01.02.21 Simbacher Anzeiger
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1. Februar 2021<br />
Von Christina Schmid<br />
Das Fest „Mariä Lichtmess“<br />
(2. Februar) war<br />
einst nicht nur ein kirchlich<br />
bedeutsames Fest –<br />
auch genannt „Darstellung<br />
des Herrn“ und<br />
„Mariä Reinigung“ – es<br />
war zugleich auch der<br />
Jahresanfang des Bauern,<br />
der „Ein- und Ausstehtag“<br />
für die Bediensteten<br />
wie Mägde und<br />
Knechte. Und es war das<br />
Fest der „Wachsstöckl<br />
und Kerzen“. Die Christen<br />
sehen Jesus als Licht<br />
der Welt. Bedeutenden<br />
religiösen Hintergrund<br />
hat da rum die Kerzenweihe am<br />
Lichmesstag.<br />
Früher waren die „Kerzlmacher“<br />
und Wachszieher ein wichtiger<br />
Stand. In einem Handwerksbuch<br />
von 1789 heißt es zum Beispiel:<br />
„Sie standen mit dem lieben<br />
Herrn Jesus und seiner Frau Mutter<br />
und allen Heiligen auf du und<br />
du“. Zur Heiligenverehrung mussten<br />
richtige Wachslichter brennen<br />
und darum hatten eben<br />
Wachszieher und Kerzenmacher<br />
gerade auf Lichtmess hin viel zu<br />
tun. Sie fertigten aber nicht nur<br />
Kerzen, sondern auch kunstvoll<br />
verzierte Wachsstöckl und die<br />
schwarzen Wetterkerzen. All diese<br />
Kerzen bekamen am Lichtmesstag<br />
den Segen der Kirche.<br />
Ein Licht in dunkler Jahreszeit<br />
Zum Beispiel im Archiv des Heimatmuseum<br />
Simbach findet man<br />
Gedichte und Sprüche dazu, wie:<br />
„Heit is da heilig Liachtmesstag,<br />
wo i d’Liachtl in Kirch neidrag. Da<br />
lass i’s weihn, dann schlagt koa<br />
Weda net ei. Auf’n Acker draußt<br />
wachs s’Broud, und da Teifi und<br />
da Toud, dö gengan vorbei,<br />
wannst a Kirzn gebn hast bei der<br />
Weih“. Im Museum findet man<br />
auch einen alten Zeitungsausschnitt,<br />
leider ohne Datum und<br />
Autor versehen. Darin steht: „ Zu<br />
der Zeit, da es noch kein elektrisches<br />
Licht gab, hatten neben<br />
Öllampen und Kienspanfackeln<br />
auch die Kerzen und Wachslichter<br />
noch eine wesentlich größere Bedeutung<br />
als heute. Sie dienten als<br />
Lichtquellen in der dunklen Jahreszeit<br />
und zählten zu alltäglichen<br />
Gebrauchsartikeln in den Haushalten.<br />
Auf den Wachsmärkten<br />
hat man sich damals mit dem<br />
Wachs- und Kerzenbedarf, der für<br />
das ganze Jahr über nötig war,<br />
eingedeckt.<br />
Die Wachsmärkte wurden seit<br />
jeher wenige Tage vor dem Lichtmessfest<br />
am 2. Februar abgehalten.<br />
Dies war so üblich, weil ja am<br />
Festtag Mariä Lichtmess oder am<br />
darauf folgenden Sonntag in den<br />
Kirchen Wachsweihen gehalten<br />
wurden. Die am Markt eingekauften<br />
Wachsstöckel, die verschiedenen<br />
Kerzen und anderen<br />
Wachsgegenstände trug man an<br />
Lichtmess in Körben zur Weihe in<br />
die Kirche“. Bis heute bekannt, jedoch<br />
in Zeiten der „Corona-Pandemie“<br />
ausgesetzt, ist der Wachsmarkt<br />
in Tann. Im Zeitungsartikel<br />
erfährt man weiter: „Nach altem<br />
Herkommen findet dieser Tanner<br />
Wachsmarkt am Donnerstag vor<br />
Lichtmess statt. Es gibt ihn vermutlich<br />
schon sehr lange, denn es<br />
ist erwähnt, dass ab 1779 zum traditionellen<br />
Wachsmarkt und Viehmarkt<br />
auch ein Warenmarkt hinzukommen<br />
ist“.<br />
In einem weiteren Artikel, verfasst<br />
von Luise Maendl, wird das<br />
Wachsstöckl gar als „Liebesbrief“<br />
beschrieben. „Der große Tag des<br />
Wachsstöckls, der lieblicheren Abart<br />
der Kerze, wie es einmal poetisch<br />
von eine kunstsinnigen<br />
Sammler bezeichnet worden ist,<br />
war früher Maria Lichtmess. An<br />
jedem 2. Februar erhielten die<br />
Wachsgebilde in den Kirchen ihre<br />
Segnung, um dann an Verwandte,<br />
Freunde und Dienstboten verschenkt<br />
zu werden. Die Verwendung<br />
der Wachsstöcke in Liturgie<br />
und Volksbrauch reicht vom 16.<br />
Jahrhundert bis in die Mitte des<br />
20. Jahrhunderts. Die Lichtfeiertage<br />
waren außer dem 2. Februar<br />
noch St. Blasius (3. Februar), St.<br />
Agatha (5.2.), St. Fridolin (6. März)<br />
und St. Joseph (19. März).<br />
Wachsstöckl als Dankeschön<br />
<strong>Simbacher</strong> <strong>Anzeiger</strong><br />
Besonders zu Lichtmess entwickelte<br />
sich in Altbayern ein liebenswerter<br />
Brauch: An diesem<br />
Tag hatte jeder Knecht der in der<br />
Hofhierachie gleichstehenden<br />
Magd (also der Großknecht der<br />
Großdirn, der Mitterknecht der<br />
Mitterdirn) ein Wachsstöckl zu<br />
schenken. Aber auch die Bäuerin<br />
vergab an diesem Tag an Gesinde<br />
und Töchter ihre Wachsgebilde.<br />
Im Gegensatz zu den meist weißen<br />
oder rot-weißen Gebrauchsstöcken<br />
waren diese reich verziert<br />
mit Blümchen, Girlanden,<br />
Heiligenbildern oder Sinnsprüchen.<br />
Es entwickelte sich ein großer<br />
Formenreichtum, vom Hufeisen-<br />
bis zum Buchformat und<br />
vielem mehr. Die „Prachtstücke“<br />
wurden nicht angezündet, sondern<br />
als Schatz etwa im Aussteuerschrank<br />
aufbewahrt. Die Patin<br />
schenkte zur Taufe und Firmung<br />
dem Patenkind stets ein wächsernes<br />
Stöckl. Die Taufstöckl von<br />
kleinerer Größe waren meist mit<br />
einem Jesuskind geschmückt,<br />
während die anderen die Aufschrift<br />
„Zur Firmung“ oder das<br />
Bildnis des firmenden Bischofs<br />
trugen. Verstarb der Pate oder die<br />
Patin, so entzündete man bei<br />
dem für sie gelesenen Seelengottesdienst<br />
den Wachsstock das<br />
erste und das letzte Mal. Auch im<br />
Bereich der „zwischenmenschlichen<br />
Beziehungen“ spielte oft<br />
der Wachsstock eine nicht unbedeutende<br />
Rolle. Damit konnte<br />
„Er“ oder „Sie“ in allen Ehren einen<br />
Kontakt mit dem oder der Angebeteten<br />
aufnehmen. Über die<br />
„Frau Basn“ oder den „Herrn Vetter“<br />
schickten die Liebenden kurzerhand<br />
einen Wachsstock mit<br />
der Aufschrift „Aus Freundschaft“<br />
oder gar „Aus Liebe“. Täubchen<br />
oder rote Herzen mit silberfarbenem<br />
Hoffnungsanker bildeten<br />
gern gewählte Motive als Ausdruck<br />
der Zuneigung des Spenders.<br />
Unter „Wikipedia“ erfährt<br />
man:<br />
„Ein Wachsstock stellt eine heute<br />
kaum noch gebräuchliche, sehr<br />
dünne Sonderform der Kerze<br />
dar... In Wallfahrtsorten gibt es<br />
mancherorts noch heute ein<br />
reichhaltiges Angebot solcher<br />
schnurförmiger Kerzen als kunstvoll<br />
ausgestaltete Devotionalie,<br />
z. B. mit einem aus Wachs modellierten<br />
und bemalten Porträt des<br />
Nr. 3/2021<br />
Wachsstöckl – ein liebenswerter Brauch zu Lichtmess<br />
Die Wachsstöckl werden auch heute noch gerne gekauft und zu Lichtmess verschenkt<br />
<br />
Foto: Schmid<br />
örtlichen Heiligen verziert.<br />
Sie dienen heute<br />
weniger dem Gebrauch,<br />
denn als Wallfahrterinnerung<br />
und Schauobjekt<br />
für den heimischen Herrgottswinkel.<br />
Vor allem<br />
im katholisch geprägten<br />
süddeutschen und österreichischen<br />
Raum gab es<br />
früher den Brauch, zu<br />
Mariä Lichtmess der<br />
Braut, den Töchtern und<br />
auch den weiblichen<br />
Dienstmägden Wachsstöcke<br />
zu schenken. Diese<br />
Wachsstöcke wurden,<br />
da es damals noch kein<br />
elektrisches Licht gab, in<br />
der dunklen Jahreszeit<br />
zur Morgen- und Abendandacht<br />
in die Kirche mitgenommen und<br />
dort angezündet, um im Gesangbuch<br />
lesen zu können.<br />
Heimatmuseum<br />
widmete Wachsstöckl<br />
eine Sonderausstellung<br />
Für eine Ausstellung im <strong>Simbacher</strong><br />
Heimatmuseum wurde folgender<br />
Text zu den präsentierten<br />
Wachsstöckeln verfasst: „Eine<br />
spezielle Form der Kerze ist der<br />
Wachsstock. Zu seiner Herstellung<br />
benötigt man einen dünnen,<br />
weichen Wachsstrang, der um<br />
ein Legholz gewickelt wird. Einfachere<br />
glatte Wachsstöcke wickelt<br />
man um ein rechteckiges<br />
Holz. Kurz vor der Fertigstellung<br />
wird das Holz herausgezogen. Für<br />
aufwendige Wachsstöcke benötigt<br />
man Leghölzer, die aus keilförmigen<br />
Teilen zu einer Form zusammengesetzt<br />
werden. Nach<br />
dem Legen kann der Wachsstock<br />
verziert werden. Als Schmuckmaterial<br />
dienen Ölfarben, aus Wachs<br />
gestanzte Blüten, gedruckte Heiligenbilder,<br />
Zinnnägel, Glasperlen<br />
oder aus Wachs modellierte Figuren.<br />
In ihrer Blütezeit wurden<br />
Wachsstöcke zu allen möglichen<br />
Anlässen verschenkt: Zur Erinnerung,<br />
Hochzeit, Taufe oder als Liebesgabe.<br />
Bei den größeren Bauern bekam<br />
jeder Dienstbote ein Wachsstöckl,<br />
die Kinder rote für die Allerseelenrosenkränze,<br />
weiße für<br />
Engelämter. Die heiratsfähige<br />
Tochter bekam von ihrem Hochzeiter<br />
ein goldgeblümtes Prachtstöckl<br />
mit aufgegossenen Rosen,<br />
flammenden Herzen oder verschlungenen<br />
Händen. Der Knecht<br />
verehrte der Hausmagd für das<br />
Aufbetten während des Jahres<br />
ein rotes Wachspräsent mit<br />
einem farbigen Bild oder einem<br />
Spruch darauf. Paten hielten für<br />
jedes Patenkind ein kleines<br />
Wachsstöckerl und Pfenniglicherl<br />
bereit.