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Taxi Times Berlin - 3. Quartal 2020

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<strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong> 3,50€<br />

www.taxi-times.taxi<br />

BERLIN<br />

ECKPUNKTE ZUR PBEFG-NOVELLE<br />

DAS TAXIGEWERBE<br />

ALS SPIELBALL<br />

CORONA<br />

Wie <strong>Taxi</strong>betriebe mit<br />

der Krise umgehen<br />

FLUGHAFEN BER<br />

Nur kleiner Erfolg<br />

im Streit um Laderecht<br />

INTERVIEW<br />

Oliver Friederici kritisiert<br />

Eckpunkte und Senat


Advertorial<br />

INKLUSIONSTAXIUNTERNEHMERIN<br />

ANKE HÜBNER IM INTERVIEW<br />

LAGeSo: Seit November 2018 fördert das Land <strong>Berlin</strong>, betreut<br />

durch das LAGeSo, Inklusionstaxen. Was hat Sie dazu bewegt,<br />

sich am SoVD-Projekt Inklusionstaxi zu beteiligen und gleich<br />

zwei barrierefreie Taxen anzuschaffen?<br />

Anke Hübner: Die Aussicht auf mehr Umsatz sowie die Möglichkeit,<br />

Menschen mit Behinderung Spontanfahrten anzubieten.<br />

Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen?<br />

Grundsätzlich gut, die Kunden waren glücklich. Wir hatten fast<br />

jeden Tag 1-2 Aufträge mit Tendenz nach oben. Jetzt mit<br />

Corona sind es wegen fehlender Freizeitangebote noch 4-5<br />

Fahrgäste pro Woche zusätzlich zum „normalen“ Geschäft.<br />

Fand das Inklusionstaxi Akzeptanz bei Ihren Mitarbeitenden?<br />

Vom Umstieg mussten wir die Fahrer erst überzeugen. Jetzt<br />

fahren sie gerne Caddy, zumal sie mehr Aufträge haben.<br />

Was sagen Sie unentschlossenen Unternehmenden?<br />

Das Inklusionstaxi bietet einfach eine erweiterte Option. Man<br />

kann im Grunde fast alle Fahrtwünsche erfüllen – und der<br />

Senat fördert die Rampe.<br />

Woher erhalten Sie die Fahraufträge?<br />

Die Kunden nutzen Internetseiten mit Telefonnummern der<br />

Unternehmer. So entsteht eine persönliche Bindung, und die<br />

zufriedenen Kunden empfehlen uns weiter.<br />

Hat ein Inklusionstaxi auch Nachteile?<br />

Nicht wirklich, nur manchmal steigen Kunden am <strong>Taxi</strong>halteplatz<br />

lieber in ein anderes <strong>Taxi</strong>.<br />

Was wünschen Sie sich in Bezug auf das Inklusionstaxi?<br />

Das müssen viel mehr Unternehmer anbieten! <strong>Berlin</strong> braucht<br />

einen großen Pool dieser Fahrzeuge, die über Funk vermittelt<br />

werden. Das würde dem Gedanken an Spontanfahrten sehr<br />

nahekommen. Und mit dem <strong>Taxi</strong>konto des Sonderfahrdienstes<br />

(SFD) kann ein Nutzer, der viele Kurzfahrten unternimmt,<br />

preiswerter fahren. Und ganz wichtig: Wir müssen Krankenkassenfahrten<br />

bekommen! Ich habe meine Dienste mit Fokus<br />

auf Beförderung nicht umsetzbarer Patienten diversen Kassen<br />

angeboten. Antwort: „Wir würden Sie mit Kusshand nehmen,<br />

dürfen solche Verträge aber leider nur mit Mietwagenunternehmen<br />

abschließen.“ Das ist völlig unverständlich, da Mietwagen<br />

nicht preiswerter sind als <strong>Taxi</strong>s.<br />

Wir fördern auch Ihr<br />

<strong>Taxi</strong>-Unternehmen mit bis zu<br />

15.000 Euro, wenn . . .<br />

. . . Sie folgende Voraussetzungen erfüllen:<br />

Sie verfügen über eine gültige <strong>Taxi</strong>-Konzession für <strong>Berlin</strong><br />

Sie haben eine bevorstehende Investitionsentscheidung für den Kauf eines neuen<br />

Fahrzeugs oder den Umbau eines vorhandenen Fahrzeugs getroffen<br />

Das <strong>Taxi</strong> ist max. 24 Monate zugelassen und hat max. 100.000 km Laufleistung<br />

Was wird für den Umbau zum barrierefreien <strong>Taxi</strong> gefördert?<br />

Ausschwenkbare Beifahrersitze<br />

Ertastbare Eingabegeräte für bargeldlose Zahlungen<br />

Nach innen klappbare „<strong>Taxi</strong>rampen“<br />

Einklappbare Rücken-/Nackenstützen<br />

Luft- bzw. Hydraulikfederung zur Absenkung<br />

des Fahrzeugs<br />

Und weitere Ausstattungsmerkmale<br />

Antrag stellen<br />

Wir unterstützen Sie gern und<br />

beantworten Ihre Fragen.<br />

TITEL: stock.adobe.com<br />

Kontakt: 030 90229-1916<br />

inklusionstaxi@lageso.berlin.de<br />

www.berlin.de/inklusionstaxi


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TVM INFORMIERT<br />

Ab sofort leichtere<br />

Ortskundeprüfung<br />

ISARFUNK INFORMIERT<br />

Re-Start am Flughafen mit<br />

digitalen Chancen<br />

<strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong> 3,50 €<br />

VERKEHRSPLANUNG<br />

Münchens Pop-up-<br />

Radspuren<br />

RÜCKFALL IN DIE KLIENTELPOLITIK?<br />

Würde das <strong>Taxi</strong>gewerbe ein eigenes Unwort des Jahres wählen,<br />

so hätte 2019 sicherlich der Begriff „Eckpunkte“ das Rennen<br />

gemacht. Nachdem dann im März dieses Jahres die Corona-Krise<br />

den Fokus zwischenzeitlich veränderte,<br />

11 ECKPUNKTE FÜR<br />

EINE PBEFG-NOVELLE<br />

TAXI IM<br />

ABSEITS<br />

10<br />

8<br />

MÜNCHEN<br />

11<br />

Unsere Münchener<br />

Redaktion hat das<br />

gleiche Titelthema als<br />

Fußball mit „Playern“<br />

auf Rädern illustriert.<br />

4<br />

können nach der Überarbeitung der<br />

Eckpunkte durch die Findungskommission<br />

nun beide Themen als die zwei<br />

Hauptprobleme des deutschen <strong>Taxi</strong>gewerbes<br />

bezeichnet werden: Corona<br />

und die geplante PBefG-Novelle. Das<br />

Personenbeförderungsgesetz (PBefG),<br />

dessen letzte große Änderung in der<br />

Liberalisierung des Fernbusmarktes<br />

vor acht Jahren bestand, wird von vielen<br />

für erneuerungsbedürftig gehalten,<br />

auch vom <strong>Taxi</strong>gewerbe. Doch was darin<br />

in welche Richtung zu verändern ist,<br />

darüber herrscht bittere Uneinigkeit<br />

(Seite 6).<br />

Zur Zeit des Lockdowns hat das <strong>Taxi</strong>gewerbe bewiesen, dass es<br />

trotz allem weiterhin Mobilität garantiert und somit einen mobilen<br />

Teil der Daseinsvorsorge sicherstellt. Was Bundesverkehrsminister<br />

Andreas Scheuer jetzt plant, deklassiert das <strong>Taxi</strong>gewerbe<br />

zu einem Spielball, den man mal eben im Interesse geldgieriger<br />

Aktionäre von Großkonzernen versenken kann. Das Ausmaß an<br />

sozialer Verantwortungslosigkeit hat unseren Redakteur, der in<br />

unregelmäßigen Abständen auch Radiosendungen produziert und<br />

moderiert, dazu veranlasst, in seiner Sendung am 20. August (die<br />

Sie auf unserem Online-Portal www.taxi-times.com nachhören<br />

können) den Amtseid in Erinnerung zu rufen, den unsere Minister<br />

bei Amtsantritt schwören, und angesichts der Zusammensetzung<br />

der Findungskommission mahnend zu fragen:<br />

Wo ist die SPD geblieben, die immer für soziale Gerechtigkeit<br />

und fair bezahlte Arbeit kämpfte?<br />

Wo ist die FDP geblieben, die sich einst zur sozialen Marktwirtschaft<br />

mit einer staatlichen Ordnungspolitik bekannte?<br />

Wo sind die Grünen geblieben, die einmal für Umweltschutz<br />

und gegen Ausbeutung aufstanden?<br />

Wo ist die Union geblieben, die sich für einen gesunden Mittelstand,<br />

eine funktionierende Volkswirtschaft und für Vollbeschäftigung<br />

stark machte?<br />

INHALT<br />

MELDUNGEN<br />

4 News<br />

NACHRUF<br />

5 Gewerbe trauert um Detlev Freutel<br />

PBEFG-NOVELLE<br />

6 Spielball <strong>Taxi</strong>gewerbe<br />

10 Die unwirksame Rückkehrpflicht<br />

12 „Pooling“ als neue<br />

Beförderungsform?<br />

14 Tarifpflicht nur noch bei Winker-<br />

Fahrten?<br />

CORONA-KRISE<br />

16 Einwagenbetriebe<br />

17 Mehrwagenbetriebe<br />

FLUGHAFEN TEGEL<br />

19 Wehmut um TXL<br />

TAXI BERLIN<br />

20 Neues vom <strong>Taxi</strong>zentrum<br />

21 Dringender Appell<br />

POLITIK<br />

22 Interview mit Oliver Friederici<br />

26 BER: Regine Günthers Dilemma<br />

WETTBEWERB<br />

28 Free Now eifert Uber nach<br />

30 Uber in Falkensee<br />

GEWERBE<br />

32 Kahlschlag bei der Ortskunde<br />

TIPPS<br />

34 Lektüre zum 100. Geburtstag<br />

<strong>Berlin</strong>s<br />

TITELBILD (FOTOMONTAGE): Axel Rühle / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />

Während an der Corona-Krise wohl wenig zu beeinflussen ist,<br />

außer sich zu schützen und zu informieren, gilt es in der Verkehrspolitik<br />

einen Kampf auszufechten. Zwar sah es nach den großen<br />

Protestaktionen im letzten Jahr zunächst nach einem Teilsieg<br />

für das <strong>Taxi</strong>gewerbe aus, da durch fleißige Aufklärungsarbeit<br />

in Teilen der deutschen Politik ein Bewusstsein für das Problem<br />

geschaffen und etliche Politiker zu einer skeptischen Haltung<br />

gegenüber Scheuers Eckpunkten gebracht werden konnten. Sogar<br />

die <strong>Berlin</strong>er CDU ist gegen die „Modernisierungspläne“, wie ihr<br />

verkehrspolitischer Sprecher uns in einem Interview erläutert<br />

(Seite 22).<br />

Doch jetzt könnte angesichts der geplanten Novelle des Personenbeförderungsgesetzes<br />

in wenigen Monaten ein noch größerer<br />

Kampf bevorstehen, bei dem es um nicht weniger als die Existenz<br />

des <strong>Taxi</strong>gewerbes mit seinen vielen tausend Arbeitsplätzen geht.<br />

Auf in den Kampf!<br />

– die Redaktion –<br />

TAXI <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong><br />

3


MELDUNGEN<br />

NEWSTICKER<br />

WIEDER LEITSTELLE<br />

AM MESSEGELÄNDE<br />

Dem <strong>Taxi</strong>gewerbe fehlt noch immer ein<br />

wichtiger Teil der Kundschaft aufgrund<br />

fehlender Großveranstaltungen. Folglich<br />

ist auch das Messegelände noch weitgehend<br />

verwaist, doch jetzt gab es einen kleinen<br />

Lichtblick: Die diesjährige IFA fand als<br />

Fachmesse mit immerhin 6.000 Besuchern<br />

statt. Wie Boto Töpfer vom <strong>Taxi</strong>verband<br />

<strong>Berlin</strong>, Brandenburg e. V. (TVB) berichtet,<br />

hatte die Messe <strong>Berlin</strong> GmbH, die seit Jahren<br />

sehr professionell und kooperativ mit<br />

dem <strong>Taxi</strong>gewerbe zusammenarbeitet, mit<br />

<strong>Taxi</strong> <strong>Berlin</strong> die Präsenz einer Leitstelle am<br />

Standort Messe Süd (Jafféstraße) vom <strong>3.</strong> bis<br />

zum 5. September vereinbart. ar<br />

EICHAMT MIT<br />

FREUNDLICHEREN RÄUMEN<br />

Die <strong>Berlin</strong>er Außenstelle des Landesamtes für Mess- und Eichwesen<br />

<strong>Berlin</strong>-Brandenburg hat die Räume für <strong>Taxi</strong>- und Mietwagenfahrer<br />

bereits im Februar in einen frisch renovierten Gebäudeteil verlegt.<br />

Der Eingang befindet sich jetzt gleich rechts hinter der Einfahrt Lentzeallee.<br />

Hier betritt man nun einen angenehmen Wartebereich. Die technische<br />

Ausstattung ist zeitgemäß mit Digitalanzeige usw.<br />

Die Öffnungszeiten sind, anders als bei Google angegeben, Mo, Di, Do und Fr<br />

je nach Termin sowie für Kunden mit neuen Taxen, neuen Konzessionen oder<br />

Konformitätsbewertung mittwochs von 7:20 bis 12:30 Uhr und von 13:00 bis<br />

15:00 Uhr. Termine können nur online gebucht werden, gelten jeweils nur für<br />

ein Auto und sind nicht übertragbar. Sprechzeiten für allgemeine Anfragen<br />

vor Ort sind Mo, Mi und Fr von 8:00 Uhr bis 10:00 Uhr. <br />

ar<br />

TAXI TIMES<br />

WIEDER IM RADIO<br />

Zum dritten Mal präsentierte <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />

am 20. August eine Radiosendung, die der<br />

<strong>Berlin</strong>er Redakteur Axel Rühle wie gehabt<br />

in Vertretung für den <strong>Taxi</strong> fahrenden<br />

Moderator Rumen Milkow, der neuerdings<br />

auch freier <strong>Taxi</strong>-<strong>Times</strong>-Kolumnist ist, vorproduzierte.<br />

Hauptthema waren auch dort<br />

die Eckpunkte der Findungskommission.<br />

Der Schwerpunkt lag dabei auf den gesellschaftlichen<br />

Auswirkungen des Plattform-<br />

Kapitalismus, ausführlich erklärt und in<br />

hörspiel-ähnlicher Weise mit drei verschiedenen<br />

Stimmen aufgenommen unter der<br />

Regie des <strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>unternehmers und<br />

Radio-Profis Hilmar Werner.<br />

Weitere Beiträge waren ein ausführliches<br />

Interview mit Hermann Waldner, dem<br />

Vizepräsidenten des Bundesverbandes <strong>Taxi</strong><br />

und Mietwagen, sowie ein Kurzinterview<br />

mit dem <strong>Berlin</strong>er Mehrwagen-Unternehmer<br />

und <strong>Taxi</strong>-<strong>Times</strong>-Redakteur Stephan Berndt<br />

zum Umgang mit der Corona-Krise und<br />

dem Unverständnis über die Arroganz<br />

des <strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>gewerbes gegenüber der<br />

Inklusion. <br />

tt<br />

Pop-up-Fußgängerzone Friedrichstraße<br />

FLANIERMEILE<br />

FRIEDRICHSTRASSE<br />

Die Friedrichstraße soll teilweise zur Fußgängerzone umgebaut werden.<br />

Testweise hat die Verkehrsverwaltung im August den Abschnitt<br />

zwischen der Französischen Straße und der Leipziger Straße für den<br />

Kraftverkehr gesperrt, um bis Ende Januar die verkehrlichen Auswirkungen,<br />

Luftqualität und Lärmbelastung zu untersuchen.<br />

Mittelfristig soll die Aufenthaltsqualität für Fußgänger und Radfahrer erhöht<br />

werden. Die Einschätzung, dass das den ansässigen Gewerbetreibenden zugute<br />

kommt, wird nicht von allen geteilt. Einige Politiker und Gewerbetreibende<br />

schließen nicht aus, dass durch die „Vertreibung“ des motorisierten Verkehrs<br />

mehr Kundschaft fernbleibt als hinzukommt. Zudem wird im <strong>Taxi</strong>gewerbe mit<br />

einem schlechteren Durchkommen auf den Ausweichrouten wie Charlottenstraße,<br />

Markgrafenstraße und Wilhelmstraße gerechnet. <br />

ar<br />

FOTOS: Axel Rühle / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong> (2), Simi<br />

4 <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong> TAXI


NACHRUF<br />

GERADE HERAUS<br />

UND OFT<br />

EIN BISSCHEN<br />

UNBEQUEM<br />

Detlev Freutel war einer, dem das Wort „engagiert“ kaum<br />

gerecht wird. Als Vorstandschef des TVB bewegte er vieles –<br />

meist zum großen Nutzen für das Gewerbe.<br />

Am 5. September ist Detlev Freutel mit 69 Jahren gestorben.<br />

FOTO: <strong>Taxi</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Der Name Detlev Freutel ist<br />

einer, der neben wenigen<br />

weiteren auch außerhalb des<br />

<strong>Taxi</strong>gewerbes regelmäßig wahrgenommen<br />

wurde, wenn es Themen gab, die<br />

der Presse eine Berichterstattung wert<br />

waren. Mal waren das Proteste gegen<br />

die Schrankengebühr am Flughafen<br />

Tegel, mal eine Qualitätsoffensive, und<br />

oft auch die schwarzen Schafe in den<br />

eigenen Reihen, gegen die Detlev Freutel<br />

immer wieder die Stimme erhob –<br />

womit er sich sowohl Freunde als auch<br />

Feinde machte.<br />

Fast vergessen in Zeiten von Corona<br />

und Uber ist sein Engagement gegen die<br />

Schwarzarbeit im Gewerbe, gegen die<br />

unseriösen Großbetriebe, die wundersam<br />

hohe Provisionen an ihre Fahrer<br />

bezahlen. Dass er sich vom LABO im<br />

Stich gelassen fühlte, egal, ob es um<br />

Kriminelle im Gewerbe oder um mafiöse<br />

Strukturen bei den Mietwagenfirmen<br />

ging, brachte ihn manchmal zur<br />

Verzweiflung, doch er ließ sich nicht<br />

entmutigen.<br />

Als Verbandsfunktionär hatte Detlev<br />

Freutel, ähnlich wie Politiker, Befürworter<br />

und Gegner. Im <strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>gewerbe<br />

der letzten 30, 40 Jahre hatte einer, der<br />

etwas bewegte, Partner und Feinde.<br />

Dafür braucht es nicht viel. Leute finden<br />

sich zusammen, ziehen Geschäfte<br />

auf, Wege trennen sich, einer hat mehr<br />

Erfolg als der andere, es gibt Missgunst,<br />

und über jeden wird auf der einen Seite<br />

gut geredet und auf der anderen Seite<br />

schlecht. Im <strong>Taxi</strong>gewerbe ist solche<br />

Missgunst mitunter tiefgehend.<br />

Davon ließ Detlev Freutel sich nicht<br />

schrecken. Mancher hatte Probleme mit<br />

seiner direkten Art, seiner Offenheit<br />

beim Ansprechen von Problemen, seinem<br />

trockenen und oft bissigen Humor,<br />

oder einfach damit, dass Detlev Freutel<br />

einen langen Atem hatte, Diskussionen<br />

mit Ausdauer und Sachlichkeit führte,<br />

ohne laut zu werden. Dass er es verstand,<br />

Mehrheiten zu organisieren, um<br />

Vorstandswahlen zu gewinnen, dass er<br />

nicht um den heißen Brei redete, sondern<br />

es auch offen zugab, wenn sich an einer<br />

Stelle einmal nichts bewegen ließ.<br />

VIEL FEIND, VIEL EHR‘<br />

Spricht man mit Menschen, die ihn<br />

besser kannten, ergibt sich das Bild<br />

eines konzilianten Machers, der mit<br />

allen reden wollte und am großen<br />

Gemeinsamen interessiert war. Detlev<br />

Freutel wollte raus aus dem Kleinkrieg<br />

in den Verbänden, wollte den großen<br />

Dachverband, der mit einer einzigen,<br />

starken Stimme für das Gewerbe spricht<br />

und Dinge durchsetzen kann, so wie<br />

früher in West-<strong>Berlin</strong>, im Sinne aller<br />

ehrlich wirtschaftenden <strong>Taxi</strong>unternehmer,<br />

politisch immer entschlossen, den<br />

Rechtsstaat vor kriminellen Machenschaften<br />

zu bewahren.<br />

Detlev Freutel war kein Selbstdarsteller,<br />

wollte nicht beeindrucken. Er hielt<br />

auch nichts von Klüngeleien. Als er für<br />

die Verbände die Ortskundeprüfung<br />

leitete, ärgerte sich so mancher über<br />

seine geradezu sture Neutralität und<br />

Unbestechlichkeit. Wo andere redeten<br />

und Politiker zögerten, (ver)handelte er<br />

bereits und erreichte etwas, wie etwa<br />

die Einführung des Fiskaltaxameters<br />

nach Hamburger Vorbild, womit er<br />

einmal mehr der seriösen Mehrheit im<br />

Gewerbe einen Dienst erwies und von<br />

Schwarzarbeiterbetrieben angefeindet<br />

wurde. Oft bekam man von seinen<br />

Erfolgen wenig mit, denn statt sich zu<br />

feiern, knüpfte er bereits neue Kontakte,<br />

um etwas für das Gewerbe erreichen zu<br />

können, auch weit über <strong>Berlin</strong> hinaus.<br />

DER UNBESTECHLICHE<br />

Privates trennte Detlev Freutel strikt<br />

von Beruflichem. In sein Privatleben<br />

erhielt kaum jemand Einblick. Er lebte<br />

für das <strong>Taxi</strong>gewerbe. Seinen Verbandsmitgliedern<br />

gegenüber war Detlev Freutel<br />

ein zugewandter und hilfsbereiter<br />

Ansprechpartner. Dafür forderte er seinerseits<br />

Solidarität und Unterstützung<br />

ein. Er wollte immer, dass <strong>Taxi</strong>fahrer<br />

mehr beherrschen als Ortskunde. Sie<br />

sollten auch Bescheid wissen über Personenbeförderungsrecht<br />

und Dienstleistungswesen,<br />

sollten über den Tellerrand<br />

hinausblicken, sollten Dienstleister<br />

sein, die mehr können als Auto zu fahren<br />

und ein Navigationsgerät zu bedienen,<br />

ein würdiges Aushängeschild der<br />

Stadt. Dafür hielt er immer wieder Schulungen<br />

und Vorträge, oft ehrenamtlich,<br />

weil es ihm immer um die Sache ging.<br />

Mit Detlev Freutel verliert das deutsche<br />

<strong>Taxi</strong>gewerbe einen großen, streitbaren<br />

Streiter, dem es viel zu verdanken<br />

hat. Das Gewerbe ist gut beraten, sein<br />

Andenken in Ehren zu halten und sein<br />

Lebenswerk fortzuführen. ar<br />

TAXI <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong><br />

5


PBEFG-NOVELLE<br />

Treffer, versenkt! Minister Scheuer scheint das <strong>Taxi</strong>gewerbe als Spielball zu betrachten.<br />

SPIELBALL TAXIGEWERBE<br />

Die Findungskommission des Bundesverkehrsministeriums hat ihre<br />

Arbeit abgeschlossen. <strong>Taxi</strong> und Daseinsvorsorge scheinen bei den<br />

beteiligten Politikern als sentimentale Spinnerei von gestern zu gelten.<br />

Zuletzt wurde das deutsche Personenbeförderungsgesetz<br />

(PBefG)<br />

2012 umfangreich geändert,<br />

wodurch das staatliche Reisebus-Monopol<br />

fiel. Der Rückblick ist aufschlussreich und<br />

muss als Warnung beim Umgang mit dem<br />

<strong>Taxi</strong>gewerbe dienen: Bundesverkehrsminister<br />

damals war Peter Ramsauer (CSU),<br />

doch maßgeblich ausgearbeitet wurde die<br />

Reform vom Staatssekretär, seinem damals<br />

37-jährigen Parteifreund Andreas Franz<br />

Scheuer. Damals gab keine Milliarden-<br />

Lobby den direkten Impuls, sondern die<br />

Bundesregierung hatte eine EU-Richtlinie<br />

umzusetzen.<br />

Die Folge der Reform ist heute zu<br />

sehen: Flixbus beherrscht nicht nur den<br />

deutschen, sondern große Teile des europäischen<br />

Marktes, Tendenz Weltmarktführerschaft.<br />

Konkurrenten wurden<br />

entweder geschluckt oder durch extreme<br />

Billigpreise vom Markt verdrängt und gingen<br />

in Konkurs (<strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong> berichtete im<br />

April 2019), Arbeitsplätze verschwanden,<br />

und die grellgrünen Busse werden nicht<br />

von Flixmobility selbst betrieben, sondern<br />

mit mickriger Gewinnspanne von Partnerfirmen<br />

– vorzugsweise in Osteuropa,<br />

wo man den Fahrern nicht den sündhaft<br />

teuren deutschen Mindestlohn bezahlen<br />

muss, der fünfmal so hoch liegt wie der in<br />

Bulgarien. Der Trend hin zu Plattformbetreibern,<br />

die Dienstleistungen nur noch an<br />

„Partner“ vermitteln und von unterbezahlten<br />

Arbeitern ausführen lassen, die von der<br />

Tätigkeit nicht mehr leben können, wird<br />

von Wirtschaftswissenschaftlern „Uberisierung“<br />

bzw. „Uberisation“ genannt.<br />

Was mit auskömmlichen Arbeitsplätzen<br />

passieren kann, wenn Andreas Scheuer das<br />

PBefG modernisiert, ist also bekannt. Das<br />

Bundesgesetz dient der Daseinsvorsorge,<br />

wobei viele sich unter diesem Begriff wenig<br />

vorstellen können.<br />

Laut Wikipedia umschreibt Daseinsvorsorge<br />

„die staatliche Aufgabe zur Bereitstellung<br />

der für ein menschliches Dasein<br />

als notwendig erachteten Güter und Dienstleistungen<br />

– die Grundversorgung.<br />

WAS IST DASEINSVORSORGE?<br />

Dazu zählt ... die Bereitstellung von<br />

öffentlichen Einrichtungen für die Allgemeinheit,<br />

also Verkehrs- und Beförderungswesen,<br />

Gas-, Wasser- und Elektrizitätsversorgung,<br />

..., Bildungs- und<br />

Kultureinrichtungen, Krankenhäuser, ...,<br />

Feuerwehr usw. (In frastruktur)“, wahrgenommen<br />

meist von kommunalwirtschaftlichen<br />

Betrieben. Personenverkehr ist<br />

demnach notwendig für das menschliche<br />

Dasein und muss von der öffentlichen Hand<br />

ermöglicht werden.<br />

FOTOMONTAGE: Axel Rühle / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />

6 <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong> TAXI


PBEFG-NOVELLE<br />

FOTOS: Axel Rühle / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />

Veranschaulicht wird dies gerne mit<br />

dem berühmten Beispiel der kurzen<br />

Fahrt einer „Oma zum Arzt“, die mangels<br />

Linienverkehr auf das <strong>Taxi</strong> angewiesen<br />

ist und sich wegen dessen Betriebs-,<br />

Beförderungs- und Tarifpflicht stets darauf<br />

verlassen kann, zu jeder Zeit zum immer<br />

gleichen Preis gefahren zu werden.<br />

Bisher genießt das <strong>Taxi</strong>gewerbe mit seinen<br />

Pflichten zumindest auf dem Papier<br />

den Schutz vor Konkurrenz, indem man<br />

Mietwagen, die die Pflichten des <strong>Taxi</strong>gewerbes<br />

nicht haben, zum Ausgleich Nachteile<br />

auferlegt hat, etwa die Pflicht, nach<br />

jedem erfüllten Fahrauftrag zum Betriebssitz<br />

zurückzukehren, um dem <strong>Taxi</strong>gewerbe<br />

nicht das Geschäft wegzunehmen und<br />

nicht durch Herumfahren auf der Suche<br />

nach Kunden die Luft zu verschmutzen,<br />

außerdem werden von der Kommune keine<br />

Aufstellflächen bereitgestellt. Dafür kann<br />

der Mietwagenanbieter selbst entscheiden,<br />

wann und wie oft er fährt, welche Aufträge<br />

er annimmt und welche nicht. Die Oma<br />

zum Arzt zu fahren wird ihm meist nicht<br />

Immer dreistere Rechtsverstöße: Mietwagen<br />

am Flughafen Tegel in der <strong>Taxi</strong>spur<br />

das PBefG unternommen, der zeigt, dass<br />

Scheuer das <strong>Taxi</strong>gewerbe als Spielball<br />

betrachtet. Darüber, dass das Gesetz dem<br />

Zeitalter der Digitalisierung angepasst werden<br />

müsse, besteht weitgehend Einigkeit,<br />

doch verstehen bestimmte Interessensgruppen<br />

darunter offenbar hauptsächlich,<br />

dass das Personenbeförderungswesen den<br />

Kapitalinteressen großer Konzerne geöffnet<br />

werden soll.<br />

DIE UNENDLICH GROSSE<br />

MARKTNISCHE<br />

Wie kommt es, dass hier ein Markt zu<br />

erschließen ist? Öffentlicher Liniennahverkehr<br />

ist für die Kunden preisgünstig, da<br />

er in der Regel kommunal subventioniert<br />

wird, außerdem unflexibel, und die Verfügbarkeit<br />

sinkt regional mit der Bevölkerungsdichte.<br />

<strong>Taxi</strong>verkehr ist teuer, da er<br />

wirtschaftlich arbeiten muss, dafür jedoch<br />

absolut flexibel (fährt vor die Haustür) und<br />

in hohem Maße verfügbar.<br />

Da der Wohlstandsmensch einerseits<br />

zu Bequemlichkeit und Luxus tendiert,<br />

andererseits alles immer billiger haben<br />

möchte, ist in den letzten Jahren ein Markt<br />

gewachsen, der eine Nachfrage nach Personenbeförderung<br />

zwischen <strong>Taxi</strong> und<br />

Linienverkehr bedient und einen Mietwagen-Boom<br />

und<br />

das Pooling<br />

hervorbrachte:<br />

teurer und flexibler<br />

als der<br />

Bus, aber billiger,<br />

weniger<br />

verfügbar und<br />

weniger flexibel<br />

als das<br />

<strong>Taxi</strong>. Darin sehen einerseits Kommunen<br />

Einsparmöglichkeiten bei der Subventionierung<br />

des ÖPNV (Beispiel Berlkönig<br />

BC), andererseits sehen hier Konzerne wie<br />

Uber, Free Now, Moia usw. das große Geld,<br />

wobei zum Erzielen von Gewinn erst das<br />

lukrativ genug sein, so dass er es ablehnt.<br />

Die medizinische Versorgung der Oma ist<br />

also nur mit dem <strong>Taxi</strong> sichergestellt, womit<br />

verlässlich für ihr Dasein vorgesorgt ist.<br />

Diese Verlässlichkeit der Daseinsvorsorge<br />

ist seit letztem Jahr in Gefahr, denn<br />

Andreas Scheuer, seit 2018 Minister, hat<br />

einen erneuten Modernisierungsangriff auf <strong>Taxi</strong> vom Markt konkurriert werden muss<br />

Hico_04-2016.qxp_Layout 1 06.04.16 10:04 Seite 1<br />

Die berühmte Oma, die zum Arzt muss,<br />

hätte bei Uber kaum eine Chance.<br />

«Das <strong>Taxi</strong>gewerbe bereitet<br />

sich bereits auf erneute<br />

Großproteste vor.»<br />

Hermann Waldner, Vizepräsident des<br />

Bundesverbandes <strong>Taxi</strong> und Mietwagen<br />

– so wie damals beim Flixbus die vielen<br />

Mitbewerber.<br />

Mit den Milliarden der gewinnhungrigen<br />

Investoren etwa bei Uber kann man aber<br />

mit Leichtigkeit in den ersten Jahren die<br />

<strong>Taxi</strong>preise teilweise unterbieten (und so<br />

tun, als täte man es immer) und die guten<br />

Anwälte für die Gerichtsverfahren bezahlen,<br />

die aufgrund der erforderlichen massenhaften<br />

Rechtsverstöße weltweit unausweichlich<br />

sind, denn ohne permanente<br />

Verstöße gegen<br />

Rückkehrpflicht<br />

und<br />

Straßenverkehrsordnung<br />

wären Uber-<br />

Partner in null<br />

Komma nichts<br />

pleite.<br />

Nachhaltiger<br />

und langfristig sicherer ist es für Uber &<br />

Co. aber, in Lobbyisten zu investieren,<br />

um den zuständigen Minister von einer<br />

Gesetzesänderung zu überzeugen, die<br />

aus Rechtsverstößen legales Verhalten<br />

macht. Und siehe da: Bundesverkehrsminister<br />

Scheuer will die Rückkehrpflicht für<br />

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TAXI <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong><br />

7


PBEFG-NOVELLE<br />

Das Präsidium des Bundesverbandes sprach mit dem Minister: Thomas Grätz, Hermann<br />

Waldner, Andreas Scheuer, Michael Müller, Peter Zander (v.l.n.r.) am 1<strong>3.</strong> Dezember 2018<br />

Mietwagen abschaffen, den Mietwagen die<br />

Einzelplatzvermietung erlauben und durch<br />

weitere Regelungen die Trennung zwischen<br />

<strong>Taxi</strong>- und Mietwagenmarkt so weit aufweichen,<br />

dass das <strong>Taxi</strong>gewerbe sich in seiner<br />

Existenz bedroht sieht. Im Februar 2019<br />

legte er sein erstes Eckpunktepapier vor, in<br />

dem all dies explizit stand, und das <strong>Taxi</strong>gewerbe<br />

ging auf die Barrikaden.<br />

WER NICHT WEITER WEISS,<br />

DER BILDET EINEN ARBEITSKREIS<br />

Gleichzeitig mit bundesweiten Protestaktionen<br />

informierten Gewerbevertreter die<br />

Öffentlichkeit und die Politik. Es zeigte sich<br />

ein großes Informationsdefizit zu diesem<br />

speziellen Thema, doch die zähe Aufklärungsarbeit<br />

hatte Erfolg: Im Spätsommer<br />

hatte das <strong>Taxi</strong>gewerbe eine Mehrheit der<br />

Landes- und Bundesparlamentarier auf<br />

seiner Seite, zumindest bei SPD, Linken,<br />

CDU und Teilen der Grünen.<br />

Scheuer aber blieb stur, selbst wenn die<br />

Führungsriege des Bundesverbandes <strong>Taxi</strong><br />

und Mietwagen (BVTM) ihm die Problematik<br />

persönlich erklärte, als Höhepunkt<br />

sogar im direkten Schlagabtausch mit dem<br />

BVTM-Präsidenten auf einer Bühne vor<br />

Tausenden von pfeifenden Demonstranten.<br />

Er setzte eine sogenannte Findungskommission<br />

ein – in der Politik kein offiziell<br />

definierter Begriff, aber ein in vielen Bereichen<br />

wie etwa dem Vereinswesen häufig<br />

eingesetztes informelles Gremium, wenn<br />

eine Problematik mit speziellem Fachwissen<br />

erörtert werden muss – und besetzte<br />

seine „Findungskommission zur Herstellung<br />

eines übergreifenden Konsenses zur<br />

Änderung des PBefG“, die kein politisches<br />

Mandat besitzt, mit zwölf Politikern (hauptsächlich<br />

Bundestagsabgeordnete und<br />

Landesminister) aus allen im Bundestag<br />

vertretenen Parteien außer AfD und Die<br />

Linke (Seite 9).<br />

Nach dem zweiten Treffen der Kommission<br />

zeichnete sich ab, dass sich nicht viel<br />

bewegte. Daraufhin<br />

organisierte<br />

die <strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>-<br />

„Innung“ zum<br />

dritten und letzten<br />

Treffen im Juni eine<br />

Mahnwache wie<br />

schon am 10. Mai<br />

vor dem Portal des<br />

Ministeriums in der<br />

Invalidenstraße, bei<br />

der diesmal rund 50<br />

<strong>Taxi</strong>unternehmer<br />

ihre Standpunkte<br />

der Findungskommission<br />

und der<br />

Öffentlichkeit kundtaten. Gefordert wurden<br />

unter anderem „fairer Wettbewerb für<br />

<strong>Taxi</strong>s“ und eine Karenzzeit für Mietwagen,<br />

also eine Vorbestellfrist.<br />

Arbeitsergebnis der Findungskommission<br />

ist der Entwurf für ein neues Eckpunktepapier,<br />

der sich im Juni wie ein Lauffeuer<br />

im <strong>Taxi</strong>gewerbe verbreitete. Vordergründig<br />

ist nun von einer Beibehaltung der Rückkehrpflicht<br />

die Rede. Warum die Karenzzeit<br />

für Mietwagen so ausdrücklich und<br />

zugleich ohne Begründung abgelehnt wird,<br />

ohne eine Alternative anzubieten, erscheint<br />

besonders fragwürdig, wenn man sieht,<br />

dass die Einhaltung der Rückkehrpflicht<br />

beispielsweise in <strong>Berlin</strong> nicht ansatzweise<br />

kontrolliert wird – was den Kommissionsmitgliedern<br />

bekannt sein dürfte.<br />

Was eine Umsetzung des Eckpunkte-<br />

Entwurfs unter dem Strich für das <strong>Taxi</strong>gewerbe<br />

bedeuten würde, haben Gewerbevertreter<br />

genauer unter die Lupe genommen<br />

und sind alarmiert. Dazu mehr auf den<br />

nächsten drei Doppelseiten.<br />

Aus dem noch nicht offiziellen Papier<br />

wird nun ein Referentenentwurf erarbeitet.<br />

Das <strong>Taxi</strong>gewerbe bereitet sich laut BVTM-<br />

Vizepräsident Hermann Waldner bereits<br />

auf erneute Großproteste vor, da es immer<br />

mehr zum Spielball wirtschaftlicher Interessen<br />

wird und bald nicht mehr viel zu<br />

verlieren hat. <br />

ar<br />

Mahnwache in der Invalidenstraße beim dritten Treffen<br />

der Findungskommission am 19. Juni <strong>2020</strong><br />

DIE 11 ECKPUNKTE IM EINZELNEN<br />

Die Punkte 3 bis 5 der insgesamt elf<br />

Eckpunkte betrachten wir auf den Seiten<br />

10 bis 15 näher. Sie könnten – sofern<br />

sie in ihrer endgültigen Ausformulierung<br />

den dort genannten Vorgaben entsprechen<br />

– dem <strong>Taxi</strong>gewerbe den Dolchstoß<br />

versetzen.<br />

Die übrigen Punkte sind im Vergleich<br />

dazu weniger explosiv. Sie beschäftigen<br />

sich mit einer leichten Modifizierung des<br />

§ 1 PBefG, definieren die Einordnung<br />

bedarfsgesteuerter Pooling-Dienste des<br />

ÖPNV als Linienverkehr und räumen<br />

die Möglichkeit ein, bisher definierte<br />

Formen der Mischkonzessionen künftig<br />

auch auf die neue Beförderungsform<br />

„Pooling“ zu erweitern.<br />

Zudem sollen Mietwagen und Pooling-<br />

Dienste mit einheitlichen Ordnungsnummern<br />

gekennzeichnet werden und<br />

sämtliche Anbieter von Beförderungsdiensten<br />

ihre Mobilitätsdaten verpflichtend<br />

bereitstellen.<br />

Die Punkte 9 und 10 definieren kommunale<br />

Regulierungsoptionen bei den<br />

Fahrzeuggenehmigungen hinsichtlich<br />

Barrierefreiheit und Klimaschutz.<br />

Punkt 11 sieht schließlich noch eine Klarstellung<br />

der Genehmigungspflicht der<br />

digitalen Vermittlung im PBefG vor. jh<br />

FOTOS: BVTM, Simi / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />

8 <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong> TAXI


PBEFG-NOVELLE<br />

DIE FINDUNGSKOMMISSION DES BUNDESVERKEHRSMINISTERS<br />

FOTOS: Landtag Hessen, Simi (4), Olaf Kosinsky, Axel Rühle (3), Oliver Dietze, daniela-ludwig.de, Harald Krichel, Mark Keppler<br />

Tarek Al-Wazir (49,<br />

Diplom-Politologe aus<br />

Hessen) ist hessisches<br />

Grünen-Urgestein<br />

und Minister für<br />

Wirtschaft, Energie,<br />

Verkehr und Wohnen und stellvertretender<br />

Ministerpräsident in Hessen und setzt<br />

sich erfolgreich für Anruf-Sammeltaxen<br />

im ländlichen Raum ein.<br />

Im Mai 2019 sagte er im Wiesbadener<br />

Landtag, es bestehe ein Konsens beim<br />

Änderungsbedarf des PBefG, ebenso<br />

wichtig sei aber, das jetzt geltende Personenbeförderungsrecht<br />

durchzusetzen.<br />

Scheuers Eckpunkte stellte er nur wenig<br />

in Frage. Seine Aussage, Car-Sharing veranlasse<br />

Menschen, ihr Auto abzuschaffen,<br />

gilt als widerlegt.<br />

Sören Bartol (46,<br />

Diplom-Politologe aus<br />

Nordrhein-Westfalen),<br />

stellvertretender<br />

Vorsitzender der SPD-<br />

Bundestagsfraktion<br />

für den Bereich Verkehr, Bau und digitale<br />

Infrastruktur sowie Digitale Agenda. „Die<br />

SPD-Bundestagsfraktion wird dafür sorgen,<br />

dass durch die Modernisierung der<br />

gesetzlichen Spielregeln niemand aus der<br />

Kurve fliegt.“ (2019 auf ntv.de)<br />

Bernd Buchholz (58,<br />

Jurist aus <strong>Berlin</strong>),<br />

Schleswig-Holsteinischer<br />

Wirtschaftsund<br />

Verkehrsminister<br />

der FDP, bezeichnet<br />

die Rückkehrpflicht für Mietwagen als<br />

anachronistisch und ökologisch fragwürdig,<br />

obwohl wissenschaftliche Studien<br />

aus den USA längst das Gegenteil bewiesen<br />

haben.<br />

Stefan Gelbhaar (44,<br />

Jurist aus <strong>Berlin</strong>), Verkehrsexperte<br />

der Bundestagsfraktion<br />

von<br />

Bündnis 90/Grüne,<br />

hatte sich schon bei<br />

diversen Gelegenheiten als Freund des<br />

<strong>Taxi</strong>gewerbes präsentiert.<br />

Als der Fahrdienst Clever Shuttle im<br />

Mai seinen Rückzug aus drei Städten<br />

bekanntgab, bedauerte Gelbhaar den<br />

Wegfall von Arbeitsplätzen, wobei das<br />

<strong>Taxi</strong>gewerbe besser für die Verkehrswende<br />

geeignet ist als neue (auch<br />

abgasarme) Fahrzeugflotten, die von<br />

Pseudo-<strong>Taxi</strong>-Anbietern umweltschädlich<br />

aus dem Boden gestampft werden und<br />

Arbeitsplätze im <strong>Taxi</strong>gewerbe kosten.<br />

Gelbhaar hat umfassendes Detailwissen<br />

über das <strong>Taxi</strong>gewerbe, wie er in einem<br />

<strong>Taxi</strong>-<strong>Times</strong>-Interview 2016 unter Beweis<br />

stellte.<br />

Michael Donth (53,<br />

Ex-Bürgermeister aus<br />

Baden-Württemberg),<br />

seit eh und je in Verwaltung<br />

und Politik<br />

tätig, im Verkehrsausschuss<br />

des Bundestages vornehmlich für<br />

den ÖPNV, Taxen und Fernbusse zuständig,<br />

nahm als PBefG-Experte der CDU<br />

bereits häufig an <strong>Taxi</strong>-Veranstaltungen teil.<br />

Cem Özdemir (54,<br />

Diplom-Sozialpädagoge<br />

aus Baden-<br />

Württemberg), grünes<br />

Urgestein und Vorsitzender<br />

des Verkehrsausschusses<br />

im Deutschen Bundestag.<br />

Er gab in Gesprächen mit <strong>Taxi</strong>verbänden<br />

vor, die Bedenken des Gewerbes immer<br />

im Hinterkopf zu halten, seine Partei<br />

Bündnis 90/Grüne stimmte dann aber<br />

dem Anfang Juni verabschiedeten Positionspapier<br />

der Großen Koalition zu.<br />

Anke Rehlinger<br />

(44, Rechtsanwältin<br />

aus Saarland)<br />

ist Ministerin für<br />

Wirtschaft, Arbeit,<br />

Energie und Verkehr,<br />

stellvertretende Ministerpräsidentin<br />

und SPD-Vorsitzende im Saarland mit<br />

landespolitischer Erfahrung in vielen<br />

unterschiedlichen Bereichen, auch als<br />

Ministerin.<br />

Unfreiwillige Komik: Fachkunde auch für<br />

beratungsresistente Kommissionsmitglieder<br />

Daniela Kluckert (39, Diplom-Volkswirtin<br />

aus Niedersachsen bzw. <strong>Berlin</strong>), FDP-<br />

Bundestagsabgeordnete und Uber-Befürworterin,<br />

stellvertretende Vorsitzende des<br />

Verkehrsausschusses, die – wie die anderen<br />

– von zahlreichen Vertretern des <strong>Taxi</strong>gewerbes<br />

ausreichend informiert wurde<br />

und dennoch wieder und wieder durch<br />

Ignoranz und widersprüchliche Aussagen<br />

auffällt, wenn sie beispielsweise wider<br />

besseres Wissen behauptet, die Rückkehrpflicht<br />

erhöhe die Luftverschmutzung,<br />

Pooling stärke öffentliche Verkehrsanbieter,<br />

Taxen müssten über fünf Türen<br />

verfügen oder Uber sei kein Rosinenpicker<br />

– oder es als Frechheit bezeichnet, wenn<br />

ein <strong>Taxi</strong>fahrer sie fragt, ob ihr der schnellere<br />

Weg über die Autobahn lieber sei oder<br />

der preisgünstigere durch die Stadt.<br />

Kirsten Lühmann<br />

(56, Polizeioberkommissarin<br />

aus Niedersachsen),<br />

Sprecherin<br />

der Arbeitsgruppe<br />

Verkehr und digitale<br />

Infrastruktur der SPD-Bundestagsfraktion<br />

und Mitglied im Verkehrsausschuss<br />

sowie in den Untersuchungsausschüssen<br />

zum VW-Abgasskandal und zur Pkw-<br />

Maut, ärgert sich darüber, dass Uber<br />

„so tut, als hätten sie die Digitalisierung<br />

erfunden“. Tatsächlich würden unter<br />

diesem Deckmäntelchen „Beschäftigte<br />

ausgenutzt“. Lühmann hat sich mehrfach<br />

klar pro <strong>Taxi</strong>gewerbe positioniert.<br />

Daniela Ludwig (45,<br />

Diplom-Juristin aus<br />

Bayern), Bundesdrogenbeauftragte,<br />

wird<br />

laut Wikipedia laufend<br />

als inkompetent für<br />

Drogen- und Gesundheitspolitik kritisiert,<br />

sogar von einem Ministeriumssprecher.<br />

Ihre bisherige verkehrspolitische<br />

Erfahrung beschränkt sich auf regionale<br />

Themen. Dass ihre konservative Einstellung<br />

den neoliberalen Aktionismus bei<br />

der PBefG-Novelle bremsen kann, gilt als<br />

unwahrscheinlich, da sie ihrem Parteifreund<br />

Scheuer politisch nahesteht.<br />

Jürgen Barke (57,<br />

Verwaltungswirt<br />

aus dem Saarland),<br />

Staatssekretär mit<br />

Kabinettsrang im<br />

saarländischen Ministerium<br />

für Wirtschaft, Arbeit, Energie und<br />

Verkehr und dort stellvertretender SPD-<br />

Vorsitzender, ist langjähriger Immobilien-,<br />

Bau- und Wirtschaftsfachmann.<br />

Hendrik Wüst (45,<br />

Rechtsanwalt<br />

aus Nordrhein-<br />

Westfalen) ist<br />

Verkehrsminister der<br />

CDU-Landesregierung<br />

in Düsseldorf und Wirtschaftsexperte. ar<br />

TAXI <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong><br />

9


PBEFG-NOVELLE<br />

Rückkehrpflicht: künftig zum Supermarkt-<br />

Parkplatz statt zum Betriebssitz?<br />

DIE UNWIRKSAME<br />

RÜCKKEHRPFLICHT<br />

Mietwagenunternehmen sollen laut Eckpunkte-Papier künftig zusätzliche<br />

Abstellorte anmieten dürfen, um die Rückkehrpflicht zum Betriebssitz<br />

legal zu umgehen. Eine geforderte Vorbestellfrist wird abgelehnt.<br />

An der Rückkehrpflicht für auftragslose<br />

Mietwagen wird festgehalten.“<br />

Dieser Satz im nun<br />

veröffentlichten Eckpunktepapier könnte<br />

im <strong>Taxi</strong>gewerbe für kollektives Aufatmen<br />

sorgen, hatte man doch dank einer schlagkräftig<br />

organisierten „Scheuerwehr“ die<br />

Pläne des Bundesverkehrsministers über<br />

eine Abschaffung der Rückkehrpfl icht<br />

abwehren können.<br />

Doch schon im nächsten Satz soll den<br />

Kommunen die Möglichkeit eingeräumt<br />

werden, die Ausgestaltung der Rückkehrpflicht<br />

zu „regeln“, indem man beispielsweise<br />

„weitere geeignete Abstellorte“<br />

genehmigt. Damit wäre in der Praxis<br />

laut Dieter Schlenker von <strong>Taxi</strong> Deutschland<br />

„noch weniger Kontrolle möglich.<br />

Da werden dann Hotelparkplätze, Stellflächen<br />

in Parkhäusern und Aldi- und Lidl-<br />

Parkplätze angemietet – somit ist dann<br />

die Rückkehrpflicht faktisch ausgesetzt.“<br />

Hermann Waldner, Vizepräsident des Bundesverbandes<br />

<strong>Taxi</strong> und Mietwagen e. V.<br />

(BVTM), sprach im Radio-Interview von<br />

einer „durchlöcherten Form“ der Rückkehrpflicht,<br />

die er „katastrophal“ nannte, da sie<br />

„einer Fast-Abschaffung gleichkäme“.<br />

Schlenker sieht im kontinuierlichen Verstoß<br />

gegen die Rückkehrpflicht eine erhebliche<br />

Wettbewerbsverzerrung auf Kosten<br />

der <strong>Taxi</strong>betriebe. Michael Oppermann,<br />

BVTM-Geschäftsführer, spricht gegenüber<br />

<strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong> zudem von einer Aufweichung<br />

der gesetzlich klar definierten Abgrenzung<br />

zwischen <strong>Taxi</strong>s und Mietwagen. „Wenn<br />

jemand heute in diesem Markt Unternehmer<br />

werden möchte und wählen muss, ob er<br />

nach links geht und <strong>Taxi</strong> macht oder nach<br />

rechts geht und Mietwagen macht, dann<br />

muss es gute Gründe für beide Verkehrsformen<br />

geben. Wenn es einen einseitigen<br />

Ausschlag gibt, dass der Mietwagen viel<br />

mehr Vorteile bietet als Nachteile, dann<br />

werden alle Unternehmer in den Bereich<br />

Mietwagen gehen, weil sie ja rational handelnde<br />

Unternehmer sind.“<br />

Die Konsequenz wäre laut Oppermann<br />

ein völliges Kollabieren der Daseinsvorsorge<br />

und der Mobilität für jedermann, weil<br />

am Markt nur noch Mietwagen existieren<br />

würden – ohne Betriebs-, Beförderungsund<br />

Tarifpflicht. „Dann fährt eben keiner<br />

mehr die Oma zur Arztpraxis um die Ecke“,<br />

warnt Oppermann. Waldner ergänzte, auf<br />

die Idee, die öffentlichen Nahverkehrsbetriebe<br />

zu verzocken, komme schließlich<br />

auch niemand.<br />

Der BVTM hatte zuletzt unter dem<br />

Begriff „Vorbestellfrist“ gefordert, dass<br />

Mietwagen in Großstädten nicht zur Adhoc-Beförderung<br />

bestellt werden dürfen,<br />

sondern zwischen Bestellung und Abho-<br />

DIE ECKPUNKTE, ZIFFER 5: MIETWAGENVERKEHR<br />

An der Rückkehrpflicht für auftragslose<br />

Mietwagen wird festgehalten. Kommunen<br />

erhalten jedoch die Möglichkeit, bei<br />

weiten Entfernungen (in flächenmäßig<br />

großen Kommunen) die Ausgestaltung<br />

der Rückkehrpflicht zu regeln (z. B.<br />

Zulassung weiterer geeigneter Abstellorte<br />

ab einer bestimmten Distanz vom<br />

Hauptsitz).<br />

Diese Beschränkung der Rückkehrpflicht<br />

auftragsloser Mietwagen gilt nur im<br />

Gebiet des jeweiligen Aufgabenträgers.<br />

5.1. Um Rechtsunsicherheiten in Bezug<br />

auf die Interpretation der Norm zu<br />

vermeiden, wird die in § 49 Abs. 4 S. 4<br />

PBefG enthaltene buchmäßige Erfassung<br />

um die Möglichkeit einer elektronischen<br />

Erfassung von Auftragseingängen<br />

beim Unternehmer (nicht unmittelbar<br />

beim Fahrer) ergänzt. Auch App-basierte<br />

Auftragseingänge werden hierdurch<br />

expressis verbis ermöglicht.<br />

5.2. Es soll keine Vorbestellfrist als<br />

zusätzliches Abgrenzungskriterium<br />

zu anderen Verkehrsarten eingeführt<br />

werden.<br />

5.<strong>3.</strong> Neben dem Wegstreckenzähler ist<br />

auch die Nutzung eines zugelassenen<br />

App-basierten Systems zulässig.<br />

5.4. Den Kommunen wird die Möglichkeit<br />

eingeräumt, Anti-Dumping-Regelungen<br />

(z. B. Mindestpreis) festzulegen.<br />

FOTOS: Axel Rühle / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />

10 <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong> TAXI


PBEFG-NOVELLE<br />

Hermann Waldner, Vizepräsident des<br />

Bundesverbandes <strong>Taxi</strong> und Mietwagen<br />

lung eine „Karenzzeit“ von 15-30 Minuten<br />

einhalten müssen. „Wir haben bei der<br />

Rückkehrpflicht ein klares Kontroll- und<br />

Vollzugsdefizit. Da wäre durch eine im<br />

Bundesgesetz definierte Vorbestellfrist<br />

ein Instrument an der Hand, das es den<br />

Kommunen viel leichter macht, zu kontrollieren<br />

und diejenigen, die sich nicht<br />

an geltende Regelungen halten, zu sanktionieren.“<br />

Waldner würde sich „gerne von<br />

den Verfassern des Eckpunktepapiers mal<br />

erklären lassen, wie sie sich denn ohne so<br />

eine Mindestvorbestellfrist die Einhaltung<br />

und Kontrolle einer Rückkehrpflicht überhaupt<br />

vorstellen.“<br />

Für das klassische Geschäft der Mietwagen<br />

sieht Oppermann bei einer solchen<br />

Regelung keine gravierenden Einschränkungen,<br />

„weil jene Unternehmen keinen<br />

taxiähnlichen Ad-hoc-Verkehr anbieten,<br />

sondern vorbestellte Fahrten fahren.“ Die<br />

Politik lehnt diesen Plan allerdings im<br />

Punkt 5.2. der<br />

Eckpunkte explizit<br />

ab.<br />

Fazit: Dank<br />

einer beispiellosen<br />

Aufklärungskampagne<br />

der <strong>Taxi</strong>branche<br />

schien die Politik<br />

tatsächlich verstanden<br />

zu haben,<br />

dass eine Aufhebung<br />

der Rückkehrpflicht<br />

zu<br />

einer unfairen und gesellschaftlich schädlichen<br />

Wettbewerbsverzerrung zwischen<br />

<strong>Taxi</strong> und Mietwagen führen würde. Die<br />

nun vorgelegten Ausführungen im Punkt<br />

5 beweisen jedoch, dass weder Andreas<br />

«Niemand würde auf<br />

die Idee kommen,<br />

die öffentlichen<br />

Nahverkehrsbetriebe<br />

zu verzocken.»<br />

Hermann Waldner<br />

Scheuer nebst Ministeriumsmitarbeitern<br />

noch die Mitglieder der Findungskommission<br />

ein ernsthaftes Interesse daran haben,<br />

für ausgeglichene Spielregeln zwischen<br />

<strong>Taxi</strong> und Mietwagen zu sorgen.<br />

Mit der gleichzeitigen Absage an eine<br />

Vorbestellfrist für Mietwagen verpasst man<br />

zudem die Chance, endlich durchsetzbare<br />

Voraussetzungen für eine digitale Kontrolle<br />

der Rückkehrpflicht zu schaffen. Einen<br />

wirkungsvolleren<br />

Faustschlag<br />

ins Gesicht der<br />

<strong>Taxi</strong>unternehmer<br />

kann man kaum<br />

setzen. Diese Ignoranz<br />

und Missachtung<br />

hat die<br />

<strong>Taxi</strong>branche nicht<br />

verdient – erst<br />

recht nicht, nachdem<br />

man während<br />

des Corona-Lockdowns<br />

eindrucksvoll<br />

bewiesen hat, dass in einem heruntergefahrenen<br />

System das <strong>Taxi</strong> und nicht der<br />

Mietwagen die notwendige – gesundheitsschützende<br />

– Mobilität aufrecht erhalten<br />

hat.<br />

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«POOLING» ALS NEUE<br />

BEFÖRDERUNGSFORM?<br />

Neben <strong>Taxi</strong>s und Mietwagen will Scheuer die Beförderungsform<br />

„Pooling“ einführen und durch eine Quote regulieren. Hier wird es<br />

besonders darauf ankommen, wie man das im Detail definiert.<br />

Wenn der Gesetzgeber unterschiedliche<br />

Arten der individuellen<br />

Personenbeförderung<br />

– der Gesetzgeber spricht kurz von Verkehrsarten<br />

– definiert, steckt als Absicht<br />

dahinter, dass <strong>Taxi</strong> und Mietwagen sowie<br />

die geplante dritte Verkehrsart „Pooling“<br />

mit gesonderten Regelungen voneinander<br />

abgegrenzt sind – was der eine darf, darf<br />

der andere nicht. Die Pläne der Findungskommission<br />

sehen vor, dass die Pooling-<br />

Dienste einzelne Sitzplätze vermieten dürfen<br />

und grundsätzlich nach Ausführung<br />

des Beförderungsauftrags nicht zu ihrem<br />

Betriebssitz zurückkehren müssen. Der<br />

Unternehmer hätte keine Betriebs- und<br />

Beförderungspflicht und dürfte ausschließlich<br />

den Bestellmarkt bedienen, also keine<br />

Winker aufnehmen oder sich irgendwo<br />

bereitstellen.<br />

Weil sich bedarfsgesteuerte Sammelverkehre<br />

(Pooling-Dienste) außerhalb<br />

des ÖPNV weder in ein <strong>Taxi</strong>- noch in ein<br />

Mietwagenkorsett zwängen lassen, soll<br />

nun eine eigene, dritte Beförderungsform<br />

dafür geschaffen werden – ein Segment<br />

davon innerhalb des ÖPNV, eins außerhalb<br />

des ÖPNV. Letzteres ist für Anbieter wie<br />

Moia, CleverShuttle,<br />

Berlkönig und Co.<br />

gemeint, weshalb<br />

sie nachfolgend als<br />

privates Pooling<br />

bezeichnet wird.<br />

Damit Kommunen<br />

in erster Linie<br />

den meist von ihnen<br />

selbst betriebenen,<br />

klassischen ÖPNV<br />

schützen können,<br />

sollen Ihnen Möglichkeiten<br />

der Steuerung<br />

dieser Verkehrsdienste<br />

an die<br />

Hand gegeben werden.<br />

So könnten sie beispielsweise durch<br />

Festlegung im Nahverkehrsplan eine Rückkehr<br />

zu Betriebshöfen oder Abstellorten<br />

anordnen und Sozialstandards definieren.<br />

Sie sollen zudem dazu verpflichtet werden,<br />

eine Poolingquote zu definieren, die festlegt,<br />

wie viele Fahrgäste im Durchschnitt<br />

gleichzeitig zu befördern sind. Die Kontrolle<br />

wird dadurch erleichtert, dass künftig jeder<br />

Anbieter seine Mobilitätsdaten bereitstellen<br />

muss.<br />

WIRD DAS POOLING<br />

STEUERBAR SEIN?<br />

Ob sich das nun positiv oder kontraproduktiv<br />

für das <strong>Taxi</strong>gewerbe erweist, wird<br />

stark davon abhängen, wie die Vorgabe der<br />

Findungskommission vom Bundesverkehrsministerium<br />

im Referentenentwurf umgesetzt<br />

wird. Für Michael Oppermann vom<br />

Bundesverband <strong>Taxi</strong> und Mietwagen e. V.<br />

(BVTM) ist entscheidend, dass Pooling steuerbar<br />

ist und kein Wildwuchs entsteht. Vor<br />

allem dürfe die Poolingquote keine Mogelpackung<br />

werden, mahnt Oppermann im<br />

Gespräch mit <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong>. „Wenn im Schnitt<br />

nicht mindestens zwei Fahrgäste mitfahren,<br />

ist es aus meiner Sicht kein Pooling.“<br />

Entscheidend wäre darüber hinaus, dass<br />

die Kommunen die Poolingverkehre und<br />

deren vorgeschriebene Quote verlässlich kon-<br />

FOTO: Axel Rühle / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />

12 <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong> TAXI


PBEFG-NOVELLE<br />

Dieter Schlenker, Vorsitzender der <strong>Taxi</strong><br />

Deutschland eG<br />

trollieren. Daran zweifeln viele aus der <strong>Taxi</strong>branche.<br />

Sie fürchten, dass die Kommunen<br />

damit ebenso überfordert sind, wie das aktuell<br />

auch bei der Kontrolle der Rückkehrpflicht<br />

für Mietwagen der Fall ist. Oppermann hofft<br />

hier auf die vorgesehene Pflicht zur Bereitstellung<br />

der Mobilitätsdaten. Damit würde<br />

das PBefG als Bundesgesetz den Kommunen<br />

eine einfache Methode für wirkungsvolle<br />

Kontrollen an die Hand geben.<br />

Deutlich kritischer sieht die neue Beförderungsform<br />

Dieter Schlenker von <strong>Taxi</strong><br />

Deutschland. „Warum soll für das Pooling<br />

eine neue, zusätzliche Fahrzeugflotte aufgebaut<br />

werden, wenn es bereits 55.000<br />

Fahrzeuge auf deutschen Straßen gibt,<br />

die diese Beförderungsleistung erbringen<br />

können?“ Schlenker meint damit die <strong>Taxi</strong>s,<br />

doch diese sind im Eckpunkte-Entwurf<br />

explizit ausgenommen, was Schlenker als<br />

unsinnig bezeichnet.<br />

Oppermann verweist bei diesem Punkt<br />

auf die Kehrseite der Medaille. „Man kann<br />

das durchaus als interessantes Marktsegment<br />

[für das <strong>Taxi</strong>] sehen, wir wollen aber<br />

unbedingt erreichen, dass Pooling-Anbieter<br />

auf keinen Fall Einzelbeförderung machen.<br />

Wenn <strong>Taxi</strong>s allerdings das Recht erhalten<br />

sollen, zwischen ihrer klassischen Einzelbeförderung<br />

auch mal poolen zu dürfen, dann<br />

ist das regulatorisch nicht ganz einfach.“<br />

Würde man es beispielsweise als Mischkonzession<br />

genehmigen, bestünde die<br />

Gefahr, dass Wettbewerber wie Moia ihre<br />

Fahrzeuge als <strong>Taxi</strong>s zulassen könnten und<br />

damit irgendwelche Pooling-Quoten umgingen.<br />

„Das wollen wir natürlich auch nicht<br />

haben.“<br />

An dieser Stelle stellt sich die grundsätzliche<br />

Frage, ob seitens des Gesetzgebers<br />

eine Kontingentierung vorgesehen ist. Die<br />

Eckpunkte lassen das offen. Aus vielerlei<br />

Aspekten wäre es allerdings sinnvoll, wenn<br />

Kommunen eine Höchstgrenze an Pooling-<br />

Fahrzeugen definieren dürften. Steuern<br />

ließe es sich beispielsweise über die Poolingquote:<br />

Wer diese nicht erreicht, verliert<br />

die Genehmigung.<br />

KOMMUNEN MÜSSTEN<br />

HÖCHSTGRENZE FESTSETZEN<br />

Bleibt zu guter Letzt noch die Frage, ob<br />

Pooling die Hintertür für Anbieter wie Uber<br />

und Free Now ist, ihr bisheriges Geschäftsmodell<br />

zu legalisieren. Sollten die oben<br />

genannten Punkte tatsächlich so umgesetzt<br />

werden, wäre ein stark reglementiertes privates<br />

Pooling für Uber und Free Now nicht<br />

so attraktiv. Das bestätigt auch Alexander<br />

Mönch von Free Now, der gegenüber den<br />

Medien dafür plädiert, dass Pooling auch<br />

mit Mischkonzessionen betrieben werden<br />

kann.<br />

Fazit: Ob privates Pooling dem <strong>Taxi</strong> tatsächlich<br />

schadet, hängt von der konkreten<br />

Ausgestaltung im späteren Gesetzestext ab<br />

– und davon, ob die Einhaltung der Regeln<br />

von den Kommunen kontrolliert wird (in<br />

<strong>Berlin</strong> mit dem derzeitigen Senat wohl<br />

kaum). „Alles ist ein Einfallstor für Uber<br />

und Free Now, wenn nicht kontrolliert wird“,<br />

sagt Oppermann. <br />

jh<br />

DIE ECKPUNKTE, ZIFFER 3: GENEHMIGUNGSFÄHIGKEIT VON POOLING-DIENSTEN AUSSERHALB DES ÖPNV<br />

FOTO: <strong>Taxi</strong> Deutschland eG<br />

Bedarfsgesteuerte Pooling-Dienste<br />

brauchen als neue Form des Gelegenheitsverkehrs<br />

auch außerhalb des ÖPNV<br />

eine rechtssichere Grundlage für ihre<br />

Zulassung. Diese Pooling-Dienste sollen<br />

einzelne Sitzplätze vermieten dürfen<br />

und grundsätzlich nach Ausführung des<br />

Beförderungsauftrags nicht zu ihrem<br />

Betriebssitz zurückkehren müssen.<br />

Kommunen müssen, insbesondere auch<br />

zum Schutz des ÖPNV, die Möglichkeit<br />

der Steuerung dieser Verkehrsdienste<br />

erhalten.<br />

Um auch außerhalb des ÖPNV eine<br />

reguläre Genehmigungsfähigkeit neuartiger<br />

Pooling-Konzepte sicherzustellen,<br />

wird eine neue Gelegenheitsverkehrsform<br />

„Pooling“ eingeführt. Dieser neuen<br />

Verkehrsform wird die Einzelsitzplatzvermietung<br />

ermöglicht. Der Unternehmer<br />

darf ausschließlich den Bestellmarkt<br />

bedienen, er unterliegt nicht der<br />

Betriebs- und Beförderungspflicht.<br />

Für die neue Verkehrsform „Pooling“ gilt<br />

grundsätzlich keine Rückkehrpflicht. Die<br />

Kommunen erhalten jedoch die Möglichkeit,<br />

für auftragslose Pooling-Fahrzeuge<br />

eine Rückkehrpflicht und deren<br />

Ausgestaltung (etwa Rückkehr zu eigens<br />

eingerichteten Betriebshöfen, Abstellorten<br />

o. ä.) durch kommunale Satzung<br />

oder im Nahverkehrsplan zu regeln. Die<br />

Geltung dieser Regelungen beschränkt<br />

sich auf das Gebiet des jeweiligen<br />

Aufgabenträgers, in dem die Poolingverkehre<br />

durchgeführt werden sollen. Eine<br />

genehmigungsbehördenübergreifende<br />

Bedienung ist nur mit Genehmigung der<br />

angrenzenden Genehmigungsbehörde<br />

gestattet.<br />

Die Kommunen müssen eine zu erreichende<br />

Poolingquote festlegen, um die<br />

Verkehrseffizienz dieser Systeme für den<br />

städtischen Verkehrsraum sicherzustellen.<br />

Die für die Berechnung der Quote zu<br />

verwendende Methodik (Personenkilometer/Fahrzeugkilometer)<br />

gilt bundesweit,<br />

die Festsetzung der konkreten<br />

Höhe erfolgt durch die Kommune. Ein<br />

Monitoring erfolgt durch die jeweils<br />

zuständige Stelle.<br />

<strong>3.</strong>4. Den Kommunen werden abschließend<br />

folgende weitere Steuerungsmöglichkeiten<br />

eingeräumt:<br />

Festlegung eines Tarifkorridors, in<br />

dessen Rahmen der Unternehmer die<br />

Fahrpreise frei festlegen darf. Dabei<br />

muss die zuständige Genehmigungsbehörde<br />

nach Anhörung des kommunalen<br />

Aufgabenträgers verpflichtend einen<br />

Mindestpreis festlegen, der einen hinreichenden<br />

Abstand zu den ÖPNV-Tarifen<br />

sicherstellt / den jeweils geltenden<br />

ÖPNV-Tarif nicht unterschreiten darf.<br />

Darüber hinaus soll die Genehmigungsbehörde<br />

auch einen Höchstpreis für<br />

Poolingverkehre festlegen können.<br />

Möglichkeit einer Kontingentierung<br />

sowie zeitlicher/räumlicher Beschränkungen<br />

der neuen Poolingverkehre, um<br />

die notwendige Steuerung der neuen<br />

Verkehrsart zu erlauben.<br />

Die Kommunen können Vorgaben von<br />

Sozialstandards machen. Die Sozialstandards<br />

werden in der Liste der Steuerungsinstrumente<br />

aber nicht konkret<br />

benannt.<br />

TAXI <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong><br />

13


PBEFG-NOVELLE<br />

TARIFPFLICHT NUR NOCH<br />

BEI WINKER-FAHRTEN?<br />

Bei Bestellfahrten soll es keine Tarifpflicht mehr geben und die<br />

Ortskundeprüfung will Scheuer durch eine „Kleine Fachkunde“<br />

ersetzen. Für Mietwagenfahrer soll diese aber nicht gelten.<br />

Den künftigen Neuerungen für<br />

die „Verkehrsart“ <strong>Taxi</strong> sind im<br />

Eckpunkteentwurf der Findungskommission<br />

zwölf Sätze und sechs Unterpunkte<br />

gewidmet (siehe Kasten). Als wenig<br />

überraschend gilt dabei die Planung, dass<br />

<strong>Taxi</strong>fahrer künftig keine Ortskunde mehr<br />

nachweisen müssen, dafür muss<br />

jedes <strong>Taxi</strong> künftig ein „dem Stand<br />

der Technik entsprechenden Navigationsgerät“<br />

haben.<br />

Wirtschaftlich gesehen wäre der<br />

Wegfall für das <strong>Taxi</strong>gewerbe und<br />

damit der Verlust eines Alleinstellungsmerkmals<br />

(kompetenter Fahrer,<br />

der seine Fahrgäste über die<br />

sinnvollste Fahrtroute beraten kann) ein<br />

geringerer Nachteil als der jetzt bestehende<br />

Wettbewerbsnachteil gegenüber dem Mietwagengewerbe,<br />

denn seit 2017 die Ortskundeprüfung<br />

für Mietwagenfahrer aufgehoben<br />

wurde, leiden die <strong>Taxi</strong>betriebe unter<br />

massivem Personalmangel. Ein Bruchteil<br />

der früheren Zahl an Neueinsteigern ist<br />

heutzutage bereit, sich monatelang zum<br />

<strong>Taxi</strong>fahrer zu qualifizieren, kann man<br />

doch ohne Kenntnisse und Prüfung sofort<br />

bei einem Mietwagenunternehmen einsteigen,<br />

wenn auch oft miserabel bezahlt.<br />

Diese massive Wettbewerbsverzerrung<br />

«Die Versorgung mit <strong>Taxi</strong>s<br />

auf dem Land wäre<br />

damit akut gefährdet.»<br />

Michael Oppermann<br />

wäre mit dem generellen Wegfall der<br />

Ortskundeprüfung aber nicht wirklich<br />

aufgehoben, denn anstelle der Ortskundeprüfung<br />

will der Verkehrsminister eine<br />

„Kleine Fachkunde“ einführen – allerdings<br />

wieder nur für <strong>Taxi</strong>fahrer und nicht für<br />

Mietwagenfahrer.<br />

Die „Kleine Fachkunde“ ist eine 15 Jahre<br />

alte Forderung des <strong>Taxi</strong>gewerbes an die<br />

Politik, dass in einer schriftlichen Prüfung<br />

in deutscher Sprache bei den Genehmigungsbehörden<br />

ein Basiswissen über<br />

die Grundvorschriften zu belegen sind:<br />

Personenbeförderungsrecht, BOKraft,<br />

Quittungsausstellung, spezielles<br />

Straßenverkehrsrecht. Dass dies<br />

nun nur für <strong>Taxi</strong>s, aber nicht für<br />

Mietwagen eingeführt werden soll,<br />

können im <strong>Taxi</strong>gewerbe nur wenige<br />

nachvollziehen.<br />

Vielleicht stellt sich die Frage<br />

aber ohnehin nicht mehr, wenn<br />

tatsächlich die ebenfalls in der<br />

Ziffer vier der Eckpunkte geplante Aufhebung<br />

der Tarifpflicht für den Bestellmarkt<br />

umgesetzt wird. Es ist nur ein Satz, aber<br />

die Folgen wären systemzerstörend: „Auf<br />

dem Bestellmarkt darf der Unternehmer<br />

die Fahrpreise […] frei festlegen.“ Einschränkend<br />

und scheinbar regulierend soll<br />

DIE ECKPUNKTE, ZIFFER 4: TAXIVERKEHR<br />

Um das <strong>Taxi</strong>gewerbe regulatorisch<br />

zu entlasten, wird den zuständigen<br />

Genehmigungsbehörden die Möglichkeit<br />

eingeräumt, die <strong>Taxi</strong>tarifpflicht im<br />

Bestellmarkt zu lockern. Die Ortskundeprüfung<br />

für <strong>Taxi</strong>fahrer wird durch die<br />

Pflicht zur Vorhaltung eines dem Stand<br />

der Technik entsprechenden Navigationsgeräts<br />

ersetzt. Die für Taxen geltende<br />

Betriebs- und Beförderungspflicht<br />

soll beibehalten werden.<br />

4.1. Taxen dürfen weiterhin auf dem<br />

Wink-, Warte- und Bestellmarkt tätig<br />

sein. Dabei gilt auf dem Wink- und<br />

Wartemarkt der mithilfe des Fiskaltaxameters<br />

ortsübliche <strong>Taxi</strong>tarif. Neben dem<br />

klassischen Fiskaltaxameter ist auch<br />

die Nutzung eines zugelassenen Appbasierten<br />

Systems zulässig.<br />

Auf dem Bestellmarkt darf der Unternehmer<br />

die Fahrpreise hingegen frei<br />

festlegen. Kommunen können für den<br />

<strong>Taxi</strong>tarif im Bestellmarkt einen Tarifkorridor<br />

mit Mindest- und Höchstpreisen<br />

vorsehen; für Relationen zu häufig<br />

frequentierten Zielen (z. B. Flughafen,<br />

Bahnhof, Messegelände) können sie bei<br />

Bedarf Streckentarife festlegen.<br />

Taxen haben auch weiterhin die Möglichkeit,<br />

mehrere Personen bzw. Personengruppen<br />

zu transportieren. Lediglich die<br />

(auf Bestellung erfolgende) Einzelplatzvermietung<br />

soll der neuen Verkehrsform<br />

„Pooling“ vorbehalten bleiben.<br />

4.4. Die Ortskundeprüfung für <strong>Taxi</strong>fahrer<br />

wird durch die Pflicht zur Vorhaltung<br />

eines dem Stand der Technik entsprechenden<br />

Navigationsgeräts ersetzt. Als<br />

ein dem Stand der Technik entsprechendes<br />

Navigationsgerät gilt auch<br />

ein Software-basiertes System mit den<br />

oben genannten Funktionen auf einem<br />

Smartphone oder einem entsprechenden<br />

Endgerät.<br />

4.5. Ferner wird ein Kleiner Fachkundenachweis<br />

eingeführt (Regelung im<br />

Fahrerlaubnisrecht).<br />

4.6. Zur Sicherstellung eines flächendeckenden<br />

Angebots von <strong>Taxi</strong>verkehren<br />

auch in der Fläche wird im Gesetz die<br />

Möglichkeit geschaffen, dass die ÖPNV-<br />

Aufgabenträger in Räumen mit einer<br />

generellen oder tageszeitlichen Unterversorgung<br />

entsprechende <strong>Taxi</strong>verkehre<br />

aus öffentlichen Mitteln finanzieren<br />

können.<br />

14 <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong> TAXI


PBEFG-NOVELLE<br />

FOTO: Axel Rühle / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />

Michael Oppermann, Geschäftsführer des<br />

Bundesverbandes <strong>Taxi</strong> und Mietwagen e. V.<br />

den Kommunen noch die Möglichkeit gegeben<br />

werden, für den <strong>Taxi</strong>tarif im Bestellmarkt<br />

einen Tarifkorridor mit Mindest- und<br />

Höchstpreisen und für Relationen zu häufig<br />

frequentierten Zielen (z. B. Flughafen,<br />

Bahnhof, Messegelände) Streckentarife<br />

festzulegen.<br />

„Das bedeutet: Nur wenn die Kommune<br />

will, kann sie den Tarifkorridor mit Mindest-<br />

und Höchstpreisen versehen“, erläutert<br />

Michael Oppermann, Geschäftsführer<br />

des Bundesverbands <strong>Taxi</strong>- und Mietwagen<br />

e. V. (BVTM), gegenüber <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong>. „Der<br />

Tarifkorridor ist somit eine Kann-Lösung,<br />

falls eine Kommune davon abweicht, dass<br />

sie gar keine Tarifvorgabe gibt. Gar keine<br />

Tarifvorgabe zu machen, dürfte dann die<br />

Regel werden.“<br />

Das dürfe nicht passieren, warnt Oppermann,<br />

denn das löse das <strong>Taxi</strong> als Teil der<br />

Daseinsvorsorge zu einem verlässlichen<br />

Preisangebot auf. „Uns wäre ein anderes<br />

Modell deutlich lieber. Wir hätten gerne<br />

einen im Taxameter definierten Tarif, hätten<br />

aber gerne die Möglichkeit, abweichend<br />

davon schon vorher auf Basis der Entfernung<br />

Festpreise anbieten zu können. Aber<br />

nicht nur zu bestimmten Strecken, sondern<br />

auch von A nach B auf Basis von Kilometern<br />

und einer gemittelten Wartezeit. Wenn<br />

der Tarifkorridor so gestaltet wäre, dass<br />

sowas möglich wäre, wäre das ein sinnvolles<br />

Modell und was völlig anderes als das,<br />

was derzeit im Papier steht.“<br />

OMA ZUM ARZT: NUR BEI<br />

HOHEM FAHRPREIS LUKRATIV<br />

Jenes Papier sieht übrigens vor, dass für<br />

<strong>Taxi</strong>fahrten im so genannten „Winke- und<br />

Wartemarkt“ weiterhin der kommunal festgelegte<br />

<strong>Taxi</strong>tarif gelten soll. Dies macht laut<br />

Berechnungen von <strong>Taxi</strong> Deutschland etwa<br />

30 Prozent aller <strong>Taxi</strong>fahrten aus. Somit<br />

ist der Bestellmarkt, also das Rufen eines<br />

<strong>Taxi</strong>s über Telefon, App oder Internet mit<br />

den verbliebenen 70 Prozent der wichtigste<br />

Bereich des <strong>Taxi</strong>gewerbes. Wären die Kommunen<br />

künftig nicht mehr verpflichtet, verbindliche<br />

Beförderungstarife festzulegen,<br />

träten in Deutschland ähnliche Regelungen<br />

in Kraft wie in Finnland und den Niederlanden.<br />

Dies habe dazu geführt, „dass es<br />

außerhalb der Großstädte kaum noch <strong>Taxi</strong>unternehmen<br />

gibt. Die Versorgung auf dem<br />

Land ist damit akut gefährdet“, warnt <strong>Taxi</strong><br />

Deutschland.<br />

Fazit: Über das Für und Wider einer<br />

Ortskundeprüfung darf man weiterhin ausgewogen<br />

diskutieren. Die Aufhebung der<br />

Tarifpflicht für Bestellfahrten ist dagegen<br />

ein absolutes No-Go. Die parallele Absichtserklärung<br />

aus den elf Eckpunkten, dass<br />

die für <strong>Taxi</strong>s geltende Betriebs- und Beförderungspflicht<br />

beibehalten werden soll,<br />

ist dann nur noch Wunschtraum. Wer zur<br />

Beförderung verpflichtet wird, dabei aber<br />

den Preis frei bestimmen darf, wird jenen<br />

Preis bei unbeliebten Fahrten (z. B. Kurzstrecken<br />

zur Arztpraxis) entsprechend<br />

hoch ansetzen. Den Tarif für den Bestellmarkt<br />

unreguliert freizugeben, wäre deshalb<br />

ein fataler Fehler der Politik – nicht<br />

nur am <strong>Taxi</strong>unternehmer, sondern vor<br />

allem an den Fahrgästen. <br />

jh<br />

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TAXI <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong><br />

15


CORONA-KRISE<br />

Hayrettin, Gökay, Cansu und Gül Şimşek<br />

<strong>Taxi</strong>-<strong>Times</strong>-Redakteur<br />

Simi alias<br />

Hayrettin Şimşek<br />

nutzte die Wartezeit<br />

in seinem <strong>Taxi</strong><br />

für diesen Text und<br />

dieses Selfie.<br />

KLEINER FAMILIENBETRIEB,<br />

KLEINERE PROBLEME<br />

<strong>Taxi</strong>-<strong>Times</strong>-Redakteur Simi, Unternehmer mit zwei Taxen, berichtet aus<br />

seiner persönlichen Sicht, wie die Corona-Krise über die Zeit des<br />

Lockdowns hinaus kleine <strong>Taxi</strong>betriebe in Atem hielt und verändert hat.<br />

Die ganze Wirtschaft ächzt unter<br />

den Folgen der Corona-Krise.<br />

Ohne die staatlichen Corona-Hilfen<br />

hätten die meisten Unternehmen schließen<br />

müssen, so auch mein <strong>Taxi</strong>betrieb mit<br />

zwei Konzessionen.<br />

Um die Corona-Pandemie einzudämmen,<br />

wurde das öffentliche Leben Mitte<br />

März heruntergefahren. Schulen mussten<br />

geschlossen werden. Meine Frau Gül,<br />

die bei mir als Angestellte arbeitet, war<br />

gezwungen, zu Hause zu bleiben und auf<br />

unseren Sohn Gökay (11) und Tochter Cansu<br />

(8) aufzupassen. Somit fiel sie ebenfalls<br />

aus, so dass ich jeden Tag ein bis<br />

zwei Stunden länger arbeiten musste.<br />

Wenigstens konnte mein Freund und<br />

Angestellter Kenan (53) mit meinem<br />

zweiten <strong>Taxi</strong> weiterhin arbeiten. Mir<br />

blieb als begeisterter Flughafenfahrer<br />

nichts anderes übrig, als woanders in<br />

der Stadt für meine Einnahmen zu sorgen.<br />

Leicht ist mir diese Veränderung nicht<br />

gefallen.<br />

Kleinunternehmer, die Soforthilfe bei<br />

der Investitionsbank <strong>Berlin</strong> (IBB) beantragt<br />

hatten, konnten sich wenige Tage später<br />

schon über Geld freuen. Immerhin konnten<br />

die Möglichkeiten mit Stundungen für Kreditraten,<br />

Sozialversicherungsbeiträge und<br />

Steuererleichterungen voll ausgeschöpft<br />

werden. Aufgeschoben heißt aber leider<br />

nicht aufgehoben.<br />

Um meine zwei Angestellten nicht<br />

entlassen zu müssen, war ich im April<br />

gezwungen, Kurzarbeitergeld zu beantragen,<br />

weil die Umsätze um mehr als 70<br />

Prozent zurückgegangen waren, obwohl<br />

immer mehr <strong>Taxi</strong>konzessionen vorübergehend<br />

stillgelegt worden waren – was wiederum<br />

dazu führte, dass für die aktiven<br />

Konzessionen ein bis zwei Touren mehr<br />

übrig blieben.<br />

Ein-Wagen-Betriebe ohne Kreditraten<br />

haben es deutlich einfacher als Betriebe<br />

mit Angestellten, aber trotz der staatlichen<br />

Unterstützung mit dem Kurzarbeitergeld<br />

wären Unternehmer nicht in der Lage, ihre<br />

Fahrer zu beschäftigen.<br />

«Wir sind immer noch<br />

weit vom Umsatz vor<br />

Corona entfernt.»<br />

Simi<br />

Das Leben stand still: Messen, Konferenzen<br />

und Veranstaltungen mussten<br />

abgesagt werden. Am Flughafen Tegel<br />

fielen mehr als 95 Prozent der Flüge aus.<br />

An den Bahnhöfen war es genauso leer,<br />

keine Touristen und Geschäftsleute. Doch<br />

auch, wenn nichts los ist: <strong>Taxi</strong>s sind systemrelevant<br />

und fahren trotzdem weiter.<br />

Als Teil des ÖPNV sind sie in Deutschland<br />

verpflichtet, Fahrgäste zu befördern, sofern<br />

nicht anders angeordnet. Um die Fahrer<br />

wie auch die Fahrgäste bestmöglich zu<br />

schützen, haben viele <strong>Taxi</strong>unternehmer,<br />

so auch ich, in ihre <strong>Taxi</strong>s Trennwände eingebaut.<br />

Die aktuell günstigsten Ausführungen<br />

sind aus Folie oder Acrylglas und<br />

kosten rund 20 bis 30 Euro. Die preisliche<br />

Obergrenze bilden feste Trennwände, die<br />

dann auch über den Segen der technischen<br />

Prüfstellen verfügen. Sie sind ab etwa 650<br />

Euro zu bekommen.<br />

Durch die Lockerungen bei den Corona-<br />

Auflagen ist es zwar seit Anfang Mai<br />

spürbar besser geworden, aber der massive<br />

Umsatzrückgang bleibt weiterhin das<br />

Hauptproblem dabei, die laufenden fixen<br />

Betriebskosten zu decken. Das einzige,<br />

was ich von den Lockerungen merke, ist,<br />

dass es mehr Verkehr gibt. Zwar gibt es<br />

mittlerweile mehr zu tun als noch vor<br />

ein paar Wochen, aber es ist weit vom<br />

den Zustand vor Corona entfernt. Statt<br />

fünf Fahrten haben wir jetzt vielleicht<br />

zwei Fahrten pro Schicht. Mein Umsatz<br />

von 25.000 Euro im ersten <strong>Quartal</strong> ist<br />

im zweiten <strong>Quartal</strong> um 17.000 Euro auf<br />

8.000 Euro zurückgegangen.<br />

Seit dem 1. Juli sind die Stundungen<br />

nicht mehr wirksam, und die Zahlungsverpflichtungen<br />

müssen wieder eingefahren<br />

und beglichen werden. Die Finanzierung<br />

für die Autos, die Versicherung,<br />

die Mieten fürs Büro, Steuern, Nebenkosten,<br />

Autoreparatur und -service, das<br />

alles muss bezahlt werden. Wenn sich die<br />

Lage in den nächsten Wochen nicht verbessert,<br />

dann könnte eine Insolvenzwelle<br />

unausweichlich sein. Ohnehin kämpft das<br />

<strong>Taxi</strong>gewerbe gegen eine Konkurrenz, die<br />

mit geltendem Recht und Gerichtsurteilen<br />

nichts am Hut hat. <br />

hs<br />

FOTOS: privat<br />

16 <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong> TAXI


CORONA-KRISE<br />

Stephan Berndt hat den Mut nicht verloren, obwohl Mehrwagenbetriebe es besonders schwer haben.<br />

WAS UNS NICHT UMBRINGT ...<br />

Vom steinigen Weg seines Mehrwagenbetriebes durch die<br />

Corona-Krise mit Stundungen, Staatshilfen und Stilllegungen<br />

berichtet uns <strong>Taxi</strong>-<strong>Times</strong>-Redakteur Stephan Berndt.<br />

FOTO: Axel Rühle / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />

Der unvorhersehbare Umsatzeinbruch<br />

hat das gesamte Gewerbe<br />

brutal erwischt. Da unsere<br />

Fusion gerade mal etwas mehr als ein<br />

Jahr zurück lag und wir kräftig in den<br />

Fuhrpark investiert hatten, traf uns die<br />

Krise besonders hart.<br />

Aber von Anfang: Nach meinem Studium,<br />

ich war 29, gründete ich 1991 den <strong>Taxi</strong>betrieb<br />

Space Cab. Ende 2018 übernahm ich<br />

dazu die noch zehn Jahre ältere Luisenstadt<br />

<strong>Taxi</strong> GmbH, besser bekannt als TiK (<strong>Taxi</strong>schule<br />

in Kreuzberg). Seitdem<br />

habe ich 30 Taxen und bin für 70<br />

Beschäftigte verantwortlich.<br />

Mit dem Austausch alter Limousinen<br />

gegen moderne Großraumtaxis<br />

hatten wir gerade den<br />

Umbruch eingeläutet. Ab Herbst<br />

2019 investierten wir in acht neue<br />

Taxen. <strong>2020</strong> sollten unsere Großraumtaxis<br />

alle rollstuhlgerecht werden, der<br />

Umbau zu einer inklusiven <strong>Taxi</strong>flotte sollte<br />

konsequent fortgesetzt werden. Dann kam<br />

Corona, und die bis dahin rundum gute<br />

Entwicklung kam zum Stillstand – und das<br />

mit acht neuen Fahrzeug-Finanzierungen.<br />

Zunächst suchten wir daraufhin nach<br />

Möglichkeiten, den Betrieb aufrecht zu<br />

erhalten. Intensive Bemühungen, Taxen mit<br />

Trennscheiben auszurüsten und damit vom<br />

Land <strong>Berlin</strong> im Rahmen von Hilfsmaßnahmen<br />

eingesetzt werden zu können, mussten<br />

wir schnell begraben. Wir wurden nicht<br />

als „systemrelevant“ gesehen, obwohl wir<br />

als ÖPNV Teil der Daseinsvorsorge sind.<br />

Medizinisches Personal beispielsweise<br />

fuhren andere.<br />

Ohne das trugen die Umsätze bei Weitem<br />

nicht alle Kosten für die Flotte oder den<br />

gesetzlichen Mindestlohn für das Personal.<br />

Die Fixkosten zwangen uns, den Betrieb<br />

«Wer sich die Förderung für das<br />

Inklusionstaxi entgehen lässt,<br />

braucht auch nicht zu jammern.»<br />

Stephan Berndt<br />

Ende März herunterzufahren. Wir legten<br />

29 von 30 Taxen still und schickten unsere<br />

knapp 70 Leute nach Hause, die etwa 60<br />

pflichtversichert Beschäftigten mit Kurzarbeitergeld<br />

(Kug). Das Kug und zusätzliche<br />

Hilfen durch die Arbeitsagentur sicherten<br />

unsere Mitarbeitenden ab. Die letzten<br />

beiden Märzwochen erhielten alle bereits<br />

zusätzlich zu ihrem Lohn anteilig Kug, am<br />

1. April gingen alle außer dem Geschäftsführer<br />

in Kurzarbeit null. Wir mussten niemanden<br />

entlassen. Nur ein einziges „Test-<br />

<strong>Taxi</strong>“ ließen wir auf der Straße, besetzt mit<br />

Rentnern, denen kein Kug zusteht.<br />

Um zu überleben, mieteten wir einen<br />

Stellplatz für die Taxen, versetzten die Kfz-<br />

Versicherung in eine beitragsfreie Ruheversicherung<br />

und beantragten die Stundung<br />

der Finanzierungen, der Sozialversicherungen,<br />

der Umsatz- und Gewerbesteuer und<br />

der betrieblichen Altersversorgungen. Wir<br />

beantragten die Entbindung<br />

von der Betriebspflicht und<br />

meldeten unsere Taxen bei<br />

der Funkvermittlung ab. Die<br />

BG Verkehr setzte auf Antrag<br />

die Vorauszahlungen für die<br />

Unfallversicherung deutlich<br />

herab. Das alles geht natürlich<br />

nur für eine begrenzte Zeit, da<br />

die Stundungen nur für ein paar Monate<br />

gewährt werden. Bis dahin musste eine<br />

Lösung her, wie es weiter gehen kann.<br />

Bund und Land hatten ja vorgesorgt und<br />

Hilfsprogramme angeboten. Unkompliziert<br />

und schnell zu bekommen war nur<br />

die Soforthilfe I für Solo-Selbstständige<br />

und Kleinstunternehmen. Da wurde so<br />

viel Geld verballert, dass offenbar für grö-<br />

TAXI <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong><br />

17


CORONA-KRISE<br />

ßere Betriebe wie uns nicht mehr genug<br />

zur Verfügung stand. Das unkomplizierte<br />

Verfahren wurde massenhaft zum Betrug<br />

ausgenutzt. Aufgrund des Levels an krimineller<br />

Energie in unserer Gesellschaft sind<br />

Verfahren, die einfach schnell Hilfe leisten<br />

wollen, kaum noch durchführbar.<br />

Stephan Berndt kam als „Trennschutz-<br />

Pionier“ am 20. März in die „Tagesthemen“.<br />

AUCH HILFEN FÜR<br />

GRÖSSERE BETRIEBE<br />

Es gibt aber auch Programme, die auf<br />

meine Betriebsgröße zugeschnitten sind.<br />

Den KfW-Schnellkredit bis zu 500.000<br />

Euro mit 20 Prozent Tilgungshilfe beantragten<br />

wir natürlich als erstes. Diese<br />

„Soforthilfe V“ ist voll über die Kreditanstalt<br />

für Wiederaufbau (KfW) abgesichert,<br />

also ein gutes Instrument, da es über zehn<br />

Jahre zurückzuzahlen ist und weil 20 Prozent<br />

der Darlehenssumme über die angebotene<br />

Tilgungshilfe letztlich eine direkte<br />

Hilfszahlung darstellen. Das Besondere:<br />

Sollte ein Betrieb das Darlehen nicht erhalten<br />

oder nachweisen können, dass es nicht<br />

ausreicht, kann er nachrangig 25.000 Euro<br />

nicht zurückzahlbare Soforthilfe abrufen.<br />

Monatelanger Stillstand und Umsatzeinbußen<br />

von nahezu 100 Prozent können nicht<br />

ausschließlich mit Darlehen finanziert werden,<br />

schon gar nicht in Branchen, die den<br />

Umsatz nicht „nachholen“ können.<br />

22,90€<br />

Zwei Haken hat die Sache. Der KfW-<br />

Schnellkredit ist über die Hausbank zu<br />

beantragen. Unser Konzept und unser Maßnahmenplan<br />

gefielen der Bank sehr gut,<br />

nicht aber unsere aktuellen Zahlen und die<br />

der letzten Jahre. Ich hatte die GmbH sicher<br />

nicht wegen der Zahlen gekauft, sondern<br />

wegen der Mitarbeitenden, in denen ich das<br />

Potential sah, eine Inklusionstaxi-Flotte zu<br />

entwickeln. Die Firma selbst war bis dato<br />

defizitär. Ich hatte gerade erst begonnen,<br />

das zu ändern. Ohne Corona hätte mich das<br />

nicht interessiert, für Fahrzeugfinanzierungen<br />

konnte ich notfalls selbst bürgen.<br />

Doch für den KfW-Kredit war das das K.O.-<br />

Kriterium. Das war der erste Haken.<br />

Nach der Ablehnung des Kreditantrages<br />

wollten wir schnell die nachrangige<br />

Soforthilfe von 25.000,- Euro abrufen.<br />

Doch wo war sie zu beantragen? Auf den<br />

Webseiten der Investitionsbank <strong>Berlin</strong><br />

(IBB) war davon nichts mehr zu finden.<br />

Auf telefonische Nachfrage hieß es, diese<br />

Mittel würden nicht mehr ausgezahlt. Das<br />

hätten im Senat die Ressorts Wirtschaft<br />

und Finanzen beschlossen, da es jetzt ja die<br />

Überbrückungshilfe gäbe. Das war Haken<br />

Nummer zwei. Wir standen noch immer<br />

ohne jede Hilfe da.<br />

Also blieb nur noch die „Soforthilfe VI“.<br />

Da unser Umsatz um weit über 70 Prozent<br />

zurückging, stehen uns für Juni, Juli und<br />

August <strong>2020</strong> Überbrückungshilfen zu.<br />

Erstattet werden bis zu 80 Prozent der fixen<br />

Betriebskosten. Der Antrag ist gestellt, zu<br />

erwarten sind etwa 20.000 Euro. Bis heute<br />

ist noch kein Geld geflossen. Zusätzlich gibt<br />

es ein Programm, über das 50 Prozent der<br />

Mietaufwendungen für April und Mai<br />

beantragt werden können. Auch das haben<br />

wir gerade getan.<br />

Drei Monate hielten uns die Stundungen<br />

über Wasser. Seit die Rückzahlungen laufen<br />

und auch die Fahrzeugfinanzierungen<br />

wieder bedient werden müssen, decken<br />

wir die Kosten durch den Verkauf von<br />

Taxen. Ein paar Fahrzeuge „Luft“ haben<br />

LERNBUCH UND APP<br />

Spezialatlas zum<br />

<strong>Taxi</strong>schein für <strong>Berlin</strong><br />

Das Standardwerk für P-Schein-Anwärter,<br />

Ausbilder und Prüfer zur Klärung von Fragen<br />

zur Ortskunde in <strong>Berlin</strong><br />

Mehr Infos: www.spezialatlas.de<br />

Die Trainings-App (Android; iOS) zur Vorbereitung auf<br />

die P-Schein-Prüfung für <strong>Taxi</strong>fahrer in <strong>Berlin</strong>.<br />

Neu: mit Prüfungssimulation<br />

wir noch. Allerdings sind die Erlöse derzeit<br />

weit unter dem eigentlichen Fahrzeugwert.<br />

Wir fressen uns zum Überleben sozusagen<br />

Stück für Stück selbst auf.<br />

Irgendwann müssen wir aber alle wieder<br />

hochfahren. Unsere Einnahmensituation<br />

normalisiert sich erst, wenn alles wieder<br />

eine Weile geöffnet hat, Großveranstaltungen<br />

stattfinden und Touristen und<br />

Geschäftsleute unterwegs sind, vielleicht<br />

im April 2021. Leider werden Uber, Free<br />

Now und andere, die uns unkontrolliert<br />

außerhalb des gesetzlichen Rahmens<br />

angreifen, immer mehr. Es wird also auch<br />

dann nicht einfach.<br />

TAXIS BESSER AUSLASTEN: KEIN<br />

NACHTEIL FÜR BESCHÄFTIGTE<br />

Die Überbrückungshilfen werden<br />

einige Kosten abdecken und müssen nicht<br />

zurückgezahlt werden. Aufgrund der<br />

endenden Stundungen können wir trotz<br />

eingeschränkter Umsatzerwartungen nicht<br />

länger warten und starten jetzt durch – mit<br />

16 statt 30 Taxen. Die restlichen Genehmigungen<br />

bleiben reaktivierbar. Um den<br />

Umsatz pro <strong>Taxi</strong> zu erhöhen, stellen wir<br />

vom bisherigen Zweischichtsystem auf ein<br />

System mit Früh-, Spät- und Nachtschichten<br />

um. Meine Belegschaft trägt das mit.<br />

Es wurde mit allen besprochen. Es ist zum<br />

Erhalt der Arbeitsplätze alternativlos.<br />

Zudem ermöglicht dieses Arbeitszeitmodell<br />

unseren Beschäftigten, ihren Lohn<br />

mit zusätzlichem Kurzarbeitergeld (Kug)<br />

aufzustocken.<br />

Grundsätzlich ist es im <strong>Taxi</strong>gewerbe<br />

etwas problematisch, mit Kurzarbeitergeld<br />

zu arbeiten. Lediglich Kug-null ist<br />

problemlos anwendbar, wenn alle komplett<br />

in Kurzarbeit sind und der Betrieb ruht.<br />

Sobald aber wieder gearbeitet wird, wird es<br />

schwierig, mit ergänzendem Kug zu arbeiten.<br />

Wenn aber den Mitarbeitenden wegen<br />

wirtschaftlich gebotener Umstrukturierungen<br />

des Betriebes, wie hier durch ein<br />

neues Arbeitszeitmodell, konkret Arbeitszeit<br />

genommen wird, ist das machbar: Alle<br />

arbeiten nachprüfbar weniger. Die Autos<br />

werden voll ausgelastet, unsere Mitarbeiter<br />

sind bestmöglich abgesichert und die Risiken<br />

der Firma werden minimiert. Sobald<br />

die Umsätze steigen, können die ersten Mitarbeiter<br />

aus der Kurzarbeit rausgenommen<br />

und wieder voll eingesetzt werden. Parallel<br />

müssen dann neue Fahrzeuge in Einsatz<br />

gebracht werden.<br />

Der Start mit einem Minimum an Kosten<br />

und mit einer preisgünstigen Flotte gibt<br />

uns die Chance, bei positiver Entwicklung<br />

des Marktes wieder zu expandieren – mit<br />

einer hundertprozentigen Förderung des<br />

Umbaus zum Inklusionstaxi durch das<br />

Land <strong>Berlin</strong>.<br />

sb<br />

FOTO: Axel Rühle / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />

18 <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong> TAXI


FLUGHAFEN TEGEL<br />

WEHMUT UM TXL<br />

Am 8. November soll der Flughafen Tegel für immer geschlossen<br />

werden. Damit fällt – neben einem liebgewonnenen Stück <strong>Berlin</strong> – eine<br />

wichtige Einnahmequelle für Tausende <strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>fahrer weg.<br />

FOTOS: Axel Rühle / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong>, Simi (3)<br />

Im Zuge der bevorstehenden Fertigstellung<br />

des Ausbaus des Flughafens<br />

Schönefeld zum Flughafen <strong>Berlin</strong> Brandenburg<br />

(BER) sollte der Flughafen Tegel<br />

als letzter <strong>Berlin</strong>er Verkehrsflughafen<br />

ursprünglich am Abend des 2. Juni 2012<br />

geschlossen werden. Nach zahlreichen Verschiebungen<br />

des Eröffnungstermins des<br />

BER musste er jedoch bis heute in Betrieb<br />

bleiben, und speziell die TXL-Kutscher<br />

sind über das Hinauszögern der Schließung<br />

alles andere als unglücklich, denn<br />

noch immer ist die Frage offen, ob es am<br />

zukünftigen Flughafen ein Laderecht für<br />

das <strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>gewerbe geben wird oder<br />

nicht.<br />

Günter Clüver<br />

<strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong> sprach mit „eingefleischten<br />

Tegel-Kutschern“ darüber, wie sie nach der<br />

Schließung ihre Brötchen weiter verdienen<br />

werden. <strong>Taxi</strong>unternehmer Günter Clüver<br />

(63) hat als betroffener „TXL-Kutscher“<br />

kaum noch Hoffnung, dass es wieder eine<br />

Verschiebung des BER-Termins geben<br />

wird. Vor der Corona-Krise konnte er in<br />

seiner Schicht bis zu acht Touren am Flughafen<br />

starten. Durch die Pandemie stürzte<br />

das Geschäft auf maximal vier Touren ab.<br />

„Wartezeiten bis zu fünf Stunden blieben<br />

unvermeidlich“, sagt er und spricht davon,<br />

neuerdings „auf die Heimspiele verzichten“<br />

und auswärts, also in der Stadt, sein Glück<br />

versuchen zu müssen. „Leicht ist mir das<br />

Arbeiten in der Stadt nicht gefallen, und<br />

das hat mir wieder gezeigt, dass das Stehen<br />

an den <strong>Taxi</strong>halteplätzen ungewohnt und<br />

langweiliger ist als auf der Palette“, also im<br />

Nachrückebereich am Flughafen Tegel. Er<br />

fürchtet die Zukunft nicht und hofft, dass<br />

schnell noch eine faire Lösung am „neuen<br />

Arbeitsplatz“ BER gefunden wird.<br />

BERLIN OHNE TXL –<br />

FÜR VIELE UNVORSTELLBAR<br />

So ähnlich ergeht es dem Kollegen Mehmet<br />

Demir (49), der bereits über zwanzig<br />

Jahre fast nur am Flughafen seinen Dienst<br />

anbietet. Er will sich ein <strong>Berlin</strong> ohne TXL<br />

gar nicht vorstellen. „Viele Hauptstädte<br />

wären froh über einen innerstädtischen<br />

Flughafen, nur in <strong>Berlin</strong> machen die Politiker<br />

beide zu. Und von der Bürgerwahl<br />

spricht auch keiner mehr.“<br />

Mehmet Demir<br />

Die <strong>Berlin</strong>er hatten am 24. September<br />

2017 per Volksentscheid die Möglichkeit,<br />

ihren Wunsch über den Weiterbetrieb des<br />

Flughafens Tegel kundzutun. Nach dem<br />

offiziellen Ergebnis sprachen sich 56,1 Prozent<br />

der Teilnehmer für den Weiterbetrieb<br />

aus, 41,7 Prozent dagegen.<br />

Der Haken ist: Das Abstimmungsergebnis<br />

ist rechtlich nicht bindend. Deshalb<br />

entschied das Abgeordnetenhaus von <strong>Berlin</strong><br />

im Juni 2018, dass „der mit dem Volksentscheid<br />

,<strong>Berlin</strong> braucht Tegel‘ gefasste<br />

Beschluss vom Senat nicht umsetzbar ist.“<br />

Süleyman Atalay<br />

Die Meinungen der TXL-Kutscher sind<br />

eindeutig: <strong>Berlin</strong> braucht Tegel „Wo sollen<br />

bitteschön die <strong>Berlin</strong>er Taxen hin, wenn<br />

jetzt schon die Kapazität der <strong>Taxi</strong>halteplätze<br />

in <strong>Berlin</strong> ausgeschöpft ist?“, fragt<br />

<strong>Taxi</strong>fahrer Süleyman Atalay (40).<br />

Noch ist kein Ende des Corona-Tunnels<br />

abzusehen, und mit der Schließung kommt<br />

eine weitere Umgewöhnung auf die <strong>Berlin</strong>er<br />

zu – ebenso wie auf die Fahrer aus<br />

dem Landkreis Dahme-Spreewald (LDS),<br />

die künftig neben dem bisherigen Terminal<br />

auch das neue, viel größere bedienen<br />

dürfen – alleine oder doch mit den <strong>Berlin</strong>er<br />

Kutschern gemeinsam.<br />

hs<br />

TAXI <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong><br />

19


TAXI BERLIN<br />

NEUES SCHULUNGSZENTRUM<br />

VOR DER ERÖFFNUNG<br />

Der neue Schulungsraum für Fahrerschulungen<br />

und Informationsveranstaltungen<br />

steht kurz vor der Fertigstellung.<br />

Der geräumige, komplett<br />

sanierte Saal mit seiner Decke aus<br />

freigelegten Ziegelsteinbögen bietet<br />

viel Platz für Teilnehmer(innen) mit<br />

Corona-gerechtem Abstand zueinander<br />

und ist klimatisiert.<br />

Im selben Gebäude wie die Räume<br />

der Verbände befindet sich der neue<br />

Schulungsraum. Man erreicht ihn,<br />

indem man von der Zufahrt aus links<br />

am grünen Teppich vorbei den Hof<br />

quert, auf dem sich rechts das <strong>Taxi</strong>-<br />

Museum befindet. Der Schulungsraum<br />

liegt links. Über den Start der neuen<br />

Kurse werden Sie in Kürze von <strong>Taxi</strong><br />

<strong>Berlin</strong> informiert. <br />

ar<br />

MEHR FUNKAUFTRÄGE<br />

MIT TRENNSCHUTZ<br />

Für viele ist es sechs Monate nach<br />

Beginn der Krise selbstverständlich:<br />

Eine Trennscheibe oder -folie<br />

im <strong>Taxi</strong> gibt Fahrgästen und Fahrern<br />

das Gefühl hoher Sicherheit vor<br />

Ansteckung mit Corona-Viren. Die<br />

schnell aufkommende Nachfrage<br />

war der Anlass, den Trennschutz<br />

als Vermittlungsmerkmal in die<br />

Funkvermittlung aufzunehmen. In<br />

der <strong>Taxi</strong>-<strong>Berlin</strong>-App heißt die Option<br />

„Safe-<strong>Taxi</strong>“, und auch die taxi.eu-App<br />

folgte postwendend. Das gab in Folge<br />

wiederum einen Schub für die bargeldlose<br />

Zahlung – bei <strong>Taxi</strong> <strong>Berlin</strong><br />

eine Selbstverständlichkeit, die viele<br />

Kunden aber beim <strong>Taxi</strong>gewerbe bisher<br />

nicht vermuteten, weshalb es oft für<br />

altmodisch gehalten wird.<br />

Ausführliche Informationen über<br />

mögliche Trennschutz-Lösungen sind<br />

online auf www.taxi-times.com zu<br />

finden. <br />

ar<br />

GRÖSSERER PARKPLATZ,<br />

NEUER EINGANG, E-LADESÄULEN<br />

Das Kundencenter in der Persiusstraße ist momentan Dienstags und Donnerstags von<br />

10 bis 16 Uhr geöffnet. Der Eingang befindet sich jetzt an der Rückseite des gläsernen<br />

Flachbaus, noch näher am Parkplatz – der im Frühsommer vergrößert worden ist, und auf<br />

dem in den nächsten Monaten mehrere Ladesäulen für Elektro-Taxen entstehen sollen.<br />

Im Zuge der Corona-Krise wurden auch intern Dinge modernisiert und ermöglichen nun<br />

mehr bargeldlose Abrechnung und digitale Abwicklung.<br />

Unternehmer können bereits seit Längerem Coupons Tag und Nacht in den Briefkasten<br />

einwerfen. Das Personal für die Couponabrechnung ist verstärkt worden, so dass die<br />

Auszahlung schneller erfolgen kann.<br />

Geschäftsführer Hermann Waldner dankte in einem Newsletter den Unternehmern und<br />

Fahrern, „dass die Abgabe der Coupons über Briefkasten und Kundencenter so schnell und<br />

stressfrei funktioniert, dass Sie Verständnis für die Situation haben und die nötige Geduld<br />

aufbringen, dass sie Rücksicht nehmen und Abstand halten. Das wissen mein Team und ich<br />

sehr zu schätzen.“ <br />

ar<br />

DOPPELFUNK<br />

DEMNÄCHST<br />

AUF EINEM GERÄT<br />

Funkteilnehmer mit Doppelfunk-Verträgen, die derzeit<br />

noch zwei Geräte gleichzeitig in Benutzung haben – auf<br />

einem der WBT-Funk, auf dem zweiten Bärchen-, Würfel-,<br />

Quality- oder Cityfunk – können demnächst aufatmen: Voraussichtlich<br />

Anfang bis Mitte Oktober wird die technische<br />

Einigung vollzogen sein, so dass alle Vermittlungsarten<br />

mit ein- und demselben Android-Smartphone möglich sind.<br />

Ein Mitarbeiter der Fahrer- und Unternehmerbetreuung<br />

(FUB), den die letzten Monate der Zusammenführung<br />

neben seinen zahlreichen weiteren Aufgaben in Atem gehalten<br />

hat, will sich aber nur zu 90 Prozent festlegen: „Jeder<br />

weiß, dass die liebe Technik einem auch immer wieder mal<br />

einen Strich durch die Rechnung macht, wenn man bereits<br />

alle Probleme als so gut wie gelöst ansieht.“ <br />

ar<br />

VERMITTLUNG WIRD<br />

FÜR MORGEN FIT GEMACHT<br />

Die Vermittlungstechnik wird derzeit modernisiert und stärker auf die Fahrer-App<br />

ausgerichtet. Das soll für die Unternehmer einfacher und zeitsparender werden.<br />

Geschäftsführer Hermann Waldner erläuterte: „PDAs können bei Neuanmeldungen<br />

aufgrund der Einschränkung der alten Mobilfunkstandards nicht mehr zugelassen<br />

werden. Zudem wird die Software vom Anbieter nicht mehr aktualisiert, und den<br />

künftigen Sicherheitsanforderungen sind PDA und Touchgerät nicht mehr gewachsen,<br />

zum Beispiel können bargeldlose Zahlungen künftig mit Hilfe von QR-Codes oder<br />

NFC-Technik abgewickelt werden. Man biete deshalb nur noch die Fahrer-App an. „Wir<br />

wollen unseren Teilnehmern etwas Zukunftsträchtiges ermöglichen, Technologien,<br />

die woanders schon Gang und Gäbe sind, und für die wir als Gewerbe bereit sein<br />

müssen, damit wir nicht als altmodisch gelten – das können wir uns im Kampf gegen<br />

globale Anbieter nicht mehr erlauben. Wir empfehlen Endgeräte der Mittelklasse für<br />

etwa 180 Euro, die eine mehrjährige Perspektive bieten. Unsere Teilnehmer berichten<br />

von guten Erfahrungen mit Samsung, Motorola, LG und Nokia.“ <br />

ar<br />

FOTOS: Harald Reinke, Axel Rühle / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />

20 <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong> TAXI


TAXI BERLIN<br />

DRINGENDER<br />

APPELL!<br />

Sehr geehrte Unternehmerinnen und Unternehmer,<br />

bitte stellen Sie sich vor, Sie könnten nicht spontan von zu Hause zu<br />

ihrem Lieblingslokal oder Ihren Freunden fahren, sondern müssten jede<br />

einzelne Fahrt zwei Wochen im Voraus anmelden! Das ist für viele Menschen<br />

mit körperlicher Behinderung leider der normale Alltag, und das<br />

seit Jahren und Jahrzehnten. Der jetzige Senat hat beschlossen, diesen<br />

Missstand mit einem großen finanziellen Kraftakt anzupacken, und profitieren<br />

soll: das <strong>Taxi</strong>gewerbe.<br />

Wir haben Sie bereits darauf hingewiesen: Um den <strong>Taxi</strong>betrieben neue<br />

Einnahmequellen zu erschließen, haben wir gemeinsam mit den Gewerbevertretungen<br />

in den letzten Jahren in Verhandlungen erreicht, dass die<br />

Finanzierung des barrierefreien Umbaus von Taxen vom Senat komplett<br />

gefördert wird und somit für Sie kostenneutral ist. Dieses Geschenk ist<br />

bisher viel zu wenig abgerufen worden, so dass die <strong>Berlin</strong>er Sozialsenatorin,<br />

die ihrerseits viel Arbeit in das Projekt investiert und Geld von der<br />

Finanzverwaltung losgeeist hat, von unserem Gewerbe enttäuscht ist.<br />

Wir dürfen<br />

unseren Ruf<br />

nicht verspielen!<br />

FOTOS: Axel Rühle / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />

Natürlich ist mir klar, dass die meisten Unternehmen momentan existentielle<br />

Probleme haben. Doch auch und gerade deshalb möchte ich zu<br />

bedenken geben, dass die Beförderung behinderter Menschen nicht nur<br />

ein zukunftssicheres, sondern auch ein krisenfestes Marktsegment ist.<br />

Der Sonderfahrdienst hat durch die Corona-Krise sehr viel weniger Auftragsrückgang<br />

als das <strong>Taxi</strong>gewerbe, was zeigt, wie hoch und wie konstant<br />

die Nachfrage ist. Wenn man weiß, dass etwa die Hälfte der Aufträge des<br />

Sonderfahrdienstes auch durch barrierefreie Taxen abgewickelt werden<br />

könnten, wenn sie denn da wären, und dass der Senat den barrierefreien<br />

Umbau von Taxen zu 100 Prozent – bis zu 15.000 Euro – fördert, dann<br />

ist klar, dass dieses Marktsegment uns allen auch ein Stück weit aus der<br />

Krise heraushelfen kann.<br />

Es ist noch nicht ganz zu spät. Wir müssen diese wichtige Einnahmequelle<br />

für unser Gewerbe sichern. Der Antrag beim LAGeSo zahlt sich<br />

aus! Sie bekommen mit barrierefreien <strong>Taxi</strong>s mehr Aufträge. Wenn wir uns<br />

die Chance entgehen lassen, wird die Presse zurecht sagen, so schlecht<br />

könne es dem <strong>Taxi</strong>gewerbe offenbar gar nicht gehen. Und vor allem: Die<br />

Politik will uns das Geschäft geben! Auch die Vorzugsregelung für Inklusionstaxen<br />

am neuen Flughafen ist ein klares Signal in diese Richtung.<br />

Haben Sie Fragen? Wir helfen Ihnen gerne. Wir informieren Sie per<br />

Newsletter und werden zeitnah eine Veranstaltung organisieren, bei der<br />

Sie alles Wichtige von Experten erfahren, unter anderem von <strong>Taxi</strong>unternehmern,<br />

die es gemacht haben und dadurch bereits mehr Geld verdienen.<br />

Herzlichst, Ihr Hermann Waldner<br />

TAXI BERLIN TZB GMBH<br />

Persiusstraße 7, 10245 <strong>Berlin</strong><br />

Telefon: +49 (0)30 / 690 27 20<br />

Telefax: +49 (0)30 / 690 27 19<br />

E-Mail: info@taxi-berlin.de<br />

www.taxi-berlin.de<br />

Öffnungszeiten Kundencenter<br />

und Technikcenter<br />

momentan Di + Do 10 - 16 Uhr<br />

Geschäftsführer<br />

Hermann Waldner<br />

Presserechtlich verantwortlich für<br />

diese Seite: Hermann Waldner<br />

Redaktion: Axel Rühle (ar)<br />

Pressekontakt: presse@taxi-berlin.de<br />

TAXI <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong><br />

21


POLITIK<br />

VERKEHRSPOLITISCHER SPRECHER DER CDU-<br />

FRAKTION IM ABGEORDNETENHAUS VON<br />

BERLIN: OLIVER FRIEDERICI<br />

«ICH WÜRDE DIE<br />

GEPLANTE PBEFG-<br />

NOVELLE VERHINDERN.»<br />

<strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong> sprach mit Oliver Friederici<br />

über <strong>Berlin</strong>er Verkehrspolitik,<br />

die Flughäfen und seine Ablehnung<br />

von Scheuers Eckpunkten.<br />

<strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong>: Herr Friederici, die CDU<br />

in (West-)<strong>Berlin</strong> galt lange Zeit als „windschutzscheiben-fixiert“.<br />

Heute betrachten<br />

Sie ein gleichberechtigtes Nebeneinander<br />

der Verkehrsarten als Zukunftsmodell. In<br />

welchen Bereichen handelt Verkehrssenatorin<br />

Günther in Ihren Augen maßvoll, in<br />

welchen Bereichen nicht?<br />

Auch wir wollen den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur,<br />

mehr Fahrzeuge bei<br />

Bus und Bahn haben. Da macht die Frau<br />

Senatorin eigentlich eine gute Arbeit. Nur<br />

bei den Nahverkehrsverbindungen wie<br />

dem Weiterbau der U-Bahn oder der Zweigleisigkeit<br />

der S-Bahn, da hakt es dann<br />

schon. Diese Senatorin kennt ansonsten<br />

nur den Ausbau des Fahrradverkehrs und<br />

des Straßenbahnverkehrs.<br />

Die neuen Tempo-30-Abschnitte kann ich<br />

nur kritisieren. Die Luft ist heutzutage besser<br />

als die, die ich aus dem alten West-<strong>Berlin</strong><br />

kenne. Fahrverbote hätte man mit einer<br />

Vielzahl von Einzelmaßnahmen umgehen<br />

können, um den Stau einfach aufzulösen:<br />

nicht ständig für Dauerbaustellen sorgen<br />

oder bewusst Verkehrsflächen verkleinern.<br />

Zum Lärmschutz kann man offenporigen<br />

Asphalt einsetzen. Fahrverbote und Tempo<br />

30 sind oft Kampfinstrumente, wie z. B.<br />

auch der Bau von Straßenbahnen in der<br />

Fahrbahnmitte, etwa in der Leipziger<br />

Straße.<br />

In <strong>Berlin</strong> wachsen alle Verkehrsarten:<br />

Am stärksten der Radverkehr, der öffentliche<br />

Nahverkehr auch, aber eben auch der<br />

Autoverkehr. Wir sind eine wachsende<br />

Stadt, und die Menschen sollen nicht stigmatisiert<br />

und bestraft werden, wenn sie<br />

nicht das Fahrrad oder den öffentlichen<br />

Nahverkehr benutzen, sondern mit dem<br />

Auto fahren. Man sollte ihnen Angebote<br />

machen, aber auch klar sagen: Das kostet<br />

auch mal Parkgebühren in der Innenstadt,<br />

und es gibt auch nicht mehr an jeder Ecke<br />

einen Parkplatz.<br />

Wir wollen aber alles ausbauen, auch den<br />

Radverkehr. Wir wollen Fahrradhighways<br />

und Fahrradparkhäuser, wir wollen die<br />

Mitnahme im öffentlichen Nahverkehr verbessern.<br />

Wir wollen den Ausbau des öffentlichen<br />

Nahverkehrs, mehr Fahrzeuge, mehr<br />

Linien bei allen Verkehrsmitteln – aber<br />

auch den Autoverkehr ausbauen. Wir wollen<br />

endlich den 17. Bauabschnitt der A 100,<br />

die TVO und die TV Nord beginnen – und<br />

bitte aufhören, Verkehrsflächen bewusst zu<br />

«Rot-Rot-<br />

Grün macht<br />

Verkehrspolitik<br />

gegen- statt<br />

miteinander.»<br />

Oliver Friederici<br />

verkleinern, um allen Verkehrsarten das<br />

Leben zu erschweren. Damit und durch<br />

Tempo 30 wird auch der Nahverkehr langsamer.<br />

Das ist nicht im Sinne einer modernen<br />

Verkehrspolitik.<br />

In der Kantstraße haben wir jetzt eine<br />

überbreite Radspur, die alle anderen Verkehrsarten<br />

blockiert, auch den Rettungswagen.<br />

In Steglitz in der Schloßstraße<br />

das gleiche – wie sollen denn dort die<br />

Geschäftsleute beliefert werden?<br />

Das passiert, wenn der Wahltermin<br />

näher rückt und die Grünen liefern müssen<br />

gegenüber ihren Wählern. Da werden jetzt<br />

panisch Straßen umgestaltet durch sogenannte<br />

Pop-up-Radwege,<br />

die natürlich ewig bleiben,<br />

falls niemand dagegen klagt.<br />

Oder die Sperrung der Friedrichstraße:<br />

Da wird eine Reihe von<br />

Firmen und Geschäften pleite gehen<br />

und Arbeitslosigkeit wird entstehen. So<br />

kann man nicht gegeneinander Verkehrspolitik<br />

machen.<br />

Das <strong>Taxi</strong>gewerbe leidet stark unter der<br />

unlauteren bis kriminellen Konkurrenz.<br />

Milliardenkonzerne wie Uber und Free<br />

Now bieten taxi-ähnlichen Verkehr an,<br />

was nur durch systematische Rechtsverstöße<br />

möglich ist. Die Behörden unter<br />

Frau Günther und Herrn Geisel sehen<br />

systematisch weg. Der „Berlkönig“ ist eine<br />

überflüssig aus dem Boden gestampfte<br />

Fahrzeugflotte, mit deren Aufgaben Frau<br />

Günther besser das übermäßig vorhandene<br />

<strong>Taxi</strong> betraut hätte. Als Folge stehen<br />

Taxen immer mehr herum, die Betriebe<br />

gehen pleite, während Tausende von Billig-Mietwagen<br />

die Straßen verstopfen und<br />

die Luft verschmutzen. Hinzu kommen<br />

das ungeklärte Laderecht am künftigen<br />

Flughafen, schwarze Schafe in den eigenen<br />

Reihen usw. Wie würden Sie diese<br />

Probleme angehen, wenn Sie im Senat<br />

säßen?<br />

Ich würde verhindern, dass die Novellierung<br />

des Personenbeförderungsgesetzes,<br />

so wie das Bundesverkehrsministerium<br />

es plant, in Kraft tritt, weil z. B. die Rückkehrpflicht<br />

etwas ganz Wesentliches ist,<br />

um rein formalrechtlich kriminelles Treiben<br />

zu unterbinden. Das muss gemeinsam<br />

mit Brandenburg kontrolliert werden. Auch<br />

dort muss Interesse bestehen, das kriminelle<br />

Treiben zu beenden.<br />

Das Modellprojekt Berlkönig funktioniert<br />

in der Innenstadt vielleicht noch, aber<br />

22 <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong> TAXI


POLITIK<br />

a m<br />

Stadtrand<br />

nicht, weil es<br />

sich für die BVG nicht trägt. Die Koalition<br />

erklärt immer, so lange wir den Berlkönig<br />

haben, könne Uber oder Free now in <strong>Berlin</strong><br />

nicht Fuß fassen. Das stimmt nicht, die<br />

sind ja bereits in der Stadt.<br />

Gegen kriminelle schwarze Schafe müssten<br />

drei Senatsverwaltungen – Inneres,<br />

Finanzen und Verkehr – konzertiert viel<br />

stärker vorgehen. Wenn man Rechtsnormen<br />

außer Kraft setzt, beginnen Delikte<br />

sich in einer Gesellschaft auszubreiten.<br />

Mietwagen sind inzwischen schon so<br />

dreist, dass sie mit Aufklebern durch<br />

die Stadt fahren. Ich wundere mich dann<br />

immer, wenn ein Polizeiwagen daneben<br />

steht, dass der einfach vorbei<br />

fährt.<br />

Im Mietwagengewerbe<br />

sehen wir<br />

außerdem zum Teil<br />

gut organisierte<br />

kriminelle Strukturen.<br />

Manche versuchen<br />

mit dieser<br />

Art des Gewerbes<br />

Geld zu waschen,<br />

das muss man<br />

deutlich intensiver<br />

verfolgen.<br />

Ich verweise auf<br />

die Zeit von [CDU-<br />

Innensenator] Frank<br />

Henkel, da gab es<br />

deutlich mehr Kontrollen<br />

im Mietwagengewerbe,<br />

auch konzertiert<br />

mit dem Land Brandenburg.<br />

Ich wünschte mir auch heute,<br />

dass es besser funktioniert, aber<br />

das funktioniert eben leider nicht.<br />

Zum neuen Flughafen: Wenn man<br />

als Land <strong>Berlin</strong> nicht in der Lage ist, sich<br />

mit dem Landkreis Dahme-Spreewald zu<br />

einigen, nicht nur auf einen gemeinsamen<br />

Tarif, sondern auf eine gemeinsame<br />

Regelung, dass der <strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>fahrer die<br />

«Alle <strong>Berlin</strong>er Taxen<br />

müssen am BER<br />

laden dürfen.»<br />

Oliver Friederici<br />

Fahrgäste sowohl zum BER als auch wieder<br />

zurück fahren kann, dann ist das eine<br />

Vielzahl von Maßnahmen, die man verbessern<br />

muss. Vor allem die Menschen, die in<br />

<strong>Berlin</strong> wohnen, nutzen diesen Flughafen.<br />

Es wird eine ganz dramatisch bittere<br />

Zeit: Wir haben momentan 930 Abflüge<br />

pro Woche an beiden Standorten, Tegel<br />

und Schönefeld. Vor einem Jahr waren es<br />

4.500. Es gibt also auch nur ein Fünftel der<br />

Fluggäste. Das ist eine ganz dramatische<br />

Situation, und ich will nicht akzeptieren,<br />

dass der <strong>Taxi</strong>fahrer aus Lübben und Luckau<br />

die Fahrgäste nach <strong>Berlin</strong> transportiert und<br />

gegebenenfalls, weil ja nicht kontrolliert<br />

wird, hier auch noch Fahrgäste aufnimmt.<br />

Ich verstehe nicht, dass das Land <strong>Berlin</strong>,<br />

wenn der Landkreis Dahme-Spreewald<br />

sich nicht in diese Richtung bewegt, nicht<br />

Dampf macht beim Land Brandenburg und<br />

gegebenenfalls die Rechtsnormen für einen<br />

gemeinsamen Tarif direkt mit abschließt.<br />

Auch die Kunden wollen ja Klarheit.<br />

Noch ist ja der Flughafen Tegel offen,<br />

und der ist beliebt, praktisch, liegt zentral<br />

und ist zu normalen Zeiten für die<br />

beiden Länder und den Bund lukrativ.<br />

Die Mehrheit will ihn behalten. Und der<br />

rot-rot-grüne Senat schließt ihn. Was ist<br />

aus der Gegenkampagne der Opposition<br />

geworden?<br />

Das ist nicht so einfach ohne Mehrheit als<br />

Opposition. Wir haben alles versucht: Wir<br />

sind vor Gericht gezogen, wir haben parlamentarische<br />

Abstimmungen gemacht, wir<br />

haben Unterschriftenaktionen gemacht,<br />

aber alles das hat nichts gebracht. Rot-Rot-<br />

Grün ist hier völlig beratungsresistent. Ich<br />

bin sehr frustriert, denn es gibt alte Sozialdemokraten,<br />

die uns immer wieder erklärt<br />

haben, dass Tegel offen bleiben muss – auch<br />

Michael Müller war immer ein großer<br />

Freund von Tegel –, und kaum machen<br />

sie diese Regierung mit, geht das in die<br />

andere Richtung, nur, weil die SPD hier mit<br />

den Linken und Grünen im Boot sitzt. Sie<br />

sagen, Tegel hat momentan 400.000 Fluggäste<br />

im Monat, das lohnt sich nicht mehr.<br />

Das ist aber eine Milchmädchenrechnung.<br />

EIN HALBES LEBEN IM ABGEORDNETENHAUS<br />

FOTOS: Axel Rühle / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong>, privat<br />

Oliver Friederici, 1970 in West-<strong>Berlin</strong><br />

geboren, ging in Lankwitz zur Schule.<br />

Mit 17 Jahren wurde er Mitglied der CDU<br />

und der Jungen Union. Nach dem Abitur<br />

1990 studierte er unter anderem an der<br />

FU <strong>Berlin</strong> Politologie und erlangte 1997<br />

sein Diplom. Schon während seiner<br />

Tätigkeit als Personalchef in einem mittelständischen<br />

Unternehmen zwischen<br />

1998 und 2011 führte seine politische<br />

Karriere über die Zwischenschritte<br />

Ortsvorsitzender, Stellvertretender<br />

Kreisvorsitzender und BVV-Mitglied<br />

ihn 1995 in das Abgeordnetenhaus, seit<br />

1999 sogar mit Direktmandat. Er gehörte<br />

dem BER-Untersuchungsausschuss an<br />

und ist derzeit Vorsitzender des Parlamentsausschusses<br />

für Umwelt, Verkehr<br />

und Klimaschutz und dort CDU-Fachsprecher<br />

für Verkehr und Agrarpolitik.<br />

Auch auf Urlaubsreisen sieht Friederici<br />

sich in jeder Stadt als erstes an, wie die<br />

<strong>Taxi</strong>vorfahrt am Flughafen oder Bahnhof<br />

funktioniert („meist deutlich besser als<br />

am <strong>Berlin</strong>er Hauptbahnhof“) und wie der<br />

ÖPNV organisiert ist.<br />

Oliver Friederici zu Beginn<br />

seiner politischen Laufbahn<br />

TAXI <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong><br />

23


POLITIK<br />

Streifall Flughafen Tegel: Schließung entgegen dem Willen der Mehrheit<br />

Wenn wir wieder 36 Millionen Fluggäste<br />

im Jahr haben, ist der BER trotz Erweiterung<br />

zu klein. Dann werden wir es bitter<br />

bereuen, dass Rot-Rot-Grün in <strong>Berlin</strong> den<br />

Flughafen Tegel geschlossen hat.<br />

Es gibt weitere Beispiele, bei denen die<br />

SPD heute andere Ziele verfolgt als vorher<br />

im rot-schwarzen Senat, z. B. die A<br />

100. Es wurde ja zunächst nur einer der<br />

zwei mit dem Bund vereinbarten Bauabschnitte<br />

begonnen, bis Alt-Treptow. Dann<br />

kamen die Grünen in den Senat, erklärten<br />

den Weiterbau nach Lichtenberg zum<br />

Teufelszeug, die SPD nickte und legte ihn<br />

auf Eis, und das Bundesverkehrsministerium<br />

will die bereits gezahlten Millionen<br />

zurück haben. Wie hoch ist der daraus<br />

resultierende Schaden für die <strong>Berlin</strong>er<br />

Steuerzahler und für den Verkehrsfluss?<br />

Kann man den Fehler noch beheben?<br />

Das Geld muss <strong>Berlin</strong> nicht zurückzahlen.<br />

Es ist beim Bund geparkt und steht<br />

zur Verfügung. Das hat die linke Landesregierung<br />

nicht abgerufen, weil sie den 17.<br />

Bauabschnitt einfach nicht bauen will – ein<br />

kardinaler Fehler, denn der Verkehr ist ja<br />

am Treptower Park, wenn er aus Neukölln<br />

kommt in nordöstliche Richtung, da, und<br />

er wird sich massiv stauen, wenn der 16.<br />

Bauabschnitt fertig ist und der 17. nicht<br />

begonnen wird. Wenn Rot-Rot-Grün weiter<br />

regiert, wird nichts weiter passieren.<br />

Es gibt aber jetzt eine Möglichkeit, diese<br />

Autobahn doch zu bauen. Die Koalition aus<br />

CDU, CSU und übrigens auch SPD im Bund<br />

hat ja, um die Länder zu entlasten, die Bundesbaugesellschaft<br />

zur Errichtung von Bauten<br />

des Autobahnbaus gegründet, so dass<br />

die Länder nicht mehr die Hoheit haben,<br />

Autobahnen zu planen und zu bauen. Darüber<br />

bin ich sehr froh. Man sieht ja hier, was<br />

Landesregierungen verhindern können. In<br />

<strong>Berlin</strong> kommen Linke und Ideologen zum<br />

Zuge, die die Menschen auf’s Fahrrad zwingen<br />

wollen. Wenn wir halbwegs unseren<br />

Wohlstand aufrecht erhalten wollen, wird<br />

es auch Autos geben, zumal wir diese Stadt<br />

auch beliefern müssen.<br />

Deswegen ist es ganz klar unser Plädoyer:<br />

Weiterbau der A 100 vom Treptower<br />

Park nicht nur bis zur Frankfurter Allee,<br />

sondern bis zur Storkower Straße. Das ist<br />

ganz entscheidend, damit es auch darüber<br />

hinaus weitergehen kann. Wenn der Senat<br />

sich hier weiter weigert, kann es durchaus<br />

passieren, dass Bundesverkehrsminister<br />

Scheuer – der ja für viele Sachen gescholten<br />

wird, aber in diesem Fall klar seine Position<br />

hat, die A 100 weiter zu bauen – in<br />

der Lage ist, dann zu planen und den 17.<br />

Bauabschnitt zu bauen ...<br />

... oder sein Nachfolger. Zurück zum<br />

PBefG: Das will Scheuer momentan<br />

„modernisieren“, was aber eher auf das<br />

Gegenteil hinausläuft, denn das wird zu<br />

einer Erosion der Daseinsvorsorge führen.<br />

Sie erklärten ja, dass Sie gegen die<br />

Novellierung des Gesetzes in der Form<br />

sind, wie Scheuer es jetzt plant. Sieht<br />

das der Rest der <strong>Berlin</strong>er CDU ähnlich?<br />

Und wie sehen es die anderen in Scheuers<br />

Bundestagsfraktion?<br />

Ich kann nur sagen, dass in der <strong>Berlin</strong>er<br />

CDU eine gegnerische Position herrscht,<br />

weil die Novellierung des PbefG nichts für<br />

den <strong>Taxi</strong>markt – und eigentlich auch für<br />

die Liberalisierung – bringt. Es ist allerdings<br />

ein Nebenthema.<br />

SENATORIN GÜNTHER WILL VERBRENNER AUSGRENZEN<br />

Noch ist es nicht<br />

durch: <strong>Berlin</strong> soll<br />

nach Vorstellungen<br />

der rot-rotgrünen<br />

Koalition<br />

„klimaneutral“<br />

werden. Verkehrssenatorin<br />

Regine Günther<br />

sorgte Anfang<br />

des Jahres mit der Ankündigung für<br />

Aufsehen, in zehn Jahren Fahrzeugen<br />

mit Benzin- oder Dieselmotoren das<br />

Fahren in der <strong>Berlin</strong>er Umweltzone,<br />

also innerhalb des S-Bahn-Rings, zu<br />

verbieten. Fünf Jahre später soll die<br />

„Zero emission zone“ auf das gesamte<br />

Stadtgebiet ausgeweitet werden.<br />

Der dazu nötige Angebotsausbau<br />

des Linienverkehrs könne durch eine<br />

„City-Maut“, durch eine Nahverkehrsabgabe<br />

für Autofahrer sowie durch<br />

eine Ausweitung und Verteuerung der<br />

Parkraumbewirtschaftung finanziert<br />

werden. Die Senatsvorlage ist allerdings<br />

schon innerhalb der Koalition<br />

umstritten: Der verkehrspolitische<br />

Sprecher der SPD-Fraktion Tino Schopf<br />

sagte, die „City-Maut“ sei „mit uns<br />

nicht zu machen“; der stellvertretende<br />

Fraktionsvorsitzende Jörg Stroedter<br />

nannte die Vorstellungen und Fristen<br />

„unrealistisch“. Linke-Politiker Kristian<br />

Ronneburg bemerkte: „Das ist auch<br />

eine sozialpolitische Frage. Menschen,<br />

die nicht die Möglichkeit haben, sich ein<br />

E-Auto zu kaufen, werden ausgeschlossen.“<br />

Noch schärfer fiel naturgemäß die<br />

Kritik der Opposition aus: Oliver Friederici<br />

von der CDU sagte, Fahrverbote<br />

ab 2030 könne nur jemand fordern,<br />

der die „<strong>Berlin</strong>er Wirklichkeit nur aus<br />

dem Dienstwagen kennt“, zumal der<br />

ÖPNV sich in drei Jahren Rot-Rot-<br />

Grün „zum Krisenfall entwickelt“ habe.<br />

Landesparteichef Kai Wegner nannte<br />

die geplanten Fahrverbote „unsozial,<br />

unrealistisch und unverantwortlich“.<br />

FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja<br />

sprach von einem „einseitigen Kampf<br />

gegen das Auto“ durch die Grünen. „Die<br />

Autofahrer immer weiter zu bestrafen,<br />

wird nur noch mehr Zorn zwischen allen<br />

erzeugen.“<br />

ar<br />

FOTOS: Axel Rühle / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />

24 <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong> TAXI


POLITIK<br />

Ich kann nur aufrufen, dass der Minister<br />

von diesem Vorhaben ablässt. Ich höre<br />

auch aus einigen anderen Bundesländern,<br />

dass man da nicht begeistert ist. Sie müssen<br />

auch sehen: Ich bin ein Vertreter der<br />

CDU – das ist unsere Schwesterpartei CSU,<br />

mit der wir zu 95 Prozent der gleichen Meinung<br />

sind, aber es gibt eben auch mal fünf<br />

Prozent, wo wir nicht einer Meinung sind.<br />

Wir sehen diese sogenannte Liberalisierung<br />

skeptisch, weil sie in relativ kurzer<br />

Zeit ein ganzes Gewerbe vernichtet. In New<br />

York hat es eine ähnliche Liberalisierung<br />

gegeben.<br />

New York hatte früher 40.000 Taxen.<br />

Nach dem Einstieg von Uber und einigen<br />

anderen dubiosen Dienstleistern ist der<br />

<strong>Taxi</strong>markt zusammengebrochen. Es gibt<br />

nur noch zehn Prozent der berühmten<br />

Yellow Cabs. In bestimmte Stadtteile fahren<br />

die Fahranbieter gar nicht mehr, denn<br />

das lohnt sich für die nicht. Und genau<br />

das würde hier auch bei einer Liberalisierung<br />

passieren: Wenn sich das für private<br />

Dienstleister nicht lohnt, dann fahren die<br />

auch nicht dahin. Oder die sind so teuer,<br />

dass Sie drei Taxen bestellen könnten.<br />

Deswegen lehne ich dieses [geplante]<br />

PBefG ab und kann nur anheimstellen, dass<br />

das Land <strong>Berlin</strong> sich dagegen ausspricht.<br />

Soweit ich gehört habe, ist die jetzige Landesregierung<br />

der gleichen Meinung. Also<br />

hier lobe ich deren Position einmal, aber es<br />

ist so ziemlich das einzige, wo ich mit SPD,<br />

Linken und Grünen in der Verkehrspolitik<br />

übereinstimme.<br />

Das wird sicher viele im <strong>Taxi</strong>gewerbe<br />

freuen zu hören. Kommen wir zu einem<br />

sehr aktuellen Thema, das auch den<br />

Senat betrifft: Das Inklusionstaxi ist als<br />

Projekt noch nicht ins Rollen gekommen,<br />

obwohl das Land die Umrüstung eines<br />

Autos zu 100 Prozent fördert. Gewerbevertreter<br />

versuchen verzweifelt, Unternehmer<br />

dazu zu bewegen, sich so ein<br />

Streitfall 16. und 17. Bauabschnitt der A 100: bei Eröffnung unfertig.<br />

lukratives Geschäftsfeld nicht entgehen<br />

zu lassen. Eine Idee ist, dass das Land<br />

Inklusionstaxis anschafft und diese den<br />

<strong>Taxi</strong>unternehmen per Leasing anbietet.<br />

Sehen Sie darin eine Alternative, den<br />

Individualtransport für Rollstuhlfahrer<br />

zu fördern?<br />

Warum die <strong>Taxi</strong>fahrer das bislang nicht<br />

machen, kann ich nicht sagen. Ich finde es<br />

auch schade. Aber wenn es staatlicherseits<br />

gewünscht ist, wäre eine Leasing-Lösung<br />

denkbar. Es gibt eine Stadt, die das macht,<br />

nicht nur für Inklusionstaxis, sondern<br />

für alle <strong>Taxi</strong>s: Singapur. Deren 25.000 bis<br />

30.000 <strong>Taxi</strong>s sind in der Regel Eigentum<br />

der Stadt, und die verleast das <strong>Taxi</strong> und die<br />

Dienstleistung. Es wäre eine Möglichkeit,<br />

die Sorge vor dem Risiko aus dem Gewerbe<br />

zu nehmen. Eine solche Erweiterung des<br />

Serviceangebots im <strong>Taxi</strong> würde anderen<br />

Fahrdienstanbietern den Wind aus den<br />

Segeln nehmen.<br />

Wie man hört, soll Frau [Sozialsenatorin]<br />

Breitenbach vom <strong>Taxi</strong>gewerbe so<br />

enttäuscht sein, dass sie schon überlegt,<br />

ob sie den Berlkönig ins Boot zu holen<br />

versucht.<br />

Mit dem Berlkönig wird Inklusion für<br />

ganz <strong>Berlin</strong> nicht funktionieren. Die BVG<br />

hat den Berlkönig initialisiert, um von sich<br />

aus – so sagen sie es – die anderen Fahrdienstleister<br />

wie Uber aus dem Markt zu<br />

halten. Das ist sehr teuer. Wenn die BVG<br />

jetzt mit dem Berlkönig in ausgewählte<br />

Bereiche der Außenstadt geht, wird das<br />

noch teurer. Ich glaube nicht, dass die BVG<br />

und das Land das finanzieren können und<br />

wollen. Das, was Frau Breitenbach sagt,<br />

halte ich für unrealistisch. Da ist die Einführung<br />

eines Inklusionstaxis besser und<br />

auf Dauer günstiger.<br />

Das Modell Leasing-<strong>Taxi</strong> sollte man einfach<br />

modellhaft mal versuchen. Dieser Mut, mal<br />

Neues zu versuchen, geht leider in der Verkehrspolitik<br />

wie in vielen anderen Dingen<br />

verloren: auch endlich den großen Schritt in<br />

der Elektromobilität zu wagen. Es braucht<br />

noch Ladestellen. Hier fehlt der Mut auf der<br />

Koalitionsseite. Dazu rufe ich auf, dafür stehe<br />

ich, dass man das in der nächsten Wahlperiode<br />

deutlich verbessert. Wollen wir mal<br />

sehen, wie die Wähler wählen. <br />

Das Gespräch führte Axel Rühle Ende<br />

August. Zur aktuellen Vereinbarung betreffs<br />

Flughafen BER siehe Kasten auf Seite 26.<br />

SHK-Rechtsanwälte<br />

Martina Schweickhardt<br />

Rechtsanwältin & Notarin<br />

Notariat<br />

Verkehrsrecht<br />

Strafrecht<br />

Zivilrecht<br />

Daniel Herbst<br />

Rechtsanwalt<br />

Nachodstraße 19<br />

10779 <strong>Berlin</strong><br />

(im Erdgeschoss)<br />

Telefon: 030 / 210 023 40<br />

André Klemm<br />

Rechtsanwalt<br />

TAXI <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong><br />

25


POLITIK<br />

Flughafen <strong>Berlin</strong> Brandenburg (Wochen vor der Eröffnung)<br />

GÜNTHERS DILEMMA<br />

Am Flughafen BER dürfen zunächst nur 300 <strong>Berlin</strong>er Taxen und 300<br />

LDS-Taxen laden. Letztere dürfen sich künftig auch in <strong>Berlin</strong> bereithalten.<br />

Mehr hat LDS-Landrat Loge dem <strong>Berlin</strong>er Gewerbe nicht zugestanden.<br />

Seit <strong>Berlin</strong>er Taxen in Schönefeld nicht mehr laden dürfen,<br />

suchten die hiesigen Verbände immer wieder das<br />

Gespräch im Landkreis Dahme-Spreewald (LDS), mal mit<br />

dem <strong>Taxi</strong>gewerbe, mal mit der Politik.<br />

Sie wurden nicht an den Verhandlungstisch gebeten, als die<br />

<strong>Berlin</strong>er Verkehrsverwaltung auf den letzten Drücker am 19.<br />

September mit dem LDS-Landratsamt besiegelte, dass am BER<br />

zunächst je 300 Taxen aus <strong>Berlin</strong> und dem LDS „gleichberechtigt“<br />

laden dürfen – und letztere sich in <strong>Berlin</strong> an alle Halteplätze stellen<br />

dürfen. Oder anders betrachtet: Die LDS-Taxen werden knapp zwei<br />

Prozent des <strong>Berlin</strong>er Geschäftes abbekommen, die <strong>Berlin</strong>er Taxen<br />

dafür 50 Prozent des Flughafengeschäfts.<br />

Verkehrssenatorin Regine Günther bezeichnete das als „sehr gutes<br />

Ergebnis im Interesse beider Länder“, wovon auch die <strong>Taxi</strong>unternehmen<br />

und Kunden profitieren würden. Diese Meinung teilen<br />

nicht viele. Sowohl ihr vermeintlicher Alleingang als auch das<br />

Ergebnis haben in <strong>Berlin</strong> für Empörung gesorgt. Doch LDS-Landrat<br />

Stefan Loge sitzt am längeren Hebel. Er vertritt die Interessen des<br />

LDS und damit „seines“ <strong>Taxi</strong>gewerbes. Somit war ihm nicht mehr<br />

als dieser Kompromiss abzuringen.<br />

Nicht nur bei den <strong>Berlin</strong>er Gewerbeverbänden herrscht Ernüchterung.<br />

Für lebhaften Streit sorgte die die Vereinbarung auch<br />

im Abgeordnetenhaus. Der FDP-Abgeordnete Henner Schmidt<br />

kritisierte, die Regelung schaffe „<strong>Taxi</strong>s erster und zweiter Klasse“,<br />

WAS VEREINBART WURDE<br />

Die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz<br />

(SenUVK) hat in einer Presseerklärung mitgeteilt, dass ab<br />

der Eröffnung 300 Taxen aus <strong>Berlin</strong> und 300 aus dem LDS<br />

„gleichberechtigt“ am BER laden dürfen – was bei Bedarf von<br />

2 x 300 auf 2 x 550 erhöht werden kann. LDS-Taxen dürfen<br />

sich an alle <strong>Berlin</strong>er Halteplätze stellen, jedoch nicht mit<br />

leuchtender Fackel fahren und Winker aufnehmen.<br />

Die Auswahl der <strong>Berlin</strong>er Taxen trifft das Landesamt für<br />

Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) in einem<br />

„transparenten Verfahren“: Bis zehn Prozent werden Inklusionstaxen<br />

genommen, der Rest wird verlost. Die Lizenzen<br />

gelten befristet, um Wechsel zu ermöglichen.<br />

Beförderungspflicht vom BER aus besteht nach <strong>Berlin</strong> und in<br />

30 brandenburgische Kommunen von Potsdam über Zossen<br />

bis Grünheide (Mark). <strong>Berlin</strong>er Fahrer müssen ihre Ortskenntnisse<br />

nach Auskunft des Straßenverkehrsamtes nur für das<br />

BER-Pflichtfahrgebiet nachweisen. Von einer entsprechenden<br />

Prüfung wusste man aber beim Straßenverkehrsamt des LDS<br />

auf Nachfrage Ende September noch nichts.<br />

Die Adresse, an der <strong>Berlin</strong>er Fahrer sich dann anmelden müssen,<br />

liegt in Königs Wusterhausen, 2 km vom S-Bhf. entfernt<br />

an der Bushaltestelle „Fontane-Center“:<br />

LDS, Straßenverkehrsamt – Fahrerlaubnisbehörde,<br />

Fontaneplatz 10, 15711 KW, Tel.: 03375 26-2678 und -2679,<br />

strassenverkehrsamt@dahme-spreewald.de<br />

Den vollständigen Wortlaut der Vereinbarung wollte uns<br />

SenUVK nicht mitteilen. Dafür erfuhren wir, dass <strong>Taxi</strong>unternehmer<br />

sich bis zum 12. Oktober (Eingangsstempel) beim<br />

LABO bewerben können, wobei Name und Anschrift des<br />

Unternehmens sowie die Ordnungsnummer(n) und Kfz-Kennzeichen<br />

der Taxe(n) anzugeben sind. Bei Inklusionstaxen bitte<br />

außerdem Kopien der Fahrzeugscheine mitschicken.<br />

Adresse: post.fahrerlaubnis@labo.berlin.de oder<br />

LABO, III C 3, Puttkamerstr. 16-18, 10969 <strong>Berlin</strong><br />

FOTOS: Axel Rühle / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />

26 <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong> TAXI


POLITIK<br />

nämlich der vier von hundert, die nach dem Absetzen von Fahrgästen<br />

in Schönefeld anschließend auch laden dürften, und der<br />

96, die leer zurückfahren müssen. Er forderte ein Laderecht am<br />

BER für sämtliche <strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>s und einen einheitlichen Tarif.<br />

Tino Schopf (SPD) begrüßte die Vereinbarung. Er hält 600<br />

Taxen für zunächst ausreichend, da der Flughafen an ÖPNV und<br />

Straße gut angeschlossen sei. Den „ganzen ökonomischen und<br />

ökologischen Unsinn der letzten Jahre“ nannte er „somit passé“.<br />

Die fehlende Tarifverständigung bezeichnete aber auch er als<br />

absurd, obwohl seine Partei als Koalitionspartner die Vereinbarung<br />

mitträgt.<br />

Oliver Fiederici (CDU) entgegnete, Günthers Vereinbarung sei<br />

weder ein Erfolg noch ein guter Kompromiss, sondern eine „ganz<br />

klare Nachteilsregelung für das <strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>gewerbe“. Zudem<br />

dürften die <strong>Taxi</strong>s aus dem LDS mit der Vereinbarung nicht nur<br />

„überall nach <strong>Berlin</strong>“, sondern auch „in <strong>Berlin</strong> hin- und herfahren“,<br />

„denn Sie wissen, das wird überhaupt nicht kontrolliert.“<br />

Kristian Ronneburg (Die Linke) nannte das „Rumgemäkel“<br />

der CDU „durchschaubar“. Die Vereinbarung sei immerhin ein<br />

Schritt und gut für die Fluggäste und gut für die Metropolregion<br />

<strong>Berlin</strong>/Brandenburg. Das Laderecht der LDS’ler in <strong>Berlin</strong> sei eine<br />

„ordentliche Konkurrenz“, und natürlich müsse sichergestellt<br />

werden, dass <strong>Taxi</strong>s aus dem Landkreis „wirklich nur an den <strong>Taxi</strong>-<br />

Haltepunkten Fahrgäste<br />

aufnehmen. Wie wird<br />

das kontrolliert? Ist das<br />

LABO in der Lage?“ Aus<br />

dem Mund eines Oppositionspolitikers<br />

wären solche<br />

Fragen plausibel. Ein<br />

Koalitionsmitglied ist eher<br />

für Antworten zuständig.<br />

Paul Fresdorf (FDP)<br />

nannte die Worte Ronneburgs<br />

„an Hohn und Spott<br />

nicht zu überbieten“. Der<br />

Senat lasse sich vom LDS<br />

vorführen, komme „mit<br />

so einer Minimal-Lösung<br />

für die <strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>s um<br />

die Ecke“ und wolle das<br />

Zwischen unvereinbaren Interessen: als Erfolg feiern. „Das ist<br />

Verkehrssenatorin Regine Günther lächerlich, Herr Ronneburg.<br />

... Sie haben keine<br />

Lösung für die <strong>Taxi</strong>fahrer dieser Stadt geschaffen, stattdessen<br />

verhöhnen Sie sie. Es ist wirklich peinlich.“ Ronneburg erwiderte,<br />

er lasse sich „von so einer klassischen Lobbyistenpartei wie der<br />

FDP für Uber & Co.“ nicht vorwerfen, mit dem <strong>Taxi</strong>gewerbe verächtlich<br />

umzugehen. „In welcher Welt leben Sie denn eigentlich?“<br />

Das sei „einfach nur wirklich Gezeter von der Opposition“.<br />

Frank Scholtysek (AfD) bezeichnete die Vereinbarung, die<br />

„immer nur für ein Jahr gültig“ sei, als gänzlich unausgegoren<br />

und fragte, wer eigentlich bestimme, welche <strong>Taxi</strong>s am BER laden<br />

dürfen: ob das ausgelost werde, ob es die bekämen, die die besten<br />

Kontakte in die <strong>Berlin</strong>er Senatsverwaltungen haben, oder ob<br />

die Erlaubnisse meistbietend versteigert würden. Die Zukunft<br />

der <strong>Taxi</strong>branche sei dem Senat nicht wichtig, was sich auch „im<br />

Bekenntnis zu immer neuen Mobilitätsexperimenten mit unterschiedlichsten<br />

Anbietern“ widerspiegele. Die Schließung des Flughafens<br />

Tegel sei ein weiterer Sargnagel des <strong>Taxi</strong>gewerbes, das<br />

„vom Senat ... ohnehin schon aufgegeben wurde“.<br />

Harald Moritz (Grüne) verteidigte die Vereinbarung. Man habe<br />

mit „ebenbürtigen“ Partnern verhandelt und solle sich an die<br />

eigene Nase fassen und nicht so überheblich sein; die Brandenburger<br />

hätten auch Rechte. „Von daher ist es eine faire Aushandlung,<br />

dass paritätisch aus LDS und <strong>Berlin</strong> Taxen da laden können.“<br />

Seinen Widersacher Friederici (CDU) fragte Moritz: „Was<br />

haben Sie denn 2012 getan, als die <strong>Berlin</strong>er Taxen nicht mehr<br />

am Flughafen Schönefeld laden konnten? Gar nichts! Hier große<br />

Töne spucken, aber ansonsten ist da nichts dahinter!“ Allerdings<br />

war 2012 Michael Müller (SPD) Verkehrssenator. An den in <strong>Berlin</strong><br />

ladeberechtigten LDS-Taxen werde es laut Moritz eine nicht<br />

ablösbare Kennzeichnung geben. Die Frage nach der Auswahl<br />

der ladeberechtigten <strong>Berlin</strong>er Taxen beantwortete Moritz so: Die<br />

Unternehmer könnten beim LABO Anträge stellen, „und wenn<br />

viel mehr Anträge reinkommen als Plätze da sind, ... wird das<br />

Los entscheiden.“<br />

Was die Tarife betrifft, sind Taxen aus dem LDS derzeit meist<br />

etwas preisgünstiger, außer nachts am Flughafen mit „sperrigem“<br />

Gepäck oder bei langen Fahrten. Das Problem der unterschiedlichen<br />

Tarife wollen Regine Günther und ihr Staatssekretär Ingmar<br />

Streese in den nächsten Monaten lösen. <br />

ar<br />

ZU WENIG HERAUSGEHOLT?<br />

Ein Kommentar von Axel Rühle<br />

Wir wissen nicht, ob Verkehrssenatorin Günther ausschließlich<br />

mit dem Landrat verhandelt hat, oder – wie ihr<br />

Parteifreund Stefan Gelbhaar vor Jahren riet – mit dem<br />

brandenburgischen Infrastrukturministerium, also auf<br />

Augenhöhe, Bundesland mit Bundesland. Oder mit beiden.<br />

Für ihre Verhandlungsposition hätte es vermutlich keinen<br />

Unterschied gemacht. Die BER-<strong>Taxi</strong>halteplätze liegen im<br />

LDS, und was das bedeutet, ist bekannt: Die dortige Aufsichtsbehörde<br />

bestimmt, welche Taxen laden dürfen.<br />

Da am BER konträre Interessen aufeinandertreffen und<br />

vorher keine Vereinbarung getroffen wurde, schieden auch<br />

Lösungen aus, wie sie für die Flughäfen Frankfurt am Main<br />

(Eingemeindung des Flughafengeländes in die Metropole)<br />

oder München (Einigung zwischen Landkreisen desselben<br />

Bundeslandes) gefunden wurden. So geriet <strong>Berlin</strong> in eine<br />

Bittstellerposition.<br />

Vielleicht hätte die Empörung über die Vereinbarung sich<br />

in Grenzen gehalten, wenn Regine Günther sie nicht als<br />

„großen Erfolg“ bezeichnet hätte, sondern als das, was sie<br />

ist: ein unbefriedigender, schmerzlicher Kompromiss – für<br />

den Klimaschutz wie für das <strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>gewerbe, für<br />

das zu wenig herausgesprungen ist – aber eben das, was<br />

herauszuholen war.<br />

Viele Fragen müssen noch kurzfristig beantwortet werden.<br />

Es kann nicht sein, dass <strong>Berlin</strong>er Fahrer ab dem 31.<br />

Oktober Ortskenntnisse nachweisen müssen, für die eine<br />

Prüfung noch nicht einmal konzipiert ist, und dass der<br />

Fahrpreis für Einsteiger am BER ein kleines Glücksspiel ist.<br />

Man kann der Verkehrssenatorin vieles vorwerfen. Man<br />

kann sie aber nicht dafür verurteilen, dass ihre Verhandlungsposition<br />

in diesem Fall nicht mehr hergegeben hat.<br />

Hätte sie die Vereinbarung abgelehnt, würden den Flughafen<br />

auf Jahre nur die LDS-Taxen bedienen. Dazu müssten<br />

es nur mal eben ein paar hundert mehr werden. Dafür würden<br />

sich ganz sicher sofort bestimmte <strong>Berlin</strong>er Unternehmer<br />

hergeben, die scharf darauf sind, ihre Taxen im LDS<br />

ohne Fiskaltaxameter zu betreiben. Wäre das besser? So<br />

hat das <strong>Berlin</strong>er Gewerbe wenigstens einen Fuß in der Tür<br />

und kann in weiteren Verhandlungen darauf aufbauen.<br />

TAXI <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong><br />

27


WETTBEWERB<br />

Plattform-Kapitalismus im Zeitraffer<br />

FREE NOW EIFERT UBER NACH<br />

Obwohl der Senat das <strong>Taxi</strong>gewerbe eigentlich vor Free Now, Uber und<br />

anderen fragwürdigen Anbietern schützen will, sind in <strong>Berlin</strong> offiziell<br />

bereits über 4.000 Mietwagen unterwegs. Ihre Anzahl steigt täglich.<br />

Heute, gut zehn Jahre nachdem<br />

„mytaxi“ mit seiner Bestell-App<br />

den Markt aufzumischen begann,<br />

haben sich alle damaligen Warnungen<br />

mehr als bewahrheitet. Der Wolf hat sich<br />

des Schafspelzes entledigt und „mytaxi“<br />

ist zu Free Now mutiert. BMW Group<br />

und Daimler AG haben ihre Kräfte in der<br />

gemeinsamen Plattform „Ride“ gebündelt.<br />

Mittlerweile wurden die Fahrdienst-Vermittler<br />

Beat (Griechenland, Peru, Chile,<br />

Kolumbien und Mexiko), Kapten (Frankreich,<br />

Großbritannien, Portugal und die<br />

Schweiz) und Clever (Rumänien) allesamt<br />

geschluckt.<br />

Damit ist Free Now alleine in Europa<br />

in bereits neun Ländern aktiv. Ziel ist es,<br />

weltweit der führende Ansprechpartner für<br />

alle wichtigen Mobilitätsdienste zu werden<br />

und sich – nach jüngsten Aussagen des<br />

Deutschlandchefs von Free Now, Alexander<br />

Mönch – auch verstärkt Drittanbietern<br />

zu öffnen. So können mittlerweile bereits<br />

E-Tretroller von Voi über die Free-Now-App<br />

gebucht werden.<br />

SIXT HILFT DEM TAXI<br />

AUF DEN WELTMARKT<br />

Allen im <strong>Taxi</strong>gewerbe, die die Zusammenarbeit<br />

mit Sixt bisher skeptisch<br />

betrachten, sei gesagt, dass diese vorausschauende<br />

Zusammenarbeit wahrscheinlich<br />

die momentan einzige Chance ist, <strong>Taxi</strong>s<br />

auf einer großen Mobilitätsplattform anzubieten,<br />

ohne Gefahr zu laufen, dass dort<br />

die eigenen Kunden abgeworben werden.<br />

Niemand kann mehr den Wert der klassischen<br />

Funkzentralen leugnen. Sie werben<br />

Herwig Kollar, Rechtsanwalt für die <strong>Taxi</strong><br />

Deutschland eG und Vizepräsident des<br />

Bundesverbandes <strong>Taxi</strong> und Mietwagen e. V.<br />

und wahren Kunden ausschließlich für das<br />

<strong>Taxi</strong>gewerbe. Free Now dagegen gibt <strong>Taxi</strong>kunden<br />

fleißig weiter in Mietwagen.<br />

Das Wort <strong>Taxi</strong> ist nicht nur aus dem Firmennamen<br />

verschwunden, das gesamte<br />

Geschäft des kleinteilig organisierten <strong>Taxi</strong>gewerbes<br />

soll übernommen und bestehende<br />

Strukturen vernichtet werden. Auch hier<br />

drängt sich der Vergleich mit Uber auf, und<br />

es ist offensichtlich, wie diese Konzerne um<br />

den Beförderungsmarkt kämpfen.<br />

Kollaborateure unter den <strong>Taxi</strong>unternehmern<br />

und -fahrern haben es dem Gegner<br />

leicht gemacht, im Personenbeförderungsmarkt<br />

Fuß zu fassen. Während viele dieser<br />

Kollegen heute ihren Seitensprung<br />

bereuen, bauen andere ihre ehemaligen<br />

<strong>Taxi</strong>flotten zu Mietwagenflotten um. Als<br />

das „Gesicht des Verrats“ dürfte der ehemalige<br />

<strong>Taxi</strong>-Großunternehmer Thomas<br />

Mohnke gesehen werden, der mit der Übernahme<br />

des <strong>Berlin</strong>er Fahrdienstes „RocVin“<br />

den Beginn einer engen Zusammenarbeit<br />

mit Uber startete. Schnell das kurze<br />

Schwarze übergestreift, lässt Mohnke mit<br />

der SafeDriver Group GmbH bundesweit<br />

Mietwagen für das US-Unternehmen Uber<br />

rollen.<br />

Vieles deutet allerdings mittlerweile<br />

darauf hin, dass mit Mietwagen, neben<br />

den Fahraufträgen des US-Konzerns, auch<br />

Fahrten für Free Now ausgeführt werden,<br />

was im Übrigen bei fast allen Subunternehmen<br />

gängige Praxis ist. Jobangebote von<br />

Mietwagenunternehmen, in denen Fahrer<br />

für Uber und Free Now gesucht werden,<br />

beweisen, dass Mietwagenunternehmen<br />

für beide Anbieter unterwegs sind.<br />

Ist es da nicht naheliegend zu fragen,<br />

ob Free Now die Rückkehrpflicht und<br />

Auftragsannahme am Betriebssitz des<br />

Mietwagenpartners ebenso handhabt wie<br />

Uber? Es gibt in der App jedenfalls keine<br />

klaren technischen Möglichkeiten, die<br />

entsprechende Verstöße durch die Mietwagenpartner<br />

rechtssicher ausschließen.<br />

Die <strong>Taxi</strong> Deutschland eG und deren Anwalt<br />

Herwig Kollar lassen das bereits intensiv<br />

beobachten und werden auch gegen Free<br />

Now gerichtlich vorgehen, sollten Verstöße<br />

nachgewiesen werden. Entsprechend der<br />

Feststellung des Landgerichts Frankfurt<br />

am Main im Fall Uber stellt sich zudem<br />

die Frage, ob nicht genauso Free Now<br />

eine eigene Mietwagenlizenz beantragen<br />

müsste.<br />

GRAFIK: Jérôme Kirschkowski; FOTO: Axel Rühle / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />

28 <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong> TAXI


WETTBEWERB<br />

Besonders brisant ist die Marke „Free Now<br />

Ride“, die gezielt Uber angreifen will und<br />

das <strong>Taxi</strong>gewerbe dafür ausbluten lassen<br />

könnte. Bisherige <strong>Taxi</strong>kunden werden<br />

durch umfangreiche und kostenintensive<br />

Marketingmaßnahmen und durch Preisdumping<br />

zur Bestellung eines Mietwagens<br />

geködert. Dem <strong>Taxi</strong>gewerbe gehen<br />

sie dadurch verloren.<br />

Beispiele dafür gibt es bereits genug.<br />

Bei der Markteinführung in Düsseldorf<br />

wurden Fahrten im gesamten Stadtgebiet<br />

für maximal 9,99 Euro angeboten, im September<br />

2019 wurde mit dem Slogan „Mit<br />

App und Ride für 5 Euro durch <strong>Berlin</strong>“<br />

geworben und im Februar <strong>2020</strong> in der<br />

„Bild“-Zeitung <strong>Berlin</strong> mit „Nutze unseren<br />

20 Euro Gutschein als Neukunde bei Free<br />

Now“, „Gutschein: die erste Fahrt gratis<br />

bei Free Now“ und mit „10 € Guthaben fürs<br />

Freunde werben bei Free Now“.<br />

Diese Angebote liegen allerdings preislich<br />

nicht nur unter dem <strong>Taxi</strong>fahrpreis,<br />

sondern auch unter der Wirtschaftlichkeitsgrenze.<br />

So etwas nennt sich „unfair<br />

advantage“, den Großkonzerne nun eben<br />

einmal gegenüber Familienbetrieben<br />

haben. Langfristig rechnet sich das aber<br />

nur dann, wenn es gelingt, die Konkurrenz<br />

auszuschalten um dann die Preise zu erhöhen.<br />

Letztlich werden die jetzt geköderten<br />

Kunden die Zeche eines Tages zahlen<br />

müssen, wenn ein Monopolist die Preise<br />

bestimmt – ohne staatliche Kontrolle wie<br />

bei den <strong>Taxi</strong>preisen.<br />

Auch die Subunternehmer werden die<br />

Dummen sein. Solange „Free Now Ride“<br />

diese Preise macht, haben sie gut zu tun<br />

und können die – im Vergleich zu den von<br />

<strong>Taxi</strong>unternehmen an ihre <strong>Taxi</strong>zentralen<br />

zu entrichtenden Vermittlungsgebühren –<br />

viel höheren Provisionen (25 Prozent vom<br />

Umsatz) gerade noch so bezahlen. Da die<br />

Anzahl konkurrierender Subunternehmen<br />

aber stetig wächst, wird die Auslastung der<br />

Fahrzeuge abnehmen und die Rechnung<br />

für die Mietwagenbetreiber nicht mehr<br />

aufgehen. Schon jetzt wird beim Personal<br />

gespart. Da es für Mietwagen, anders als<br />

bei <strong>Taxi</strong>s, kaum Kontrollmechanismen gibt,<br />

ist auch schwer zu kontrollieren, ob soziale<br />

Mindeststandards eingehalten werden.<br />

WORTE, WORTE, KEINE TATEN<br />

„Die Verkehrssenatorin will neue Fahrdienste<br />

ausbremsen“, schrieb der „Tagesspiegel“<br />

am 26. Februar. Dabei ging es nur<br />

um eine Vorlage der Verkehrssenatorin.<br />

Ihr ist das Thema schon vertraut, und ihr<br />

Haus verfügt über die nötige Expertise, die<br />

Vorlage auch durchzusetzen. „Wir wollen<br />

Regulierungsoptionen“, sagte der Sprecher<br />

der Verkehrssenatorin, Jan Thomsen dem<br />

„Tagesspiegel“. Das <strong>Taxi</strong>gewerbe sei ein<br />

„Teil der Daseinsvorsorge“, stehe in der<br />

Vorlage, die der Zeitung vorliegen soll.<br />

Taxen seien eine „sinnvolle Ergänzung<br />

des ÖPNV“, ergänzte Thomsen. Fahrdienste<br />

wie die digitale Plattform Uber, die nicht<br />

in den ÖPNV integriert sind, sollen „nicht<br />

uneingeschränkt genehmigungsfähig<br />

sein“, schreibt das Blatt weiter.<br />

Die Pläne des Senats sind ebenso<br />

begrüßenswert wie langwierig. Mit einer<br />

Umsetzung wären Verletzungen der Rückkehrpflicht,<br />

wie auch der Ort der Auftragsannahme,<br />

zweifelsfrei dokumentiert. Leider<br />

sind diesen Bekundungen aus der Zeit<br />

vor der Corona-Krise bisher keine spürbaren<br />

Taten gefolgt. Die unlautere Konkurrenz<br />

wuchert ungehindert weiter. Wie man<br />

hört, scheitert das Vorhaben, neu zugelassenen<br />

Mietwagen keine Ausnahmegenehmigung<br />

von der Wegstreckenzählerpflicht<br />

mehr zu erteilen, derzeit an den begrenzten<br />

Kapazitäten der Eichbehörde.<br />

Kleinanzeigen von Mietwagenunternehmen<br />

aus verschiedenen Städten, die Fahrer für<br />

Uber UND Free Now suchen<br />

Wird das <strong>Taxi</strong>gewerbe geschützt, geht<br />

es nicht um Partikularinteressen einer in<br />

die Jahre gekommenen Branche. Vielmehr<br />

steht die <strong>Taxi</strong>-Community nur an einer von<br />

vielen Fronten in unserer modernen Gesellschaft,<br />

sinnbildlich für den Kampf gegen<br />

den allgegenwärtigen Plattform-Kapitalismus<br />

und unersättliche Datenkraken. Gegen<br />

den Ausverkauf unseres Mittelstands,<br />

gegen die soziale Spaltung der Bevölkerung,<br />

gegen umwelt- und menschenschädliche<br />

Entwicklungen und letztlich gegen<br />

den Verlust unserer Freiheit – kurz gesagt<br />

gegen „Uberisation“.<br />

Wenn es altmodisch sein soll, Kunden<br />

Verlässlichkeit bei Preis und Qualität der<br />

Beförderung garantieren zu wollen und<br />

dem eigenen Fahrpersonal gute Arbeitsbedingungen,<br />

ehrliche Löhne und soziale<br />

Absicherung, dann sollte das <strong>Taxi</strong>gewerbe<br />

stolz auf seine Traditionen sein. sb<br />

TAXI <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong><br />

29


WETTBEWERB<br />

Keine Seltenheit am Abend: kaum Taxen am Bahnhof Falkensee<br />

ZU WENIG NACHT-TAXIFAHRER<br />

IN FALKENSEE – GEFUNDENES<br />

FRESSEN FÜR UBER?<br />

Uber-Autos in einer 44.000-Einwohner-Stadt, in der nachts nichts los<br />

ist, mit SPD-Bürgermeister, dichtem Linienbus-Netz und direkter<br />

Nachbarschaft zu <strong>Berlin</strong>-Spandau – wie konnte es dazu kommen?<br />

Für das <strong>Taxi</strong>gewerbe ist Falkensee<br />

undankbares Terrain. Nachts ist so<br />

gut wie nichts los, auch tagsüber<br />

hält es sich in Grenzen. Wer früh morgens<br />

nach Tegel oder Schönefeld muss, hat es oft<br />

schwer, ein örtliches <strong>Taxi</strong> zu bekommen,<br />

und verlässt sich lieber gleich auf <strong>Taxi</strong> <strong>Berlin</strong>,<br />

wenngleich eine Bahn- und Busfahrt<br />

vom Bahnhof Falkensee zum Flughafen<br />

Tegel nur eine halbe Stunde dauert und<br />

nach Schönefeld eine Stunde.<br />

Auch der Linienverkehr in Falkensee<br />

ist ein anderer als in <strong>Berlin</strong>. Falkensee hat<br />

drei Regionalbahnhaltepunkte und wird<br />

lokal von neun Buslinien erschlossen, auf<br />

denen zu schwachen Zeiten teilweise <strong>Taxi</strong>s<br />

eingesetzt werden. Der nächste Fernbahnhof<br />

ist <strong>Berlin</strong>-Spandau, acht Kilometer vom<br />

Falkenseer Stadtzentrum entfernt. Ein<br />

S-Bahn-Anschluss nach <strong>Berlin</strong> bestand<br />

vor dem Mauerbau schon einmal für zehn<br />

Jahre. Ein Wiederaufbau der stillgelegten<br />

Strecke, seit dem Mauerfall vielfach gefordert,<br />

ist noch nicht in Sicht.<br />

Für das <strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>gewerbe sind<br />

abendliche Fahrten von Spandau nach<br />

Falkensee und Abholungen von dort keine<br />

Seltenheit, denn in Falkensee gibt es keinen<br />

Nachtlinienverkehr. Zwischen 23 und<br />

5 Uhr bleibt als Verkehrsmittel neben dem<br />

eigenen Fahrzeug hauptsächlich das <strong>Taxi</strong>.<br />

Das Gewerbe in Falkensee leidet allerdings<br />

seit weit über zehn Jahren unter<br />

Nachwuchsproblemen. Es fehlt an jungen,<br />

abenteuerlustigen Nachtfahrern, so dass es<br />

für Fahrgäste zwischen 20 Uhr und 9 Uhr<br />

ein Glücksspiel ist. Daran konnten auch<br />

Gespräche des Bürgermeisters mit der örtlichen<br />

<strong>Taxi</strong>-„Innung“ nichts ändern.<br />

2016 fragte die Stadtverwaltung deshalb<br />

bei <strong>Taxi</strong> <strong>Berlin</strong> an, ob man das Problem der<br />

Nichtverfügbarkeit von Taxen in Falkensee<br />

irgendwie lösen könne. Ein Vertreter von<br />

<strong>Taxi</strong> <strong>Berlin</strong> und einer des <strong>Taxi</strong>verbandes<br />

<strong>Berlin</strong>, Brandenburg e. V. (TVB) besuchten<br />

daraufhin in Falkensee eine Bürgerversammlung<br />

mit Mitgliedern des Stadtparlaments,<br />

der Falkenseer <strong>Taxi</strong>-„Innung“ und<br />

unter Anwesenheit der regionalen Presse.<br />

Laut TVB wurden Vorschläge unterbreitet,<br />

aber „mit jedem Vorschlag war immer<br />

jemand anders nicht einverstanden“, egal<br />

ob es um die kommunale Subventionierung<br />

eines Nachttaxis, die Zuhilfenahme von <strong>Berlin</strong>er<br />

Taxen mit Zuschlag oder eine nächtliche<br />

Rufumleitung von Falkenseer Betrieben<br />

in die <strong>Berlin</strong>er Funkzentrale ging.<br />

KEINER WILL NUR HERUMSTEHEN<br />

In einem sehr offenen Gespräch mit dem<br />

TVB habe der Betreiber des größten örtlichen<br />

<strong>Taxi</strong>unternehmens mit sechs Autos<br />

und eigener Telefonvermittlung verdeutlicht,<br />

dass es verständlicherweise unmöglich<br />

sei, seine zumeist älteren Fahrer zu<br />

Nachtschichten zu bewegen, in denen es<br />

„alle zwei, drei Stunden mal einen Auftrag“<br />

mit teils 15-minütigen Anfahrten gebe,<br />

geschweige denn, neues Personal für einen<br />

solch unlukrativen Job zu finden.<br />

Daraufhin suchte der TVB-Vertreter das<br />

persönliche Gespräch mit <strong>Taxi</strong>fahrern,<br />

FOTO: Axel Rühle / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />

30 <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong> TAXI


WETTBEWERB<br />

die am Bahnhof Falkensee am Halteplatz<br />

standen, darunter mehrere alleinfahrende<br />

Unternehmer. Als er sich als Gewerbevertreter<br />

aus <strong>Berlin</strong> vorstellte, strebte die<br />

Gesprächsbereitschaft allerdings augenblicklich<br />

gegen null. Bei einer <strong>Taxi</strong>-<strong>Times</strong>-<br />

Recherche an einem frühen Abend im<br />

August <strong>2020</strong> stand kein einziges <strong>Taxi</strong> am<br />

menschenleeren Bahnhofsvorplatz in der<br />

brütenden Hitze. Einem aus <strong>Berlin</strong> eintreffenden<br />

Regionalzug entsteig ein halbes<br />

Dutzend junger Menschen, die sich zu<br />

Fuß entfernten. Boto Töpfer vom Vorstand<br />

des TVB beschreibt die Misere in einem<br />

Satz: „Es fehlen einfach die Aufträge, um<br />

wenigstens ein einziges <strong>Taxi</strong> in Falkensee<br />

rund um die Uhr am Laufen zu halten.“<br />

UBERS LANDPARTIE<br />

GEHT WEITER<br />

Dann kam Uber. Nachdem im November<br />

2019 fünf Kleinstädte bzw. Ortschaften<br />

östlich von München zum Testgebiet<br />

erkoren worden waren, bietet Uber seine<br />

Vermittlung seit dem 11. Juni <strong>2020</strong> auch<br />

in Falkensee zu Festpreisen an. Man habe<br />

dort ein „Pilotprojekt gestartet“. Für „bessere<br />

Mobilität im ländlichen Raum“ wolle<br />

man „nun Brandenburg erobern“, zitiert<br />

die Märkische Oderzeitung den amerikanischen<br />

Fahrdienst. Mit dem Segen der<br />

Gemeinde bietet Uber nach eigenen Angaben<br />

Zubringer-Dienste zu Pauschalpreisen<br />

an, entweder von einer Adresse in Falkensee<br />

zu einem der drei Bahnhöfe oder (von<br />

22 bis 6 Uhr) zwischen Falkensee und dem<br />

Bahnhof <strong>Berlin</strong>-Spandau.<br />

Bürgermeister Heiko Müller, der offensichtlich<br />

kein Problem damit hat, sich mit<br />

einem Partner einzulassen, dessen gerichtlich<br />

untersagtes Geschäftsmodell auf<br />

systematischen Rechtsverstößen beruht,<br />

posierte zum Auftakt bereitwillig mit<br />

Uber-Deutschland-Chef Weigler vor einem<br />

weißen Elektroauto für die Fotografen<br />

von Uber und der<br />

regionalen Presse.<br />

Müller hofft, dass<br />

Falkensee durch<br />

das Uber-Projekt<br />

noch stärker von<br />

der Nähe zur Bundeshauptstadt<br />

profitieren<br />

kann. Das<br />

Angebot ist vorerst<br />

bis Jahresende<br />

angesetzt, Uber-<br />

Manager Weigler,<br />

der vollmundig von<br />

Wartezeiten von<br />

maximal zehn Minuten spricht, sieht darin<br />

jedoch bereits ein „langfristiges Projekt“.<br />

Auf Anfrage eines Pressevertreters nach<br />

der Einbindung des Stadtparlamentes in die<br />

Entscheidung antwortete die PR-Abteilung<br />

der Stadt, die Stadtverordnetenversammlung<br />

habe nicht gefragt werden müssen, da<br />

weder ein Vertrag noch eine andersartige<br />

Verpflichtung eingegangen worden noch<br />

eine Geldausgabe seitens der öffentlichen<br />

Hand erfolgt sei.<br />

SPD GEGEN AUSBEUTUNG?<br />

NICHT IN FALKENSEE<br />

Auf den Einwand des örtlichen <strong>Taxi</strong>gewerbes,<br />

dass Uber-Fahrer keinen Mindestlohn<br />

erhalten und gegen die Rückkehrpflicht<br />

verstoßen und Uber bereits<br />

von mehreren Gerichten wegen PBefG-<br />

Verstößen verurteilt worden ist, erwiderte<br />

Müller, dass selbstverständlich der Mindestlohn<br />

gezahlt werden müsse, und fügte<br />

beschwichtigend hinzu, über die Abschaffung<br />

der Rückkehrpflicht werde ja bereits<br />

diskutiert.<br />

Gewisse politische Brisanz verleiht<br />

Ubers neuem Projekt ein Unterschied<br />

zur vorangegangenen Aktion in Bayern,<br />

die bereits jede Menge Unmut hervorgerufen<br />

hatte: Während die Bürgermeister<br />

Bürgermeister Heiko Müller (l.) und Uber-Manager Christoph Weigler<br />

der bayerischen Städtchen überwiegend<br />

– wie Bundesverkehrsminister Scheuer<br />

– der CSU angehören, ist der Falkenseer<br />

Bürgermeister Müller wie sein <strong>Berlin</strong>er<br />

Amtskollege und Namensvetter Sozialdemokrat.<br />

Die SPD – und nicht nur sie – hatte<br />

sich aber im vergangenen Jahr sowohl auf<br />

Bundesebene als auch in zahlreichen Ländern<br />

und Städten, auch in Brandenburg<br />

und <strong>Berlin</strong>, klar auf Seiten des <strong>Taxi</strong>gewerbes<br />

und gegen Uber positioniert. Nach<br />

umfangreichen Aufklärungskampagnen<br />

des <strong>Taxi</strong>gewerbes sind vielen Politikern<br />

die Nachteile von Uber & Co. heutzutage<br />

bekannt: unterbezahlte, kaum ortskundige<br />

und häufig übermüdete Fahrer, die ohne<br />

Verstöße gegen die Rückkehrpflicht und<br />

weitere Vorschriften keine Chance auf ein<br />

Auskommen haben.<br />

Dass Uber in Falkensee auch nur ein<br />

halbwegs lohnendes Geschäft macht,<br />

kann sich im <strong>Taxi</strong>gewerbe kaum jemand<br />

vorstellen. Uber macht bislang nur Verlust,<br />

so lange das <strong>Taxi</strong>gewerbe nicht vom<br />

Markt konkurriert worden ist. Mit Bundesverkehrsminister<br />

Andreas Scheuer und<br />

Findungskommissions-Mitgliedern wie<br />

Daniela Kluckert von der FDP hat man aber<br />

zumindest hoffnungsvolle Mitstreiter – und<br />

mit Bürgermeister Heiko Müller. ar<br />

FALKENSEE, HVL<br />

FOTO: Tanja-M. :arotzke / Uber<br />

Das 34 Quadratkilometer große Städtchen Falkensee im<br />

Landkreis Havelland hat mehrere Kerne, denn es wurde 1923<br />

aus sechs Dörfern zusammengesetzt. Die beiden größten<br />

waren Falkenhagen und Seegefeld (daraus wurde der Name<br />

Falkensee gebildet). Hinzu kamen Finkenkrug, Falkenhöh, Falkenhain<br />

und Waldheim. Diese bilden heute zum Teil abgelegene<br />

Ortsteile, überwiegend mit Einfamilienhaus-Bebauung und<br />

viel Wald- und Wiesenfläche. Allein Seegefeld entwickelte sich<br />

seit Eröffnung der <strong>Berlin</strong>-Hamburger Bahn 1846 eher städtisch<br />

und ist heute beinahe mit dem <strong>Berlin</strong>er Ortsteil Falkenhagener<br />

Feld zusammengewachsen. Finkenkrug entwickelte sich<br />

überhaupt erst seit der Bahnhofseröffnung 1852. Die anderen<br />

Ortsteile blieben eher dörflich. Somit ist Falkensee für einige<br />

<strong>Berlin</strong>er ein ruhiger, grüner, attraktiver Wohnort.<br />

Manchen Großstadtbewohner zieht es an den Stadtrand oder<br />

ins Umland. Für West-<strong>Berlin</strong>er gab es ein Umland nur vor der<br />

Deutschen Teilung und erst wieder seit Anfang 1990. Sowohl<br />

während des Zweiten Weltkriegs als auch nach der Wende<br />

wuchsen viele <strong>Berlin</strong>er Umlandgemeinden erheblich, zum<br />

großen Teil durch Stadtflucht. Falkensees Bevölkerung wuchs<br />

während der Nazizeit von knapp 16.000 auf über 28.000 Einwohner.<br />

Erst wenige Wochen nach dem Mauerbau 1961 erhielt<br />

der Ort Stadtrecht. Zur Zeit des Mauerfalls hatte Falkensee,<br />

bis dato in Randlage, noch 22.100 Einwohner. Heute sind es<br />

fast doppelt so viele, auch weil viele aus dem Westen <strong>Berlin</strong>s<br />

zuzogen.<br />

TAXI <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong><br />

31


Savignyplatz<br />

Knese- beck- str.<br />

enstr.<br />

GEWERBE<br />

str. Kant- str. Kants<br />

str. Kant- str. Kant-<br />

Savignypl.<br />

Ca<br />

<br />

Kurfürstendamm<br />

Kurfürstendamm<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

str.<br />

(prüfungsrelevant<br />

bis Ende Juni <strong>2020</strong>)<br />

Uhland- str.<br />

Kurfürstendamm Kurfü<br />

Kurfürstendamm Kurfürst<br />

Fasanen- str. Fasan<br />

Die Joachimsthaler<br />

Str. hieß bis 2014<br />

„Joachimstaler“ Str.<br />

Meineke- str.<br />

Joachimsthaler<br />

thaler<br />

Savignyplatz<br />

Grolman-<br />

Str.<br />

Str.<br />

<br />

str.<br />

str.<br />

r.<br />

t<br />

str.<br />

Bud<br />

B<br />

rstendamm<br />

endamm<br />

apester<br />

udapester<br />

Augsburger Str.<br />

Eislebener<br />

Str.<br />

Tiergarten<br />

Charlottenburg<br />

(prüfungsrelevant<br />

bis<br />

Ende Juni<br />

<strong>2020</strong>)<br />

Los-Angeles-Pl.<br />

Ranke- str.<br />

Tauent<br />

Tauentz<br />

zien- str. Tau<br />

ien- str. Tauen<br />

Marburger Str.<br />

Ausschnitt aus dem „Spezialatlas zum <strong>Taxi</strong>schein für <strong>Berlin</strong>“: Drei Viertel der Hotels sind aus dem Prüfungsstoff gestrichen worden.<br />

<br />

<br />

(prüfungsrelevant<br />

bis Ende Juni <strong>2020</strong>)<br />

Nürnberger<br />

<br />

<br />

Breitscheid-<br />

platz<br />

(prüfungsrelevant<br />

bis Ende<br />

Juni<br />

<strong>2020</strong>)<br />

Charlottenburg<br />

Schöneberg<br />

Passau<br />

S<br />

KAHLSCHLAG BEI DER<br />

BERLINER ORTSKUNDE<br />

Ortskenntnis ist ein Qualitätsmerkmal des <strong>Taxi</strong>gewerbes. Doch den<br />

Unternehmen geht der Nachwuchs aus, seit Mietwagenfahrer ihren Schein<br />

ohne Prüfung bekommen. <strong>Berlin</strong> hat die Prüfung jetzt deutlich vereinfacht.<br />

Die Branche steckt im Dilemma.<br />

Einerseits ist ortskundiges Fahrpersonal<br />

ein Alleinstellungsmerkmal,<br />

doch in der öffentlichen Wahrnehmung<br />

reicht dieses Verkaufsargument<br />

offenbar nicht aus, wenn die unseriöse Konkurrenz<br />

millionenschwere Werbekampagnen<br />

aus der Portokasse bezahlen kann und<br />

neoliberale Fürsprecher hat. Andererseits<br />

leidet das <strong>Taxi</strong>gewerbe unter wachsendem<br />

Personalmangel. Wer Personen befördern<br />

möchte und die Wahl hat zwischen einer<br />

<strong>Taxi</strong>scheinprüfung, für die man Monate<br />

lang lernen muss, und einem Mietwagenschein,<br />

den jeder Nichtskönner hinterhergeworfen<br />

bekommt, entscheidet sich oft<br />

für den schnellen Weg. Dass er dabei mit<br />

einiger Wahrscheinlichkeit in ein prekäres<br />

Arbeitsverhältnis gerät, wird ihm meist<br />

erst später bewusst.<br />

Im Frühjahr 2017 schaffte der Bundesgesetzgeber<br />

die Ortskundeprüfung für<br />

Miet- und Krankenwagen ab. Der Grund<br />

war neben der mutmaßlichen Lobbyarbeit<br />

von Uber & Co. auch die Personalnot bei<br />

den Krankenwagenbetreibern, die plakativ<br />

Alarm geschlagen und davor gewarnt<br />

hatten, dass die Erstversorgung bei Unfällen<br />

akut gefährdet sei, weil die damalige<br />

Prüfung viele Bewerber abschreckte. Da in<br />

den Gesetzen und Verordnungen zur Personenbeförderung<br />

Mietwagen- und Krankenwagenfahrer<br />

in einem Atemzug genannt<br />

werden, musste mit der Ortskundeprüfung<br />

für die Krankenwagenfahrer auch die für<br />

die Mietwagenfahrer dran glauben – ein<br />

epochales Geschenk an Uber & Co. Über die<br />

verheerenden Folgen für das <strong>Taxi</strong>gewerbe<br />

hat man sich dabei wohl wenig Gedanken<br />

gemacht.<br />

DU KANNST NICHTS?<br />

WILLKOMMEN BEI UBER!<br />

Da trotz aller Kritik seitens der <strong>Taxi</strong>verbände<br />

eine Rücknahme der fatalen Entscheidung<br />

unwahrscheinlich ist, werden<br />

seitdem Stimmen lauter, die zur Not eine<br />

Abschaffung der Prüfung auch für <strong>Taxi</strong>fahrer<br />

fordern: besser mit unqualifiziertem<br />

Personal arbeiten als pleite gehen. Dem<br />

gegenüber stehen die Verfechter der Qualität,<br />

die einen wichtigen Vorteil gegenüber<br />

der Konkurrenz zerrinnen sehen, wenn<br />

auch <strong>Taxi</strong>schein-Anwärter immer weniger<br />

können müssen. Sie befürchten zudem bei<br />

Wegfall der <strong>Taxi</strong>fahrer-Prüfung eine Übernahme<br />

des Marktes durch Großinvestoren,<br />

die billige Arbeitskräfte aus armen Ländern<br />

wie Erntehelfer zu Dumpinglöhnen<br />

für sich fahren lassen.<br />

Den Senat bzw. das LABO erreichte letztes<br />

Jahr ein Hilferuf der Prüfstellen: Die<br />

mündliche Prüfung verursachte dem TÜV<br />

und dem DEKRA angesichts der schwindenden<br />

Teilnehmerzahl zunehmend einen<br />

zu hohen Verwaltungs- und Personalaufwand.<br />

Die beiden Institutionen holten sich<br />

deshalb bei der Verwaltung grünes Licht<br />

für die Ausarbeitung einer <strong>Taxi</strong>scheinprüfung,<br />

bei der möglichst das gleiche abgefragt<br />

wird wie im bisherigen mündlichen<br />

Teil, die jedoch – wie der erste, ehemals<br />

schriftliche Prüfungsteil – am Rechner<br />

abgelegt werden kann.<br />

Das Ergebnis ist eine weiterhin zweiteilige<br />

Prüfung, jedoch ohne mündlichen Teil.<br />

Nachdem der schriftliche Teil bereits mit<br />

dem Wechsel der Prüfung von den Verbän-<br />

GRAFIK: Axel Rühle / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />

32 <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong> TAXI


GEWERBE<br />

Neu im Ortskundekatalog:<br />

der Schöneberger EUREF-Campus mit dem Gasometer<br />

Aus dem Prüfungsstoff gestrichen:<br />

die Holiday-Inn-Hotels und zahlreiche weitere<br />

FOTOS: Peter Münzel, Axel Rühle / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />

den zu DEKRA und TÜV im November 2014<br />

durch eine Multiple-Choice-Prüfung am<br />

Rechner ersetzt wurde, geschieht dies nun<br />

in ähnlicher Weise mit dem mündlichen<br />

Teil. Dann sitzt der Prüfling auch beim<br />

zweiten Teil nicht mehr mit zwei Mann<br />

Prüfstellen-Personal am Tisch eine halbe<br />

Stunde in einem kleinen Raum, sondern<br />

gemeinsam mit weiteren Führerscheinund<br />

<strong>Taxi</strong>schein-Prüflingen an Tischen mit<br />

Tablet-Computern in einem größeren Raum<br />

mit einer Aufsichtsperson.<br />

KEINE MÜNDLICHE<br />

PRÜFUNG MEHR<br />

Musste jeder Prüfling bisher in der<br />

mündlichen Prüfung innerhalb von gut<br />

15 Minuten zwei von drei Zielfahrten von<br />

A nach B aus freien Stücken vollständig<br />

und fehlerfrei beschreiben, so bekommt<br />

er künftig am Rechner für jede Fahrt zehn<br />

Straßennamen vorgegeben, von denen nur<br />

ein Teil zur richtigen Fahrtroute gehört,<br />

und die er in die richtige Reihenfolge bringen<br />

muss, und das ebenfalls für zwei von<br />

drei Fahrten, allerdings mit 20 Minuten<br />

Zeit. Er muss weder wissen, in welchem<br />

Stadtteil sich eine Adresse befindet (außer<br />

bei mehrfach vorkommenden Straßennamen),<br />

noch muss er angeben, wo er links<br />

oder rechts abbiegt, noch überlegen, ob er<br />

auch keinen wichtigen Platz vergessen hat.<br />

Alles Wichtige wird ihm vorgegeben. Er<br />

muss nicht mehr grübeln, ob das Maritim-<br />

Hotel das in der Dorotheenstraße oder das<br />

in der Stauffenbergstraße war, denn wenn<br />

er darunter Straßennamen wie Reichpietschufer,<br />

Potsdamer Straße oder Schöneberger<br />

Ufer liest, weiß er Bescheid.<br />

Er muss sich auch nicht mehr den Kopf<br />

zerbrechen, ob das Hotel Centro City West<br />

in der Emser Straße, das Ibis City West in<br />

der Bundesallee und das nH City West in<br />

der Brandenburgischen Straße war oder<br />

doch genau anders, denn von den 110 Hoteleinträgen<br />

im bisherigen Prüfungsstoff sind<br />

ganze 29 übrig geblieben. Nicht ganz so<br />

rigoros fiel der Kahlschlag in der Straßenliste<br />

aus, die um ein Viertel gestutzt wurde.<br />

In den anderen Kategorien wurden nur<br />

moderate Ausdünnungen vorgenommen.<br />

Neben sämtlichen Landesvertretungen und<br />

zahlreichen Lokalen entfielen in den meisten<br />

Abschnitten einige Objekte. Ganze vier<br />

kamen insgesamt neu hinzu.<br />

Ursprünglich sollte die Umstellung zum<br />

1. Juli erfolgen, doch die Corona-Krise<br />

machte auch vor TÜV und DEKRA nicht<br />

Halt. Nicht nur, dass die Verwaltung ihnen<br />

über Monate – trotz anderslautender Formulierungen<br />

in den Corona-Verordnungen<br />

– explizit das Prüfen untersagte. Auch die<br />

Prüfinstitutionen sahen sich zu Kurzarbeit<br />

und weiteren Einsparungen gezwungen,<br />

was die technisch aufwändige Umstellung<br />

verzögerte. Das LABO informierte<br />

nur eine Woche vor dem Stichtag die Verbände<br />

und die Öffentlichkeit, dass die<br />

Prüfung noch für ein weiteres <strong>Quartal</strong> die<br />

alte bleibe – einschließlich dem bisherigen<br />

Prüfungsstoff.<br />

WIEDER NUR BIS STADTGRENZE<br />

Das wiederum löste Entrüstung bei den –<br />

noch stärker Corona-geplagten – <strong>Taxi</strong>schulen<br />

aus, die ihrem Nachwuchs seit Monaten<br />

den neuen, viel weniger umfangreichen<br />

Lehrstoff vermittelt hatten. Die Prüfstellen<br />

einigten sich deshalb kurzfristig<br />

intern auf eine Kulanzregelung mit Fokus<br />

auf den neuen Prüfungsstoff. In Standard-<br />

Schulungsmaterialien wie den „Spezialatlas“<br />

oder die „<strong>Taxi</strong>-Coach“-App waren die<br />

Änderungen bereits aufgenommen worden.<br />

Die <strong>Taxi</strong>schulen können nun vielleicht<br />

wieder auf etwas Zulauf hoffen. Mit der<br />

Praxis auf der Straße hat die Prüfung jetzt<br />

in mancherlei Hinsicht weniger zu tun als<br />

bisher, in anderen Bereichen ist sie praxisnäher<br />

geworden. Da bei der Aktualisierung<br />

des Ortskunde-Katalogs diesmal auch<br />

Forderungen aus derjenigen „Fraktion“<br />

berücksichtigt wurden, der die Vereinfachung<br />

gar nicht weit genug gehen kann,<br />

müssen Prüflinge künftig beispielsweise<br />

kaum noch Objekte am Kurfürstendamm<br />

kennen und auch nicht mehr wissen, wie<br />

man vom Süden Zehlendorfs nach Steglitz<br />

kommt.<br />

Auch endet der Horizont des <strong>Berlin</strong>er<br />

Kutschers laut Prüfung künftig wieder<br />

größtenteils an der Stadtgrenze, nachdem<br />

diese eingeschränkte Perspektive aus der<br />

Zeit des Kalten Krieges 2014 durch einen<br />

zeitgemäßeren Katalog mit ein wenig „Orientierung<br />

am Rand des Pflichtfahrgebietes“<br />

ersetzt worden war. Den einzigen Blick<br />

über diesen künstlichen und praxisfernen<br />

Tellerrand hinaus erfordert lediglich die<br />

neue Regelung, dass bei Fahrten, deren<br />

kürzeste Route durch das Umland führt,<br />

nicht mehr über einen Umweg innerhalb<br />

der Stadtgrenze „geschummelt“ werden<br />

darf, sondern tatsächlich die kürzeste<br />

Route gefragt ist. Straßen außerhalb des<br />

Pflichtfahrgebietes werden dabei aber<br />

nicht abgefragt, so dass diese technisch<br />

bedingte Neuerung eine Vereinfachung<br />

bedeutet, wenn Fahrtrouten wie etwa von<br />

Buch nach Neu-Hohenschönhausen oder<br />

von Friedrichshagen nach Hellersdorf zum<br />

Teil nur noch aus einer Handvoll <strong>Berlin</strong>er<br />

Straßennamen und zweimaliger Querung<br />

der Stadtgrenze bestehen.<br />

DENNOCH EINE<br />

MUTIGE ENTSCHEIDUNG<br />

Auch in anderen Städten und Landkreisen<br />

wie München oder Barnim geht der<br />

Trend zur einfacheren <strong>Taxi</strong>scheinprüfung.<br />

Insofern ist der Senat sehr weitgehend den<br />

Forderungen derer gefolgt, die eine klare<br />

Verringerung der Einstiegshürde in unsere<br />

Branche fordert: Besser eine ausreichende<br />

Zahl schlecht qualifizierter <strong>Taxi</strong>fahrer als<br />

immer mehr Uber-Fahrer. Dass man künftig<br />

häufiger an einen Fahrer geraten wird,<br />

der einen nicht mehr kompetent über die<br />

vernünftigste Route oder eine sinnvolle<br />

Reihenfolge von Zwischenstopps beraten<br />

kann – geschenkt. <br />

ar<br />

TAXI <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong><br />

33


BUCHTIPPS<br />

IMPRESSUM<br />

LEKTÜRE ZUM<br />

100. GEBURTSTAG<br />

BERLINS<br />

<strong>Berlin</strong> wird in diesem Herbst hundert Jahre alt – ein Zeitraum, der unendlich viele<br />

unentdeckte Dinge bereithält. Hier ein kleiner Blick in zwei Bücher, die sich mit<br />

der Vergangenheit befassen.<br />

Moment mal, wird der kenntnisreiche Leser einwenden, in <strong>Berlin</strong> ist doch schon vor<br />

vielen Jahren das 750-jährige Bestehen gefeiert worden, und dann ist in Mitte eine alte<br />

Bohle gefunden worden, die noch ein paar Jahre älter ist. Stimmt alles, nur war das ganz<br />

alte <strong>Berlin</strong> viel kleiner. Charlottenburg, Köpenick, Lichtenberg, Neukölln, Schöneberg,<br />

Spandau und Wilmersdorf waren bis Ende September 1920 noch selbstständige Städte.<br />

Erst mit Inkrafttreten des Gesetzes<br />

über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde<br />

<strong>Berlin</strong> am 1. Oktober 1920, dem so<br />

genannten Groß-<strong>Berlin</strong>-Gesetz, wurde <strong>Berlin</strong><br />

zu dem, was wir heute kennen – damals<br />

die drittgrößte Stadt der Welt. Die ganze<br />

Gegend rund um das alte <strong>Berlin</strong> ist damit<br />

großflächig eingemeindet worden.<br />

Das Buch mit dem seltsamen Titel<br />

„Schmargendorfer Alpen, Rummels Burg<br />

und Blanke Hölle“ befasst sich mit gänzlich<br />

unbekannten Sehenswürdigkeiten aus der<br />

Vergangenheit eben dieses Groß-<strong>Berlin</strong>s.<br />

Bei der Fahrt um den Großen Stern kann<br />

sicher jeder <strong>Taxi</strong>fahrer etwas zur Siegessäule<br />

mit der Goldelse obendrauf erzählen,<br />

Andreas Hoffmann<br />

aber von der Schwerindustrie am Schlachtensee,<br />

dem Gaswerk in den <strong>Berlin</strong>er Alpen<br />

Schmargendorfer Alpen,<br />

Rummels Burg und Blanke Hölle,<br />

an der Forckenbeckstraße oder den Eisspeichern<br />

an der Rummelsburger Bucht wird<br />

Fundsachen aus Groß-<strong>Berlin</strong><br />

Transit<br />

selbst der belesenste Stadtführer unter den<br />

Kutschern noch nie etwas gehört haben.<br />

In kurzen Artikeln von zwei bis vier Seiten wird die Geschichte zu jeder „Sehenswürdigkeit“<br />

detailreich geschildert. Der Autor hat sich durch zahlreiche Archive gewühlt.<br />

Mit einer einfachen Computer-Recherche hätte man das alles nie herausgefunden. Lässt<br />

sich gut im <strong>Taxi</strong> lesen.<br />

Das zweite Buch heißt „Mensch, Technik!“<br />

und ist eigentlich ein Führer durch<br />

die Sammlung des Deutschen Technikmuseums<br />

<strong>Berlin</strong>. Auch hier sind es wieder<br />

kurze Artikel, die einzelne Exponate der<br />

Sammlung erklären und in den gesellschaftlichen<br />

Zusammenhang ihrer Zeit<br />

stellen. Es beginnt mit einem Bohlenweg<br />

aus vorchristlicher Zeit und endet mit<br />

dem iPhone. Außerdem wird die Entwicklung<br />

des Museums beschrieben. Das alte<br />

Gemäuer des Museums ist selbst ein Museumsstück.<br />

Erst lesen, dann hingehen. Nach<br />

der Lektüre sieht man die Dinge dort mit<br />

anderen Augen. Ähnliches Kaliber: „Netzdinge,<br />

30 Geschichten vom Telegrafenkabel<br />

bis zur Datenbrille“, be.bra verlag. wh<br />

Volker Koesling und Florian Schülke<br />

Mensch, Technik! Eine Entdeckungsreise<br />

durch die Kulturgeschichte der Technik<br />

Hrsg. Stiftung Deutsches Technikmuseum<br />

<strong>Berlin</strong>, Koehler & Amelang<br />

Verlag<br />

taxi-times Verlags GmbH<br />

Persiusstr. 7<br />

10245 <strong>Berlin</strong>, Deutschland<br />

Telefon: +49 (0)30 / 55 57 92 67-0<br />

E-Mail: info@taxi-times.com<br />

Internet: www.taxi-times.com<br />

Geschäftsführer und V. i. S. d. P.<br />

Jürgen Hartmann (jh)<br />

Bankverbindung<br />

Stadtsparkasse München<br />

IBAN: DE89701500001003173828<br />

BIC: SSKMDEMM<br />

UST-ID: DE293535109<br />

Handelsregister: Amtsgericht München<br />

HRB 209524<br />

Redaktion (tt)<br />

Stephan Berndt (sb), Jürgen Hartmann (jh),<br />

Wilfried Hochfeld (wh), Axel Rühle (ar),<br />

Hayrettin Şimşek (hs)<br />

E-Mail: tt-berlin@taxi-times.taxi<br />

Grafik & Layout<br />

Stanislav Statsenko, layout@inversi-design.de<br />

Anzeigen und Vertrieb<br />

anzeigen@taxi-times.com<br />

Telefon: +49 (0)30 / 55 57 92 67-0<br />

Druck<br />

Silber Druck oHG,<br />

Otto-Hahn-Straße 25<br />

D-34253 Lohfelden<br />

Erscheinungsweise: 4 x pro Jahr<br />

Heftpreis: 3,50 €<br />

(inkl. MwSt und Versand)<br />

ISSN-Nr.: 2367-3842<br />

Weitere Verlagsmagazine:<br />

<strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong> DACH, <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong> München<br />

Die <strong>Taxi</strong> <strong>Berlin</strong> TZB GmbH bekommt in <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />

<strong>Berlin</strong> eigens gekennzeichnete Mitteilungsseiten,<br />

für deren Inhalte die Genannte im Sinne des<br />

Presserechtes selbst verantwortlich ist.<br />

Veröffentlichung gemäß § 7a <strong>Berlin</strong>er<br />

Pressegesetzes bzw. § 8, Absatz 3 des Bayerischen<br />

Pressegesetzes.<br />

Gesellschafter (100 %) der taxi-times Verlags<br />

GmbH, <strong>Berlin</strong>, ist Jürgen Hartmann.<br />

34 <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong> TAXI


Neue<br />

Herausforderungen<br />

Neue Lösungen<br />

Die Corona-Krise hat das gesamte <strong>Taxi</strong>gewerbe<br />

hart getroffen. Umso mehr ist es uns ein Anliegen,<br />

mit technischen Lösungen die sichere Nutzung von<br />

<strong>Taxi</strong>dienstleistungen zu vereinfachen. Darum haben<br />

wir unsere App taxi.eu in kürzester Zeit an die neuen<br />

Anforderungen angepasst.<br />

taxi.eu erleben mit dem neuen<br />

Sicheres<br />

Fahren<br />

Mit dem neuen Fahrzeugmerkmal<br />

„Safe-<strong>Taxi</strong>“ können Kunden seit Mai<br />

<strong>2020</strong> auch <strong>Taxi</strong>s mit geeigneten<br />

Trennschutzwänden anfordern. *<br />

Einfaches<br />

Bestellen<br />

Für eine Einkaufsfahrt gibt der<br />

Kunde einfach ein, was er sich liefern<br />

lassen möchte, und der Auftrag kann<br />

ausgelöst werden. *<br />

Kontaktloses<br />

Bezahlen<br />

Für sicheres, bargeldloses Bezahlen<br />

können Kunden nun auch für<br />

Essenslieferungen Amazon Pay,<br />

Apple Pay oder PayPal nutzen. *<br />

* Diese Angebote gelten in koorperierenden Partnerstädten. Mehr dazu auf www.taxi.eu<br />

Jetzt auch<br />

verfügbar<br />

in der Huawei<br />

AppGallery<br />

Die <strong>Taxi</strong>-App


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Abzüglich Anzahlung, 11.200,00 €<br />

davon entfallen auf Umsatzsteuer 5.429,60 €<br />

Darlehensbetrag 28.164,60 €<br />

Zinsen nominal 2,49 %<br />

Monatliche Gesamt-Finanzierungsrate<br />

über 60 Monate 499,– €<br />

Kraftstoffverbrauch innerorts / außerorts / kombiniert (Diesel l/100 km) 4 :<br />

5,4–5,2/4,3–4,0/4,7–4,4; CO₂-Emissionen kombiniert (g/km) 4 : 124–117.<br />

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gem. den Richtlinien der Mercedes-Benz Gebrauchtwagen-Inzahlungnahme. |<br />

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für alle gewerbetreibenden <strong>Taxi</strong>fahrer. Stand 09/<strong>2020</strong>. Ist der Darlehens-/Leasingnehmer<br />

Verbraucher, besteht nach Vertragsschluss ein gesetzliches Widerrufsrecht nach § 495 BGB.<br />

Das Angebot ist zeitlich begrenzt und gilt bei Bestellung und Übernahme des Fahrzeugs bis<br />

31.10.<strong>2020</strong> und nur, solange der Vorrat reicht. | 3 Unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers,<br />

zuzüglich lokaler Überführungskosten. | 4 Die angegebenen Werte wurden nach<br />

dem vorgeschriebenen Messverfahren ermittelt. Es handelt sich um die „NEFZ-CO₂-Werte“<br />

i. S. v. Art. 2 Nr. 1 Durchführungsverordnung (EU) 2017/115<strong>3.</strong> Die Kraftstoffverbrauchswerte<br />

wurden auf Basis dieser Werte errechnet. Die Angaben beziehen sich nicht auf ein einzelnes<br />

Fahrzeug und sind nicht Bestandteil des Angebots, sondern dienen allein Vergleichszwecken<br />

zwischen verschiedenen Fahrzeugtypen. Die Werte variieren in Abhängigkeit von den gewählten<br />

Sonderausstattungen. Weitere Informationen zum offi ziellen Kraftstoffverbrauch und zu<br />

den offi ziellen spezifi schen CO₂-Emissionen neuer Personenkraftwagen können dem „Leitfaden<br />

über den Kraftstoffverbrauch und die CO₂-Emissionen neuer Personenkraftwagen“ entnommen<br />

werden, der an allen Verkaufsstellen und bei der Deutschen Automobil Treuhand<br />

GmbH unter www.dat.de unentgeltlich erhältlich ist. | Druckfehler und Irrtümer vorbehalten.<br />

| Abbildung entspricht nicht dem Angebot.<br />

Anbieter:<br />

Mercedes-Benz AG, Niederlassung <strong>Berlin</strong> | 11 x in und um <strong>Berlin</strong><br />

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