. Und schon damals<br />
lief es ähnlich wie heute:<br />
„Man ist herumgelaufen – früher noch<br />
mit steifem Hut und Anzug – und hat<br />
Exkursionen gemacht“, sagt der Vereinsvorsitzende<br />
Hans-Helmut Poppendieck.<br />
Man trifft sich, um die Hamburger<br />
Pflanzenwelt anzugucken und zu<br />
erforschen. Unter den 390 Mitgliedern<br />
sind viele freiberufliche Botaniker*innen<br />
und Biolog*innen. Irgendjemand kennt<br />
also immer die Namen der Gewächse,<br />
die einem auf Tour begegnen.<br />
Nur herumspazieren tun die Mitglieder<br />
natürlich nicht: Der Verein betreut<br />
elf Naturschutzgebiete, darunter<br />
den Duvenstedter Brook und das<br />
Schnaakenmoor, außerdem zwei Naturdenkmale<br />
wie die Sievertsche Tongrube,<br />
eine kleine, direkt am Ring 3<br />
gelegene ehemalige Tongrube, in der<br />
seltene Gräser und Blumen wachsen.<br />
32<br />
Auch an Kartierungen und Ansiedlungsprojekten<br />
sind die Natur freun d*innen<br />
beteiligt – alles ehrenamtlich. So schufen<br />
sie beispielsweise im Jahr 2000 am Overhaken<br />
(Bild oben) in Kooperation mit der<br />
Umweltbehörde einen naturnahen Priel.<br />
Das Forschungsbiotop gefällt besonders<br />
dem Schierlings-Wasserfenchel. Die vom<br />
Aussterben bedrohte Pflanze kommt<br />
weltweit nur an den Ufern der Tideelbe<br />
vor. Am Overhaken hat sie sich erfolgreich<br />
angesiedelt.
FOTO: J. NEUBECKER<br />
Um aber die Schönheiten der Natur<br />
nicht nur für sich zu behalten, sondern<br />
mit anderen zu teilen, haben Hans-Helmut<br />
Poppendieck und seine Mitsteiter-<br />
*innen den „Botanischen Wanderführer<br />
für Hamburg und Umgebung“<br />
zusammengestellt (siehe Infokasten S. 39).<br />
95 Touren sind enthalten. Vielfach führen<br />
sie in Naturschutzgebiete – in denen<br />
man keine Pflanzen anfassen und<br />
die Wege auch nicht verlassen darf.<br />
Ausgerechnet dort mit dem Wander-<br />
führer Menschen hinzulocken, sieht der<br />
72-Jährige nicht als Problem. Im Gegenteil:<br />
„Die Leute haben ein Recht darauf,<br />
sich in der Natur zu bewegen und<br />
zu entspannen“ – getreu dem Vereinsmotto<br />
„Nur was man kennt und liebt,<br />
das schützt man auch.“ Dabei muss niemand<br />
durchs Unterholz kriechen, um<br />
kleine und große Wunder zu entdecken.<br />
Alle Abbildungen im Buch zeigen die<br />
Botanik, wie man sie so vom Wegesrand<br />
aus bestaunen kann. •<br />
Wasser und Wald<br />
am Overhaken<br />
Anfahrt: Ab ZOB Hauptbahnhof<br />
mit Bus 120 bis Station Oortkatenufer<br />
oder Overhaken. Von dort<br />
führt ein etwa 1,5 km langer Weg<br />
teils direkt an der Elbe entlang.<br />
Gummistiefel mitnehmen!<br />
Vor Ort: Auf dem Overhaken<br />
liegen Naturzerstörung und<br />
-bewahrung dicht beieinander.<br />
Man kann direkt neben der Schilfzone<br />
am sandigen Flussufer entlangwandern.<br />
Gut zu sehen sind<br />
dort die Schilfsprossen, die eigentlich<br />
unter der Erde liegen müssten,<br />
hier aber freigespült wurden –<br />
Bodenerosionen, die seit der vorigen<br />
Elbvertiefung stark zugenommen<br />
haben. Etwas weiter ab vom<br />
Ufer wächst dagegen ein tropisch<br />
anmutender Wald. An einem Priel<br />
gedeiht sogar der stark gefährdete<br />
Schierlings-Wasserfenchel.<br />
33
Paddeln auf der Gose-Elbe<br />
Anfahrt: S21 bis Bergedorf, dann Bus 122 bis Wulffsbrücke. Von da 300 Meter bis zur<br />
„Paddel-Meier Bootsvermietung“ in der Heinrich-Osterath-Straße 256, Infos: www.paddel-meier.de<br />
Vor Ort: Entlang der Gose-Elbe gibt es keine Wanderwege. Wer den ehemaligen Nebenarm der<br />
Stromelbe erkunden will, muss sich ins Boot setzen – und wird belohnt mit Amazonas-Feeling. Dichte<br />
Ufer vegetation und wunderschöne Wasserpflanzen wie die Gelbe Teichrose begleiten die Kanut*innen<br />
oder Kajakfahrer*innen. Möglich sind Touren von 4,5 Kilometern (ganzjährig) bis zu 20 Kilometern<br />
Länge (erst ab Mitte <strong>Juni</strong>).<br />
34
Wandern in Hamburg<br />
Schatzsuche in der Liether Kalkgrube<br />
Anfahrt: Regionalbahn bis Elmshorn, dann Bus 6503 bis Klein Nordende (Sandhöhe),<br />
ab da 1 Kilometer Fußweg zur Grube. Dort entweder über einen steilen Schotterweg<br />
in die Grube absteigen oder den 1,7 Kilometer langen Panoramaweg wählen.<br />
Vor Ort: In der Liether Kalkgrube wurde bis 1986 Kalk abgebaut. In Norddeutschland<br />
kommt Kalkstein sehr selten vor, und so wachsen hier Pflanzenschätze, nach denen<br />
man in Hamburg und Umgebung sonst vergeblich sucht. Sogar mehrere Orchideenarten<br />
sind hier zu Hause. Aber nicht nur deshalb lohnt sich der Weg hierher. Allein die<br />
rötlich und weiß schimmernden Grubenhänge sind eine Augenweide. Mehrere<br />
Aussichtsplatt formen erlauben vielfältige Einblicke. Weitere Infos, auch zu öffentlichen<br />
Führungen, sind unter www.lietherkalkgrube.de zu finden.<br />
FOTOS: INGOB RANDT (S. 34 UNTEN), MANFRED HAACKS (S. 34 OBEN), BARBARA ENGELSCHALL<br />
35
Weitblick in der Fischbeker Heide<br />
Anfahrt: S3 oder S31 bis Neugraben, dann Bus 240 bis<br />
Fischbeker Heuweg. Dort die Straße Scharlbarg entlang bis zum<br />
Naturschutzgebiet. Hier kann man stundenlang wandern, wer will,<br />
geht weiter in die angrenzende Wulmstorfer Heide.<br />
Vor Ort: Auch wenn die Besenheide erst im Spätsommer blüht:<br />
Ein Besuch der Fischbeker Heide lohnt sich immer, schon allein<br />
wegen der Weitblicke über die offene Landschaft. Südöstlich des<br />
Flugplatzes geht es in den Wald hinein. Hier wachsen seltsam<br />
vielstämmige Eichen, sogenannte Kratteichen. Zur Brennholzgewinnung<br />
wurden die Bäume immer wieder beschnitten, dann trieben<br />
sie unregelmäßig neu aus – eine Methode aus dem Mittelalter.<br />
Interessant ist auch das moorige Gelände am früheren Ausgang<br />
der ehemaligen Röttiger-Kaserne. Hier wachsen Wollgras oder<br />
Moorlilien. Am Wegesrand stehen gelb blühende Ginsterarten.<br />
FOTOS: INGO BRANDT (S. 36 UND S. 37 UNTEN), HANS-HELMUT POPPENDIECK<br />
36
Bunker in den Besenhorster<br />
Sandbergen<br />
Anfahrt: S21 bis Bergedorf, dann<br />
Bus 228 bis Borghorst. Von hier aus geht<br />
es über den Altengammer Hauptdeich,<br />
dann rechts hinein entlang der Borghorster<br />
Elblandschaft und auf vielen Wegen durch<br />
die Besenhorster Sandberge.<br />
Vor Ort: Vom Altengammer Hauptdeich<br />
aus sind weite Blicke über die Elbwiesen<br />
möglich. Bis zum Bau der Geesthachter Elbschleuse<br />
1955 war dieses Gebiet der Tide<br />
ausgesetzt. Die sandigen Hügel sind einstige<br />
Uferwälle des Stroms. Der Weg führt vorbei<br />
an artenreichen Wiesen und Weiden.<br />
Auch der Schild-Ehrenpreis (rechts) blüht<br />
hier. Im Wald der Besenhorster Sandberge<br />
sind Ruinen einer Munitionsfabrik zu entdecken.<br />
Hier wurde im Nationalsozialismus<br />
Pulver für Waffen und Raketen hergestellt.<br />
Wandern in Hamburg<br />
Die<br />
Großuhrwerkstatt<br />
Bent Borwitzky<br />
Uhrmachermeister<br />
Telefon: 040/298 34 274<br />
www.grossuhrwerkstatt.de<br />
Verkauf und Reparatur<br />
von mechanischen Tisch-,<br />
Wand- und Standuhren<br />
INNERE KRAFT – FÜR DICH & ANDERE<br />
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Mail:<br />
anzeigen@hinzundkunzt.de<br />
Natur erleben – mitten in der Stadt und drum herum:<br />
Das Buch „Der Botanische Wanderführer für Hamburg und Umgebung“ enthält<br />
95 Tagestouren und Spaziergänge, jeweils plus Anfahrtsbeschreibung mit öffentlichen<br />
Verkehrsmitteln und einer kleinen Wanderkarte. Absolut geeignet auch für Menschen, die<br />
sich nur so mittel für jede Blume am Wegesrand interessieren. 352 Seiten, 19,90 Euro.<br />
Infos zum Botanischen Verein unter www.botanischerverein.de<br />
37
Er kennt die Sorgen und Nöte der<br />
Hinz&Künztler*innen besonders gut:<br />
Unser Vertriebskollege Siegfried<br />
„Sigi“ Pachan war früher selbst<br />
obdachlos. Um sich stellvertretend<br />
für das Hinz&Kunzt-Team und alle<br />
Verkäufer*innen bei Ihnen zu<br />
bedanken, hat er sich deshalb<br />
gerne als Titelmodell zur<br />
Verfügung gestellt.
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Danke, Hamburg!<br />
Ohne Sie<br />
würden wir die Krise<br />
nicht meistern<br />
Wir danken allen Hamburgerinnen und Hamburgern, Privatleuten<br />
und Unternehmen, die uns in Zeiten von Corona beistehen.<br />
TEXT: DAS TEAM VON HINZ&KUNZT<br />
FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE (S. 38)<br />
DMITRIJ LELTSC<strong>HUK</strong>, PRIVAT<br />
Wir sind überwältigt von Ihrer<br />
Hilfsbereitschaft. Die vielen<br />
Geldspenden der vergangenen<br />
Wochen ermöglichen es uns, unsere<br />
Verkäufer*innen gut durch die Krise<br />
zu begleiten. Sie nähten für uns Masken,<br />
packten Carepakete oder stärkten<br />
uns mit Rat und Tat den Rücken. Doch<br />
ganz egal wie: Sie beweisen uns und vor<br />
allem den Hinz&Künztler* innen und<br />
Obdachlosen, dass sie in Krisenzeiten<br />
auf Sie bauen können. Wir wissen, dass<br />
auch Sie unter Corona leiden, Angst<br />
haben vor der Krankheit oder gar finanzielle<br />
Sorgen. Umso mehr danken<br />
wir Ihnen für Ihre Solidarität und<br />
Großzügigkeit.<br />
Aus dem Corona-Fonds wollten wir an<br />
alle aktiven Hinz&Künztler*innen im<br />
April 100 Euro auszahlen. 530 ist die<br />
durchschnittliche monatliche Zahl an<br />
aktiven Verkäufer*innen, daran orientierten<br />
wir uns. Und mehr als 100 Euro<br />
trauten wir uns nicht zu. Schließlich<br />
wäre das eine Summe von 53.000 Euro<br />
gewesen. Ein mehr als hochgestecktes<br />
Ziel. Damals war zudem nicht abzusehen,<br />
dass zwei Monate kein gedrucktes<br />
Magazin erscheinen würde. In Wirklichkeit<br />
waren es schließlich rund 600<br />
aktive Hinz&Künztler*innen. Aber das<br />
alles haben wir geschafft, denn Hunderte<br />
Menschen haben gespendet – am<br />
Ende um die 390.000 Euro (zu Redaktionsschluss<br />
Mitte Mai). Im April und Mai<br />
zahlten wir an jede*n Hinz&Künztler*in<br />
insgesamt 490 Euro aus. Zum Neustart<br />
bekamen sie 20 Magazine geschenkt.<br />
Wir konnten alle Verkäu fer*innen mit<br />
Masken und Visieren so ausrüsten, dass<br />
39<br />
sie sich und andere nicht gefährden<br />
(siehe Seite 6). Und es bleibt noch Geld<br />
übrig für Notfälle, wie zum Beispiel für<br />
Miete und Unterbringung.<br />
Wir können unser Herzensprojekt jetzt<br />
selbst umsetzen: Obdachlose während<br />
der Coronakrise in Hotels unterbringen.<br />
Das hatten wir von der Stadt gefordert.<br />
Vergeblich. Aber von den Reemtsma<br />
Cigarettenfabriken GmbH haben<br />
wir 150.000 Euro bekommen – genau<br />
für diesen Zweck. Wie es den Hotelgästen<br />
geht, lesen Sie ab Seite 10.<br />
Die Beiersdorf AG hat sich zuerst bei<br />
uns gemeldet und gefragt, wie sie uns<br />
unterstützen kann. Neben einer Lieferung<br />
selbst hergestellten Desinfektions-
Danke, Hamburg!<br />
Im Visier<br />
Echte Hightech-Visiermasken haben wir von den MoinMakers<br />
bekommen. Die 700 Plastikschilde schützen das ganze Gesicht<br />
und helfen den Hinz&Künztler*innen an ihrem Verkaufsplatz.<br />
Die Idee dazu stammt von Jan-Henryk Susek, 36 (rechts).<br />
Der selbstständige Versicherungskaufmann besitzt zwei<br />
3-D-Drucker und ist Leiter der MoinMakers in Stormarn.<br />
„Ursprünglich wollte ich medizinisches Personal versorgen,<br />
aber für die gab es eine andere Lösung.“ Sein Kollege Max<br />
Janssen schlug dann Hinz&Kunzt vor. „Es ist schon toll, wenn<br />
man sonst Zahnpastaquetschen druckt, auf einmal etwas so<br />
Sinnvolles herzustellen“, so der 27-jährige Student. Geholfen<br />
haben den beiden mehrere Ehrenamtliche aus der Region, die<br />
einen 3-D-Drucker besitzen, alle sogenannte Makers. Etwa 30<br />
Minuten dauert der Druck einer Visiermaske – das macht rund<br />
350 Druckstunden für Hinz&Kunzt.<br />
•<br />
mittels, stellte das Unternehmen seinen<br />
Mitarbeiter*innen 2270 Magazine<br />
der digitalen April-Ausgabe von<br />
Hinz&Kunzt zur Verfügung!<br />
Unser Sponsor HanseWerk Natur hat<br />
sofort Hilfe außer der Reihe für unsere<br />
Verkäufer*innen angeboten. Nach dem<br />
Motto „Lesen hilft“ erhielten auch rund<br />
1500 Kolleg*innen von HanseWerk die<br />
digitale April-Ausgabe des Hamburger<br />
Straßenmagazins.<br />
Kurz nachdem wir den Magazinverkauf<br />
einstellen mussten, hat uns Stefan<br />
Krücken vom Ankerherz Verlag angerufen.<br />
Er bot an, über seinen Online-<br />
Vertrieb Exemplare der Märzausgabe<br />
zu vertreiben. Eine tolle Hilfe, weil er<br />
über seinen Verteiler ganz andere Menschen<br />
erreicht als wir.<br />
Die Firma Obstmonster hatte schon in<br />
der ersten Woche der Coronakrise<br />
eine Kiste mit Obst vor die Tür unserer<br />
Geschäftsstelle in der Altstädter Twiete<br />
gestellt. Regelmäßig erhielten wir<br />
seither weitere Obstlieferungen für<br />
Verkäufer*innen, die vorbeikommen.<br />
Die Firma Tesa liefert uns seit Wochen<br />
vormittags tolle Lunchbeutel, die wir an<br />
Bedürftige weitergeben. Tchibo schickte<br />
Energieriegel, und Getränke zum<br />
Mitnehmen (alkoholfrei!) haben die<br />
Mitglieder von Rotaract Hamburg mit<br />
der Rotary-Stiftung und der Holst &<br />
Meyer GmbH&Co. KG organisiert.<br />
Der Kabarettist Christoph Sieber hat<br />
beim Livestream unter dem Motto<br />
Geldsegen<br />
Ob klein, ob groß – für uns zählt jeder Cent. Mal spendeten die Hamburger*innen<br />
„nur“ 2,20 Euro, von denen 1,10 Euro an unser Onlinemagazin flossen, der Rest in den<br />
Corona-Fonds. Andere gaben sogar 10.000 Euro. Ceylan Siekmann ist eine Spenderin<br />
von vielen. Die 37-Jährige, die im Lebensmittel-Agrarsektor arbeitet, schreibt uns:<br />
„Mir geht es ziemlich gut trotz der außergewöhnlichen Umstände. Bis auf den Weltschmerz<br />
und dass ich meine Mutter zu selten sehe, hat sich an meiner Situation grundsätzlich<br />
nichts geändert.“ Gespendet hat sie „in erster Linie aus Solidarität mit den<br />
Obdachlosen unserer Stadt“, schreibt sie. „Hinz&Kunzt war gezwungen, den Verkauf<br />
der Zeitschrift einzustellen, aber ihr habt gleichzeitig dafür gesorgt, dass viele Obdachlose<br />
in Notunterkünfte gekommen sind. Vielen Dank dafür! Wir sollten den Schwachen<br />
und Bedürftigen immer beiseite stehen.“<br />
•<br />
40
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Danke, Hamburg!<br />
„Das gute Viertel“ zu Spenden für<br />
Hinz&Kunzt aufgerufen. Hinter „Das<br />
gute Viertel“ steckt die NGO Sea-Eye.<br />
Unterschiedliche Künstler*innen sendeten<br />
im April mehrmals im Livestream<br />
auf Facebook eine Viertelstunde Musik,<br />
Comedy, Lesungen und vieles mehr.<br />
Die Spenden wurden geviertelt und gehen<br />
zu gleichen Teilen an die auftretenden<br />
Künstler*innen, zwei weitere wechselnde<br />
Organisationen und Sea-Eye.<br />
Die Agentur UPFRONT, die Fotograf*innen<br />
vertritt, bot auf ihrer Homepage<br />
Arbeiten der beteiligten Kreativen<br />
zum Kauf an. Zehn Prozent des aktuellen<br />
Verkaufs werden an Hinz&Kunzt<br />
gespendet.<br />
Grenzenlos<br />
Sogar aus dem Ausland haben wir Spenden bekommen – zum Beipiel von Isabel<br />
Schwartau. Unsere ehemalige Kollegin ist vor vier Jahren in die Schweiz übergesiedelt,<br />
wo sie seitdem ein Café mit angeschlossenem Secondhandladen schmeißt.<br />
Auch dort sind Beschränkungen wegen der Pandemie allgegenwärtig. Gerade<br />
musste die 51-Jährige ihren Laden für mehrere Wochen schließen. Daher fühlt sie<br />
sich momentan „sehr ausgeruht, aber froh, wenn es wieder normal weitergeht –<br />
wegen der Finanzen“, schreibt sie uns. Trotzdem hat sie uns von ihrem Geld etwas<br />
abgegeben, denn: „Ich kenne das Projekt und die Verkäufer*innen durch meine Zeit<br />
dort sehr gut und weiß, wie sehr sie den Erlös durch den Magazinverkauf brauchen.<br />
Aber auch, dass das Projekt eine so wichtige Anlaufstelle ist. Wenn ich könnte,<br />
würde ich Hinz&Kunzt gern viel mehr geben.“<br />
•<br />
Der Internetsender Rocket Beans TV<br />
spendete den Erlös aus dem Verkauf ihres<br />
#stayhome-Shirts im Rocket-Beans-<br />
Onlineshop an Hinz&Kunzt.<br />
Das Hamburger Abendblatt hat uns<br />
für die Hinz&Künztler*innen Lebensmittelgutscheine<br />
zur Verfügung gestellt.<br />
Das Uebel & Gefährlich hat am 15.<br />
April <strong>2020</strong> in der Reihe #stayathome<br />
einen Livestream gesendet mit Künstlerin<br />
Alli Neumann. Ein Viertel der Einnahmen<br />
aus dem Verkauf der Spendentickets<br />
ging an Hinz&Kunzt. Danke<br />
an die Künstlerin und an das Uebel-&-<br />
Gefährlich-Team – sie alle haben zu<br />
kämpfen um zu überleben, umso mehr<br />
schätzen wir ihre Unterstützung!<br />
Maler Felix Eckardt aus Hamburg spendete<br />
die Hälfte des Erlöses seiner Bilder,<br />
die er für eine Serie in der ZEIT gemalt<br />
hatte, an soziale oder kulturelle Einrichtungen.<br />
Hinz&Kunzt wurde mehrfach<br />
bedacht – vielen Dank an den Künstler<br />
und die Käufer*innen!<br />
Der Künstler A Lee Brown hat auf seiner<br />
Facebook-Seite „Morgenstern &<br />
Brown“ zwei Bilder versteigert und den<br />
Erlös an Hinz&Kunzt gespendet.<br />
41
Danke, Hamburg!<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>328</strong>/JUNI <strong>2020</strong><br />
Nachbarschaftshilfe<br />
Viele Hamburger*innen sind von sich aus kreativ geworden, um<br />
ihren Hinz&Künztler*innen zu helfen. So auch Nicolas Monasterios<br />
Castro. Gemeinsam mit Händler*innen am Eppendorfer<br />
Baum hat er eine Nachbarschaftsinitiative gestartet, um die<br />
polnischen Zwillingsbrüder Piotr und Paweł finanziell zu unterstützen.<br />
Sie verkaufen dort seit Jahren Hinz&Kunzt – jeder auf<br />
einer anderen Straßenseite, aber direkt gegenüber.<br />
Über seine eigene Coronasituation will der 37jährige Immobilienberater<br />
nicht klagen. „Ich bleibe optimistisch“, schreibt er uns.<br />
„Meine Tochter vermisst ihre Großeltern und ihren Kindergarten<br />
sehr: ,Blöder COVID!“‘<br />
Die Aktion für die Zwillinge hat er gestartet, weil er „Piotr und<br />
Paweł ihr tätiges Sein zurückgeben“ wollte, „weil sie einfach zum Eppendorfer Baum dazugehören, keine umfangreichen Transferleistungen<br />
zu erwarten haben und sonst durchs Raster fallen würden“. Dazu liefert er noch eine Anekdote: Viele Menschen hätten bis zur<br />
Nachbarschaftsaktion gedacht, dass es sich bei den eineiigen Zwillingen um nur einen Verkäufer handelt, „der ständig mit seinen Magazinen<br />
die Straßenseite wechselt. Ein bisschen wie bei Loriot.“ (Anm. der Redaktion: Sogar Hinz&Kunzt-Redaktionsmitglieder, die in der<br />
Gegend wohnten, sind diesem Irrtum lange aufgesessen.)<br />
•<br />
Die Mopo hat mit „Das Hamburger<br />
Wir“ Spenden gesammelt und die<br />
Leser*innen Vorschläge für Einrichtungen<br />
machen lassen, die unterstützt werden<br />
sollen. Auch Hinz&Kunzt durfte<br />
eine Spende in Empfang nehmen!<br />
Unsere Anzeigenagentur Wahring &<br />
Co. Media GmbH hat uns für ihre Arbeit<br />
für die beiden Online-Ausgaben<br />
des Hamburger Straßenmagazins im<br />
April und Mai keine Rechnung gestellt.<br />
Ein schönes Geschenk!<br />
Judith Rakers, die Hinz&Kunzt schon<br />
lange freundschaftlich verbunden ist,<br />
war in der ZDF-Quizshow „Da kommst<br />
du nie drauf“ zu Gast. Ihren Gewinn<br />
hat die Tagesschau-Sprecherin an uns<br />
gespendet.<br />
Pappkamerad*innen<br />
Eine tolle Idee hatte die Agentur Philipp und Keuntje<br />
für uns: Aufsteller, die anstelle der Hinz&Künztler*<br />
innen in den Supermärkten stehen. Die lebens <br />
großen Pappkameraden sollten an die fehlenden<br />
Verkäufer*innen erinnern und eine Möglichkeit zum<br />
Spenden bieten. Ina Vodivnik, 26, SeniorTexterin, und<br />
ihr Grafikerkollege Marian Schütt, 32, haben die Idee<br />
entwickelt. Beim Einkaufen stellte sich ihnen schnell<br />
die Frage: „Wo sind eigentlich die ganzen Hinz&Kunzt<br />
Verkäufer*innen? Und kann ich irgendetwas tun, um zu<br />
helfen?“ Die Pappfiguren waren die Antwort. Davon<br />
waren auch die Supermärkte begeistert. „Hinz&Kunzt<br />
durch Aufsteller zu unterstützen, war für uns Ehrensache“,<br />
sagt Jürgen Eberhardt, 60, Marktleiter bei Edeka<br />
Niemerszein in der Langen Reihe. Trotzdem: „Wir freuen<br />
uns, wenn hier wieder jemand mit dem Magazin<br />
steht: Menschen sind spannender als Pappe.“<br />
•<br />
42
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Danke, Hamburg!<br />
Ina Neumann, Geschäftsführerin der<br />
Werbeagentur TBWA Hamburg, war<br />
gleich klar, dass es für ein Straßenmagazin<br />
fatal ist, nur online vertreten zu sein.<br />
Ihr Team entwarf eine Plakatkampagne,<br />
bei der man mithilfe der App<br />
Open.cam die MaiAusgabe scannen<br />
und lesen kann. Dank WallDecaux<br />
leuchten uns nun die starken Motive<br />
auf CityLightPostern entgegen. In 25<br />
Filialen von Budnikowsky hängen sie<br />
ebenfalls.<br />
Ein Rave für Hinz&Kunzt in Coronazeiten?<br />
Ja! Die Gruppe SOKO Kickloch<br />
hat es möglich gemacht. Am 11.<br />
Mai, abends an der Elbe, herrliches<br />
Licht, herrliche Sounds. Zwar ohne<br />
tanzende Menschenmenge – die sollte<br />
ja zu Hause bleiben –, dafür mit einem<br />
engagierten DJTeam, das seine<br />
Hörer*innen um Spenden für die Arbeit<br />
von Hinz&Kunzt gebeten hat.<br />
• Beate Schmidt<br />
• Sabine Maier und die Nachbar*innen<br />
aus dem Pannsweg<br />
• FC St. Pauli<br />
• Flemming Pinck von den<br />
Hamburger Goldkehlchen und dem<br />
Modelabel inferno ragazzi<br />
• Sibilla Pavenstedt und<br />
Made auf Veddel<br />
Herzlichen Dank auch an:<br />
• Lothar Protzek<br />
• Winterhude United FC<br />
• Auto Nova GmbH<br />
• Fairnetzer.1910<br />
• Pastor Uwe Heinrich<br />
und die Kirchengemeinde Langenfelde<br />
• MenscHHamburg<br />
• GLSTreuhand Stiftung Bochum<br />
• HASPA Hamburg Stiftung<br />
• Förderverein Winternotprogramm<br />
für Obdachlose<br />
• Ecker+Ecker GmbH<br />
• Presense Technologie GmbH<br />
• Wehlen Stiftung<br />
Kontakt: gabriele.koch@hinzundkunzt.de<br />
Im Laufe der Coronazeit haben etliche<br />
Spender*innen Gesichtsmasken genäht<br />
– direkt für Hinz&Kunzt oder an andere<br />
verkauft und den Erlös gespendet.<br />
Wenn wir ab diesem Monat wieder mit<br />
dem gedruckten Magazin auf Hamburgs<br />
Straßen zurück sind, können wir<br />
allen Hinz&Künztler*innen Masken<br />
zur Verfügung stellen:<br />
• Die Hamburger Filialen des<br />
BioSupermarktes Erdkorn verkaufen<br />
unter dem Motto „Ich trage sie für<br />
Dich, Du trägst sie für mich“ Behelfsmasken<br />
aus Baumwolle. Von dem Erlös<br />
geht 1 Euro pro Maske an Hinz&Kunzt<br />
(in den Filialen in SchleswigHolstein an<br />
das Kieler Straßen magazin Hempels).<br />
• Bettina VogtBlaschke vom<br />
Onlineshop heleneundtom auf etsy<br />
• FreundeskreisMitglied Petra Raab<br />
• Kerstin Beilcke hat selbst genähte<br />
Masken an die Kolleg*innen der Anna<br />
WarburgSchule verkauft.<br />
• Annette Voß<br />
• Lotte Kezia SchmidtLorenz<br />
und EmmaLee Bunk<br />
• Der Onlineshop Wir lieben<br />
Hamburg, den das ExtraCardTeam<br />
eingerichtet hat, spendet von jeder verkauften<br />
Maske 1 Euro an Hinz&Kunzt.<br />
Beschützt<br />
Ulrike Fischer-Heiland hat Masken genäht und verkauft. Den Erlös hat die 55-Jäh rige<br />
komplett an Hinz&Kunzt überwiesen. Und das, obwohl es der selbstständigen Journalistin<br />
finanziell gerade auch nicht rosig geht. Sie scheibt uns: „Aufträge bleiben aus,<br />
werden storniert oder geschoben. Da ich vorwiegend für die Tourismus- und Kulturbranche<br />
arbeite, ahnt man, was das bedeutet. Andererseits habe ich plötzlich mehr<br />
Zeit für Mann und Tochter, das fühlt sich gut an.“<br />
Trotz der eigenen Engpässe war es ihr wichtig, Hinz&Kunzt zu unterstützen:<br />
„Unsere Verkäufer*innen in der Hoheluftchaussee waren plötzlich nicht mehr da.<br />
Von heute auf morgen unsichtbar zu werden, muss furchtbar sein, denn es fehlt jetzt<br />
ja nicht nur der Lohn, sondern das komplette soziale Miteinander. Außerdem zählt die<br />
Zeitschrift Hinz&Kunzt für mich zu den wichtigsten Stimmen Hamburgs! Ich hab<br />
irgendwann abends meine Nähmaschine rausgeholt und einfach losgelegt. Und<br />
auch wenn mein Konto gerade eher ,geht so‘ ist, mein Karma ist top!“<br />
•<br />
43
Danke, Hamburg!<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>328</strong>/JUNI <strong>2020</strong><br />
Gabriele Koch<br />
aus dem<br />
Spendenmarketing<br />
im Homeoffice.<br />
„Wir werden von<br />
vielen Menschen getragen“<br />
Der Alltag von Gabriele Koch (Spendenmarketing) und Susanne Wehde<br />
(Spendenverwaltung und Rechnungswesen) wurde durch Corona auf den Kopf gestellt:<br />
Den Magazinverkauf auf der Straße mussten wir einstellen, stattdessen haben wir zu<br />
Spenden für den Corona-Fonds aufgerufen, um allen aktiven Hinz&Künztler*innen eine<br />
Überlebenshilfe auszahlen zu können. Wir haben mit Gabi über die Situation gesprochen.<br />
TEXT: LUKAS GILBERT<br />
FOTO: MICHAEL RICHTER<br />
Hinz&Kunzt: Ende März mussten wir<br />
alle ins Homeoffice. Wie hat sich deine<br />
Arbeit verändert?<br />
GABI: Ich habe das große Glück, zu Hause<br />
ein eigenes Zimmer mit einem<br />
Schreibtisch zu haben. Im Büro hätte<br />
ich die viele Arbeit auch nie geschafft,<br />
dort würde mir die Ruhe fehlen.<br />
44<br />
Denn das Spendenaufkommen war<br />
glück licherweise enorm. Anfangs<br />
hatte ich mir vorgenommen, jeden Tag<br />
mit Kolleg*innen, der Familie und<br />
Freund*innen zu telefonieren und zu hören,<br />
wie es ihnen mit der Situation geht.<br />
Dazu bin ich fast gar nicht gekommen.<br />
Stattdessen habe ich mit vielen besorgten<br />
Menschen und mit lokalen Unternehmen<br />
gesprochen, um gemeinsam zu<br />
überlegen, wie geholfen werden kann –<br />
und tue das bis heute.<br />
Was sind das für Menschen, die für<br />
unsere Arbeit spenden?<br />
Das ist zum Glück ganz unterschiedlich.
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Manche spenden große Summen,<br />
andere haben selbst nicht viel und<br />
denken trotzdem an uns. Eine tolle<br />
Erfahrung!<br />
Viele Spender*innen hatten auch<br />
kreative Ideen. Eine Frau aus dem<br />
Freundeskreis hat etwa Schutzmasken<br />
verkauft und das eingenommene Geld<br />
gespendet, ein Schüler hat an seiner<br />
Schule einen Gabenzaun organisiert.<br />
Das zeigt, dass wir ein Projekt sind, das<br />
von vielen, vielen Menschen getragen<br />
wird, die unsere Arbeit wichtig finden.<br />
Ohne sie könnten wir nicht für die<br />
Hinz&Künztler* innen da sein!<br />
Wir hatten ja zu Spenden für unser<br />
Online-Magazin aufgerufen und den<br />
Corona-Fonds ins Leben gerufen, um die<br />
Hinz&Künztler*innen finanziell unterstützen<br />
zu können. Wie lief das für euch?<br />
Wegen der vielen Kleinspenden musste<br />
kurzfristig die Spendensoftware ergänzt<br />
werden. Das hat anfangs zu technischen<br />
Problemen geführt und mir und Susanne<br />
ziemliches Kopfzerbrechen bereitet.<br />
Mittlerweile läuft die Software zwar<br />
rund, aber wir bitten um Verständnis,<br />
dass wir mit der Bearbeitung der Spenden<br />
aus dem Homeoffice nicht immer<br />
schnell sind. Dass der Corona-Fonds so<br />
Danke, Hamburg!<br />
gut angenommen wurde, ist schön zu<br />
sehen und macht deutlich: Viele Menschen<br />
sind wirklich besorgt um die<br />
Verkäufer*innen. Einige haben sogar<br />
explizit Geld an „ihre*n“ Verkäufer*in<br />
gespendet. Das zeigt, dass der Magazinverkauf<br />
und der Kontakt mit den<br />
Kund*innen durch nichts zu ersetzen<br />
sind. Hier entstehen Verbindungen<br />
zwischen Menschen, das ist neben dem<br />
Geldverdienen ganz wichtig für unsere<br />
Verkäufer*innen.<br />
Welche Herausforderungen siehst du<br />
für die Zukunft?<br />
Wir müssen den Menschen jetzt verständlich<br />
machen, dass wir immer für<br />
die Hinz&Künztler*innen da sind und<br />
wir jetzt wieder Spenden für das gesamte<br />
Projekt brauchen. Schließlich müssen<br />
sich die Verkäufer*innen darauf verlassen<br />
können, dass die Hilfsstruktur, die<br />
wir anbieten, funktioniert. Jenseits jeder<br />
Spende wird es aber auch in Zukunft<br />
wichtig sein, das Magazin zu kaufen –<br />
denn nur so können die Verkäufer*innen<br />
mit den Kund*innen auf Augenhöhe<br />
sein: Weil sie ein hochwertiges Produkt<br />
anbieten, das sein Geld wert ist. •<br />
Kontakt: gabriele.koch@hinzundkunzt.de<br />
JA,<br />
ICH WERDE MITGLIED<br />
IM HINZ&KUNZT-<br />
FREUNDESKREIS.<br />
Damit unterstütze ich die<br />
Arbeit von Hinz&Kunzt.<br />
Meine Jahresspende beträgt:<br />
60 Euro (Mindestbeitrag für<br />
Schüler*innen/Student*innen/<br />
Senior*innen)<br />
100 Euro<br />
Euro<br />
Datum, Unterschrift<br />
Ich möchte eine Bestätigung<br />
für meine Jahresspende erhalten.<br />
(Sie wird im Februar des Folgejahres zugeschickt.)<br />
Meine Adresse:<br />
Name, Vorname<br />
Straße, Nr.<br />
PLZ, Ort<br />
Telefon<br />
E-Mail<br />
Einzugsermächtigung:<br />
Ich erteile eine Ermächtigung zum<br />
Bankeinzug meiner Jahresspende.<br />
Ich zahle: halbjährlich jährlich<br />
Unsere neuen Freunde<br />
• Anastasia Anzupow-Schultz<br />
• Lars Bardenhagen • Jutta Bauer • Gela Bohn<br />
• Dorothee Bramlage • Annika Brinkhaus<br />
• Cornelis Broeders • Niels Dethlefsen<br />
• Sventa Dettweiler • Elisabetta Gargioni<br />
• Manuela Grimm • Benjamin Grimm-Lebsanft<br />
• Britta Günther • Berit Heeschen<br />
• Tobias Hermann • Tobias Hermes<br />
• Gesa Hollaender • Jutta Holtzheimer<br />
• Susanne Kirstein • Elena Koch<br />
• Britta Kollenbroich • Sonja König<br />
• Isabel Kreutz • Gerrit Kuhn<br />
• Anja Kutzer • Katharina Lacy<br />
• Christine Ludwig • Eric Mazewitsch<br />
• Bernd Nath • Ilka Niemüller<br />
• Anja Oksas • Jürgen Poluschinski<br />
• Christina Prasch<br />
• Bianca Rade • Bettina Rakers<br />
• Sophie Regel • Ulrich Rodeck<br />
• Stefanie Rückert • Julia Schell<br />
• Bernadette Schlaffner<br />
• Theodor Arthur Wilhelm Schmidt<br />
• Jette Schubert • Rainer Schumacher<br />
• Daniel Schwab • Iris Steinhorst<br />
• Uta Stremmel • Maren Stümke<br />
• Jochen Sturtzkopf • Susanne Tewes<br />
• Andre Timmann • Anna Tissen<br />
• Hilke Veth • Maren Wendler<br />
• Petra Wentland • Edmund Zange<br />
• Metaxia Zapounidou<br />
IBAN<br />
BIC<br />
Bankinstitut<br />
Ich bin damit einverstanden, dass mein Name in<br />
der Rubrik „Dankeschön“ in einer Ausgabe des<br />
Hamburger Straßenmagazins veröffentlicht wird:<br />
Ja<br />
Nein<br />
Wir garantieren einen absolut vertraulichen<br />
Umgang mit den von Ihnen gemachten Angaben.<br />
Die übermittelten Daten werden nur zu internen<br />
Zwecken im Rahmen der Spendenverwaltung<br />
genutzt. Die Mitgliedschaft im Freundeskreis ist<br />
jederzeit kündbar. Wenn Sie keine Informationen<br />
mehr von uns bekommen möchten, können<br />
Sie jederzeit bei uns der Verwendung Ihrer<br />
personenbezogenen Daten widersprechen.<br />
Unsere Datenschutzerklärung können Sie<br />
einsehen unter www.huklink.de/datenschutz<br />
Bitte Coupon ausschneiden und senden an:<br />
Hinz&Kunzt-Freundeskreis<br />
Altstädter Twiete 1-5, 20095 Hamburg<br />
Wir unterstützen Hinz&Kunzt. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk<br />
45<br />
HK <strong>328</strong>
Buh&Beifall<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>328</strong>/JUNI <strong>2020</strong><br />
Was unsere Leser*innen meinen<br />
„Toll, dass man die Ausgabe auch online lesen kann.“<br />
Tolle Onlineausgabe<br />
H&K 327<br />
Toll, dass man die Ausgabe auch<br />
online lesen kann. Ich habe gerade<br />
auf Eurer Internetseite über PayPal<br />
gespendet! Macht weiter so!<br />
CHRISTINA PETER VIA FACEBOOK<br />
Geld für freie Fahrt statt<br />
Imagefilm<br />
H&K Online und S. 26: Rot-Grün will Containern<br />
entkriminalisieren – Schwarzfahren<br />
bleibt Straftat<br />
In Hamburg kann es schon mal passieren,<br />
dass man für das Lösen eines falschen<br />
Fahrscheins festgenommen und<br />
abgeführt wird. Das ist nicht gut. Und<br />
statt für freie Fahrt wird Geld für teure<br />
Imagefilme ausgegeben, die man sich<br />
angucken muss. So kann das nicht<br />
weitergehen. TORGE BRAEMER VIA FACEBOOK<br />
Nur Geschwafel<br />
H&K Online: Papst erklärt<br />
Straßenzeitungen seine Solidarität<br />
Der reichste Staat der Welt ist der Vatikan,<br />
sie besitzen weltweit die meisten<br />
Immobilien, aber deren Solidarität<br />
besteht immer nur aus Geschwafel …<br />
SASCHA RINGLER VIA FACEBOOK<br />
Zweierlei Maß?<br />
H&K 327: Corona in der<br />
Gemeinschaftsunterkunft<br />
Werden in dieser Pandemie Menschen<br />
mit zweierlei Maß behandelt?<br />
Nach diesem Bericht bekommt<br />
man hier diesen Eindruck!<br />
ERICH HEEDER VIA FACEBOOK<br />
Hartes Pfflaster<br />
H&K Online und S. 28: Tatverdächtiger nach<br />
Totschlag an Obdachlosem festgenommen<br />
Wir trauern um<br />
Fritz Krenz<br />
9. Dezember 1957 – 7. Mai <strong>2020</strong><br />
Fritz ist nach langer, schwerer Krankheit<br />
zu Hause bei seinen Freunden verstorben.<br />
Die Verkäufer und<br />
das Team von Hinz&Kunzt<br />
Mich wollte man während meiner<br />
Zeit auf der Straße anzünden,<br />
zusammentreten oder erschießen.<br />
Die Straße ist ein hartes Pflaster.<br />
NILS MIEBACH VIA FACEBOOK<br />
Briefe von Leser*innen geben die Meinung der<br />
Verfasser*innen wieder, nicht die der Redaktion.<br />
Wir behalten uns vor, die Briefe zu kürzen.<br />
IHRE SPENDE<br />
HILFT!<br />
Hamburger Sparkasse<br />
IBAN: DE56 200505501280167873<br />
BIC: HASPDEHHXXX<br />
WIR TRAUERN 2019 UM<br />
AFGHANISTAN: 5. Januar Nuri Dschawid, Radiojournalist/Blogger | 5. Februar<br />
Rahmani Rahimullah, Fernsehjournalist | 5. Februar Aria Schafik, Radiojournalist |<br />
15. März Chairchah Sultan Mahmud, Radiojournalist | 1. Juli Imeailsi Abdulrauf,<br />
Medienmitarbeiter | GHANA: 16. Januar Ahmed Hussein-Suale, Fernsehjournalist |<br />
HAITI: 10. Oktober Néhémie Joseph, Radiojournalist | HONDURAS: 17. März<br />
Leonardo Gabriel Hernández, Fernsehjournalist | 31. August Edgar Joel Aguilar,<br />
Fernseh-journalist | IRAK: 4. Oktober Hischam Fares Al-Adhami, freier Journalist |<br />
6. November Amdsched al-Dahamat, Autor/Bürgerjournalist | JEMEN: 28. Januar Siad<br />
al-Schaarabi, Medienmitarbeiter/Producer | 5. Mai Ghaleb Labhasch, Bürgerjournalist |<br />
KOLUMBIEN: 9. Mai Mauricio Lezama, Dokumentarfilmer | LIBYEN: 19. Januar<br />
Mohammed bin Chalifa, Journalist | MEXIKO: 20. Januar Rafael Murúa Manríquez,<br />
Radiojournalist | 19. Februar Jesús Eugenio Ramos Rodríguez, Radiojournalist |<br />
15. März Santiago Barroso, Radiojournalist | 25. März Omar Iván Camacho<br />
Mascareño, Sportreporter | 2. Mai Telésforo Santiago Enríquez, Radiojournalist |<br />
16. Mai Francisco Romero Díaz, Printjournalist | 11. <strong>Juni</strong> Norma Sarabia Garduza,<br />
Printjournalistin | 30. Juli Rogelio Barragán Pérez, Onlinejournalist | 3. August Jorge<br />
Ruiz Vázquez, Printjournalist | 24. August Nevith Condés Jaramillo, Onlinejournalist |<br />
NIGERIA: 22. Juli Precious Owolabi, Fernsehjournalist | PAKISTAN: 4. Mai Ali Sher<br />
Rajpar, Printjournalist | 16. <strong>Juni</strong> Muhammad Bilal Khan, Bürgerjournalist | 30. April<br />
Malik Amanullah Khan, Printjournalist | 30. August Mirza Waseem Baig, Fernsehjournalist<br />
| 24. November Urooj Iqbal, Printjournalistin | PHILIPPINEN: 10. Juli<br />
Eduardo Dizon, Radiojournalist | 7. November Dindo Generoso, Radiojournalist |<br />
1. Dezember Benjie Caballero, Radiojournalist | DEMOKRATISCHE REPUBLIK<br />
KONGO: 2. November Papy Mahamba Mumbere, Radiojournalist | SOMALIA: 12. Juli<br />
Hodan Nalayeh, Fernsehjournalistin | 12. Juli Mohamed Sahal Omar, Fernsehjournalist<br />
| 14. August Abdinasir Abdulle Ga’Al, Radiojournalist | SYRIEN: 23. März<br />
Mohammad Dschumaa, Medienmitarbeiter | 18. <strong>Juni</strong> Amdschad Bakir, Fotojournalist<br />
| 23. <strong>Juni</strong> Omar al-Dimaschki, Bürgerjournalist | 17. Juli Alaa Najef<br />
al-Chader al-Chalidi, Fotojournalist | 21. Juli Anas al-Diab, Bürgerjournalist |<br />
15. August Samer al-Sallum, Bürgerjournalist | 10. Oktober Welat Erdemci, freier<br />
Journalist/Fotograf | 13. Oktober Saad Ahmad, Agenturjournalist | 13. Oktober<br />
Mohammed Rascho, Fernsehjournalist | 10. November Abdel Hamid al-Jussef,<br />
Fotojournalist | TSCHAD: 25. Mai Obed Nangbatna, Fernsehjournalist | UKRAINE:<br />
20. <strong>Juni</strong> Wadim Komarow, Printjournalist | VEREINIGTES KÖNIGREICH: 19. April Lyra<br />
McKee, freie Journalistin/Autorin<br />
Ihre Spende für die Pressefreiheit: www.reporter-ohne-grenzen.de/spenden<br />
46
Kunzt&Kult<br />
Pionierin: Skype-Gespräch mit Suzi Quatro<br />
zum 70. Geburstag (S. 48).<br />
Grenzgänger: Jürgen Jobsen zeigt, wo in<br />
Hamburg Dänemark anfing (S. 56).<br />
Hotelbewohner: Hinz&Künztler Rainer ist<br />
vorläufig von der Straße runter (S. 58).<br />
Die Uraufführung für „(R)Evolution“<br />
am Thalia Theater war kaum zwei<br />
Wochen her, da kam der Shutdown.<br />
Und jetzt? Ist es Teil des Online-Programms<br />
„The Rest Is Missing“, in dem das Thalia<br />
täglich Produktionen aus seinem Repertoire<br />
zum Streamen freigibt. Aktuell war das Stück<br />
der israelischen Regisseurin Yael Ronen<br />
ohnehin: Es handelt von Chancen und Krisen<br />
des Menschen in einer digitalisierten Welt.<br />
FOTO: KRAFFT ANGERER
Wild<br />
TEXT: XXXXXX NAME<br />
FOTOS: XXXXXX NAME<br />
Die Chefin gibt alles: Anfang der 70er-<br />
Jahre feiert Suzi Quatro als erste<br />
Leaderin einer Rockband weltweite<br />
Erfolge. Ihre Markenzeichen: hochhackige<br />
Stiefel (wie hier bei einem<br />
Konzert 1980), hauteng anliegender<br />
„Jumpsuit“ – gerne auch aus Leder!<br />
48
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Kunzt&Kult<br />
mild<br />
FOTOS: ACTION PRESS / REX FEATURES LTD. (2), ACTION PRESS / PUBLIC ADDRESS,<br />
ARSENALFILMVERLEIHGMBH, CHRISTIAN CHARISIUS/DPA<br />
N<br />
och lebt die kleine Vorfreude.<br />
„Ich glaube,<br />
Rainer hat für den<br />
Abend heimlich einen<br />
Tisch bestellt in unserem Hamburger<br />
Lieblings-Steakhaus“, sagt Suzi und<br />
lächelt in knapp 1000 Kilometer Entfernung<br />
in den Bildschirm, „aber wenn<br />
ich meinen 70. Geburtstag tatsächlich<br />
„Suzi war<br />
eine<br />
Erneuerin.“<br />
ALICE COOPER ÜBER DIE MUSIKERIN<br />
ohne meinen Mann im Lockdown verbringen<br />
muss, dann werde ich das eben<br />
so machen!“ Denn Suzi ist gestrandet –<br />
in ihrem Refugium im britischen Essex<br />
nahe London, wo sie seit mehr als<br />
30 Jahren ein Haus besitzt. Und<br />
seit Mitte März festsitzt, Corona sei<br />
Undank. Auch zum lange geplanten<br />
Date mit Hinz&Kunzt muss sich der<br />
Weltstar nun via Skype von England<br />
aus einloggen. Die Zeiten sind eben,<br />
wie sie sind.<br />
Unglaublich: Suzi Quatro wird 70! Ihre<br />
Welthits prägten eine ganze Generation<br />
Musikfans, aber nur wenige wissen um die<br />
Verbindung von „The Wild One“ zu Hamburg.<br />
Jochen Harberg hat mit ihr via Skype<br />
gesprochen – hier ist Suzis Geschichte …<br />
Das große Geburtstagsfest in Essex mit<br />
Gästen aus aller Welt? Inzwischen abgesagt.<br />
Die kleine Feier mit Ehemann<br />
Rainer Haas am gemeinsamen Wohnsitz<br />
Hamburg? Völlig offen, ohne Garantie<br />
auf Happy End. Wenn man sich<br />
allerdings näher mit dem Leben der<br />
Susan Kay Quatro beschäftigt, geboren<br />
am 3. <strong>Juni</strong> 1950 in Detroit (USA),<br />
dann weiß man eh: Diese Frau ist<br />
hart im Nehmen.<br />
Rückblende, Januar <strong>2020</strong>. Im<br />
Zeise-Kino in Altona feiert eine<br />
brandneue Musik-Filmdoku vorab<br />
Deutschlandpremiere: „Suzi Q –<br />
Wegbereiterin, Inspiratorin, Überlebende“<br />
lautet der Titel. Der große<br />
Saal ist rappelvoll, und den<br />
vielen Zuschauer*innen stockt<br />
während der 100 Minuten oft genug<br />
der Atem. Es ist ein Werk von<br />
seltener, ungeschminkter Intensität.<br />
Zum einen, natürlich, voller<br />
berührender Bilder über eine<br />
Das Leben der Suzi Q.:<br />
Die große Doku sollte im<br />
März ins Kino kommen,<br />
Corona kam<br />
dazwischen. Jetzt gibt es<br />
den Film als DVD.<br />
nun schon seit mehr als einem halben<br />
Jahrhundert andauernde Weltkarriere<br />
im Musikbusiness. Zum anderen aber<br />
auch – und das ist das heimliche Hauptthema<br />
des Films – über familiäre Befindlichkeiten<br />
und verletzten Stolz, über<br />
kaum gezähmten Geschwisterneid und<br />
lange vermisstes Elternlob.<br />
Suzi, das wird durch die überlebensgroßen<br />
Bilder noch einmal glasklar,<br />
ist Anfang der 1970er „the first woman<br />
ever“ als international anerkannte<br />
Bandleaderin einer Rockband. Sie wird<br />
so Wegbereiterin für ungezählte Nachfolgerinnen,<br />
die erst durch sie erkennen,<br />
dass Frauen in einer Rockband reüssieren,<br />
Chefin sein und sogar Gitarre<br />
spielen können. „Sie trug ihren schweren<br />
Bass wie eine Feder“, staunt etwa<br />
Deborah „Blondie“ Harry, „Suzi war<br />
eine Erneuerin“, weiß ihr Langzeitwegbegleiter<br />
Alice Cooper. Das Irre daran:<br />
Umstritten ist sie bei aller Liebe<br />
vor allem in der eigenen Familie. Man<br />
hört die abschätzige Stimme des Vaters:<br />
„Suzi kann eigentlich gar nicht wirklich<br />
Bass spielen, oder?“ Man sieht eine<br />
Schwester in brutaler Offenheit sagen:<br />
„Ich werde nie ein Fan von Suzi Quatro<br />
sein.“ Der Schmerz über solche Vernichtung<br />
kriecht bis in die letzte Reihe<br />
des Kinos.<br />
49
Wild<br />
mild<br />
Suzis erste und ewige Liebe:<br />
ihr Bass! Mit ihm rockt sie die<br />
Bühnen der Welt – in Zeiten von<br />
Corona gibt sie auf Facebook<br />
öffentliche Lehrstunden.<br />
Nach Filmende betritt die nur 1,52 kleine<br />
Protagonistin die Bühne des Zeises,<br />
hinaufgetragen vom donnernden Applaus<br />
des Publikums. Als ich sie aus dem<br />
Publikum heraus nach ihrer Lieblingsszene<br />
frage, wählt sie einen intimen<br />
Moment, in dem der Regisseur fragt,<br />
was die heutige Suzi ihrem Kinder-Ich<br />
von damals gerne sagen würde, wenn<br />
sie denn könnte. Die Leinwandheldin<br />
muss an dieser Stelle schwer schlucken:<br />
„Renn nicht so schnell, kleine Suzi, deine<br />
Kindheit geht so schnell vorbei, genieße<br />
jeden Moment!“<br />
Im Zeitraffer: Little Suzi ist das<br />
vierte von fünf Kindern des Ehepaars<br />
Art und Helen Quatro. Der Vater jobbt<br />
als semiprofessioneller Musiker, alle<br />
Kinder kommen früh mit seiner Welt in<br />
Berührung. Als Fünfjährige sieht Suzi<br />
den hüftschwingenden Elvis Presley im<br />
TV, und sofort ist ihr klar: „DAS will ich<br />
auch machen!“ Früh greift sie zum Bass,<br />
merkt: „Der ist mein Ding!“ Mit zarten<br />
14 ist sie Teil der Girlie-Familienband<br />
„Pleasure Seekers“, in der Suzi und ihre<br />
Schwestern mit leichtgewichtiger Partymukke<br />
auf Tour gehen. Suzi verzichtet<br />
dafür auf den Highschool-Abschluss.<br />
Ein Musikmanager macht Suzis Bruder,<br />
der die Truppe und deren Nachfolgeband<br />
„Cradle“ managt, ein Angebot:<br />
Er will die talentierte Suzi – aber nur<br />
Suzi – unter Vertrag nehmen. Der Familienrat<br />
beschließt, dem Küken das<br />
Angebot zu verheimlichen. Die Schwestern<br />
sollen bitte schön zusammen Karriere<br />
machen.<br />
Erst ganze zwei Jahre später erfährt<br />
Suzi von der Offerte. Sie sucht empört<br />
das Weite, nimmt das Vertragsangebot<br />
an, geht 1971 alleine nach London.<br />
Innere Verwundung, Einsamkeit<br />
und brennender Ehrgeiz werden zu<br />
mächtigen Triebfedern: „Gegenüber<br />
meiner Familie habe ich damals nur<br />
gedacht: ,Wartet ab, euch zeige ich es<br />
50<br />
Suzi und die starken<br />
Jungs: Ihre Band trägt<br />
sie von Erfolg zu Erfolg.<br />
allen!‘“ Nach zwei knallharten Jahren<br />
endlich der ersehnte Durchbruch: „Can<br />
the Can“ und „48 Crash“ erobern<br />
schnell die halbe Welt. Und es entstehen<br />
ikonische, so nie gesehene Rockstar<br />
bilder: Suzi kühl-überlegen als<br />
Bandleaderin in heißem Lederanzug<br />
und Plateaustiefeln – mit den drei starken<br />
Muskeljungs der Band zu ihren<br />
Füßen. Darunter auch Gitarrist Len<br />
Tuckey, den sie 1976 heiratet.<br />
Suzi lebt fortan ein Künstlerleben<br />
voller Vielfalt, obwohl sie mit Tuckey<br />
1982 und 1984 die beiden Kinder<br />
Laura und Richard bekommt. Sie<br />
reüssiert als Schauspielerin in einer<br />
amerikanischen TV-Serie namens<br />
„Happy Days“. Spielt in London die
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Kunzt&Kult<br />
Hauptrolle im Musical „Annie, get your<br />
gun“. Schreibt bald darauf selbst ein<br />
Musical, das im Westend aufgeführt<br />
wird. Die mittlerweile marode Ehe<br />
zieht sie quälende sechs Jahre durch bis<br />
zum Gehtnichtmehr, „ich bin ein<br />
katholisches Mädchen und die Tochter<br />
meiner Mutter. Und die hat gesagt:<br />
,einmal verheiratet, immer verheiratet‘“,<br />
erklärt Suzi ihren Durchhaltewillen.<br />
Nach der Trennung heiratet sie<br />
1993 den Hamburger Promoter Rainer<br />
Haas, der schon 1974 in der Musikhalle<br />
„Ich war nie<br />
ein Sex-and<br />
Drugs-Girl.“<br />
SUZI QUATRO<br />
Suzi, nicht zu stoppen!<br />
Mehr als ein halbes Jahrhundert<br />
währt nun schon<br />
ihr Künstlerleben, und<br />
auch mit 70 ist sie noch<br />
voller Pläne: „Mein Weg ist<br />
noch lange nicht zu Ende.“<br />
im Publikum steht, als Suzi oben von<br />
der Bühne aus runterrockt. Jetzt zieht<br />
sie die Kinder groß, „ich war wirklich<br />
eine gute Mutter“, findet sie heute stolz,<br />
„das war mir auch ungeheuer wichtig.“<br />
Stillstand? Trotzdem nix für Suzi!<br />
Nebenher macht sie immer weiter<br />
Platten, geht auf Tour, schreibt eine<br />
Biografie und eine Art Gedichtband, ist<br />
Gastgeberin einer Musik-Radioshow<br />
auf BBC 2, hat immer wieder kleinere<br />
Rollen im Fernsehen. Dann zuletzt besagte<br />
Kinodoku über das eigene Leben,<br />
mehr als drei Jahre wird daran gearbeitet.<br />
Aber all das Schillernde, Extrovertierte<br />
ist nur die öffentliche Seite ihrer<br />
Persönlichkeit.<br />
Es gibt die Bühnen-Suzi – und es<br />
gibt die private Suzi, komplett allürenfrei<br />
und mit durchaus konservativen<br />
Zügen. „Ich war niemals so ein Sexand-Drugs-Girl“,<br />
gesteht sie. Und muss<br />
lachen, als ich sie nach ihrem frühen<br />
Image als globales Pin-up-Girl frage.<br />
„Meine Tochter sagt mir heute noch:<br />
‚Mama, du hast bis heute keine Ahnung,<br />
wie man richtig flirtet.‘ Und<br />
weißt du was? Das stimmt! Ich habe<br />
niemals Spielchen gespielt mit Männern.“<br />
Als ich auf das Thema Politik zu<br />
sprechen komme, seufzt Suzi hörbar<br />
auf: „Aaaaah, politics!“ Nein, nein,<br />
nein, sie sei „eine Entertainerin, und es<br />
würde sich für mich falsch anfühlen,<br />
wenn ich meine Meinung meinem Publikum<br />
in die Kehle stecke und es zwinge,<br />
das runterzuschlucken.“<br />
Lieber füttert sie da in Zeiten von<br />
Corona die sozialen Netzwerke: „Darin<br />
bin ich echt gut geworden und jetzt sehr<br />
aktiv, gebe zum Beispiel auf Facebook<br />
51<br />
jeden Tag ein Tutorial für Bassgitarristen.“<br />
Dauereinsam ist Suzi im Essex-<br />
Exil ohnehin nicht. Ihre Kids Laura<br />
und Richard wohnen quasi „einfach<br />
nur die Straße runter“, sagt Mama Suzi,<br />
Richard komme oft zum Musikmachen<br />
vorbei: „Wir haben im Lockdown<br />
gerade schon Songs für die nächste<br />
Platte geschrieben“, erzählt sie stolz,<br />
„das fühlt sich großartig an.“<br />
Schon für ihr 2019er-Album „No<br />
Control“, für das sie gemeinsam mit<br />
Richard viele Stücke einspielte, gab es<br />
glänzende Kritiken – und mehr als 100<br />
Liveauftritte in aller Welt, auch in<br />
Hamburg. Ich erzähle ihr, dass ich auf<br />
dem Album einen neuen Lieblingssong<br />
entdeckt habe: „Bass Line“ – ein verhangenes,<br />
aber brutal intensives Stück<br />
mit der wie gemalten Songzeile: „Walking<br />
down the Bass line won’t lead you<br />
astray“, frei übersetzt: „Wenn du dich<br />
dem Bass anvertraust, wird er dich nicht<br />
in die Irre führen.“ Da strahlt Suzi über<br />
das ganze Gesicht. „Ist der Song<br />
nicht großartig? Mein Bass-Solo darin<br />
dominiert sogar über die E-Gitarre! Da<br />
bin ich so stolz drauf.“ Und sie kann es<br />
fühlen: „Mein Weg ist noch lange nicht<br />
zu Ende.“ •<br />
Kontakt: redaktion@hinzundkunzt.de<br />
Rock-Ikone Suzi Quatro<br />
Seit mehr als fünf Jahrzehnten im Musikgeschäft,<br />
17 Studioalben, mehr als 55<br />
Millionen verkaufte Tonträger weltweit:<br />
Suzi Quatro ist einer der großen weiblichen<br />
Stars der Rockmusik-Geschichte.<br />
Ihre Hits wie „Can The Can“, „48 Crash“,<br />
„If You Can‘t Give Me Love“, „The Wild<br />
One“ oder „Stumblin’ in“ (im Duett mit<br />
Chris Norman) haben eine Generation<br />
von Musikfans begleitet. 2016 erhielt sie<br />
für ihre Verdienste von der Anglia Ruskin<br />
University, Cambridge, den Ehrendoktortitel<br />
in Musik.<br />
Die brandneue Film-Doku über ihr<br />
Leben („Suzi Q – Trailblazer. Inspiration.<br />
Survivor.“) ist jetzt im Handel erhältlich.<br />
Quatro hat zwei Kinder und ist seit 1993<br />
in zweiter Ehe mit dem Hamburger<br />
Musikpromoter Rainer Haas verheiratet,<br />
ihre Wohnsitze sind Essex, Hamburg-<br />
Niendorf und Mallorca.
Kult<br />
Tipps für den<br />
Monat <strong>Juni</strong>:<br />
subjektiv und<br />
einladend<br />
Ausstellung<br />
„Gute Aussichten“ in den Deichtorhallen<br />
Fotograf Lukas van Bentum reiste für seine<br />
Fotoreihe „Identity Negotiation“ nach Kaliningrad.<br />
Die Welt ist eine andere geworden: digitaler,<br />
schwerer zu begreifen, weniger<br />
verlässlich. Fake News und Fake Identitäten<br />
waren schon Teil des medialen<br />
Grundrauschens, bevor Corona das öffentliche<br />
Leben weitgehend ins Internet<br />
verlegte. Bekanntes Terrain also für die<br />
jungen Fotograf*innen, mit denen die<br />
Deichtorhallen ihre Rückkehr aus dem<br />
Shutdown feiern. „Gute Aussichten“<br />
heißt die Ausstellung, ebenso wie der<br />
Nachwuchspreis, mit dem die neun<br />
Nachwuchskünstler*innen ausgezeichnet<br />
wurden. Ihre Werke spiegeln den<br />
Blick ihrer Generation auf weltweite<br />
Krisen und Kriege und hinterfragen,<br />
wie sich Erzählungen im Netz verändern.<br />
Brandaktuell. •<br />
Deichtorhallen, Deichtorstraße 1-2,<br />
Di–So, 11–18 Uhr, Eintritt 12/7 Euro,<br />
www.deichtorhallen.de<br />
52
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Kunzt&Kult<br />
Steigert die Vorfreude:<br />
„Liliom“<br />
steht mit etwas<br />
Glück in der kommenden<br />
Spielzeit<br />
wieder auf dem<br />
Programm.<br />
Ausstellung<br />
Mit den Ohren besser sehen<br />
Gucken mit den Ohren: Das macht<br />
die Kunsthalle mit ihrem Format<br />
„Ohrenschau“ möglich. Mehr als<br />
40 Bilder werden im Netz gezeigt<br />
und beschrieben, dabei geht es auch<br />
um die Künstler*innen und ihre Zeit.<br />
Auch nach der Wiedereröffnung<br />
lohnt sich das Hinhorchen – wer<br />
vorher hört, sieht später mehr. •<br />
Kunsthalle, Glockengießerwall 5,<br />
Di–So, 10–18 Uhr, Eintritt 14/8 Euro,<br />
www.hamburger-kunsthalle.de<br />
FOTOS: LUKAS VAN BENTUM, WWW.GUTEAUSSICHTEN.ORG (S. 52), MATTHIAS HORN (S. 53 OBEN), KLAUS MÜLLER (S. 53 UNTEN)<br />
Theater<br />
Wiedersehen mit Publikumslieblingen<br />
Theaterfans müssen tapfer sein: Live gibt es im <strong>Juni</strong> nichts zu sehen. Doch sangund<br />
klanglos von der Bühne zu verschwinden, kommt für die Theaterleute auch<br />
nicht infrage. Im Internet geht die Spielzeit weiter: Das Publikum darf hinter die<br />
Kulissen schauen, hört den Ensemblemitgliedern beim Rezitieren ihrer Lieblingsgedichte<br />
zu, kann bei Online-Spielübungen für Profis mitmachen – und vor allem<br />
jeden Abend kostenlos meisterhafte Inszenierungen anschauen. Klar, es fehlt das<br />
vorfreudige Gewusel im Foyer, der Puderduft im Saal, der Applaus. Dafür gibt es<br />
beim Thalia Theater ein Wiedersehen mit Don Giovanni, Woyzeck oder Danton,<br />
die sich im analogen Spielplan nur noch selten blicken lassen. Auch ständig ausverkaufte<br />
Produktionen wie „Hereroland“ sind online zu sehen. •<br />
#thaliadigital, www.thalia-theater.de<br />
Ausstellung<br />
Leinen los für die Kultur<br />
Seit mehr als 30 Jahren halten ehemalige Seeleute mit Tatkraft und Erfahrung die<br />
Cap San Diego in Schuss. Doch jetzt droht der historische Stückgutfrachter in<br />
eine finanzielle Schieflage zu geraten: Wegen der Coronakrise dürfen an Bord<br />
keine Touristen mehr übernachten, die Kombüse bleibt zu, ebenso der Escape-<br />
Room und der Hochseilgarten.<br />
Bilanz der ersten sieben<br />
Wochen Shutdown:<br />
80.000 Euro Ausgaben, 5000<br />
Euro Einnahmen. Jetzt kommt<br />
langsam Land in Sicht: Rundgänge<br />
an Bord sind wieder<br />
erlaubt, und auch Kunstausstellungen<br />
werden eröffnet.<br />
Die Gruppe „Horizonte“<br />
aus Schleswig-Holstein zeigt<br />
Gemälde und Zeichnungen<br />
mit maritimen Motiven. •<br />
Cap San Diego, Überseebrücke,<br />
Ausstellung ab Do, 4.6., Mo–So,<br />
10–18 Uhr, Eintritt 7/4 Euro,<br />
www.capsandiego.de<br />
Mit der Ausstellung „Horizonte 4.0“ nimmt die<br />
Kunst auf der Cap San Diego wieder Fahrt auf.<br />
Podcast<br />
Im Gespräch bleiben<br />
Mit der Podcast-Reihe „Stay in<br />
Touch“ setzt Kampnagel die Debatten<br />
fort, die sonst auf der Bühne verhandelt<br />
werden: Wie wirken Machtstrukturen<br />
auf die, die keine Macht<br />
haben? Wie geht Kunst jenseits der<br />
Gendernormen? All das ist weiterhin<br />
wichtig, gerade in Krisenzeiten. •<br />
Kampnagel, www.kampnagel.de/de/<br />
programm/podcast-stay-in-touch<br />
Ausstellung<br />
Häfen verbinden<br />
Das Deutsche Hafenmuseum ist noch<br />
nicht gebaut, aber es gibt schon ein<br />
Programm: Mit der Fotoausstellung<br />
„Two Ports – One World“ stellen<br />
Schüler*innen aus Hamburg und<br />
Daressalaam bildlich eine Verbindung<br />
der beiden Hafenstädte her. •<br />
Museum für Hamburgische Geschichte,<br />
Holstenwall 24, Mo, Mi–Fr, 10–17 Uhr,<br />
Sa+So, 10–18 Uhr, Eintritt 9,50/6 Euro,<br />
www.shmh.de<br />
Ausstellung<br />
Ausgezeichnete Fotoprojekte<br />
Jedes Jahr vergibt das Olympus Fellowship<br />
Stipendien für besondere<br />
Fotoarbeiten. Nun sind die geförderten<br />
Projekte in Hamburg zu sehen.<br />
Online zeigt das Haus der Fotografie<br />
die Menschen hinter den Ideen. •<br />
Haus der Fotographie, Deichtorstraße<br />
1–2, Di–So, 11–18 Uhr, Eintritt<br />
12/7 Euro, www.deichtorhallen.de<br />
53
Beim Kammerkonzert<br />
„Urban Gardening“<br />
erforscht das Ensemble<br />
Resonanz das Klangpotenzial<br />
von Pflanzen.<br />
Ausstellung<br />
Musik aus dem Wohnzimmer-Dschungel<br />
„Musik ist alles, was hörbar ist“, sagt<br />
John Cage. „Sie umfasst die Klänge<br />
und Geräusche innerhalb und<br />
außerhalb von Konzertsälen.“ Die<br />
Musiker*innen des Ensembles<br />
Resonanz nehmen den Komponisten<br />
beim Wort. Ihr Saal, der resonanzraum,<br />
bleibt zwar bist auf Weiteres<br />
tonlos und menschenleer. Doch Musik<br />
kommt auch aus dem Wohnzimmer-<br />
Dschungel, aus dem Hobbykeller, vom<br />
Balkon oder aus der Küche, wie das<br />
Ensemble in seinen „Produktionen aus<br />
der Vereinzelung“ beweist. Notgedrungen<br />
leben die Musiker*innen nun vor<br />
der Webcam aus, was sie auch sonst antreibt:<br />
die Freude am Experiment und<br />
die Neugier auf ungeahnte Klangerlebnisse.<br />
Auf ihrer Internetplattform<br />
resonanz.digital zeigen sie neue<br />
Produktionen und herausragende<br />
Konzerte, die alle hergebrachten<br />
Erwartungen an klassische Kammermusik<br />
übertreffen. Toll für alle, die das<br />
Ensemble noch nicht kennen – aber<br />
auch für Freund*innen des Hauses, die<br />
trotz Shutdown ihren musikalischen<br />
Horizont erweitern wollen. •<br />
Ensemble Resonanz, www.ensembleresonanz.com/resonanz-digital<br />
54
Kunzt&Kult<br />
Kinofilm des Monats<br />
Kleine Gang,<br />
böse Gang<br />
FOTOS: GERHARD KÜHNE (S. 54), RBB/SALZGEBER (S. 55 OBEN), KOLUMNE: PRIVAT<br />
Fernsehen<br />
Liebe in allen Facetten<br />
Ausstellung<br />
Ein Syrer auf dem Mars<br />
1987 flog der erste syrische Kosmonaut<br />
Mohamed Ahmed Faris ins Weltall.<br />
Die Designerin Anna Banout entwirft<br />
eine „Memory Box“ für eine<br />
fiktive Weltraummission 100 Jahre<br />
später: Welche Gegenstände und Erzählungen<br />
würden Faris' Nachfolger<br />
in die Kiste packen, wenn sie vorhätten,<br />
auf den Mars auszuwandern?<br />
Hinter der futuristisch anmutenden<br />
Idee steht eine interessante Überlegung:<br />
Auch nach Jahrzehnten der<br />
Zerwürfnisse, Krisen und Fluchtbewegungen<br />
gibt es geteilte Erinnerungen<br />
und Objekte, die etwas wie Heimat<br />
bewahren und eine Grundausrüstung<br />
liefern für den Neuanfang. Das Museum<br />
für Kunst und Gewerbe zeigt die<br />
„Fossilien der Zukunft“ in der neuen<br />
Ausstellung „Syria 2087“. •<br />
MKG, Steintorplatz, Di-So, 10–18 Uhr,<br />
Do, 10–21 Uhr, Eintritt 12/8 Euro, unter<br />
18 Jahren frei, www.mkg-hamburg.de<br />
Nathan (Arnaud Valois) ist selbst HIVnegativ,<br />
schließt sich aber den Aktivisten<br />
an – auch, weil er sich verliebt hat.<br />
Paris, 1990er-Jahre: HIV verbreitet sich in der Stadt der Liebe, die Gesellschaft<br />
schweigt, die Regierung tut nichts. So jedenfalls erleben es die Aktivist*innen, von<br />
denen der Film „120 BPM“ erzählt. In Guerilla-Taktik stürmen sie Klassenzimmer,<br />
um aufzuklären, und randalieren in den Firmensitzen der Pharma-Lobby.<br />
Das rbb Fernsehen zeigt den Film in einer internationalen queeren Filmreihe.<br />
Es geht um große Themen: Politik, Protest und Liebe jenseits der Grenzen<br />
heterosexueller Paarbeziehungen. Die achtteilige Reihe läuft bis Mitte August. •<br />
rbb Fernsehen, Start der Reihe am Do, 18.6., www.rbb-online.de/fernsehen<br />
Bühne<br />
Neue Zugänge zum Ballett<br />
Die Tänzer*innen des Hamburg Balletts<br />
trainieren wieder. Und wer will,<br />
kann mitmachen: Bei den virtuellen<br />
Übungsstunden probt eine Ballerina<br />
zu Hause vor der Webcam, das Filmchen<br />
ist dann zu sehen im Online-<br />
Programm. Auch Krafttraining gibt<br />
es zum Mitmachen. Wer lieber Publikum<br />
bleibt, darf gelenkschonend zuschauen,<br />
was die Profis können. Jede<br />
Woche gibt es ein Stück von John<br />
Neumeier jeweils für 48 Stunden<br />
kostenlos im Stream zu sehen, dazu<br />
Dokus über das Ballett oder Auszüge<br />
aus den Werken junger Choreograf*innen,<br />
die vorerst nicht auf der<br />
Bühne gezeigt werden können. •<br />
Hamburg Ballett, www.hamburgballett.de<br />
Über Tipps für Juli freut sich<br />
Annabel Trautwein. Bitte bis zum 10.6.<br />
schicken: redaktion@hinzundkunzt.de<br />
Das Vorrecht der Jugend ist,<br />
neben vielen anderen, böse<br />
wirken zu wollen, ohne wirklich<br />
böse zu sein. Dicke Hose<br />
fühlt sich mit 17 möglicherweise<br />
auch einfach besser an<br />
als mit 51. Und wird leichter<br />
verziehen.<br />
Darauf jedenfalls setzt<br />
vorerst der jugendliche Protagonist<br />
des seit Ende Mai auf<br />
Netflix gezeigten Dramas<br />
„I’m no longer here“. Mit<br />
seiner doch recht schrillen<br />
Gang lebt Ulises in den Tag –<br />
oder besser die Nacht – hinein.<br />
Kolumbianische Musik,<br />
Tanz, tiefhängende Hosen<br />
und Subkulturgehabe – das<br />
volle Programm irgendwo im<br />
mexikanischen Hinterland.<br />
Und dann, aus einer Nichtigkeit<br />
heraus, kommt es zum<br />
Streit mit den wirklich bösen<br />
Jungs. Die machen schnell<br />
klar, dass mit ihnen nicht zu<br />
spaßen ist. Ulises flieht vor<br />
dem heimischen Drogenkartell<br />
nach New York. Und<br />
fühlt sich dort zunehmend<br />
isoliert und einsam. Aus<br />
Traurigkeit wird Verzweiflung,<br />
aus Verzweiflung Wut.<br />
Zugegeben, was Filme<br />
angeht, hat Netflix nicht immer<br />
ein glückliches Händchen.<br />
Und dann tauchen Perlen<br />
wie diese auf und stechen<br />
wohltuend aus dem Comedyund<br />
Action-Einerlei heraus.<br />
Regisseur Fernando Frias de<br />
la Parra gelingt es dank junger<br />
authentischer Schauspieler*innen<br />
fast spielend, das<br />
große Gefühl jugendlicher<br />
Unverstandenheit auf die<br />
Leinwand zu bannen. •<br />
André Schmidt<br />
geht seit<br />
Jahren für uns<br />
ins Kino.<br />
Er arbeitet in der<br />
PR-Branche.<br />
55
Hamburger<br />
Geschichte(n)<br />
#3<br />
Kunzt&Kult<br />
Der Grenzpfeiler<br />
am Nobistor<br />
Der dritte Teil der Serie Hamburger Geschichte(n)<br />
führte uns – vor Corona! – auf die Reeperbahn, wo einst die<br />
Vorstadt St. Pauli endete – und Dänemark begann.<br />
TEXT: ANNABEL TRAUTWEIN; FOTOS: ANDREAS HORNOFF<br />
Mehr als nur ein Laternenmast<br />
auf dem Kiez:<br />
Jürgen Jobsen zeigt uns<br />
den früheren Grenzpfeiler<br />
am Nobistor.<br />
Da, wo Jürgen steht,<br />
begann damals<br />
Dänemark.<br />
Historische Spurensuche im Rotlichtviertel?<br />
Gar nicht so einfach. Denn<br />
auch wenn der Kiez eine bewegte Geschichte<br />
hat – um Aufmerksamkeit der<br />
Passanten buhlen vor allem Showbars<br />
und Nachtclubs, Imbissbuden und<br />
Spielhallen. Schnelles Vergnügen, hier<br />
und jetzt im Angebot! Die Leuchtreklamen<br />
blitzen selbst am helllichten<br />
Tag. Jürgen Jobsen (64) aber lässt sich<br />
nicht ablenken. Stoisch schiebt der<br />
Hinz&Kunzt-Mitarbeiter sein Fahrrad<br />
die Reeperbahn entlang, vorbei an Susis<br />
Showbar und der Großen Freiheit.<br />
„Es kann nicht mehr weit weg sein“,<br />
sagt er. Jürgen hält Ausschau nach dem<br />
alten Grenzpfeiler am Nobistor.<br />
Heute mitten im Trubel, markierte<br />
er vor rund 170 Jahren den Übergang<br />
zwischen zwei Reichen. „Hier fing Dänemark<br />
an“, erklärt Jürgen. Die Stadt<br />
Altona – aus Hamburger Sicht „allzu<br />
nah“ – war damals noch holsteinisch<br />
und stand bis 1864 unter dänischer<br />
Krone. Die ist auch auf dem Grenzpfeiler<br />
repräsentiert, in Form eines gekrönten<br />
Monogramms: „CR VIII“, die Initialen<br />
des dänischen Königs Christian<br />
der Achte. Auf der anderen Seite des<br />
Pfeilers steht der Spruch „Nobis bene“<br />
(„Uns das Gute“). Darunter prangt das<br />
Altonaer Wappen, eine Burg mit drei<br />
Zinnen, die Tore weit geöffnet. Die<br />
Stadt war stolz auf ihre Offenheit.<br />
Zwar galt auch hier seit 1750 die Torsperre.<br />
Doch wer nachts wieder nach<br />
Altona rein wollte, wurde am Nobistor<br />
allenfalls symbolisch gehindert: Zwischen<br />
dem eigentlichen Tor und den<br />
beiden Grenzpfeilern blieb genug Platz,<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>328</strong>/JUNI <strong>2020</strong><br />
um hindurchzuschlüpfen.<br />
Ganz andere Sitten<br />
herrschten offenbar am<br />
Millerntor, dem Grenzübergang<br />
zur Freien und<br />
Hansestadt. „Wenn man<br />
Hamburger war, musste<br />
man zu einer bestimmten<br />
Zeit drinnen sein“, erzählt<br />
Jürgen. „Sonst musste man<br />
ein Torgeld bezahlen.“ Das<br />
konnte teuer werden.<br />
Aber die Nacht auf St. Pauli verbringen,<br />
zwischen Amüsierschuppen<br />
und zwielichtigen Spelunken? Eine<br />
Vorstellung, die Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
noch sprichwörtliche Torschlusspanik<br />
erzeugte. Eine der kleinen Millerntorwachen<br />
gibt es noch, sie ist auch<br />
als Platte bei Obdachlosen beliebt. „Da<br />
kann man noch einigermaßen geschützt<br />
sein Nachtlager aufschlagen“,<br />
sagt Jürgen. Im Laufe des Straßenumbaus<br />
wurde das Häuschen versetzt, von<br />
der alten Stadtgrenze fehlt heute jede<br />
Spur. Der Grenzpfeiler am Nobistor<br />
dagegen blieb an seinem Platz. 2013<br />
ließ der Denkmalverein ihn restaurieren.<br />
Womöglich bekommt er sogar sein<br />
Gegenstück zurück. Der zweite Pfeiler<br />
wurde zwar im Krieg zerstört, aber die<br />
Fragmente liegen noch im Depot des<br />
Museums für Hamburgische Geschichte.<br />
Im April 2016 entschied die Bezirksversammlung<br />
Hamburg-Mitte, ihn wieder<br />
herrichten zu lassen. Dann wäre<br />
bald auch der alte Spruch wieder vollständig:<br />
„Uns das Gute – Niemandem<br />
das Schlechte.“ •<br />
Kontakt: annabel.trautwein@hinzundkunzt.de<br />
Jürgen Jobsen (64)<br />
war früher<br />
Hinz&Künztler<br />
und arbeitet seit<br />
Jahren im Vertrieb.<br />
Preisfrage:<br />
„Nobis bene“ steht auf dem Grenzpfeiler.<br />
Wie lautet die Fortsetzung des lateinischen<br />
Spruchs, die den zweiten Pfeiler<br />
zierte? Schreiben Sie uns (siehe rechts)!<br />
HISTORISCHES FOTO AUS DEM BUCH „ALTONA & OTTENSEN: BILDER AUS DEN VERGANGENEN TAGEN“ VON FRITZ LACHMUND<br />
56
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Rätsel<br />
ILLUSTRATION (BLEISTIFT IM IMPRESSUM): BERND MÖLCK-TASSEL<br />
Heeresabteilung<br />
österr.<br />
Rindfleischspeise<br />
süddeutsch:<br />
schneefrei<br />
missglückter<br />
Rennbeginn<br />
englische<br />
Bezeichnung<br />
für:<br />
Graf<br />
körperl.<br />
u. seel.<br />
Überbelastung<br />
Doppelstern<br />
im<br />
„Perseus“<br />
Volk in<br />
Südostnigeria<br />
geistliches<br />
Lied<br />
dt. Hochgeschwindigkeitszug<br />
(Abk.)<br />
Kurzform<br />
von:<br />
Dorothea<br />
8<br />
7<br />
1<br />
7<br />
5<br />
8<br />
lateinisch:<br />
Wasser<br />
2<br />
6<br />
3<br />
5<br />
9<br />
4<br />
6<br />
die<br />
Goldene<br />
Stadt<br />
Spende,<br />
Stiftung<br />
3<br />
2<br />
8<br />
4<br />
schrill,<br />
durchdringend<br />
Erdteilbevölkerung<br />
Überschuss<br />
niederländ.<br />
Name<br />
der Rur<br />
6<br />
2<br />
1<br />
7<br />
4<br />
5<br />
4<br />
3<br />
10<br />
verkürzte<br />
Unterschrift<br />
Ausruf<br />
des<br />
Ansporns<br />
(veraltet)<br />
5<br />
9<br />
6<br />
8<br />
5<br />
2<br />
Gott in<br />
der islamischen<br />
Religion<br />
Handynachricht<br />
(Abk.)<br />
radioaktives<br />
chem.<br />
Element<br />
Boxkampfplatz<br />
4<br />
5<br />
6<br />
AR0909-1219_4sudoku<br />
heilkräftiges<br />
Harz<br />
Gottheit<br />
der Germanen<br />
kraterförmige<br />
Senke,<br />
Kratersee<br />
Jugendlicher<br />
(Kurzwort)<br />
dt.<br />
Privat-<br />
TV-Sender<br />
(Abk.)<br />
Geröllwüste<br />
(hamit.)<br />
Klausner,<br />
einzeln<br />
lebender<br />
Mönch<br />
Zier-,<br />
Heilpflanze<br />
Figur aus<br />
der Oper<br />
„Tiefland“<br />
geistige<br />
Wesensart,<br />
Gesinnung<br />
Arno-<br />
Zufluss<br />
in der<br />
Toskana<br />
frühere<br />
französische<br />
Münze<br />
orient.<br />
Knüpftechnik<br />
Kriegsschiff<br />
Schwellung<br />
an<br />
dorischen<br />
Säulen<br />
Rhein-<br />
Zufluss<br />
(Baden)<br />
rechnungsmäßiger<br />
Anteil<br />
unbest.<br />
weibl.<br />
franz.<br />
Artikel<br />
die Landwirtschaft<br />
betreff.<br />
nordgermanische<br />
Meeresriesin<br />
Lösungen an: Hinz&Kunzt, Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg,<br />
per Fax an 040 32 10 83 50 oder per E-Mail an info@hinzundkunzt.de.<br />
Einsendeschluss: 26. <strong>Juni</strong> <strong>2020</strong>. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
Wer die korrekte Lösung für eines der beiden Rätsel oder die Antwort<br />
auf die Preisfrage auf Seite 56 einsendet, kann zwei Karten für die Hamburger<br />
Kunsthalle oder eins von zwei Sachbüchern „Hinter der Grenze,<br />
vor dem Gesetz“ (Hamburger Editionen) gewinnen. Die Antwort auf die<br />
Mai-Preisfrage lautete: Sie zierten eine Brücke. Das Lösungswort beim<br />
Kreuzworträtsel war: Darbietung. Die Sudoku-Zahlenreihe: 483 917 256.<br />
6<br />
8<br />
2<br />
3<br />
7<br />
8<br />
3<br />
9<br />
1<br />
2<br />
7<br />
10<br />
9<br />
12194 – raetselservice.de<br />
Füllen Sie das Gitter so<br />
aus, dass die Zahlen von<br />
1 bis 9 nur je einmal in<br />
jeder Reihe, in jeder<br />
Spalte und in jedem<br />
Neun-Kästchen-Block<br />
vorkommen.<br />
Als Lösung schicken<br />
Sie uns bitte die farbig<br />
gerahmte, unterste<br />
Zahlenreihe.<br />
Impressum<br />
Redaktion und Verlag<br />
Hinz&Kunzt<br />
gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH<br />
Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg<br />
Tel. 040 32 10 83 11, Fax 040 32 10 83 50<br />
Anzeigenleitung Tel. 040 32 10 84 01<br />
E-Mail info@hinzundkunzt.de, www.hinzundkunzt.de<br />
Herausgeber<br />
Landespastor Dirk Ahrens, Diakonisches Werk Hamburg<br />
Externer Beirat<br />
Prof. Dr. Harald Ansen (Armutsexperte HAW-Hamburg),<br />
Mathias Bach (Kaufmann), Dr. Marius Hoßbach (Korten Rechtsanwälte AG),<br />
Olaf Köhnke (Ringdrei Media Network),<br />
Thomas Magold (BMW-Niederlassungsleiter i.R.),<br />
Karin Schmalriede (Lawaetz-Stiftung),<br />
Dr. Bernd-Georg Spies (Russell Reynolds),<br />
Alexander Unverzagt (Medienanwalt), Oliver Wurm (Medienberater)<br />
Geschäftsführung Jörn Sturm<br />
Redaktion Birgit Müller (bim; Chefredakteurin, V.i.S.d.P.),<br />
Annette Woywode (abi; Stellv., CvD), Jonas Füllner (jof),<br />
Lukas Gilbert (lg), Jochen Harberg (joc), Ulrich Jonas (ujo),<br />
Benjamin Laufer (bela), Misha Leuschen (leu), Annabel Trautwein (atw)<br />
Online-Redaktion Benjamin Laufer (CvD), Jonas Füllner, Lukas Gilbert<br />
Korrektorat Kristine Buchholz und Kerstin Weber<br />
Redaktionsassistenz Cedric Horbach,<br />
Marina Schünemann, Anja Steinfurth<br />
Artdirektion grafikdeerns.de<br />
Öffentlichkeitsarbeit Sybille Arendt, Friederike Steiffert<br />
Anzeigenleitung Sybille Arendt<br />
Anzeigenvertretung Caroline Lange,<br />
Wahring & Company, Tel. 040 284 09 418, c.lange@wahring.de<br />
Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 24 vom 1. Januar 2019<br />
Vertrieb Christian Hagen (Leitung), Sigi Pachan,<br />
Jürgen Jobsen, Meike Lehmann, Sergej Machov,<br />
Frank Nawatzki, Elena Pacuraru, Reiner Rümke, Marcel Stein,<br />
Eugenia Streche, Cornelia Tanase, Silvia Zahn<br />
Spendenmarketing Gabriele Koch<br />
Spendenverwaltung/Rechnungswesen Susanne Wehde<br />
Sozialarbeit Stephan Karrenbauer (Leitung), Jonas Gengnagel<br />
Isabel Kohler, Irina Mortoiu<br />
Das Stadtrundgang-Team Stephan Karrenbauer (Leitung),<br />
Chris Schlapp, Harald Buchinger<br />
Das BrotRetter-Team Stephan Karrenbauer (Leitung),<br />
Stefan Calin, Gheorghe-R zvan Marior, Pawel Marek Nowak<br />
Das Team von Spende Dein Pfand am Airport Hamburg<br />
Stephan Karrenbauer (Leitung), Uwe Tröger, Klaus Peterstorfer,<br />
Herbert Kosecki, Torsten Wenzel<br />
Litho PX2 Hamburg GmbH & Co. KG<br />
Produktion Produktionsbüro Romey von Malottky GmbH<br />
Druck und Verarbeitung A. Beig Druckerei und Verlag,<br />
Damm 9–15, 25421 Pinneberg<br />
Umschlag-Druck Neef+Stumme premium printing GmbH & Co. KG<br />
QR Code ist ein eingetragenes Warenzeichen von Denso Wave Incorporated<br />
Spendenkonto Hinz&Kunzt<br />
IBAN: DE56 2005 0550 1280 1678 73<br />
BIC: HASPDEHHXXX<br />
Die Hinz&Kunzt gGmbH mit Sitz in Hamburg ist durch den aktuellen<br />
Freistellungsbescheid bzw. nach der Anlage zum Körperschaftssteuerbescheid<br />
des Finanzamts Hamburg-Nord, Steuernummer 17/414/00797, vom<br />
21.1.2019, für den letzten Veranlagungszeitraum 2017 nach § 5 Abs.1 Nr. 9<br />
des Körperschaftssteuergesetzes von der Körperschaftssteuer und nach<br />
§ 3 Nr. 6 des Gewerbesteuergesetzes von der Gewerbesteuer befreit.<br />
Geldspenden sind steuerlich nach §10 EStG abzugsfähig. Hinz&Kunzt ist als<br />
gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH im Handelsregister beim<br />
Amtsgericht Hamburg HRB 59669 eingetragen.<br />
Wir bestätigen, dass wir Spenden nur für die Arbeit von Hinz&Kunzt<br />
einsetzen. Adressen werden nur intern verwendet und nicht an Dritte<br />
weitergegeben. Beachten Sie unsere Datenschutzerklärung, abrufbar auf<br />
www.hinzundkunzt.de. Hinz&Kunzt ist ein unabhängiges soziales Projekt, das<br />
obdachlosen und ehemals obdachlosen Menschen Hilfe zur Selbsthilfe bietet.<br />
Das Magazin wird von Journalisten geschrieben, Wohnungslose und<br />
ehemals Wohnungslose verkaufen es auf der Straße. Sozialarbeiter<br />
unterstützen die Verkäufer.<br />
Das Projekt versteht sich als Lobby für Arme.<br />
Gesellschafter<br />
Druckauflage 2. Quartal <strong>2020</strong>:<br />
Coronabedingt gab es im April<br />
und Mai keine gedruckte Ausgabe.<br />
Druckauflage im <strong>Juni</strong>: 60.000<br />
57
Momentaufnahme<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>328</strong>/JUNI <strong>2020</strong><br />
Leben im Hotel:<br />
Um das Gespräch<br />
mit Rainer als<br />
Podcast zu hören,<br />
scannen Sie den<br />
QR-Code oder folgen<br />
Sie diesem Link:<br />
www.huklink.de/<strong>328</strong>-momentaufnahme<br />
Rainer ganz<br />
entspannt: Er ist<br />
einer der ersten<br />
Bewohner*innen in<br />
unserem Hotel projekt<br />
im Bedpark.<br />
„ Jetzt habe ich wieder<br />
Kraft für die Zukunft“<br />
Rainer, 57, verkauft an der U-Bahn-Station Jungfernstieg,<br />
Ausgang Europapassage.<br />
TEXT: BIRGIT MÜLLER<br />
FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE<br />
Wie schnell er da sein könne, fragte eine<br />
Arbeitskollegin seiner Frau am Telefon.<br />
Es sei etwas passiert. Dass seine Frau<br />
gestorben war, erfuhr Rainer erst vor<br />
Ort. Für ihn brach eine Welt zusammen.<br />
Wieder mal hatte der Tod ihm genommen,<br />
was ihm das Wertvollste im<br />
Leben war. 51 Jahre war Rainer damals<br />
alt, seine Frau 58. Das war im Jahr<br />
2014, ein paar Monate später bekam er<br />
selbst einen Schlaganfall, „vermutlich<br />
wegen des inneren Stresses und Spätfolgen<br />
meines Alkoholismus‘“, sagt<br />
Rainer. Und wieder ein paar Monate<br />
später landete er auf der Straße. Zum<br />
zweiten Mal in seinem Leben. „Mein<br />
Vermieter hatte Eigenbedarf angemeldet“,<br />
sagt Rainer. Kraft zum Kämpfen<br />
hatte er nicht.<br />
Sechs Jahre ist das jetzt her, und<br />
Rainer ist wieder auf einem guten Weg.<br />
Er hat nämlich einiges geschafft. Er verkauft<br />
Hinz&Kunzt – und er hat sich ans<br />
Alleinsein gewöhnt, sagt er. Vielleicht<br />
sogar etwas zu gut: „Ich habe eine Art<br />
Mauer um mich gebaut. Ich lass ungern<br />
Menschen an mich ran.“<br />
Aufgewachsen ist er auf dem Kiez.<br />
Er hing sehr an der Mutter, der Oma<br />
und vor allem an seinem Vater, der Lkw-<br />
Fahrer war. In den Sommerferien durfte<br />
er oft mit ihm durch die Welt reisen.<br />
Nach der Hauptschule wurde er Lagerarbeiter.<br />
Dann starben schnell hintereinander<br />
seine Mutter und seine Oma.<br />
Rainer war Ende 20, aber die Familie<br />
war sein Ankerpunkt. Freunde hatte er<br />
kaum. Er begann zu trinken. 1995 landete<br />
auf der Straße – und bei<br />
Hinz&Kunzt. „Ich verlor den Halt“,<br />
sagt er. Vier Jahre später lernte er eine<br />
Frau kennen. Suzana war eine Kundin.<br />
Eines Tages gestand sie ihm, dass sie<br />
sich in ihn verliebt habe. Rainer konnte<br />
es nicht fassen. In ihn, der doch obdachlos<br />
war. „Aber sie sagte auch, ich müsste<br />
mir wegen des Alkohols Hilfe holen“,<br />
erzählt er. „Ich dachte nur: ‚Was hat die<br />
denn? Ich hab doch kein Problem.‘“ Er<br />
hat zwar nie eine Therapie gemacht,<br />
aber durch ihre Liebe hat er seinen Alkoholkonsum<br />
„in den Griff gekriegt“.<br />
„Sie hat wieder einen Menschen aus mir<br />
gemacht“, sagt Rainer. Ihr Tod hat ihn<br />
erneut nach unten gerissen, wenn auch<br />
nicht so tief wie zuvor. „Früher trank ich<br />
zwei Flaschen Korn und ein paar Bier“,<br />
sagt er. „Jetzt nur noch zwei, drei Bier.“<br />
Trotzdem hat es lange gedauert, bis<br />
er aus seiner Depression und Trauer<br />
aufgetaucht ist. Eigentlich erst jetzt, ausgerechnet<br />
in Coronazeiten. Rainer gehört<br />
nämlich zu den Obdachlosen, die<br />
im Hotel untergebracht sind. „Ich bin<br />
etwas zur Ruhe gekommen“, sagt er. So<br />
sehr, dass er ein Ziel hat: Er will nicht<br />
mehr auf die Straße zurück, wenn das<br />
Hotelprogramm endet. Und anders als<br />
vor seiner Beziehung zu Suzana ist<br />
er sich etwas wert. Seinen Geburtstag<br />
feiert er zwar ganz allein, „aber ich<br />
schenke mir immer eine Rose, als Symbol<br />
dafür: Du hast wieder ein Jahr auf<br />
der Straße überlebt.“ •<br />
Kontakt: birgit.mueller@hinzundkunzt.de<br />
Rainer und die anderen Hinz&Künztler*innen<br />
erkennt man am Verkaufsausweis.<br />
914<br />
58
KUNZT-<br />
KOLLEKTION<br />
BESTELLEN SIE DIESE UND WEITERE PRODUKTE BEI: Hinz&Kunzt gGmbH,<br />
www.hinzundkunzt.de/shop, shop@hinzundkunzt.de, Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg,<br />
Tel. 32 10 83 11. Preise zzgl. Versandkostenpauschale 4 Euro, Ausland auf Anfrage.<br />
Schürze „KunztKüche“<br />
100 % GOTS-zertifizierte Bio-Baumwolle.<br />
Farbe: blaubeerblau. Schürzenbreite ca. 80 cm,<br />
Länge ca. 86 cm. Hautfreundlich, atmungsaktiv,<br />
langlebig, pflegeleicht und knitterarm.<br />
Maschinenwäsche bis 60 Grad.<br />
Von Kaya & Kato GmbH, www.kaya-kato.de,<br />
Preis: 25 Euro<br />
„Willkommen in der KunztKüche!“<br />
Das Kochbuch zum 25. Geburtstag<br />
von Hinz&Kunzt<br />
Ein kulinarisches Dankeschön an die<br />
Hamburger*innen mit 25 Drei-Gänge-Menüs<br />
von Sterneköch*innen und jungen Wilden.<br />
Gebundenes Kochbuch, 194 Seiten, farbige<br />
Fotos und rund 180 inspirierende Rezepte.<br />
Preis: 15 Euro<br />
Tee „Chillax“<br />
Bio-Kräutertee aus Griechenland:<br />
Bergtee vom Olymp* (40 %),<br />
Zitronenverbene* (40 %), Johanniskraut* (20 %),<br />
von Aroma Olymp (www.aroma-olymp.com).<br />
Von Hand geerntet in Griechenland, von den<br />
Elbe-Werkstätten in Hamburg verpackt, 25 g.<br />
Preis: 4,90 Euro<br />
*aus kontrolliert biologischer Landwirtschaft<br />
Niemand kennt<br />
Hamburgs<br />
Straßen besser<br />
„Ein mittelschönes Leben“<br />
Eine Geschichte über Obdachlosigkeit<br />
für Kinder zwischen 7 und 10 Jahren<br />
von Kirsten Boie, illustriert<br />
von Jutta Bauer, 7. Auflage 2017.<br />
Preis: 4,80 Euro<br />
Hamburger Küchenquartett<br />
„Sauber bleiben“<br />
Zwei Schwämme, Spülbürste und<br />
Geschirrtuch (100 % Bio-Baumwolle,<br />
aus Fair-Trade-Produktion) exklusiv<br />
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www.studiobuehler.com<br />
Preis: 15,90 Euro<br />
Tasse „Ahoi“<br />
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von der Hamburger<br />
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Qualitätsporzellan von Kahla<br />
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keramischer Siebdruck.<br />
Durchmesser: 9 cm,<br />
Höhe: 9 cm,<br />
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Stand Mai <strong>2020</strong>, Änderungen vorbehalten! Groothuis.de Foto: Stefan Maria Rother<br />
Körber-Stiftung<br />
Kehrwieder 12 | 20457 Hamburg<br />
Telefon 040 · 80 81 92 - 0<br />
E-Mail info@koerber-stiftung.de