Wirtschaft in Sachsen Herbst 2020
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●<br />
WIRTSCHAFT IN SACHSEN | LEBEN &STIL<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
40<br />
●<br />
Porsche unter Starkstrom<br />
Der elektrische Taycan ist e<strong>in</strong> extremes Auto –nicht nur auf der Straße, sondern auch<br />
an der Ladesäule. E<strong>in</strong>drücke von e<strong>in</strong>er Testfahrt im Raum Leipzig.<br />
Von Andreas Rentsch<br />
Wie sagte e<strong>in</strong>er der Porsche-<br />
Mitarbeiter kurz vor dem<br />
E<strong>in</strong>steigen? „Immer schön<br />
auf dem Asphalt bleiben! Und das Glänzende<br />
nach oben!“ Genau me<strong>in</strong> Humor.<br />
Ich werde mich hüten, den schwarzen<br />
Taycan Turbo Sversehentlich aufs Dach<br />
zu legen. Immerh<strong>in</strong> kostet der Testwagen,<br />
<strong>in</strong> dem ich gerade sitze, m<strong>in</strong>destens<br />
181.638 Euro, mit Extras vermutlich<br />
noch e<strong>in</strong>iges mehr. Das Problem ist nur:<br />
Jetzt steht „dynamisches Fahren“ auf<br />
dem Programm. Ich soll herausf<strong>in</strong>den,<br />
was der elektrische Supersportwagen<br />
kann. ImKonvoi mit vier weiteren Taycans<br />
rolle ich aus der Boxengasse des<br />
Test-Areals am Leipziger Porsche-Werk.<br />
Vom Antrieb ist nur e<strong>in</strong> Surren zu vernehmen.<br />
Vorneweg fährtJohnBlack, Porsche-Instrukteur<br />
mit15JahrenErfahrung<br />
und der sonoren Stimme e<strong>in</strong>es Reiseleiters.<br />
Über Bordfunk erklärt er die Eigenheiten<br />
des 3,7-Kilometer-Rundkurses.<br />
Überholen ist verboten. Kurz vor der E<strong>in</strong>fahrt<br />
auf Start und Ziel stoppt John. „Damit<br />
jeder mal die volle Beschleunigung<br />
des Taycan erfahren kann“, erklärt er<br />
und gibt Anweisungen, was wir für den<br />
sogenannten Launch-Control-Start zu tun<br />
haben. Wie von e<strong>in</strong>em unsichtbaren Katapult<br />
abgefeuert, reißt es den Wagen<br />
vorwärts. Nach drei Sekunden steht 100<br />
auf dem Digitaltacho, nach zehn Sekunden<br />
ist Tempo 200 erreicht. Der Taycan<br />
rast an denerstenOrientierungsschildern<br />
vorbei, die die Entfernung bis zur nächsten<br />
Kurve anzeigen. Ich trete mit aller<br />
Kraft aufs Bremspedal. Gefühlt immer<br />
noch viel zuschnell, lenke ich e<strong>in</strong>. Die<br />
Reifen quietschen, doch der über zwei<br />
Tonnen schwere Allradler bleibt <strong>in</strong> der<br />
Spur. Oha. Sobrachial, wie er beschleunigt,<br />
verzögert der Porsche auch. Vier<br />
Jahre Entwicklung stecken <strong>in</strong>der viertürigen<br />
Sportlimous<strong>in</strong>e. Für die Produktion<br />
wurde <strong>in</strong>Zuffenhausen bei Stuttgart eigense<strong>in</strong><br />
neues Werk gebaut.Der Corona-<br />
Lockdown habe dem Fertigungsstart e<strong>in</strong>e<br />
denkbar ungünstige Zwangspause beschert,<br />
sagt Firmensprecher Mayk Wienkötter.<br />
Inzwischen läuft die Produktion,<br />
pro Tagwerden m<strong>in</strong>destens 150 Taycans<br />
fertig.Gebaut wird dasextremeE-Auto <strong>in</strong><br />
drei Varianten. Schon das „Basismodell“<br />
4S kostet knapp104.000 Euro.Dafür wird<br />
der betuchte Kunde – zum<strong>in</strong>dest beim<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
Katapultstart: Nach weniger als zehn Sekunden ist der Wagen 200 km/h schnell –und SZ-Redakteur Andreas Rentsch bekommt schwitzige Hände. Der Taycan wird <strong>in</strong><br />
drei verschiedenen Varianten (o.r.)gebaut. Im Leipziger Porsche-Werk gibt es e<strong>in</strong>en Rundkurs, auf dem sich Autos testen lassen.<br />
Fotos:Anja Jungnickel<br />
● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●<br />
Selber Taycan fahren:<br />
DieLeihdauer für die Fahrzeuge<br />
ist flexibel und abhängig vomgewählten<br />
Modell.Kürzestmögliche Dauer<br />
s<strong>in</strong>d drei Stunden, maximal s<strong>in</strong>d 28 Tage<br />
möglich.<br />
Interessierte müssen sichzuvor onl<strong>in</strong>e<br />
registrieren.Voraussetzung für die<br />
Leiheist e<strong>in</strong>M<strong>in</strong>destaltervon 25 Jahren.<br />
Mieter müssen zudemseitm<strong>in</strong>destens<br />
fünfJahrenimBesitze<strong>in</strong>er<br />
Fahrerlaubnis se<strong>in</strong>.<br />
DieMietpreise<strong>in</strong>Leipzig starten bei<br />
388Eurofür e<strong>in</strong>en Tag. Während der<br />
Mietdauerladen Kunden überden Porsche<br />
Charg<strong>in</strong>g Servicekostenfrei. Buchungund<br />
Abrechnungerfolgen per<br />
Kreditkarte.<br />
www.porsche.de/drive<br />
● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
Start nach Formel-1-Manier –mit bis zu<br />
530 PS angeschoben. DerTurbo Skommt<br />
<strong>in</strong> dieser Diszipl<strong>in</strong> auf aberwitzige761 PS.<br />
Doch Porsche wäre nicht Porsche,<br />
wenn man nicht auch ander Ladesäule<br />
derSchnellstese<strong>in</strong>wollte.<br />
Deshalb haben die Ingenieure dem<br />
Taycan als erstem Serienfahrzeug überhaupt<br />
e<strong>in</strong> 800-Volt-Bordnetz implantiert.<br />
Wasdamit möglich wird, sollen die Testfahrer<br />
auf öffentlichen Straßen und bei<br />
e<strong>in</strong>em Ladestopp ausprobieren. Dafür<br />
wechsele ich <strong>in</strong>e<strong>in</strong>en hellblauen Taycan<br />
4S. Me<strong>in</strong> Ziel liegt laut Navi nur 25Kilometer<br />
vom Porsche-Werk entfernt. Auf<br />
dem Autohof amA9-Anschluss Bad Dürrenberg<br />
betreibt das Ionity-Konsortium<br />
sechs Schnellladesäulen. Über die A14bis<br />
zum Schkeuditzer Kreuz und dann weiter<br />
Richtung Süden dauert die Fahrt dorth<strong>in</strong><br />
nur knapp 20 M<strong>in</strong>uten. An der Raststätte<br />
s<strong>in</strong>d fünf der sechs Ladesäulenplätze<br />
leer. Was ich jetzt zutun habe, soll<br />
nicht komplizierter se<strong>in</strong> als das Zapfen<br />
von Benz<strong>in</strong> oder Diesel.Kurz dieLadekarte<br />
an den Sensor der Säule halten, Freigabe<br />
abwarten, Ladekabel aus dem Schacht<br />
ziehen und am Wagen e<strong>in</strong>kl<strong>in</strong>ken.<br />
77 Cent kostet die Kilowattstunde, zeigt<br />
das Servicedisplay an – nicht eben e<strong>in</strong><br />
Schnäppchenpreis. Wäre me<strong>in</strong> Akku<br />
randvoll, käme der 4S laut Hersteller auf<br />
e<strong>in</strong>e Reichweite zwischen 333 und 407<br />
Kilometern.<br />
Nach neunM<strong>in</strong>utenl<strong>in</strong>se ich aufs Display<br />
me<strong>in</strong>er Ladesäule. Der Fortschrittsbalkenist<br />
schonfast geschlossen.„85 Prozent“,<br />
meldet der Taycan. In dieser kurzen<br />
Zeit hat es 13,6 Kilowattstunden <strong>in</strong><br />
den Akku gepresst. Noch bee<strong>in</strong>druckender<br />
sei dasLaden, wennder Akkunahezu<br />
leer und optimal temperiert ist, hat mir<br />
Porsche-Ingenieur Christoph Roggendorf<br />
zuvor erläutert. „Den Ladestand von fünf<br />
auf 80Prozent zu br<strong>in</strong>gen, dauert dann<br />
nur 22M<strong>in</strong>uten und 30 Sekunden.“ Weitere<br />
vollelektrische Modelle s<strong>in</strong>d bereits<br />
<strong>in</strong> Planung. So soll die nächste Generation<br />
des Macan, der <strong>in</strong> Leipzig gefertigt<br />
wird, ebenfalls mit Akkupower fahren.<br />
Klar ist aber auch, dass die Zuffenhausener<br />
weiterh<strong>in</strong> Autos mit konventionellem<br />
Antrieb produzieren werden. „Solange<br />
die Nachfrage da ist, werden wir Verbrenner<br />
bauen“, sagt Mayk Wienkötter.<br />
Gut möglich, dass selbst e<strong>in</strong>gefleischte<br />
911er-Fans schwach werden, wenn sie<br />
e<strong>in</strong>mal mit e<strong>in</strong>em Taycan gefahren s<strong>in</strong>d.<br />
Die Fahrleistungen des Elektrosportlers<br />
s<strong>in</strong>d über jeden Zweifel erhaben. Auch<br />
beim gemächlichen Gleiten macht der<br />
Viersitzer Spaß. Lupfe ich den Gasfuß,<br />
weil es leicht bergab geht, ersche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong><br />
grünes Indikatorlicht.<br />
Damit wird signalisiert, dass der Taycan<br />
rekuperiert, also Bewegungsenergie<br />
<strong>in</strong> elektrische Energie zurückverwandelt,<br />
die wieder <strong>in</strong>den Akku fließt. Trete ich<br />
dagegen voll drauf, schießt e<strong>in</strong> blauer<br />
Balken <strong>in</strong>die entgegengesetzte Richtung<br />
–e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis, dass der Akku gerade <strong>in</strong><br />
Rekordtempo leer gesaugt wird. Leider<br />
macht der Taycan beim Beschleunigen<br />
am meistenLaune...<br />
Besondere Öle aus der Heimat<br />
Judith Faller-Moog<br />
gew<strong>in</strong>nt aus Saaten<br />
Öle. Mit Essen<br />
kann man die Welt<br />
verändern, sagt sie.<br />
Von Susanne Plecher<br />
G<br />
oldgelb wie e<strong>in</strong> Sommertag und appetitlich<br />
klar –sosollte e<strong>in</strong> gutes<br />
Sonnenblumenölaussehen. Doch das erste,<br />
das Judith Faller-Moog und ihr Vater<br />
Franz gepresst hatten, er<strong>in</strong>nerte beim<br />
besten Willen nicht an e<strong>in</strong>en heiteren<br />
TagimJuli. Eswar dunkel und trüb, e<strong>in</strong>e<br />
Farbe wie e<strong>in</strong> Hieb <strong>in</strong> die Magengrube.<br />
„Unser ganzes Geld war <strong>in</strong> diese Ölpresse<br />
Judith Faller-<br />
Moog ist Ölmüller<strong>in</strong>.<br />
Bio-<br />
Bäuer<strong>in</strong> und<br />
Ernährungswissenschaftler<strong>in</strong><br />
ist sie<br />
auch. Und clevere<br />
Geschäftsfrau.<br />
Foto:JürgenLösel<br />
geflossen. Wir waren total fertig, dachten,<br />
es wäre schiefgegangen und wir hätten<br />
ke<strong>in</strong>e Perspektive mehr“, er<strong>in</strong>nert<br />
sich die 52-Jährige.Doch als sie am nächsten<br />
Morgen die verme<strong>in</strong>tliche Brühe entsorgen<br />
wollte, hatten sich die Schwebstoffe<br />
abgesetzt. Das Ölsah aus, wie es<br />
aussehen sollte: klar und hell. Das war<br />
1984 im südfranzösischen Bram. Judith<br />
Faller-Moogs Eltern hatten dort die erste<br />
Bio-Ölmühle<strong>in</strong>Europa gegründet.<br />
DieFirma istgroß geworden. Mehr als<br />
70 verschiedene Ölsorten hat sie heute<br />
im Sortiment. Das Porträt der Tochter<br />
klebt auf e<strong>in</strong>igen Flaschen mit Sonnenblumen-<br />
und Rapsöl aus sächsischem Anbau<br />
und Produktion. „Aus me<strong>in</strong>er Heimat“<br />
steht darunter. Denn die Kerne, aus<br />
denen das Öl gepresst wurde, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der<br />
Lommatzscher Pflege gereift. Judith Faller-Moog,<br />
die <strong>in</strong> Afghanistan im K<strong>in</strong>dergarten<br />
war, <strong>in</strong> Burundi Französisch gelernt<br />
hat und <strong>in</strong> Kiel studierte, ist 2004<br />
hergezogen. Zusammen mit ihrem Mann<br />
Wolfgang, der <strong>in</strong>Klappendorf bei Riesa<br />
e<strong>in</strong>en Bio-Bauernhof betrieb, hat sie hier<br />
den sächsischen Teil der Firma Bio Planète<br />
aufgebaut. Nachdem er plötzlich verstorben<br />
war, zog sie die vier K<strong>in</strong>der groß,<br />
behielt beide Firmen und den Betrieb <strong>in</strong><br />
Bram, strukturierte den Bauernhof um.<br />
Alle<strong>in</strong> für die Ölmühle arbeiten <strong>in</strong>zwischen<br />
140 Leute, 80 davon <strong>in</strong>Klappendorf.<br />
Dass der Raps zum Mahlen und<br />
Pressen nach Kroppenstedt bei Magdeburg<br />
gefahren werden musste, ärgert die<br />
Chef<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e eigene Ölmühle ist ihr<br />
nächstes Projekt. E<strong>in</strong> Rohstoff sollte da<br />
verarbeitet werden, wo er angebaut wird,<br />
istsie überzeugt. Dass dieWertschöpfung<br />
<strong>in</strong> der Region bleibt und Transportwege<br />
damit kurz gehalten werden, ist gut für<br />
Mensch und Natur, sagt Faller-Moog. Der<br />
Satz kl<strong>in</strong>gt wie aus e<strong>in</strong>em Nachhaltigkeitslehrbuch.<br />
Sie me<strong>in</strong>t jedes Wort<br />
ernst. „Essen kann die Welt verändern,<br />
wenn esfair produziert wird. Wir haben<br />
die Wahl.“ Zukaufen gibt es die heimischen<br />
Öle imFachhandel, <strong>in</strong>Bio-Lebensmittelläden<br />
oder im Hofladen. Denn Faller-Moog<br />
will unabhängig bleiben. Das<br />
gel<strong>in</strong>gt nur, wenn die Liefermengen variabel<br />
bleiben dürfen und ke<strong>in</strong>e Vertragsstrafen<br />
drohen, wenn die Ernte mal weniger<br />
üppig ausfällt. Bioläden akzeptieren:Was<br />
alle ist, istalle.