16 Diese Massnahmen treffen uns alstouristische Region überdurchschnittlichValérie Favre Accola, Grossrätin Kanton Graubünden und DepartementsvorsteherinBildung und Energie der Gemeinde Davos, über transparente Kommunikationin der Coronazeit, digitalen Unterricht und zu kurze Vorlaufzeit derstaatlichen Massnahmen. Die Politik soll in der aktuellen Lage mit finanziellerUnterstützung und antizyklischen Investitionen zur wirtschaftlichen Stabilitätbeitragen.Text: artikuliert.chBild: zVg.«Den Kanton Graubünden als qualitativ hochstehender Arbeits- und Wohnort neu entdecken», Valérie Favre Accola.SNOWTIMES 2021DAVOS KLOSTERS
17Frau Favre Accola, ein spezielles Jahrliegt hinter uns. Welcher Tag ausdem Jahr 2020 bleibt besonders inErinnerung?Nun, ich werde den Freitag, 13. März, sichernie mehr vergessen.Da hat der Bundesrat die Massnahmengegen das Coronavirus massiv verschärft– Veranstaltungen und Gastronomie eingeschränktund den Präsenzunterrichtan Schulen untersagt.Genau. Im Vorfeld hatten wir seitens VolksschuleDavos eine Taskforce gegründet.Regelmässig trafen wir uns bereits um 7.00Uhr morgens, um umsichtig, aber raschEntscheide zu fällen, diese intern wie externzu kommunizieren und anschliessendkonsequent umzusetzen. An diesem Freitaggingen wir nahtlos von einer Schulratssitzungin die nächste Taskforce-Sitzungüber. An Arbeitsschluss oder Wochenendewar gar nicht zu denken. Dieser anhaltendeAusnahmemodus hat von uns allen Tributegefordert. Auch, weil unsere Ressourcendurch Grossprojekte bereits stark absorbiertwaren.Inwiefern hat Sie Corona beein usst?An Krisensituationen kann man als Führungspersönlichkeit,aber auch als Teamwachsen oder zerbrechen: Wir musstenein Team von 1000 SchülerInnen inklusiveFamilien, sowie 140 MitarbeiterInnen ineiner Krisensituation führen. Dank transparenterKommunikation sind das Vertrauenund der Rückhalt stark gewachsen und bisheute geblieben. So haben wir bis heutezehn Elternbriefe im Zusammenhang mitCorona publiziert. Ich bin auch unglaublichstolz darauf, was das Lehrerteam im BereichDistance Learning geleistet hat. Derdigitale Unterricht wurde innovativ, kreativund inspirierend gestaltet. In Bezug aufdie Digitalisierung war Corona ein Turbo.Gleichzeitig wurde uns aber auch vor Augengeführt, wo die Grenzen der Digitalisierungliegen und wie wertvoll die persönlicheLernbeziehung zwischen Lehrpersonen undSchülerInnen ist.Der Bund hat kurz vor Weihnachten erneutCorona-Massnahmen bekannt gegeben.Was halten Sie davon? In welchenPunkten haben Sie Verständnis dafür?Der Bund musste aufgrund der zunehmendenFallzahlen reagieren, er hattekeine Wahl. Was mich ärgert ist, dass wirbis heute kein Ampelsystem kennen. Seitkurzem gibt es zwar Kriterien, bei welchenMassnahmen verschärft beziehungsweiseaufgehoben werden. Aber nach meinem Dafürhaltenwürde es Sinn machen, konkreteWerte zu de nieren. Ich bin überzeugt,klare Ansagen mit Vorlaufzeit würden dieSelbstverantwortung fördern und Vertrauenin der Bevölkerung schaffen.In welchen Punkten sind Sie durch dieneuen Massnahmen verärgert?Ich störe mich daran, dass Kantone undRegionen, welche ihre Hausaufgaben inBezug auf die COVID-19-Massnahmenp ichtbewusst erledigt haben, mit diesenzentralistischen Massnahmen bestraft werden.Ich hätte mir eine differenzierte Beurteilungund entsprechend differenzierteMassnahmen gewünscht. Zudem erachte ichdie Kommunikation an einem Freitag mitjeweils sehr kurzer Vorlaufszeit sowohl fürUnternehmen wie auch für Privatpersonenals problematisch.Ferner scheint es mir wichtig, dass diePolitik mit Schliessungsmassnahmen dasProblem vom Dichtestress nicht nochverschärft. Heute wissen wir, wie wichtigBewegung und Erholung in der Natur fürdie psychische und physische Gesundheitsind. Wenn wir den Menschen dieseMöglichkeiten nehmen, verdichten sichMenschenmengen anderswo. Womöglich ingeschlossenen Räumen, wie beispielsweiseEinkaufszentren. Das kann nicht die Absichtund der Wille der Politik sein.Was bedeutet die Corona-Situation fürdie Region Davos Klosters?Die Region Prättigau / Davos war im Oktoberstärker betroffen als andere BündnerRegionen und wir haben reagiert. Trotz derÖffnung der Skigebiete und der LanglaufloipeEnde Oktober konnten wir unsereFallzahlen halbieren. Auch weil wir zumBeispiel mit der vorzeitigen Maskenp ichtauf SEK 1 Stufe und den rigorosen Kontrollenvon Schutzkonzepten frühzeitigAnpassungen vornahmen. Die Massnahmentreffen uns als touristische Region überdurchschnittlich.Als Destination, die voninternationalen Gästen, vom Kongresstourismusund von Veranstaltungen lebt, leidenwir unter der Pandemie und deren Folgen.Und ich spreche dabei nicht nur vomwirtschaftlichen Schaden, sondern auch vonreellen, wirtschaftlichen Existenzängsten,welche grosse psychische Auswirkungenauf uns alle haben.Welche Auswirkungen hat dieseVirus-Situation auf die Wohlfahrt imLandwassertal?Wir wissen, dass die herausfordernde SituationKon ikte und psychische Problemezusätzlich verschärft hat. Entsprechendsind die Beratungs- und Unterstützungsanfragenbei den Fachstellen gestiegen. Einkompletter Lockdown würde auch hier zuweiteren Verschärfungen mit langfristigenNegativfolgen führen.Wer ist besonders betroffen?Es sind die Schutzbedürftigen unsererGesellschaft: Kranke, Kinder, Frauen, dieältere Bevölkerung. Mittlerweilen trifft esjedoch nicht nur sozial Schwache, sondernauch die Mittelschicht hat etwaige nanzielleReserven aufgebraucht. Das ist für sieeine neue und beängstigende Situation.Wo sehen Sie im Jahr 2021 die grösstenHerausforderungen in Davos?Die Politik muss diese Pandemie-Krise mitallen verfügbaren Mitteln meistern. WirtschaftlicheSchäden sind nicht gänzlichvermeidbar, aber die Politik soll mit nanziellerUnterstützung und antizyklischenInvestitionen zur wirtschaftlichen Stabilitätbeitragen. Ferner ist konsequentes, solidarischesund gemeinsames Handeln entscheidend,um das Vertrauen von der Bevölkerungund der Wirtschaft aufrechtzuerhalten.Gibt es durch den nun eingetroffenenWandel auch Chancen?Ob die Corona-Pandemie einen langfristigenEin uss auf das Reiseverhalten hat –da kann man zum aktuellen Zeitpunkt nurmutmassen. Sicher ist: Die Gäste schätzendie Natur, das Erlebnis in der Natur unddie Bewegung darin noch mehr. Mehr alsvor der Corona-Krise. Und die Schweizerwollen die schönen Geheimtipps in unseremLand vermehrt entdecken. Zudem stellenwir eine leichte Abwanderungstendenz ausden Agglomerationen ins Berggebiet fest:Arbeitskräfte und Unternehmungen entdeckenden Kanton Graubünden neu als qualitativhochstehender Arbeits- und Wohnort.www.valerie-favreaccola.chSNOWTIMES 2021DAVOS KLOSTERS