FOCUSMONEY_51:2020_Vorschau
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
MONEYINSIDE<br />
Ärgernisse, wohin man blickt<br />
Alles starrt auf Corona. Und dort, wo niemand hinschaut, kann<br />
man fröhlich vor sich hin murksen und Fakten schaffen. Eine Woche<br />
voller Ärgernisse.<br />
***<br />
Zum Beispiel heißt es, dass der „Europäische Stabilitätsmechanismus“<br />
(ESM) gestärkt worden sei. Zur Erinnerung: Der 2012 gegründete<br />
Fonds springt Euro-Staaten mit Notkrediten bei, sollten die keine<br />
Abnehmer für ihre Schulden, also ihre Staatsanleihen, finden.<br />
Schuldenschnitte sollen künftig einfacher werden – das ist sicher<br />
nichts, was dem Stabilitätsanker Deutschland hilft. Ebenso wenig,<br />
dass der ESM künftig einspringen wird, wenn dem Bankenabwicklungsfonds<br />
das Geld ausgeht, und das schon ab 2022. Deutsche Haftung<br />
beim ESM in der Spitze: 190 Milliarden Euro.<br />
***<br />
Das war mal ein Absatz ohne Corona. Gelingt nicht oft. Voilà: Die<br />
teure Krise muss in diesem Land zwanghaft den Ruf nach einem „Gesundheits-Soli“<br />
auslösen, kaum dass es dem Ur-Soli nach bald 30<br />
Jahren endlich teils an den Kragen geht. Steuererhöhung in der beginnenden<br />
Erholung nach der Krise, die natürlich von immer längeren<br />
Lockdowns (jetzt schon bis 10. Januar) gebremst und hinausgezögert<br />
wird? Wie ist Deutschland nach der Finanzkrise von einer<br />
Verschuldung in Höhe von 80 Prozent seiner Wirtschaftsleistung wieder<br />
auf unter 60 Prozent gekommen? Durch zehn Jahre Wachstum.<br />
***<br />
Und schon wieder Corona: Ständig lese ich, Ungarn und Polen blockierten<br />
die Corona-Hilfen, auf die sich die EU geeinigt hat. Drei<br />
Viertel der geplanten Corona-Hilfe haben mit der Pandemie nichts<br />
zu tun, wie wir schon einmal berichtet haben: Schließlich sind bei<br />
der Verteilung nur Indikatoren aus der Zeit VOR der Krise von Bedeutung.<br />
Stark begünstigt werden Mitgliedsstaaten, die vor der Krise<br />
relativ arm waren (geringes Pro-Kopf-Einkommen im Verhältnis<br />
zum EU-Durchschnitt) und eine im Vergleich zum EU-Durchschnitt<br />
hohe strukturelle Arbeitslosigkeit aufgewiesen haben. Daten aus der<br />
Zeit von 2015 bis 2019 spielen hier eine Rolle – nicht <strong>2020</strong>.<br />
***<br />
Es herrscht große Verwirrung nicht nur bei Inzidenzzahlen und R-<br />
Werten, sondern auch bei den simpelsten Finanzkennziffern. Das<br />
lässt für die Zeit nach der Krise nichts Gutes ahnen.<br />
Frank Mertgen,<br />
stellv. Chefredakteur<br />
Foto: S. Ugurlu/FOCUS-MONEY<br />
FOCUS-MONEY <strong>51</strong>/<strong>2020</strong><br />
3