Alle Jahre wieder... 2019/20
Regionalmagazin zum Thema Weihnachten/Winter für dem Raum OHZ/Bremen
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deutschen Boden. Nun bestand die berechtigte Hoffnung, das
Weihnachtsfest wieder in der Familie verbringen zu können. Wir
bekamen eine „Spawka“. Das Dokument, das ich heute noch
habe, brachte auf Russisch und Deutsch zum Ausdruck: Heimkehrer
auf dem Weg zum Heimatort.
In der Entlassungsstelle erhielten wir Verpflegung: Ein ganzes
deutsches Brot und eine Schlackwurst sowie etwas Margarine.
Im vorhandenen Speisesaal konnte man sich niederlassen und
etwas essen. „Muckefuck“ stand auch zur Verfügung. Von dieser
Möglichkeit machte ich Gebrauch. Ich habe gegessen und
gegessen, bis alles verzehrt war. Das Gefühl danach war herrlich.
Vonder Tatsache, einmal ein ganzes Brot für mich allein zu
haben, hatte ich während der Gefangenschaft oftmals geträumt.
Nun hatte ich alles verzehrt, aber war immer noch nicht satt.
Das behagliche Gefühl der Sättigung hatte ich völlig verloren.
Nach dieser „Speisung“ verließ ich den Saal. Es war andiesem
Abend eigenartig. Alle, die mit mir heimgekehrt waren, verließen
diesen Ort, ohne sich zuverabschieden. Sie waren wahrscheinlich
mit ihren Gedanken schon bei ihren Angehörigen.
Mein Wegführtezum Bahnhof, der bequem zu Fuß zu erreichen
war. Ungewohnt war das schon, einfach sodahinzuschreiten,
ohne eine Bewachung! Daran musste ich mich nun erst gewöhnen.
Nach kurzer Wartezeit auf dem Bahnhof rollte ein Zug in
Richtung Berlin ein. Alles war sosparsam beleuchtet, auch der
Zug war völlig dunkel und sehr voll. Es war unschwer festzustellen,
dass ein „Hamsterzug“ eingefahren war, in dem viele Leute
saßen, die auf dem Lande Esswaren eingetauscht hatten. Ich tastete
michinden Zug hinein, überall stand Gepäck. Plötzlichzog
mich eine junge Frau auf einen Sitzplatz. Es war jazuerkennen,
woher ich kam. Als ich saß, holte sie ein Päckchen hervor und
übergab mir zwei dickmit Wurst belegte Schnitten. Voller Dankbarkeit
machte ich mich darüber her und verzehrte sie sofort. Es
war ein gutes Gefühl, so voll zu sein.
Als ich inBerlin ankam, war esschon Mitternacht. Die S-Bahnen
fuhren noch und ich kam ungehindert zu meinem Wohnort.
Meine Eltern wohnten in der Nähe des Bahnhofs und dort
klopfte ichzuerst an. Wirhatten uns fast vier Jahre nicht gesehen
und die Freude war natürlich riesig, als ich vor der Tür stand.
Alle waren sofort wach und eswurde erzählt und erzählt. Die
Zeit verging. Meine Mutter legte ein Brot auf den Tisch und Aufstrich
mit Zucker dazu. Ich aßeine Schnitte nach der anderen,
bis auch dieses Brot verzehrt war.
Man kann sich das heute gar nicht mehr vorstellen, dass ein
Mensch insokurzer Zeit so viel in sich hineinstopfen kann. Ich
hatte keine Hemmungen, und mir ist auch alles bekommen!
Bei der Erzählerei wurde ich müde, denn ich hatte ja tagelang
nicht geschlafen. So habe ich mich inein Bett meiner Eltern
gelegt und wie ein „Toter“ geschlafen, in einem richtigen Bett,
ohne Wanzen und Läuse. Es war wunderbar!
Als ichamnächsten Vormittag erwachte, stand meine Angetraute
am Bett und strahlte mich an. Es war wie in einem Traum! Alles
kam mit einem Male auf mich zu: Essen, Frau im Arm und alles
ringsum so sauber und ordentlich. Tage später warWeihnachten
mit einem richtigen Baum und Kerzen. Es war überall Ruhe und
Frieden in schönen geheizten Zimmern. Die weihnachtliche Atmosphäre,
das Zusammensein mit meiner Frau nach der langen
Zeit war für mich das schönste Geschenk, das mir widerfahren
ist. Das bleibt unvergesslich!
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