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Wirtschaft in Sachsen Herbst 2020

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WIRTSCHAFT IN SACHSEN | GESCHÄFTE &MÄRKTE<br />

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Wasöffentliche Haushalte <strong>in</strong><br />

Ost und West unterscheidet<br />

Gastbeitrag<br />

von Dr. Mario<br />

Hesse und<br />

Dr. Oliver<br />

Rottmann<br />

Der Breitbandausbau ist e<strong>in</strong>e der Herausforderungen für die öffentlichen Haushalte <strong>in</strong>Ostdeutschland. Gleichzeitig ist er entscheidender Standortfaktor.<br />

Die politische und wirtschaftliche<br />

Wiedervere<strong>in</strong>igung<br />

Deutschlands jährt sich<br />

zum 30. Mal. E<strong>in</strong> Grund zum<br />

Feiern bestehtaus vielerlei Gründen.<br />

Dennoch bleiben Stimmen laut,<br />

die das Erreichte zum<strong>in</strong>dest relativieren.<br />

So liegt die <strong>Wirtschaft</strong>skraft im<br />

Osten noch immer zehn bis fünfzehn<br />

Prozent unter dem Niveau der wirtschaftsschwächsten<br />

Westländer. Ferner<br />

s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>ige Regionen mehrfach vom<br />

Strukturwandel betroffen. Nicht zu unterschätzen<br />

ist auch der demografische<br />

Wandel. Regionen, die so schnell<br />

schrumpfen und altern wie viele Teile<br />

Ostdeutschlands, gibt es im Westen<br />

(derzeit) nur wenige. Aber nicht nur <strong>in</strong><br />

wirtschaftlicher und demografischer<br />

H<strong>in</strong>sichtunterscheidensich dieostdeutschen<br />

undwestdeutschenLändervone<strong>in</strong>ander.<br />

Auch der Blick <strong>in</strong>die öffentlichen<br />

Haushalte zeigt nach 30 Jahren<br />

noch sehrunterschiedliche Strukturen.<br />

Aus fiskalischer Perspektive ist zunächst<br />

das persistent niedrigere Niveau<br />

der Steuere<strong>in</strong>nahmen zu nennen. Ostdeutschland<br />

ist trotz zwischenzeitlicher<br />

Angleichungmehr von struktureller Arbeitslosigkeit<br />

betroffen. Da zudem gewisse<br />

hochproduktive und gut bezahlendeBranchen<br />

eherschwach vertreten<br />

s<strong>in</strong>d, führt dies <strong>in</strong>sgesamt zu niedrigeren<br />

E<strong>in</strong>kommen als im Westen. Über<br />

die progressive E<strong>in</strong>kommensteuerüberträgt<br />

sich dies überproportional auf das<br />

Steueraufkommen. E<strong>in</strong>ähnlicherEffekt<br />

lässt sich zwar auch <strong>in</strong> der Nord-Süd-<br />

Verteilung <strong>in</strong>nerhalb Deutschlands beobachten.<br />

Für Ostdeutschland kommt<br />

allerd<strong>in</strong>gs h<strong>in</strong>zu, dass auch die Unternehmensgew<strong>in</strong>ne<br />

niedriger ausfallen,<br />

was an der ger<strong>in</strong>gen Zahl großer Unternehmen<br />

liegt. Das System der sogenannten<br />

Steuerzerlegung sorgt außerdem<br />

dafür, dass Steueraufkommen<br />

stark den Unternehmenszentralen zugerechnet<br />

werden, selbst wenn Produktionsstätten<br />

imOsten liegen. Zwar br<strong>in</strong>gen<br />

Ostdeutsche, die zum Arbeiten <strong>in</strong><br />

westdeutsche Länder pendeln, zusätzliche<br />

E<strong>in</strong>kommensteuere<strong>in</strong>nahmen, dies<br />

kann aber die strukturelle Schieflage<br />

nicht ausgleichen. Diese Komb<strong>in</strong>ation<br />

aus ger<strong>in</strong>geren E<strong>in</strong>kommen, fehlenden<br />

Unternehmenszentralen und e<strong>in</strong>er weniger<br />

widerstandsfähigen Gewerbestruktur<br />

ist somit spezifisch ostdeutsch<br />

undwirddurchdie Regelungen, wie die<br />

Steuern erhoben und verteilt werden,<br />

noch verstärkt. Am aktuellen Rand erreichen<br />

die Steueraufkommen der Länder<br />

und Kommunen im Osten im<br />

Schnitt nur knapp 60 Prozent des westdeutschenWerts.<br />

Erlahmter Aufholprozess<br />

Seit Mitte der1990erJahre s<strong>in</strong>d die neuen<br />

Länder <strong>in</strong> den Bundesstaatlichen F<strong>in</strong>anzausgleich<br />

e<strong>in</strong>gebunden, der für e<strong>in</strong>e<br />

massive Angleichung der F<strong>in</strong>anzkraft<br />

zwischen Ost und West sorgt. Die<br />

ostdeutschen Länder waren <strong>in</strong> den vergangenen<br />

drei Jahrzehnten <strong>in</strong> besonderem<br />

Maße von den E<strong>in</strong>nahmen aus<br />

dem F<strong>in</strong>anzausgleich abhängig und<br />

s<strong>in</strong>desbis heute.Rund70Prozentihrer<br />

E<strong>in</strong>nahmen generieren sie aus diesen<br />

Quellen. Der sogenannte Solidarpakt, der<br />

besondere Zuweisungen für Ostdeutschland<br />

vorsah, endete 2019. Das seit <strong>2020</strong><br />

geltende Modell sieht nach wie vor e<strong>in</strong>e<br />

starke Unterstützung wirtschaftsschwacher<br />

Regionen vor, zu denen alle ostdeutschen<br />

Länder zählen. Mit dem Ende des<br />

Solidarpakts herrschtnun aber e<strong>in</strong>egewisse<br />

„neue Normalität“ <strong>in</strong> der f<strong>in</strong>anziellen<br />

Ost-West-Beziehung.<br />

Bedeutend war und bleibt die Sanierung<br />

der öffentlichen Infrastruktur Ostdeutschlands.<br />

Dabei <strong>in</strong>vestierten die ostdeutschen<br />

Gebietskörperschaften <strong>in</strong> den<br />

1990er Jahren pro Kopf knapp doppelt so<br />

viel wie die westdeutschen.Auchheute <strong>in</strong>vestieren<br />

die ostdeutschen Länderhaushalte,<br />

unterstützt durch Fördermittel des<br />

Bundes und der EU, noch überdurchschnittlich<br />

viel, vor allem <strong>in</strong> Hochschulen<br />

undimStraßenbau. AufkommunalerEbene,<br />

die die Hauptlast der öffentlichen Investitionslast<br />

trägt, liegen die Investitionsausgaben<br />

dagegen bereits seit 2012 unter<br />

dem Niveau der westdeutschen Kommunen<br />

–am aktuellen Rand s<strong>in</strong>d espro Kopf<br />

rund 15Prozent weniger. Der Aufholprozess<br />

ist andieser Stelle bereits erlahmt.<br />

Viele Infrastrukturlücken konnten bereits<br />

geschlossen werden, neue Herausforderungen<br />

entstehen jedoch durch die Digitalisierung,<br />

den demografischen Wandel<br />

oder die Energie- und Mobilitätswende.<br />

Hier macht besonders <strong>Sachsen</strong> vor, dass<br />

siche<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive Förderungder kommunalen<br />

Infrastruktur positiv auf die Standortqualitäten<br />

auswirkt.<br />

Wenngleich fiskalisch auf absehbare<br />

Zeit die Abhängigkeit der neuen Länder<br />

von Transfersystemen hoch bleibt, kann<br />

es durchaus <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Regionen gel<strong>in</strong>gen,<br />

wirtschaftlich andas westdeutsche Niveau<br />

aufzuschließen. Berl<strong>in</strong>, Dresden, Leipzig<br />

oder Jena/Erfurt s<strong>in</strong>d hier bereits auf e<strong>in</strong>em<br />

guten Weg und dabei, wirtschaftlich<br />

schwächere West-Metropolen zu überholen.<br />

An diese Kerne gilt es, für die zukünftige<br />

Entwicklunganzuknüpfen. Klar istnatürlich,<br />

dass auch <strong>in</strong> Westdeutschland<br />

enorme Unterschiede zwischen Nord und<br />

Süd, zwischen Stadt und Land oder etwa<br />

zwischen dem Ruhrgebiet und dem Raum<br />

München bestehen. Ausdieser Perspektive<br />

werden bestimmte Regionen <strong>in</strong> Ostdeutschland<br />

dauerhaft wirtschaftlich<br />

schwächer bleiben. Das heißt jedoch<br />

nicht,dass dieLebensqualität dort automatisch<br />

s<strong>in</strong>kt. Der Föderalismus <strong>in</strong> Deutschland<br />

orientiert sich an der Grundvorstellung<br />

der Gleichwertigkeit der Lebensver-<br />

Symbolfoto: dpa<br />

hältnisse. Danach ist eszentral, auch <strong>in</strong><br />

schwächeren Regionen wichtige Leistungen<br />

der Dase<strong>in</strong>svorsorge zur Verfügung zu<br />

stellen. Wenn dies gesichert ist, kann man<br />

gut damit leben, dass gewisse wirtschaftliche<br />

Unterschiede dauerhaft bestehen bleiben.<br />

Zur Erfüllung der Dase<strong>in</strong>svorsorge<br />

braucht es allerd<strong>in</strong>gs gut ausgestattete<br />

Länder undKommunen.<br />

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DieAutoren<br />

Dr.Mario Hesse lehrtamInstitutfür<br />

öffentlicheF<strong>in</strong>anzenund Public Managementander<br />

Universität <strong>in</strong><br />

Leipzig.<br />

Dr.OliverRottmannarbeitet beim<br />

KOWID –Kompetenzzentrum Öffentliche<strong>Wirtschaft</strong>,Infrastruktur<br />

und Dase<strong>in</strong>svorsorge e.V. an der<br />

Universität Leipzig.<br />

Beide Autoren s<strong>in</strong>d Geschäftsführer<br />

des KOMKIS –Kompetenzzentrum<br />

für Kommunale Infrastruktur <strong>Sachsen</strong>.<br />

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