Pirouette No. 06/2020 Juli + August
ISU Skating Awards Wertvollster Läufer - unterhaltsamstes Programm - beste Newcomerin - bestes Kostüm - beste Trainerin - beste Choreographin - Lebenswerk: Die ISU vergibt erste »Eislauf-Oscars« online und ehrt damit alle im Eiskunstlauf Tätigen. Sommertraining, das ist weiteres Schwerpunktthema dieser Ausgabe. Tatjana Flade und Klaus-Reinhold Kany besuchten die Trainingszentren in Telfs, Egna, Oberstdorf, Berlin und Dortmund um exclusiv für die Pirouette zu berichten. … Topthemen: · ISU Skating Awards 2020 · Sommertraining Weiteres aus dem Inhalt: · Interview: Vanessa James & Maé-Bérénice Méité · Wettbewerbs-Planung der ISU: Die nächsten Weltmeisterschaften, Grand Prix und Challenger · Interview: Stéphane Lambiel · Juli-Training in Telfs: Lambiels Sommertraining mit Paganini, Vasiljevs, Shimada, Zandron · Interview: Katharina Müller & Tim Dieck · Juni-Training in Dortmund · Neues aus aller Welt · Die Corona-Krise und der Sportverein: Ein kritischer Blick auf eine Entwicklung · Juli-Training in Egna · Juni-Training in Oberstdorf · Juni-Training in Berlin · Neues aus aller Welt · Leserbrief von Denise Biellmann · ISU-Serie „Keep Training!“: Signale für die Zukunft · ISU Skating Awards 2020: Hanyu, Papadakis/Cizeron, Kostornaia, Browning und andere geehrt · Sommertraining in Russland · Buchrezension: The Girl Without a Face (Ein amerikanischer Eislaufroman) · Eislaufgeschichte: Elsa Rendschmidt, Die große Pionierin des deutschen Damen-Eiskunstlaufens Titelbild: Eteri Tutberidze mit ihrer Schülerin Alina Zagitova. ISU Skating Awards: Eteri Tutberidze setzte sich in der Wahl zum besten Coach durch. Es war überraschend, dass Alina Zagitova es nicht ins Finale als wertvollste Läuferin schaffte. Foto: Tatjana Flade Auch als Printversion erhältlich unter: www.pirouette-online.de/nr-6-juli-august-2020.html (Erscheinungstermin 28.7.2020)
ISU Skating Awards
Wertvollster Läufer - unterhaltsamstes Programm - beste Newcomerin - bestes Kostüm - beste Trainerin - beste Choreographin - Lebenswerk: Die ISU vergibt erste »Eislauf-Oscars« online und ehrt damit alle im Eiskunstlauf Tätigen. Sommertraining, das ist weiteres Schwerpunktthema dieser Ausgabe. Tatjana Flade und Klaus-Reinhold Kany besuchten die Trainingszentren in Telfs, Egna, Oberstdorf, Berlin und Dortmund um exclusiv für die Pirouette zu berichten. …
Topthemen:
· ISU Skating Awards 2020
· Sommertraining
Weiteres aus dem Inhalt:
· Interview: Vanessa James & Maé-Bérénice Méité
· Wettbewerbs-Planung der ISU: Die nächsten Weltmeisterschaften, Grand Prix und Challenger
· Interview: Stéphane Lambiel
· Juli-Training in Telfs: Lambiels Sommertraining mit Paganini, Vasiljevs, Shimada, Zandron
· Interview: Katharina Müller & Tim Dieck
· Juni-Training in Dortmund
· Neues aus aller Welt
· Die Corona-Krise und der Sportverein: Ein kritischer Blick auf eine Entwicklung
· Juli-Training in Egna
· Juni-Training in Oberstdorf
· Juni-Training in Berlin
· Neues aus aller Welt
· Leserbrief von Denise Biellmann
· ISU-Serie „Keep Training!“: Signale für die Zukunft
· ISU Skating Awards 2020: Hanyu, Papadakis/Cizeron, Kostornaia, Browning und andere geehrt
· Sommertraining in Russland
· Buchrezension: The Girl Without a Face (Ein amerikanischer Eislaufroman)
· Eislaufgeschichte: Elsa Rendschmidt, Die große Pionierin des deutschen Damen-Eiskunstlaufens
Titelbild:
Eteri Tutberidze mit ihrer Schülerin Alina Zagitova. ISU Skating Awards: Eteri Tutberidze setzte sich in der Wahl zum besten Coach durch. Es war überraschend, dass Alina Zagitova es nicht ins Finale als wertvollste Läuferin schaffte. Foto: Tatjana Flade
Auch als Printversion erhältlich unter: www.pirouette-online.de/nr-6-juli-august-2020.html (Erscheinungstermin 28.7.2020)
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<strong>Pirouette</strong> Nr. 6 | <strong>Juli</strong> & <strong>August</strong> <strong>2020</strong> Internationales Eiskunstlauf-Magazin | 53. Jahrgang | www.pirouette-online.de<br />
Eteri Tutberidze<br />
ISU Skating Awards<br />
Sommertraining<br />
<strong>Pirouette</strong>-Online<br />
<strong>Pirouette</strong>-Facebook
Die ISU Skating Awards Preisgewinner<br />
Fotos von Hella Höppner
Impressum<br />
Verlags- und Redaktionsanschrift:<br />
STS·Verlag+Werbung<br />
Stefan Schulze<br />
Am Stutz 14<br />
97993 Creglingen<br />
Fon 07933-700-191<br />
Fax 07933-700-192<br />
E-Mail: info@pirouette-online.de<br />
Webshop www.pirouette-online.de<br />
Facebook: www.facebook.com/pirouettemagazin<br />
3<br />
Inhalt & Termine<br />
Verlagsleitung: Stefan Schulze<br />
Chefredakteur: Klaus-Reinhold Kany<br />
Stellvertreterin: Tatjana Flade<br />
Mitarbeiter: Manuela Buyny, Albert-René Kolb<br />
(Schweiz), Katrin Flaschka (Österreich), Hella Höppner<br />
Grafik: Stefan Schulze, Andreas Münch<br />
Anzeigen: Stefan Schulze<br />
Kundenbetreuung: Angelika Manicone<br />
Für unverlangt eingesandte Manuskripte<br />
und Bildzuschriften haftet der Verlag nicht.<br />
Beiträge, die mit Namen oder Initialen des Verfassers<br />
gezeichnet sind, stellen nicht unbedingt die Meinung<br />
der Redaktion oder des Herausgebers dar. Für die<br />
Richtigkeit der Mitteilungen und Berichte zeichnen<br />
die Clubs verantwortlich. Zuschriften können von uns,<br />
falls kein ausdrücklicher Vor behalt gemacht wird, im<br />
Wortlaut oder aus zugs weise veröffentlicht werden.<br />
Erscheinungsweise: 10 mal im Jahr, Mai/Juni und<br />
<strong>Juli</strong>/<strong>August</strong> sind Doppelausgaben, sonst monatlich.<br />
Bestellungen im Webshop: www.pirouette-online.de<br />
Einzelheft: 6,50 EUR zzgl. Versandkosten<br />
Jahresabonnement:<br />
Deutschland: 65 EUR, EU: 68 EUR inkl. Versand<br />
Probeabo: 33 EUR, EU: 35 EUR inkl. Versand<br />
Bankverbindungen:<br />
GLS Gemeinschaftsbank eG<br />
IBAN DE3443<strong>06</strong>09677014380800,<br />
BIC GENODEM1GLS<br />
USt.-ID DE 178391<strong>06</strong>2<br />
Anzeigen: Standard-Formate zum vergünstigten<br />
Festpreis in unserer Preisliste, z.B. 1/8 Seite<br />
105,- EUR. Download unter www.pirouette-online.de/<br />
info/anzeigenpreise<br />
Copyright für alle Beiträge bei: STS·Verlag+Werbung.<br />
Nachdruck in Wort und Bild, auch auszugsweise,<br />
nur mit schriftlicher Ge neh migung des Verlags.<br />
Gerichtsstand: Bad Mergentheim<br />
Interview auf Seite 9: Katharina Müller und Tim Dieck beim Training in Dortmund, Foto: Flade<br />
Eiskunstlauf-Termine<br />
von Anfang <strong>August</strong> bis Anfang Oktober<br />
(mit besonderem Vorbehalt)<br />
21.08.. – 23.08. Sichtungslaufen in<br />
Berlin-Wedding<br />
20.08. – 23.08. Glacier Falls Summer Event<br />
in Anaheim (USA)<br />
10.09. – 12.09. Junioren Grand Prix in<br />
Budapest (Ungarn), ohne<br />
Paarlaufen<br />
17.09. – 19.09. Autumn Classic in Oakville<br />
(Kanada)<br />
18.09. – 20.09. Dreitannen-Cup in Olten<br />
(Schweiz)<br />
18.09. – 20.09. Lombardia Trophy in<br />
Bergamo (Italien)<br />
24.09. – 26.09. Nebelhorn Trophy in<br />
Oberstdorf<br />
24.09. – 26.09. Junioren Grand Prix in<br />
Ostrava (Tschechien), mit<br />
Paarlaufen<br />
01.10. – 03.10. Junioren Grand Prix in<br />
Taschkent (Usbekistan), mit<br />
Paarlaufen<br />
08.10. – 10.10. Junioren Grand Prix in<br />
Ljubljana (Slowenien), ohne<br />
Paarlaufen<br />
08.10. – 11.10. Finlandia Trophy in Espoo<br />
(Finnland)<br />
15.10. – 17.10. Junioren Grand Prix in Riga<br />
(Lettland), mit Paarlaufen<br />
(neu hinzugekommen)<br />
Titelbild: Eteri Tutberidze mit Alina Zagitova<br />
Foto: Tatjana Flade<br />
Inhalt<br />
Interview: V. James & M.-B. Méité 4<br />
Wettbewerbs-Planung der ISU 5<br />
Interview: Stéphane Lambiel 6<br />
<strong>Juli</strong>-Training in Telfs 7<br />
Interview: Katharina Müller & Tim Dieck 9<br />
Juni-Training in Dortmund 10<br />
Neues aus aller Welt 12<br />
Die Corona-Krise und der Sportverein 14<br />
<strong>Juli</strong>-Training in Egna 16<br />
Juni-Training in Oberstdorf 18<br />
Juni-Training in Berlin 20<br />
Neues aus aller Welt 22<br />
Leserbrief von Denise Biellmann 22<br />
ISU-Serie „Keep Training!“ 23<br />
ISU Skating Awards <strong>2020</strong> 24<br />
Sommertraining in Russland 26<br />
Buchrezension: The Girl Without a Face 28<br />
Kündigung sind bis acht Wochen vor Ablauf des<br />
Abon ne ments möglich, sonst erfolgt Verlängerung um<br />
ein weiteres Jahr. Eine Kündigung bedarf der<br />
Schriftform.<br />
Die vollständigen AGB sind nachzulesen im Internet:<br />
www.pirouette-online.de/info/<br />
allgemeine-geschaeftsbedingungen<br />
<strong>Pirouette</strong>-Online<br />
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mich!<br />
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<strong>Pirouette</strong> im Internet:<br />
Unser Webshop<br />
Erscheinungstermin<br />
der nächsten <strong>Pirouette</strong>:<br />
Anfang September<br />
Aufgrund der aktuellen Lage finden derzeit<br />
immer noch keine Wettbewerbe statt. Um<br />
kurzfristige auf Planungen reagieren zu können,<br />
liegt der Erscheinungstermin unserer Ausgabe<br />
September noch nicht fest.<br />
Das genaue Datum werden wir auf Facebook<br />
und www.pirouette-online.de bekannt geben.<br />
Eislaufgeschichte: Elsa Rendschmidt 29<br />
Scan<br />
mich!
4<br />
Vanessa James & Maé-Bérénice Méité<br />
Interview<br />
Vanessa: Ich hatte Glück, denn ich hatte nie irgendwelche<br />
negative Erfahrungen, egal in welchem<br />
Land ich war. Ich denke, die Eislaufgemeinde<br />
ist sehr liebevoll. Manche Leute sagen<br />
Sachen wie ‚Vanessa, du redest ja wie eine Weiße‘<br />
oder „Vanessa, lächele, denn sonst sehen wir<br />
dich im Dunkeln nicht‘, aber das sehe ich nicht<br />
als Rassismus an. Als ich in Washington D.C.<br />
war, gab es ein paar schwarze Läufer wie Derrick<br />
Delmore, zu denen ich aufschauen konnte.<br />
In Großbritannien war ich die einzige schwarze<br />
Läuferin, soweit ich mich erinnere. In Frankreich<br />
siehst du den Unterschied, weil da wirklich jede<br />
Hautfarbe vertreten ist. In den USA ist Eiskunstlauf<br />
ein sehr elitärer Sport, aber in Frankreich<br />
ist es nicht so teuer und jeder kann es probieren.<br />
In Frankreich hatten wir Yannick Bonheur,<br />
Yretha Silète, Florent Amodio, Chafik Besseghier,<br />
mich selbst im Team. Das ist die größte Diversität,<br />
die ich je auf hohem Niveau im Eiskunstlauf<br />
gesehen habe.<br />
Vanessa James und<br />
Maé-Bérénice Méité<br />
»Jeder muss dieselben Chancen haben,<br />
auf das höchste Niveau zu kommen«<br />
Die Französinnen Vanessa James (32)<br />
und Maé-Bérénice Méité (25) gehören<br />
zu der Minderheit dunkelhäutiger Top-<br />
Eiskunstläufer. Im Video-Interview mit<br />
der <strong>Pirouette</strong> von Florida aus berichten<br />
die Paarlauf-Europameisterin von 2019<br />
und die sechsmalige Französische Meisterin<br />
über ihre Erfahrungen und die<br />
neue Bewegung für mehr Diversität im<br />
Eiskunstlauf.<br />
<strong>Pirouette</strong>: Es gibt nicht so viele farbige Eiskunstläufer.<br />
Wie war es für Sie, als Sie<br />
anfingen, wer waren Ihre Vorbilder?<br />
Vanessa: Als ich mit dem Eislaufen anfing,<br />
dachte ich nicht an meine Hautfarbe. Ich bin in<br />
Bermuda aufgewachsen, wo es viele verschiedene<br />
Ethnien gibt und es war normal für mich,<br />
viele hellhäutige Freunde zu haben. Beim Eislaufen<br />
war es nicht seltsam für mich, dass ich<br />
die einzige Schwarze war. Meine Freunde haben<br />
nie etwas dazu gesagt. Mir fiel erst auf, dass ich<br />
die einzige war, als die Leute mich fragten, wie<br />
es denn sei, die einzige schwarze Läuferin zu<br />
sein. Als ich im Einzellauf Britische Meisterin<br />
wurde, schrieb die Zeitung, dass ich die erste<br />
schwarze britische Eiskunstlaufmeisterin sei.<br />
Das empfand ich als unangenehm. Die Hautfarbe<br />
sollte keine Rolle spielen. Meine Vorbilder<br />
Foto: privat<br />
waren Michelle Kwan und Tara Lipinski. Ihretwegen<br />
bin ich zum Eiskunstlauf gekommen und<br />
sie sind bis heute großartige Vorbilder.<br />
Maé-Bérénice: In meinem Eislaufclub, in dem<br />
ich anfing, hatten wir Weiße, Schwarze, Menschen<br />
jeder Ethnie, von daher war das für mich<br />
normal. In Frankreich haben wir kein echtes<br />
Problem mit Diversität. In unserem Team haben<br />
wir Menschen von überall her und das macht es<br />
so schön. Die Leute sahen mich als Eisläuferin<br />
und nicht als schwarze Frau auf dem Eis. Vielleicht<br />
half es, dass wir Surya (Bonaly) vorher<br />
hatten. Als ich aufgewachsen bin, habe ich verschiedene<br />
Läufer bewundert, Kurt Browning,<br />
Brian Joubert, Surya (Bonaly), Philippe (Candeloro).<br />
Ich habe nicht nur zu Surya aufgeschaut.<br />
Welchen besonderen Einfluss hatte Surya<br />
Bonaly als erste prominente schwarze Läuferin<br />
in Frankreich vielleicht dennoch auf Sie?<br />
Maé-Bérénice: Sie ist so nett und unterstützend.<br />
Sie gibt Rat und sie durchbrach Grenzen.<br />
Das hat sie für uns geschafft. Sie war mit Rassismus<br />
konfrontiert und weil sie das alles<br />
durchgemacht hat, hat sie die Türen für uns<br />
geöffnet.<br />
Vanessa, Sie haben in den USA, Groß <br />
britannien und Frankreich trainiert. Wie<br />
können Sie die Situation in diesen Ländern<br />
vergleichen?<br />
Welche negativen Erfahrungen haben Sie<br />
gemacht?<br />
Vanessa: Eigentlich keine. Auf youtube sieht<br />
man manchmal Kommentare wie ‘Schwarze<br />
sollten nicht auf dem Eis sein’, aber es ist selten<br />
im Vergleich zu den Tausenden positiven<br />
Kommentaren.<br />
Maé-Bérénice: Ich habe auch nie schlechte Erfahrungen<br />
gemacht, aber ich würde sagen, dass<br />
mir ein wenig Diskriminierung begegnet ist, weil<br />
ich physisch anders bin. Ich bin nicht die <strong>No</strong>rm,<br />
die man auf dem Eis sieht. Manchmal habe ich<br />
das Gefühl, dass ich mir keinen Fehler erlauben<br />
darf. Ich bin sehr athletisch und für manche<br />
Leute scheint das ein Problem zu sein und sie<br />
fällen ein Urteil, bevor ich überhaupt das Eis<br />
betrete. Sie denken, ich kann nur springen und<br />
nicht artistisch sein. Es ist gut, dass sich das<br />
nun etwas öffnet, damit sich jeder selbst ausdrücken<br />
kann, unabhängig von der Hautfarbe<br />
oder vom Geschlecht. Was Rassismus angeht,<br />
habe ich mal einen Kommentar zu einem Bild<br />
von mir gesehen, dass ich wie ein Affe aussehe<br />
und nicht auf dem Eis sein sollte. Ich war etwa<br />
15 Jahre alt damals und es hat wehgetan. Es<br />
hat mich gelehrt, diese Kommentare nicht mehr<br />
zu lesen. Du musst lernen, diese schlechten Dinge<br />
herauszufiltern. Aber ich denke, wir bewegen<br />
uns in eine bessere Richtung.<br />
Vanessa: Manchmal haben wir auch Vorurteile.<br />
Du fährst irgendwohin und fragst dich, ob du<br />
wegen deiner Hautfarbe akzeptiert wirst oder<br />
nicht. In Russland war ich nicht sicher, wie man<br />
uns aufnehmen würde, aber nachdem wir (2018<br />
bei der EM) Vierte waren, kamen russische Fans<br />
zu uns und sagten, ‚wir lieben unsere russischen<br />
Läufer, aber ihr hättet auf dem Podium sein<br />
müssen‘. In Weißrussland (EM 2019) bekamen<br />
wir stehende Ovationen. Und vorher war ich<br />
nicht sicher, wie die Zuschauer mich als Schwarze<br />
an einem Ort akzeptieren würden, an dem<br />
man den Anblick nicht so gewohnt ist. Aber sie<br />
mochten mein Eislaufen und mich als Person.<br />
Maé-Bérénice: In Russland hatte ich auch sehr<br />
schöne Erfahrungen. Bei meinem Grand Prix in
5<br />
Moskau spürte ich die Liebe des Publikums<br />
mehr als irgendwo anders. Deswegen habe ich<br />
mich in Russland verliebt.<br />
Sie leben aktuell in den USA und wir hören<br />
viele schlimme Geschichten über den Rassismus<br />
dort.<br />
Maé-Bérénice: Wir fühlen uns komplett sicher,<br />
wo wir jetzt sind. Dass die Leute hier Waffen tragen<br />
dürfen, hat mir ein bisschen Angst gemacht,<br />
denn in Europa gibt es das nicht. Wenn ich allein<br />
Auto fahre, habe ich immer ein wenig Angst davor,<br />
von der Polizei angehalten zu werden. In<br />
Frankreich ist es eigentlich genauso schlimm wie<br />
in den USA, nur reden wir nicht darüber.<br />
Vanessa: Unsere Erfahrungen sind anders als die<br />
vieler anderer Schwarzer in den USA. Wir leben<br />
in einer guten Gegend. Aber egal wo du dich<br />
befindest, solltest du nicht, nur weil du schwarz<br />
und in einer gewissen Gegend bist, als kriminell<br />
angesehen werden.<br />
Was kann für mehr Diversität im Eiskunstlauf<br />
und anderen Sportarten getan werden?<br />
Vanessa: In vielen Sportarten gibt es Diversität.<br />
Finanzielle Probleme machen den Unterschied.<br />
Manche Menschen können es sich nicht leisten,<br />
teure Sportarten wie Eiskunstlauf, Reiten oder<br />
Fechten zu machen. Wir müssen finanzielle Un-<br />
terstützung für Minderheiten, für talentierte<br />
Kinder finden, um ihnen zu helfen.<br />
Maé-Bérénice: Es geht auch darum, das Bewusstsein<br />
für den Sport zu wecken. Manche<br />
Leute wissen gar nichts davon oder denken ‚das<br />
kann ich sowieso nicht machen‘.<br />
Vanessa: Wir sind in der Allianz für Diversität<br />
und Inklusion involviert, die Elladj Baldé und<br />
Michelle Hong gegründet haben. Mit dabei sind<br />
unter anderem auch Michelle Kwan, Adam Rippon,<br />
Surya Bonaly und Charlie White. Außerdem<br />
gibt es die Stiftung „DiversifyIce“ von Joel Savary.<br />
Der US-Verband sagte, sie werden nun einen<br />
Experten hinzuziehen, um Diversität zu unterstützen<br />
und auszubauen. Das ist ein großer<br />
Schritt für US Figure Skating und sehr schön zu<br />
erfahren, ein paar Wochen nachdem die Bewegung<br />
gegründet wurde. Es geht nicht nur um<br />
Schwarze und Minderheiten. Wir wollen, dass<br />
alle Leute, egal of schwarz oder weiß, in ihrer<br />
Mission, die besten zu werden, Unterstützung<br />
finden. Unabhängig von Rasse, Geschlecht, Sexualität<br />
oder Behinderung – wir müssen sicherstellen,<br />
dass jeder dieselbe Chance hat, auf das<br />
höchste Niveau zu kommen.<br />
Maé-Bérénice: Zunächst konzentrieren wir uns<br />
auf Kanada und USA, später wollen wir ausweiten.<br />
Je mehr Menschen wir einbeziehen können,<br />
desto eher werden wir Veränderungen sehen. Die<br />
Eislaufverbände reagieren bereits ein wenig.<br />
Wie sehen Ihre persönlichen Pläne für die<br />
Saison aus?<br />
Vanessa: Frankreich hat eine Vorschrift erlassen,<br />
nach der alle Athleten einen Fitnesstest absolvieren<br />
müssen, bevor sie wieder trainieren, weil<br />
wir so lange weg vom Eis und körperlicher Aktivität<br />
waren. Ich werde mit dem Training anfangen,<br />
sobald ich den Test gemacht habe, aber das<br />
ist nicht so einfach wegen des Corona-Virus. Sie<br />
wollen nicht, dass die Leute ins Krankenhaus<br />
gehen, außer es ist absolut notwendig. Ich arbeite<br />
ein wenig als Trainerin. Aktuell gibt es ein<br />
paar Dinge, die geklärt werden müssen, bevor<br />
wir weitersehen können. Es hängt noch vieles in<br />
der Luft und Morgan (Ciprès) ist in Frankreich.<br />
Maé-Bérénice: Ich hatte Reha für mein Knie,<br />
aber jetzt kann ich bald aufs Eis. Ich habe schon<br />
Musik ausgesucht. Mein KP wird leidenschaftlich<br />
und tiefgehend sein, die Kür unterhaltsam.<br />
Adam Rippon macht das KP und für die Kür arbeite<br />
ich mit einem Tänzer und natürlich mit<br />
Silvia (Fontana) und John (Zimmerman). Ich<br />
freue mich schon sehr darauf.<br />
Vielen Dank für das Interview und alles Gute!<br />
Mit Vanessa James und Maé-Bérénice Méité<br />
sprach Tatjana Flade.<br />
•••<br />
Vanessa James & Maé-Bérénice Méité<br />
Interview<br />
ISU-Planung für Wettbewerbe<br />
WM und Synchron-WM<br />
Nachdem diese beiden Wettbewerbe <strong>2020</strong> nicht<br />
stattfanden, gelten für die beiden WM 20/21<br />
logischerweise die Startquoten von <strong>2020</strong>. Die<br />
DEU und der österreichische Verband haben also<br />
2021 bei der WM zwei Startplätze im Paarlaufen<br />
und einen in den anderen Kategorien. Bei<br />
der Junioren-WM der Synchronläufer sind einige<br />
Teams wegen Corona nicht gestartet oder<br />
nicht bis zu Ende gelaufen. Daher erhalten bei<br />
der JWM 2021 die fünf besten Länder der JWM<br />
<strong>2020</strong> zwei Startplätze und zusätzlich die USA,<br />
weil in den drei Jahren zuvor ebenfalls zwei<br />
Teams starten konnten.<br />
Grand Prix<br />
Anfang <strong>Juli</strong> verkündete China, dass das Land in<br />
diesem Jahr in keiner Sportart mehr internationale<br />
Wettbewerbe organisieren wird, außer<br />
Testevents für die Olympischen Winterspiele<br />
2022. Nach Rücksprache mit dem chinesischen<br />
Verband schrieb die ISU, dass das Chinesische<br />
Olympische Komitee den Grand Prix als Teil des<br />
Finales und damit als Teil eines Testevents ansehe.<br />
Daher werde der Cup of China in Chongqing<br />
nun doch stattfinden, ebenso das Grand<br />
Prix Finale, falls man Lösungen für die Logistik-,<br />
Medizin- und Sicherheitsprobleme findet.<br />
Bei der nächsten Vorstandssitzung am 3. <strong>August</strong><br />
werde nach Rücksprache mit den sechs<br />
Grand Prix-Verbänden endgültig beschlossen,<br />
ob man die gesamte Serie absagt oder die Vorbereitungen<br />
für ein Abhalten weitergehen. Mitte<br />
<strong>Juli</strong> durften zum Beispiel US-amerikanische<br />
Läufer in keines des fünf anderen Grand Prix-<br />
Länder reisen. Umgekehrt war im <strong>Juli</strong> für alle<br />
Europäer die Einreise weder nach <strong>No</strong>rdamerika<br />
noch nach Asien oder Russland möglich, nur<br />
Grenoble war erlaubt.<br />
Junioren Grand Prix<br />
Kanada sagte den ersten Junior Grand Prix und<br />
die Slowakei den zweiten in Kosice schon im<br />
Mai ab. Japan strich im Juni den fünften JGP in<br />
Yokohama. Die lettische Hauptstadt Riga ist dagegen<br />
vom 15. bis 17. Oktober als Ersatz für einen<br />
ausgefallenen Grand Prix eingesprungen,<br />
aber kein anderes Land war dazu bereit. Auf ihrer<br />
Online-Sitzung am 6. <strong>Juli</strong> beschloss der ISU-<br />
Vorstand daher, dass es bei den verbleibenden<br />
Junioren Grand Prix keine Punkte für das Finale<br />
gibt. Daher ist auch das Juniorenfinale in Peking<br />
fraglich. Über Preisgeld und Weltranglistenpunkte<br />
soll im <strong>August</strong> entschieden werden.<br />
Denn zumindest Mitte <strong>Juli</strong> gab es noch viele<br />
Reisebeschränkungen. Es soll in diesem Jahr<br />
keine der sonst nach Ländern vorgeschriebene<br />
Beschränkungen der Teilnehmerzahl geben,<br />
denn man rechnet mit weniger Läufern als<br />
sonst. Stattdessen kann jeder Verband zu jedem<br />
JGP in jeder Kategorie mindestens einen Läufer<br />
bzw. ein Paar melden (jedoch wie bisher niemanden<br />
mehr als zweimal).<br />
Nebelhorn und Challenger<br />
In diesem Herbst soll es keine Challenger-Serie<br />
mit Preisgeld am Ende geben, sondern die<br />
Wettbewerbe sind Einzel-Events. In Oberstdorf<br />
bereite man sich, so sagte Sportamtsleiter Peter<br />
Jokschat der <strong>Pirouette</strong>, vom 24. bis 26. September<br />
auf eine Nebelhorn Trophy mit 400 bis 500<br />
Zuschauern und besonderem Hygienekonzept<br />
vor (freie Sitzreihen, verschiedene Ein- und<br />
Ausgänge usw.). Dies sollte machbar sein und<br />
ist sinnvoll, denn bei diesem Wettbewerb sind<br />
bisher immer viele Plätze freigeblieben. Falls<br />
keine Läufer aus Amerika, Asien und Russland<br />
kommen dürfen, wird das eine Nebelhorn<br />
Trophy nur mit Läufern aus den 27 EU- und<br />
gleichgestellten Staaten wie die Schweiz. Falls<br />
die Infektionszahlen bis September wieder stark<br />
steigen und neue Beschränkungen beschlossen<br />
werden, kann man kurzfristig immer noch absagen.<br />
Die DEU schreibt, dass in diesem Fall<br />
niemand sie wegen eventuell bereits entstandener<br />
Kosten (Bahnticket, Hotel) verklagen<br />
kann. Auch beim Synchronlaufen gibt es keine<br />
Challenger-Serie, sondern die Wettbewerbe<br />
zählen einzeln.<br />
krk
6<br />
Stéphane Lambiel<br />
Der zweimalige<br />
Welt meister<br />
Stéphane Lambiel (35)<br />
aus der Schweiz<br />
kon zen triert sich<br />
zu nehmend auf seine<br />
Arbeit als Trainer und<br />
Choreograph.<br />
Stéphane Lambiel<br />
»Als Trainer musst du den<br />
Schlüssel zu jedem Läufer finden«<br />
Interview<br />
Foto: Flade<br />
<strong>Pirouette</strong>: Wann konnten Sie wieder auf<br />
dem Eis arbeiten?<br />
Stéphane: Wir haben am 11. Mai angefangen,<br />
in Champéry waren wir ab dem 21. Mai. Die<br />
vergangene Saison endete leider ohne das<br />
Hauptziel für die Sportler (die WM). Das war<br />
für viele schwer zu akzeptieren. Die Hallen<br />
waren nach der Absage der WM noch eine<br />
Weile offen, aber die Motivation war weg. Wir<br />
haben uns viele Dinge gefragt, wir wussten<br />
nicht, was die Zukunft bereithielt und waren<br />
etwas verloren. Ich habe mit meinem Team<br />
gleich mit Training außerhalb vom Eis begonnen,<br />
damit die Sportler aktiv blieben.<br />
Wie war es nach der Pause, wieder ins Training<br />
zurückzukommen?<br />
Ich war in der Tat überrascht, denn alle Sportler<br />
haben sehr gut wieder angefangen. Ich<br />
denke, dass kommt daher, weil wir während<br />
der Isolationszeit Kontakt gehalten haben. Wir<br />
hatten den Kontakt, um die Motivation zu<br />
halten und wir hatten das physische Training,<br />
um die Form zu halten. Die Sportler haben die<br />
Verantwortung übernommen, autonomer zu<br />
arbeiten und sich selbst besser zu korrigieren.<br />
Sie hatten die Zeit, ihre eigenen Bedürfnisse<br />
zu entwickeln, ihre Vorlieben. Das war etwas<br />
sehr Positives. Als wir wieder angefangen haben,<br />
hatten einige der Schüler sich sogar fortentwickelt<br />
im Vergleich zu vorher.<br />
Wie unerwartet war das für Sie?<br />
Die gesamte Situation war sehr, sehr unerwartet.<br />
Wir leben in einer Welt, in der alles sehr,<br />
sehr schnell geht und dann auf einmal bleibt<br />
alles stehen. Aber wie ich sagte, wir haben<br />
schnell etwas organisiert, damit die Schüler<br />
untereinander in Kontakt blieben. Es hat mir<br />
sehr gefallen, dass alle sehr solidarisch waren,<br />
trotz der Distanz.<br />
Wie denken Sie, wird die Pandemie die neue<br />
Saison beeinflussen?<br />
Das ist schwer zu sagen. Als Sportler hatte ich<br />
immer gerne Ziele, und das hat mir erlaubt,<br />
mein Training zu planen und hat mich motiviert.<br />
Jetzt, in dieser unsicheren Situation ist<br />
es sehr schwierig, Ziele zu setzen. Es gibt sehr<br />
viele Fragen und ich denke, es ist sehr wichtig,<br />
an sich selbst zu arbeiten und sich weiterzuentwickeln.<br />
Wir bereiten uns vor und sind auf<br />
Stand-By und gleichzeitig bereit, wenn es die<br />
Bestätigung gibt, dass die Saison beginnt.<br />
Haben Sie die Zeit genutzt, um Musik zu<br />
recherchieren und sich neue Programme auszudenken?<br />
Wir haben schon vor der WM viel Musik gehört<br />
und die Zeit nach der Absage war sehr kreativ.<br />
Dann ließ es ein wenig nach, weil wir nicht<br />
wussten, was passieren wird, danach ging es<br />
wieder aufwärts. Ich habe meine erste Choreographie<br />
mit Zoom gemacht, das Kurzprogramm<br />
mit Satoko Miyahara.<br />
Wie negativ ist so eine lange Eispause für die<br />
Läufer?<br />
Als Sportler hatte ich Verletzungen und musste<br />
manchmal für zwei Monate pausieren und 2008<br />
habe ich fast ein ganzes Jahr pausiert. Es ist<br />
immer schwer zurückzukommen, es braucht<br />
Zeit, aber es ist auch eine Zeit um zu entspannen,<br />
mit dem Kopf woanders zu sein und wenn<br />
du zurückkommst, hat dein Geist sich weiterentwickelt<br />
und du bist kreativer und aufnahmefähiger.<br />
Eine Pause ist nicht unbedingt etwas<br />
Schlechtes. Allerdings hat die Situation auf unserem<br />
Planeten einen Einfluss. Wir wissen nicht<br />
genau, was geschieht und ich mache mir mehr<br />
Gedanken um die Atmosphäre in der Welt. Ich<br />
bemerke zwei Seiten der Gesellschaft – die eine<br />
ist aggressiv und sagt ‚dieses Virus wird uns<br />
nicht attackieren, das Leben muss weitergehen‘<br />
und die andere ist viel vorsichtiger, hat Angst.<br />
Wenn sich diese zwei Teile der Gesellschaft gegenseitig<br />
konfrontieren, ist es schwer, eine Balance<br />
zu finden.<br />
Was ist Ihre Vision für den Eiskunstlauf?<br />
Zuallererst definiere ich Eislaufen als eine<br />
Kunst, in der du physisches Können zeigen<br />
kannst, aber auch die Möglichkeit hast, etwas<br />
auszudrücken und zu interpretieren. Ich würde<br />
sagen, es ist die einzige Sportart, die diese Eleganz,<br />
Raffinesse hat und in der die Persönlichkeit<br />
eine solche Bedeutung hat. Meine Vision<br />
ist, dass wir weiterhin diese starken Persönlichkeiten<br />
haben, die den Eiskunstlauf voranbringen,<br />
die dich träumen lassen, wenn alles mehr und<br />
mehr reglementiert und technisch wird. Vision<br />
ist weniger Berechnung, sondern mehr Träumen,<br />
mehr Persönlichkeit, mehr Musikalität, mehr<br />
Emotion. Das ist das, was mich am Eiskunstlauf<br />
angezogen hat, als ich sieben Jahre alt war. Und<br />
jetzt, 28 Jahre später, ist es immer noch das,<br />
was ich mir wünsche.<br />
Werden Sie weiter in Shows auftreten?<br />
Das ist eine gute Frage. Ich trete gerne auf,<br />
denn ich habe immer noch diesen Wunsch,<br />
mich zu zeigen und ich habe Freude am Eislaufen.<br />
Ich weiß nicht, wie lange, aber ein paar<br />
Jahre möchte ich noch weitermachen. Mir<br />
macht das Unterrichten sehr viel Spaß und ich<br />
habe großes Glück mit meinen Schülern.<br />
Sie sagten mal, dass sie nie Trainer werden<br />
wollten. Wieso haben Sie Ihre Meinung<br />
geändert?<br />
Ich habe das gesagt, weil ich Herrn Grütter vor<br />
Augen hatte, der immer schon und immer noch<br />
jeden Tag von 6:30 Uhr morgens bis 19:30 Uhr<br />
abends in der Eishalle arbeitet. Ich hatte viel<br />
Bewunderung für ihn, aber gleichzeitig hatte<br />
ich nicht vor, dieses Modell zu kopieren. Und<br />
heute mache ich genau dasselbe! Mein erster<br />
Schüler, für den ich Choreographie gemacht<br />
habe, war Denis Ten. Ich denke an ihn und behalte<br />
ihn im Herzen. Dank ihm habe ich meine<br />
Leidenschaft zum Unterrichten entdeckt und<br />
was du einem Schüler geben kannst. Dann lud<br />
mich der japanische Verband zu einem Seminar<br />
ein. Ich fand es wunderbar, dass ich trotz der<br />
Sprachbarriere einen Weg fand, mit jedem einzelnen<br />
Kind zu kommunizieren. Das weckte<br />
meine Leidenschaft, denn als Trainer musst du<br />
den Schlüssel finden, um die Tür zu jedem Läufer<br />
zu öffnen.<br />
Warum haben Sie Ihre Schule in Champéry<br />
eröffnet?<br />
Erstens ist Champéry im Vallée, das ist die Region,<br />
in der ich aufgewachsen bin. Es war wichtig<br />
für mich, nah bei meiner Familie zu sein. Zweitens<br />
haben sie im Jahr 2005 die Eishalle für das<br />
Europäische Olympische Jugendfestival renoviert.<br />
Bis 2014 wurde die Halle kaum genutzt<br />
und mir gefiel der Ort. Ich möchte auch dem<br />
Schweizer Eiskunstlauf etwas zurückgeben und<br />
den Eiskunstlauf im Vallée entwickeln.<br />
Vielen Dank für das Interview!<br />
Mit Stéphane Lambiel sprach Tatjana Flade. •••
7<br />
Spitzeneiskunstlauf in Telfs<br />
Lambiels Sommertraining mit Paganini, Vasiljevs, Shimada, Zandron<br />
Ein Bericht von Tatjana Flade unter Mitarbeit von Irene Probst<br />
»<br />
Alexia Paganini:<br />
Telfs in der Nähe von Innsbruck hat<br />
sich schon seit einiger Zeit über Österreich<br />
hinaus einen Namen als Eislaufzentrum<br />
gemacht. Die in einem modernen<br />
Sportzentrum gelegene Halle bietet<br />
in der Tat beste Voraussetzungen für das<br />
Training auf und neben dem Eis. Daher<br />
ist es kein Wunder, dass ein renommierter<br />
Trainer wie Stéphane Lambiel hier öfter<br />
ein Trainingslager abhält. Der zweimalige<br />
Weltmeister war Mitte <strong>Juli</strong> für<br />
zwei Wochen mit seiner „Skating School<br />
of Switzerland“ zu Gast und brachte seine<br />
bekannten Schüler Deniss Vasilijevs<br />
und Koshiro Shimada, die im Mai zu ihm<br />
gewechselte Alexia Paganini, Shaline<br />
Rüegger sowie weitere Läuferinnen und<br />
Läufer mit. Nur Shoma Uno, der seit dem<br />
vergangenen Spätherbst bei Lambiel ist,<br />
konnte wegen der Reisebeschränkungen<br />
bisher noch nicht aus Japan zurückkehren.<br />
Satoko Miyahara, die aktuell in Toronto<br />
trainiert, wollte zur Choreographie<br />
Ende <strong>Juli</strong> in die Schweiz kommen, aber<br />
aus Sorge, dass sie nicht wieder nach Kanada<br />
darf, blieb sie vorerst dort. Shimada<br />
ist bereits das dritte Jahr bei Lambiel und<br />
hat eine Aufenthaltsgenehmigung für die<br />
Schweiz, so dass er einreisen durfte.<br />
In Telfs galten im <strong>Juli</strong> wie Deutschland die üblichen<br />
Sicherheitsmaßnahmen. Nur Läufer und<br />
Trainer durften in die Halle (Besucher wie von<br />
der <strong>Pirouette</strong> mussten sich vorher anmelden)<br />
und beim Betreten desinfizierte man sich erst<br />
einmal die Hände. Die Maskenpflicht galt zum<br />
„In der Quarantäne dachte ich über meine<br />
Karriere und diese Dinge nach. Ich wollte<br />
mein Trainingsumfeld verändern, ich wollte<br />
einfach einen Wechsel. Ich kam nach Champéry,<br />
weil mir gefiel, dass es eine Schule ist<br />
und wie die Gruppe zusammenarbeitet. Wir<br />
haben Unterricht auf dem Eis, neben dem Eis<br />
und alles wird für uns organisiert. Das ist<br />
nicht wie in den USA, wo du dein eigenes<br />
Zeug zusammenstellst. Ich kam zunächst<br />
wegen Corona her, denn ich hatte in den<br />
USA keine Trainingsmöglichkeit. Ich trainierte<br />
einen Tag mit der Schule und es gefiel mir<br />
so, dass ich Stéphane gefragt habe, ob er<br />
mich nimmt. Und er sagte ja! Ich arbeite<br />
sehr gerne mit Stéphane, weil er ein sehr<br />
gutes Verständnis dafür hat, wie Läufer denken<br />
und fühlen. Seine Stärke ist es, dass er<br />
weiß, wie er aus jedem von uns individuell<br />
das Beste herausholen kann. Für mein KP<br />
wollte ich dieses Jahr etwas cooles, langsames<br />
und jazziges. Mir gefiel sehr die Kür von<br />
Madison Hubbell und Zachary Donohue zu<br />
diesem Lied („Caught Out in the Rain“ von<br />
Beth Hart), das war der Stil, nach dem ich<br />
gesucht habe. In der Kür ist ein Teil aus dem<br />
Film „Hable con ella“ und der zweite Teil ist<br />
„Le di a la caza alcance“ von Estrella Morente<br />
und Michael Nyman. In vielen Programmen<br />
hatte ich nicht diese präzisen<br />
«<br />
Bewegungen<br />
und meine Arme sind etwas schlampig,<br />
und in diesem Programm sind viele Bewegungen<br />
sehr präzise und sehr besonders.<br />
Für mich ist es wichtig, dass jede Bewegung<br />
verfeinert ist und ich jede Bewegung zu<br />
Ende bringe, daher haben wir dieses spanische<br />
Thema genommen. Stéphane und Salomé<br />
haben die Programme choreographiert.“<br />
Zeitpunkt des Besuchs<br />
in Österreich nur noch<br />
in öffentlichen Verkehrsmitteln,<br />
aber die<br />
<strong>Pirouette</strong> kam mit Maske<br />
und trug sie bei allen<br />
Interviews, obwohl die<br />
bei schönstem Sonnenschein<br />
draußen stattfanden.<br />
Niemand sollte sich Sorgen vor einer<br />
Ansteckung machen müssen.<br />
Auf dem Eis arbeiteten die Sportler mit Lambiel,<br />
Choreographin Salomé Brunner und dem Amerikaner<br />
Robert Dierking, der ebenfalls zum Trainerteam<br />
der Schule gehört. Die erste Einheit war<br />
der Laufschule gewidmet, danach übten die<br />
Sportler Elemente und Programme. Lambiel demonstrierte,<br />
korrigierte, motivierte. Dierking half<br />
bei Sprungübungen mit der Longe. Im Anschluss<br />
an das Eistraining heizte Tanztrainerin Khoudia<br />
Toure den Läufern kräftig ein. Alle waren mit<br />
Enthusiasmus bei der Sache. In kürzester Zeit<br />
hat sich Alexia Paganini in die Gruppe integriert,<br />
wie Lambiel berichtete. Und auch die Schweizer<br />
Meisterin bestätigte, dass sie sich wohl fühle.<br />
(siehe Kommentar links)<br />
Deniss Vasiljevs ist schon seit 2016 bei Lambiel<br />
und hat sich einen Namen als ausdrucksstarker<br />
Läufer gemacht. Der populäre Lette blieb während<br />
des Lockdowns die ganze Zeit in der<br />
Schweiz und riskierte so nicht, wegen der Reisebeschränkungen<br />
in Lettland festzusitzen.<br />
(siehe Kommentar S. 8) Vasilijevs neue Programme<br />
sind fertig, aber er wollte die Musik<br />
nicht verraten und sagte nur, dass er in der Kür<br />
eine neue Seite von sich zeige und mit einer<br />
Primaballerina gearbeitet habe. Das KP wiederum<br />
sei patriotisch, denn der Musiker komme<br />
aus Lettland. Als Hauptziel für die Saison nennt<br />
der bald 21-Jährige, dass er einen Vierfachsprung<br />
ins Programm einbauen will.<br />
Der Japaner Koshiro Shimada (18), der vor drei<br />
Jahren zu Lambiel kam und ab Ende März zwei<br />
Monate lang in Japan war, bevor in die Schweiz<br />
zurückkehrte, erzählte dagegen sehr gerne und<br />
begeistert von seinen Programmen. (siehe Kommentar<br />
Seite 8)<br />
<strong>Juli</strong>-Training in Telfs<br />
Sommertraining<br />
Die Trainingsgruppe um<br />
Stéphane Lambiel, Foto: Flade
8<br />
<strong>Juli</strong>-Training in Telfs<br />
Sommertraining<br />
»„Ich hatte Glück, denn ich war in einem<br />
Dorf (Champéry) in den Bergen und dort gab<br />
es weniger Einschränkungen. Ich war sehr<br />
viel draußen, ich habe physisch viel gearbeitet<br />
und insgesamt waren meine Tage gut<br />
ausgefüllt. Mit der Ausnahme, dass ich nicht<br />
nach Japan (zu Shows) reisen konnte, war<br />
diese Zeit sogar nach meinem Geschmack,<br />
denn weil wir weniger trainiert haben,<br />
konnte ich Verletzungen ausheilen und beginne<br />
diese Saison physisch stärker als früher.<br />
Aber das war die längste Zeit, die ich<br />
nicht auf dem Eis war – zehn Wochen. Ich<br />
habe das zweite Jahr an der Universität abgeschlossen<br />
und die Zeit der Isolation erlaubte<br />
es mir, ohne diesen engen Zeitplan zu<br />
studieren. Sonst läufst du Eis und lernst und<br />
alles immer in Eile. Ich studiere Humanwissenschaften,<br />
grob gesagt werde ich am Ende<br />
ein Pädagoge sein. Nach den zehn Wochen<br />
war es etwas komisch, wieder zurückzukommen<br />
und ich wollte alles auf<br />
«<br />
einmal. Ich<br />
musste mich wieder daran gewöhnen, auf<br />
dem Eis zu sein und meinen Füßen gefiel es<br />
nicht, dass sie wieder in Schlittschuhe gesteckt<br />
wurden, aber am Ende ging alles gut.<br />
Ich war sehr enttäuscht, dass es keine WM<br />
gab, denn ich war viel besser vorbereitet als<br />
vorher. Jetzt komme ich wieder in Form,<br />
aber es nervt mich, dass nicht sicher ist, was<br />
geschieht. Ich verpasse so viele Shows, bei<br />
Deniss Vasiljevs:<br />
denen ich neue Energie laden kann. Ich kann<br />
es kaum erwarten, dass sie uns wieder rauslassen.<br />
Eine volle Arena, voller Emotionen,<br />
das möchte ich wieder erleben, das ist der<br />
Antrieb, der mir jetzt fehlt.“<br />
Der ständig in Tirol trainierende Österreichische<br />
Staatsmeister Maurizio Zandron nahm eine Woche<br />
lang an Lambiels Trainingslager teil.<br />
(siehe Kommentar oben)<br />
Zandron behält seine Kür „Alice im Wunderland“<br />
in einer überarbeiteten Form und hat ein<br />
neues KP zu Michael Jacksons „Earth Song“,<br />
wozu ihn die aktuelle Lage inspiriert hat (mehr<br />
über Maurizio Zandron gibt es in der nächsten<br />
Ausgabe der <strong>Pirouette</strong>). Nicht im Trainingslager,<br />
aber zu anderen Zeiten auf dem Eis waren die<br />
Tirolerinnen Anita Kapferer und Nathalie Klotz.<br />
Für alle Sportler ist die Unsicherheit darüber,<br />
wann und ob es Wettbewerbe gibt, schwer zu<br />
ertragen. Die Läufer in Lambiels Camp hofften<br />
auf internationale Wettbewerbe. „Wenn es einen<br />
»„Zuerst haben Stéphane und ich die Schaulaufnummer<br />
„I Will Remain“ von Matthew<br />
Hegarty gemacht, um etwas Lustiges und Interessantes<br />
zu tun. Die Kür ist „Rhapsody on<br />
a Theme of Paganini“ und sie ist sehr passend.<br />
Der erste Teil ist die klassische Version,<br />
gespielt von Lang Lang, der zweite Teil ist<br />
mit Gesang von Jose Carreras. Im KP laufe<br />
ich zu „Firedance“ in einer Version von Jennifer<br />
Thomas. Das ist sehr dramatisch. Diese<br />
Musik habe ich selbst vorgeschlagen und die<br />
Kürmusik hat Stéphane empfohlen. Ich kann<br />
es nicht erwarten, die Programme zu zeigen.<br />
Die vergangene Saison war mental schwierig<br />
für mich. In der Meisterklasse<br />
«<br />
hatte ich das<br />
Gefühl, dass ich noch zu schwach bin und<br />
ich hatte ein paar Verletzungen und konnte<br />
nicht so gut trainieren. Aber jetzt geht es<br />
mir zehnmal besser und ich kann sagen, dass<br />
es eine wichtige Erfahrung für mich war. Ansonsten<br />
habe ich angefangen, Humanpsychologie<br />
zu studieren und bin gerade bei der<br />
Verhaltensforschung.“<br />
Koshiro Shimada:<br />
Deniss Vasiljevs und Kashiro Shimada<br />
Grand Prix gibt, fahre ich gerne dorthin. Ich<br />
kann es nicht erwarten, das Leben fortzuführen,<br />
das ich vorher hatte“, sagte Vasiljevs. Der japanische<br />
Verband hatte angekündigt, keine JGP<br />
und Challenger-Wettbewerbe zu beschicken.<br />
Shimada will sich daher zunächst auf regionale<br />
Wettbewerbe in Japan konzentrieren (falls das<br />
reisetechnisch geht) und falls die NHK Trophy<br />
stattfindet, möchte er an einem Auswahlwettbewerb<br />
des Verbandes dafür teilnehmen. „Es ist<br />
schwer zu planen, aber ich werde mich auf jeden<br />
Fall vorbereiten“, sagte er. Paganini ist skeptisch,<br />
was internationale Wettbewerbe im<br />
Herbst angeht. „Ich trainiere, um mein<br />
»„Das Training ist sehr interessant für mich,<br />
aber auch anstrengend. Ich habe gerade<br />
drei Stunden eine nach der anderen gemacht.<br />
Stéphane arbeitet viel mit Choreo<br />
und in der künstlerischen Richtung. Am Anfang<br />
hatten wir ein Tanztraining, Floordance,<br />
und diese Richtung. Das sind Dinge, die ich<br />
nie gemacht habe. So es ist für mich immer<br />
eine neue Inspiration und neue Motivation.<br />
Ich werde etwas Neues lernen und für mich<br />
mitnehmen. Seit Anfang Mai kann ich wieder<br />
trainieren. Als die WM abgesagt wurde,<br />
war ich in Montreal. Wir sind zwei Wochen<br />
früher dorthin geflogen. Nach der Absage<br />
hatte ich die Idee, noch etwas dort zu bleiben.<br />
Aber dann habe ich gedacht, dass es<br />
vielleicht zu kompliziert ist. Ich bin sonntags<br />
zurückgekommen und gleich an diesem<br />
Sonntag kam der Lockdown. So war ich ein<br />
paar Wochen hier und habe immer probiert<br />
weiter zu trainieren, z.B. laufen. Zuerst<br />
wollte ich das zu Hause machen,<br />
«<br />
aber da<br />
war nicht viel Platz. Es ist auch interessant,<br />
weil ich glaube, die Eiskunstläufer haben<br />
nie so eine lange Pause gemacht und am<br />
Ende haben viele verstanden, das ist nicht<br />
so schlimm, es macht nicht so viel aus.<br />
Nach zwei Wochen ist es ungefähr wie vorher.<br />
Mit diesem Lockdown hatte ich auch<br />
viel mehr Zeit für die Uni. Ich war immer zu<br />
Hause und die Vorlesungen waren online.<br />
Maurizio Zandron:<br />
Ich hatte zwei Prüfungen.“<br />
Eislaufen zu verbessern. Wir fokussieren<br />
uns nicht wirklich darauf, uns<br />
auf Wettbewerbe vorzubereiten.<br />
Falls es keine erste Hälfte der Saison<br />
gibt, werde ich bei<br />
Swiss Cup Wettbewerben<br />
laufen oder wir können<br />
Wettbewerbe in unserer<br />
Halle simulieren. Ich<br />
würde sehr gern den<br />
Grand Prix laufen, aber<br />
ehrlich gesagt<br />
denke<br />
ich, es<br />
wird<br />
schwierig<br />
mit den Quarantäne-Bestimmungen<br />
von Land zu<br />
Land zu reisen“,<br />
meinte sie.•••<br />
Alexia Paganini<br />
beim Training<br />
Fotos: Flade<br />
Ende des Tanztrainings, Fotos: Flade
Die Deutschen Eistanz-Meister Katharina Müller und Tim Dieck (beide 24) berichten im <strong>Pirouette</strong>-Interview,<br />
wie sie mit der Corona-Zeit umgehen und sich auf die Saison vorbereiten.<br />
Katharina Müller<br />
& Tim Dieck<br />
»Mit der Situation umzugehen<br />
ist schwer, aber das werden<br />
wir Menschen auch lernen«<br />
<strong>Pirouette</strong>: Was ist seit der WM-Absage im<br />
März bei Ihnen passiert?<br />
Tim: Wir sind zunächst in Moskau geblieben<br />
und haben überlegt, ob wir noch ein bisschen<br />
trainieren. Die Woche danach haben wir mit<br />
Maxim Staviski die Polka geübt und aufgebaut.<br />
Wir wollten da bleiben, weil wir wussten, dass<br />
die Eishalle in Dortmund zumacht. Aber unsere<br />
Eltern und Vitali (Schulz) haben langsam gesagt,<br />
‚kommt mal zurück‘. Sie hatten etwas Angst.<br />
Katharina: Zu der Zeit war es in Deutschland<br />
viel fortgeschrittener als in Russland und wir<br />
haben die ganze Panik nicht verstanden. Ich<br />
habe angefangen, nach Flügen zu gucken. Sowas<br />
hatte ich noch nie gesehen - der Flugpreis<br />
konnte sich in Minuten ändern. Mit jedem Tag<br />
gab es weniger Flüge. Wir konnten nur nach<br />
Berlin fliegen und sind mit dem Mietwagen<br />
nach Hause gefahren.<br />
Tim: Wir waren nur zu Hause, bei der Familie,<br />
was auch mal ganz schön war. Wir haben ein<br />
paarmal Live-Workouts gemacht, wir haben<br />
ohne Eis trainiert, aber es war sehr schwer. Ich<br />
habe noch ein bisschen Russisch gelernt, bis<br />
dann im April der Bundeswehrlehrgang für mich<br />
anfing. Der fand unter besonderen Regelungen<br />
statt. Im Mai waren wir das erste Mal auf dem<br />
Eis, in Willingen für eine Woche. Später sind wir<br />
nach Dinslaken gegangen.<br />
Wie haben Sie diese Zeit mental und emotional<br />
erlebt?<br />
Katharina: Wir hatten so viel Zeit in der Corona-<br />
Zeit, dass wir alles Mögliche durchlebt haben. Es<br />
war nicht immer ein und dasselbe Gefühl. Es<br />
ging von Nicht-Wahrhaben bis hin zu Tief, bis<br />
hin zu Motivation, jetzt können wir noch etwas<br />
verbessern und andere Fähigkeiten ausbauen. Es<br />
war viel Auf und Ab. Relativ am Anfang der Corona-Zeit<br />
war so viel unklar, dass für mich klar<br />
war, ich kann es einfach nur auf mich zukommen<br />
lassen. Das einzige, was ich machen kann,<br />
ist mich einigermaßen fit zu halten, joggen zu<br />
gehen und Yoga zu Hause zu machen. Jetzt haben<br />
wir für uns im Team gesagt, gehen davon<br />
aus, dass wir uns für den ersten Wettkampf vorbereiten,<br />
den wir geplant haben. Ob der stattfindet<br />
oder nicht, macht nichts, wir wollen uns<br />
trotzdem zu dem Zeitpunkt in Topform bringen.<br />
Das wäre im September China gewesen.<br />
Ich denke, bis dahin ist vieles klar und wir können<br />
uns auf dem Weg dorthin anpassen.<br />
Tim: Für mich war die Zeit schwierig. Ich habe<br />
beim Training zu Hause auch mal neue Sachen<br />
probiert, und meinen Körper vielleicht auch besser<br />
kennengelernt. Aber es war sehr schwer für<br />
mich, mir selbst Ziele zu setzen. So eine Zeit<br />
habe ich noch nie vorher erlebt und will ich<br />
auch nicht mehr erleben.<br />
Was planen Sie mit Ihren Programmen?<br />
Tim: Während der ganzen Zeit haben wir uns<br />
natürlich überlegt, was wir machen. Wir haben<br />
mit unserem Trainerteam entschieden, dass wir<br />
die Kür behalten.<br />
Katharina: Es war sehr schade, dass wir die Kür<br />
nicht bei der WM zeigen konnten, aber es ist<br />
auch komisch, sie zu behalten. Wir haben gesagt,<br />
wir wechseln den RD, das sollten wir schaffen.<br />
Das Thema ist Fred Astaire und Ginger Rogers.<br />
„Stepping Out With My Baby“ ist der erste Teil, in<br />
dem der Finnstep mit drin ist. Der zweite Teil ist<br />
„The Way You Look Tonight“ und das letzte ist<br />
eine moderne Version von „Puttin‘ on the Ritz“.<br />
Tim: Es ist für uns etwas Neues und Interessantes.<br />
Wir waren in Egna bei Matteo Zanni zur<br />
Choreo und sind sehr glücklich darüber. Wir haben<br />
das auch mit Anjelika (Krylova) abgesprochen.<br />
Wir wussten, wir brauchen einen Tanztrainer<br />
und da sind wir auf Katharinas Bruder<br />
gekommen, weil er schon jahrelang Tänzer ist<br />
und im Standard auch besser als im Latein.<br />
Katharina: Mein Bruder Daniel ist jetzt 18. Er ist<br />
letztes Jahr zu den Erwachsenen aufgestiegen,<br />
im Jugendbereich haben sie bei Europa- und<br />
Weltmeisterschaften mitgemacht.<br />
Wie ist es für Sie, dass der kleine Bruder Sie<br />
trainiert?<br />
Katharina: Eben weil es der kleine Bruder ist,<br />
habe ich mir direkt gesagt, das muss sofort ausgeblendet<br />
werden. Anders wird es nicht funktionieren.<br />
Ich habe Respekt vor seinen Kenntnissen,<br />
ich würde das nie in Frage stellen, ich habe<br />
keine Ahnung vom Parketttanz, aber er schon.<br />
Als wir es das erste Mal probiert haben, um zu<br />
gucken, ob das funktioniert oder nicht, war ich<br />
überrascht, dass mein kleiner Bruder so etwas<br />
Logisches sagen kann (lacht).<br />
Foto: Flade<br />
Wie läuft die Zusammenarbeit mit Anjelika<br />
aus der Ferne?<br />
Tim: Wir telefonieren mehrmals die Woche, sie<br />
schreibt uns die Pläne, wenn es an die Durchläufe<br />
geht. Die Konditionspläne bekommen wir<br />
weiterhin von einem Trainer dort vor Ort. Sie ist<br />
unsere Haupttrainerin und für uns zuständig<br />
und fragt immer nach, ob alles okay ist.<br />
Katharina: Wir schicken ihr Videos, wenn wir<br />
die Elemente ausarbeiten. Als wir noch keine<br />
Choreo hatten, haben wir Elemente auf die Musik<br />
gemacht, damit sie schaut, ob das passt. Sie<br />
war aktiv bei der Musikauswahl dabei und auch<br />
als wir die Choreo aufgebaut haben, haben wir<br />
die Videos an sie geschickt und sie hat Feedback<br />
geschickt und direkt Matteo geschrieben.<br />
Wie gehen Sie inzwischen mit der neuen<br />
Realität in der Corona-Zeit um?<br />
Tim: Diese Ungewissheit als Sportler zu haben,<br />
war sehr anstrengend und schwer zu bewältigen.<br />
Darüber sind wir noch nicht hinweg, weil<br />
wir immer noch Ungewissheit haben, bzw. ich<br />
bin darüber noch nicht hinweg und wir hoffen<br />
einfach, dass sich jetzt alles wieder bessert und<br />
man irgendwann wieder durchs Leben gehen<br />
kann, ohne diesen Namen Corona zu hören.<br />
Man hört nichts anderes mehr. An diese Masken<br />
werde ich mich wohl nie gewöhnen.<br />
Katharina: Es ist ungewohnt, auf diese menschliche<br />
Nähe zu verzichten. Ich begrüße gerne mit<br />
Umarmung und ich fühle mich so unvollständig<br />
und total kalt einem Menschen gegenüber, das<br />
ist komisch.<br />
Tim: Es ist schwer, mit der Situation umzugehen,<br />
aber das werden wir Menschen auch lernen.<br />
Das wird noch dauern. Ich denke, alle<br />
Sportler haben schon wieder ein bisschen mehr<br />
Motivation, bzw. ich habe sie jetzt durch das<br />
Training. Die <strong>No</strong>rmalität ist im Großen und Ganzen<br />
wieder da, außer, dass wir nicht nach Moskau<br />
können.<br />
Vielen Dank für das Interview und alles Gute!<br />
Mit Katharina Müller und Tim Dieck sprach Tatjana<br />
Flade.<br />
•••<br />
9<br />
Katharina Müller & Tim Dieck<br />
Interview
10<br />
Juni-Training in Dortmund<br />
Sommertraining<br />
Tanz auf dem Vulkan in Dortmund<br />
Stützpunkttraining in den Zeiten von Corona · Aus Dortmund berichtet Tatjana Flade<br />
Die Eishalle in Dortmund öffnete nach rund zweieinhalb Monaten Corona-Pause<br />
wieder, aber nur für Leistungssportler. Natürlich gelten auch hier die üblichen<br />
Vorsichtsmaßnahmen: Am Eingang tragen sich alle in Anwesenheitslisten ein und<br />
desinfizieren sich die Hände, außerhalb vom Eis wird Maske getragen, alle achten auf<br />
Abstand und die Eltern müssen draußen bleiben. Die Dortmunder Bundeskaderläufer<br />
und ihre Trainer verteilen sich gut auf der Eisfläche und an der Bande.<br />
Die Eistänzer Katharina Müller/Tim Dieck und<br />
Viktoria Lopusova/Asaf Kazimov arbeiten unter<br />
Aufsicht von Vitali Schulz und mit Unterstützung<br />
ihres neues Tanztrainers Daniel Müller –<br />
ein Parketttänzer und der Bruder von Katharina<br />
- an ihren Programmen. Sportler und Trainer<br />
unterhalten sich in einer lustigen Mischung aus<br />
Russisch und Deutsch – mal fangen sie einen<br />
Satz auf Deutsch an und beenden ihn auf Russisch,<br />
mal ist es umgekehrt. Tim Dieck, der einzige<br />
im Team ohne russischen Migrationshintergrund,<br />
hat keine Verständigungsprobleme und<br />
macht es genauso. Müller/Dieck feilen an ihrem<br />
brandneuen Rhythmustanz, den sie in Egna mit<br />
Matteo Zanni einstudiert hatten. Als Ginger Rogers<br />
und Fred Astaire fegen sie über das Eis<br />
(siehe Interview Seite 9). Die Junioren Lopusova/<br />
Kazimov, die in ihre zweite gemeinsame Saison<br />
starten, haben ihren Rhythmustanz behalten,<br />
aber sie wollen ihn weiterentwickeln und verbessern.<br />
Neu ist die moderne Kür.<br />
»<br />
Viktoria Lopusova/Asaf Kazimov:<br />
Asaf: „Wir haben die Choreographie für unsere<br />
Programme online mit Mark Hanretty<br />
gemacht, vielen Dank an ihn. Wir übertragen<br />
die Programme jetzt auf das Eis und<br />
verändern noch ein paar Sachen. In der neuen<br />
Kür haben wir eine Komposition aus drei<br />
verschiedenen Teilen, Belonging 2 von Denis<br />
Stelmakh, Shine the Light von Banners und<br />
Smallest Light von Ingrid Michaelson. Wir<br />
wollten etwas im modernen Stil machen. Ich<br />
denke, es wird gut. Wir haben das erste Mal<br />
Choreographie online gemacht. Wir nahmen<br />
mein Ipad und gingen raus auf die Straße,<br />
stellten es auf die Bank und trugen Masken.<br />
Mark war bei sich zu Hause und wir machten<br />
auf der Straße das Programm. Als Ziele<br />
für die Saison setzen wir uns zwei (Junioren)<br />
Grand Prix und wir möchten in die Top<br />
Ten bei diesen Grand Prix kommen und natürlich<br />
zur Junioren-WM fahren. Das ist unser<br />
größtes Ziel, wie auch die Deutsche Juniorenmeisterschaft.“<br />
Trainer Vitali Schulz betreut insgesamt sieben<br />
Paare, drei Nachwuchsteams, zwei Anfängersowie<br />
die zwei Kader-Duos. „Im unteren Bereich<br />
gibt es immer viel Bewegung, da will ein Mädchen<br />
mehr Wert auf Eiskunstlauf legen, dann<br />
ziehen sie sich ein bisschen zurück aus dem Eistanzen.<br />
Ich befürworte, dass die Sportler im<br />
jungen Alter beides machen. Sie müssen springen<br />
können, <strong>Pirouette</strong>n können. Ohne diese<br />
Grundausbildung haben sie im Eistanzen nichts<br />
verloren. Eistanz ist eine sehr komplizierte<br />
Sportart und sie müssen eine gute Ausbildung<br />
haben. Danach, mit zehn, elf Jahren, können sie<br />
entscheiden, was sie machen werden,“ sagte er.<br />
Viktoria Lopusova und Asaf Kazimov beim Training, Fotos: Flade<br />
Die Dortmunder saßen übrigens nicht die ganze<br />
Zeit auf dem Trockenen. Die Tänzer konnten<br />
dank der Vermittlung von Jens ter Laak ab Mitte<br />
Mai nach Dinslaken ausweichen, Müller/Dieck<br />
waren vorher noch in Willingen. Einzelläufer<br />
Denis Gurdzhi durfte ebenfalls in Willingen und<br />
danach in Oberstdorf auf das Eis. Eistanz-Trainer<br />
Vitali Schulz organisierte für seine Sportler<br />
online Training und freut sich, dass alle bei der<br />
Stange blieben. Dennoch war und ist es für den<br />
Coach nicht so leicht, das Training und die Saison<br />
zu planen.<br />
„Alle Menschen waren betroffen und jede Stunde<br />
hatten wir eine Veränderung. Darauf müssen<br />
wir reagieren. Ich habe mir gesagt - es kommt<br />
der Tag und ich mache für den Tag den Plan<br />
und wenn der Plan mehr oder weniger gelungen<br />
ist, sei froh. Ich habe keine Planung für die ganze<br />
Woche gemacht, sondern nur für den kommenden<br />
Tag, in der Hoffnung, dass wir in Dinslaken<br />
wieder am nächsten Tag trainieren dürfen“,<br />
erzählte er.<br />
Schulz geht davon<br />
aus, dass in der Saison<br />
Wettbewerbe stattfinden<br />
werden und bereitet<br />
seine Sportler<br />
entsprechend vor. Anfang<br />
<strong>August</strong> soll es<br />
ein Sichtungslaufen<br />
geben. Aber die Unsicherheit<br />
bleibt.<br />
„Ich hoffe, dass die<br />
Halle nicht geschlossen<br />
wird. Ich habe einen<br />
Plan für die<br />
Die Eistanz-Trainimgsgruppe mit Tim Dieck un<br />
Viktoria Lopusova und Asaf Kazimov sowie d<br />
und Daniel Müller (von links)<br />
Viktoria: „Unsere neue Kür gefällt uns gut.<br />
Wir haben auf jeden Fall Fortschritte<br />
«<br />
gemacht.<br />
Wir spüren einander, wir sind eingelaufen.<br />
Das braucht Zeit. Ich bin die ganze<br />
Zeit in Deutschland geblieben. Natürlich<br />
vermisse ich meine Familie, weil ich so lange<br />
nicht zu Hause war, fünf Monate, aber<br />
was soll ich machen. In Deutschland gefällt<br />
es mir. Wir haben gute Bedingungen für das<br />
Training, viel Eis.“
11<br />
nächsten zwei Wochen gemacht, weiter gehe<br />
ich nicht. Wenn wir die zwei Wochen geschafft<br />
haben, Gott sei Dank. Wenn es einen erwischt,<br />
muss die Halle zugemacht werden. Wir sitzen<br />
hier wir auf einem Vulkan. Aber ich denke, das<br />
wird nicht passieren. Hier gibt es ein sehr gutes<br />
Konzept und alle passen auf.“<br />
Der Trainer ist mit der Entwicklung der Paare<br />
sehr zufrieden. „Es ist die zweite Saison für Viktoria<br />
und Asaf. Viktoria hat sich hier eingelebt.<br />
Sie geht zur deutschen Schule, das ist eine ganz<br />
neue Gesellschaft, ein anderes Land. Sie ist hier<br />
ohne ihre Eltern. Für mich war es wichtig, dass<br />
sie sich gut integriert und sich hier wohlfühlt.<br />
Wenn sie gut integriert ist und sich gut fühlt,<br />
dann kommt die Leistung.“ Lopusova wohnt wie<br />
auch Kazimov im Olympiastützpunkt, in dem<br />
Zimmer zur Verfügung stehen. Dort kochen die<br />
Sportler selbst. Aber Schulz weiß, dass es für die<br />
16 Jahre alte Viktoria nicht einfach ist und sobald<br />
die Grenze nach Russland geöffnet wird,<br />
wird er ihr eine Woche Urlaub geben, damit sie<br />
ihre Eltern besuchen kann. Wie Müller/Dieck<br />
lobt der Trainer die Zusammenarbeit mit Anjelika<br />
Krylova aus der Ferne. „Wir telefonieren<br />
ständig - die Sportler mit Anjelika und ich auch<br />
mit Anjelika. Wir finden eine gemeinsame Linie<br />
und ziehen an einem Strang“, sagte er. Er blickt<br />
mit Optimismus in die Zukunft. „Katharina und<br />
Tim sind immer fleißig und wie ich finde auf einem<br />
guten Weg. Sie werden die Ziele, die sie<br />
sich gesetzt haben, definitiv erreichen.“<br />
Gurdzhi mit neuer Kür<br />
Von den Kaderläufern waren am Besuchstag der<br />
<strong>Pirouette</strong> außer Gurdzhi auch Olesia Ray, Aurelie<br />
Beier, Ina Jungmann und Hanna Pfaffenrot<br />
mit ihren Trainerinnen Marina Dieck bzw. <strong>Juli</strong>a<br />
Gnilozubova auf dem Eis. Louis Weissert war<br />
nicht da. Gurdzhi lief gerade neue Schlittschuhe<br />
ein und trainierte seine neue Kür zu „Per Te“,<br />
gesungen von Josh Groban.<br />
•••<br />
d Katharina Müller,<br />
en Trainern Vitali Schulz<br />
»„Ich fand die (Corona) Zeit nicht so schlimm,<br />
wie in den Medien berichtet wurde, weil in<br />
meinem Wohnort alles relativ entspannt war.<br />
Natürlich war es sehr belastend, dass wir keine<br />
Trainingsmöglichkeiten hatten, deswegen<br />
hatten wir online Training und haben zu Hause<br />
selbst Übungen gemacht. Das hat auch ein<br />
bisschen den Kopf frei gemacht von diesem<br />
ständigen Aufenthalt in der Eishalle. Die Corona-Zeit<br />
hat meinem rechten Knöchel sehr<br />
gut getan, dadurch dass ich keinen Lutz, Flip<br />
oder Rittberger gesprungen bin und nicht im<br />
Schlittschuh drin war. Ich war sehr viel zu<br />
Hause. Ich habe jetzt einen neuen Hund, einen<br />
Dalmatiner, ich habe viel mit ihm gespielt<br />
und ihn erzogen. Ich habe das Kurzprogramm<br />
behalten, „Caruso“ von Lara Fabian. Mit Adam<br />
Solya haben wir meine neue Kür gemacht.<br />
Das Wichtigste ist erst einmal, zwei (Junioren)<br />
Grand Prix, die hoffentlich stattfinden werden,<br />
zu laufen und in beiden die Top Ten zu<br />
erreichen. Bei der Deutschen Junioren-Meisterschaft<br />
will ich versuchen, den Meistertitel<br />
zu behalten und dann zur Junioren-WM. Diese<br />
Saison werden Lutz und Flip drin sein und<br />
dann hoffentlich der dreifache<br />
«<br />
Axel oder der<br />
vierfache Salchow. Der Salchow ist der einfachste<br />
Sprung für mich. Ich habe ein gutes<br />
Gefühl, wenn ich weiter daran arbeite, wird er<br />
(vierfach) funktionieren. Mein Ziel ist es jetzt,<br />
einfach wieder reinzukommen nach der ganzen<br />
Phase, die neuen Schlittschuhe und die<br />
beiden Programme einzulaufen und dann hoffentlich<br />
die Wettkämpfe zu laufen.“<br />
Denis Gurdzhi:<br />
Kihira nimmt Orser<br />
als Co-Trainer<br />
Die Japanerin Rika Kihira hat Brian Orser als<br />
Co-Trainer angeheuert. Haupttrainerin soll jedoch<br />
wie bisher Mie Hamada bleiben. „Ich<br />
habe das so entschieden, denn ich bin sicher,<br />
dass ich mich (mit Orser) vor den Olympischen<br />
Winterspielen in Peking weiter entwickeln<br />
kann“, sagte Kihira der japanischen Nachrichtenagentur<br />
Kyodo News im Juni. Sie wolle den<br />
vierfachen Toeloop und Salchow in ihre Programme<br />
einbauen und von Top-Läufern lernen.<br />
Die Vier-Kontinente-Meisterin hoffte auf ein<br />
Ende der Reisebeschränkungen im Sommer,<br />
um zu Orser nach Kanada reisen zu können.<br />
Bei dem Kanadier trainiert unter anderem Kihiras<br />
Landsmann, der zweimalige Olympiasieger<br />
Yuzuru Hanyu.<br />
Yu/Zhang getrennt<br />
Das chinesische Paarlaufpaar Xiaoyu Yu/Hao<br />
Zhang gibt es nicht mehr. Yu veröffentlichte<br />
einen längeren Text in chinesischen sozialen<br />
Netzwerken, schrieb über ihre Karriere und<br />
dass sie nicht wisse, wie es für sie weitergehe.<br />
Aber sie werde ihren Weg gehen. Eine Anzeige<br />
auf der internationalen Partnersuche-Webseite<br />
Icepartnersearch musste sie nach Berichten<br />
chinesischer Fans angeblich auf Druck der Behörden<br />
wieder löschen. Hao Zhang soll schon<br />
länger wegen anhaltender Verletzungsprobleme<br />
nicht mehr trainiert haben. Das Duo war<br />
das letzte Mal in der Olympiasaison 2017/18<br />
international gestartet und hatte Rang acht<br />
bei den Olympischen Spielen und Platz sieben<br />
bei der WM belegt. Danach hatten sie nach<br />
Angaben des chinesischen Verbandes noch an<br />
nationalen Wettbewerben teilgenommen. tat<br />
News
12<br />
News<br />
Neues aus aller Welt<br />
Hin und Her bei<br />
Regeländerungen<br />
Die ISU hat in den vergangenen Monaten mehrfach<br />
Regeln geändert, wieder zurückgenommen<br />
und doch wieder in Kraft gesetzt. Tobt da ein<br />
Machtkampf zwischen dem Vorstand und Fabio<br />
Bianchetti, dem Chef des Kunstlaufkomitees?<br />
Auf jeden Fall schrieb die ISU im Juni, die im<br />
Mai beschlossenen Punkteangleichungen bei den<br />
vierfachen Sprüngen und die Einführung des<br />
umstrittenen “q“ bei Sprüngen mit genau einer<br />
Viertelumdrehung zu wenig (siehe Mai/Juniheft<br />
Seite 4) würden doch nicht in Kraft treten, da<br />
die meisten Läufer wegen des Coronavirus gar<br />
nicht trainieren konnten. Nach der nächsten<br />
Vorstandssitzung am 6. <strong>Juli</strong> gab man bekannt, es<br />
würden nun doch einige Regeln vom Mai gelten<br />
und ältere ISU-Mitteilungen (Communications<br />
2323 und 2324) wurden gelöscht und waren<br />
verschwunden. Dort war allerdings detailliert<br />
aufgeführt, welchen Level die verschiedenen Details<br />
bei den <strong>Pirouette</strong>n und Schrittfolgen und<br />
einige Paarlaufelemente haben. Damit gelten<br />
nun die Regeln wie im Mai/Juni-Heft beschrieben,<br />
außer bei den zuvor geänderten Punkten<br />
für die Sprünge. Hier sollen die Regeln der vergangenen<br />
Saison weiterhin gelten. Am 15. <strong>Juli</strong><br />
waren allerdings die neuesten Beschlüsse des<br />
Vorstandes vom 6. <strong>Juli</strong> (Communication 2335)<br />
von der Kunstlauf-Website der ISU wieder verschwunden,<br />
am 16. <strong>Juli</strong> wieder online, so dass<br />
das langsam zu einem Kasperletheater werden<br />
könnte. Dass Läufer, Trainer, Spezialisten, Preisrichter<br />
und Programmierer endlich die genauen<br />
Regeln kennen müssen, geriet fast in Vergessenheit.<br />
Vierfache Sprünge in Damen-Kurzprogrammen<br />
bleiben weiterhin nicht erlaubt.<br />
Tickets für 2021<br />
Am 25. <strong>August</strong> mittags um 12 Uhr Mitteleuropäischer<br />
Sommerzeit startet der Verkauf von<br />
Dauerkarten für die WM 2021 unter www.<br />
stockholm2021.se in der Globen Arena in<br />
Stockholm, in der schon die EM 2015 abgehalten<br />
worden war. Der schwedische Verband<br />
kündigte an, dass eine Rückerstattung von gekauften<br />
Tickets nur dann erfolgen kann, wenn<br />
die WM vom Staat Schweden oder der ISU abgesagt<br />
wird. Eine Erstattung sei nicht möglich,<br />
wenn die WM stattfindet, aber Fans aus Sorge<br />
um Ansteckung mit dem Corona-Virus nicht<br />
anreisen, nicht in die Halle kommen möchten<br />
oder Schweden ihnen keine Einreise erlaubt.<br />
Die Eintrittspreise waren Mitte <strong>Juli</strong> noch nicht<br />
bekannt. Für die EM 2021 in Zagreb gibt es<br />
noch keinen Termin für den Vorverkauf.<br />
Chemnitz bleibt Stützpunkt<br />
Weil nur wenige Kaderläufer der DEU aus<br />
Chemnitz oder dem mit dieser Halle verbundenen<br />
Dresden kommen, war der Status als Bundesstützpunkt<br />
bedroht. Aber die DEU konnte<br />
nun erreichen, dass die sächsische Stadt zumindest<br />
bis Ende 2022 Bundesstützpunkt bleibt.<br />
Sarah Hecken heißt jetzt Sarah Haase, Foto: privat<br />
Sarah Hecken verheiratet<br />
Sarah Hecken aus Mannheim, viermalige Deutsche<br />
Meisterin, Gewinnerin des Pokals der Blauen<br />
Schwerter 2007 sowie Elfte der EM und WM<br />
2011 und 18. der Olympischen Spiele 2010, hat<br />
ihren langjährigen Lebensgefährten Henry Haase<br />
geheiratet und heißt jetzt Sarah Haase. Das Paar<br />
lebt seit einigen Jahren in Augsburg und hat einen<br />
22 Monate alten Sohn namens Stephan.<br />
Haase spielt nach Jahren in Augsburg zurzeit als<br />
Profi-Eishockeyspieler in Berlin. Nach dem Ende<br />
der Elternzeit im <strong>August</strong> wird Hecken wieder als<br />
Immobilienkauffrau in Augsburg arbeiten.<br />
Holiday on Ice<br />
Die Produktionsfirma von Holiday on Ice gab am<br />
15. <strong>Juli</strong> bekannt, dass sie in diesem Herbst und<br />
Winter keine Shows veranstalten, sondern alle<br />
Termine um ein Jahr verschieben wird. Damit<br />
kann auch Joti Polizoakis nicht mit Sarah Lombardi<br />
starten, der dies Ende Juni beim Besuch<br />
der <strong>Pirouette</strong> in Berlin noch gehofft hatte.<br />
Alysa Liu wechselt Trainer<br />
Die zweimalige US-Meisterin (Meisterklasse)<br />
Alysa Liu aus Oakland in Kalifornien beherrscht<br />
sowohl den dreifachen Axel als auch den vierfache<br />
Lutz und war deshalb blitzschnell an die nationale<br />
Spitze gelangt. Bei der Junioren-WM vor<br />
vier Monaten gewann sie eine Bronzemedaille.<br />
Stilistisch ist sie allerdings noch ein Stück von<br />
der Weltspitze entfernt. Im Juni hat sie ihrer<br />
Trainerin Laura Lipetsky gekündigt, die sie seit<br />
ihren ersten Tagen auf dem Eis betreut hatte.<br />
Offensichtlich war dem ehrgeizigen Vater Lipetsky<br />
nicht mehr gut genug. Neuer Haupttrainer<br />
soll zumindest vorläufig der Tanztrainer Massimo<br />
Scali werden, der seit einem Jahr in Oakland<br />
lebt. Eigentlich will sie aber in das 4.000 Kilometer<br />
entfernte Toronto, um dort im Granite<br />
Club mit dem Techniktrainer Lee Barkell und der<br />
Star-Choreografin Lori Nichol zu arbeiten. Im<br />
Juni und <strong>Juli</strong> waren allerdings die Grenzen zwischen<br />
den USA und Kanada geschlossen, so dass<br />
sie vorläufig nur online mit diesen Beiden arbeiten<br />
kann. Außerdem geht sie auch noch zur<br />
Schule, wird im <strong>August</strong> erst 15 Jahre alt, und ihr<br />
Vater muss sich auch um ihre Geschwister kümmern<br />
und es ist ziemlich zweifelhaft, dass all das<br />
Hin und Her ihrer Karriere förderlich ist.<br />
Eisläuferin wird Pornostar<br />
De heute 30 Jahre alte Melissa Bulanhagui, eine<br />
US-Läuferin aus Philadelphia mit philippinischen<br />
Eltern, war als Juniorin recht erfolgreich<br />
und gewann im Jahr 2008 sogar den Junioren<br />
Grand Prix in Meran. Im Jahr 2010 holte sie<br />
Bronze bei der Nebelhorn Trophy (siehe Foto).<br />
Seit 2012 lief sie für die Philippinen und wurde<br />
zweifache Landesmeisterin. Zu einer Teilnahme<br />
an den Olympischen Spielen reichte es allerdings<br />
weder 2010 noch 2014. Sie beendete sie<br />
ihre ISU-Karriere, arbeitete kurze Zeit in Thailand<br />
als Trainerin, hatte Alkoholprobleme und<br />
arbeitete in einer Bar in Kalifornien. Die<br />
Schweizer Boulevardzeitung „Blick“ schrieb,<br />
dass sie dort von Produzenten von Pornofilmen<br />
angesprochen wurde. Unter ihrem Künstlernamen<br />
Jada Kai dreht sie nun seit 2018 Pornofilme<br />
und ihre Filme sollen schon 30 Millionen<br />
mal angeklickt worden sein.<br />
Melissa Bulanhagui bei<br />
der Nebelhorntrophy 2010<br />
Foto: Krauter<br />
Grand Prix-<strong>No</strong>minierungen<br />
Die ISU hat in diesem Jahr bis Mitte <strong>Juli</strong> noch<br />
keine Grand Prix-<strong>No</strong>minierungen bekanntgegeben,<br />
wie sonst im Juni üblich. Stattdessen sollen<br />
die Namen der Läufer („Wer startet wo?“) erst<br />
Anfang <strong>August</strong> veröffentlicht werden, wenn die<br />
Corona-Arbeitsgruppe der ISU entschieden hat,<br />
dass die Planung für die gesamte Serie weitergeht<br />
und der Vorstand hat das am 3. <strong>August</strong><br />
beschlossen. Falls die Serie abgesagt werden<br />
sollte, sind Einladungen ohnehin hinfällig.
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Japan-Tournee geht weiter<br />
Mao Asada kündigte an, dass ihre Tournee<br />
durch Japan nach mehrmonatiger Corona-Pause<br />
wieder fortgesetzt wird, wenn auch mit geringeren<br />
Zuschauerzahlen als ursprünglich geplant.<br />
Daher gibt es mehr Livestreams.<br />
McNamara läuft mit<br />
Spiridonov<br />
Die amerikanische Eistänzerin Lorraine McNamara,<br />
die im Spätwinter ihre langjährige Karriere<br />
mit Quinn Carpenter (u.a. Juniorenweltmeister<br />
2016) beendet hatte, setzt diese nun mit<br />
dem in den USA geborenen, aber zuletzt in<br />
Russland lebenden Anton Spiridonov (22) fort.<br />
Spiridonov war 2015 und 2016 mit Leticia<br />
Marsh für Großbritannien gestartet (Neunte<br />
beim Pokal der Blauen Schwerter 2016) und zuletzt<br />
mit Jana Buga und Polina Pankova national<br />
in Russland gestartet.<br />
Werner Sayffaerth<br />
gestorben<br />
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Der ehemalige Kölner Trainer und Trainerausbilder<br />
Werner Sayffaerth ist am 10. Juni im<br />
Alter von 81 Jahren gestorben. Nach eigener<br />
Karriere in den 1950er Jahren schloss er ein<br />
Studium an der Sporthochschule Köln ab und<br />
kümmerte sich auch intensiv um den Schulsport.<br />
Sein erfolgreichster Läufer war Gert-<br />
Walter Gräbner, der 1976 Deutscher Meister<br />
wurde, in anderen Jahren zweimal Silber und<br />
zweimal Bronze gewann. International landete<br />
er auf Rang 17 bei der EM und Platz 19 bei<br />
der WM 1976. Sayffaerths größter Verdienst<br />
ist wohl die Ausbildung von vielen anderen<br />
Eislauftrainern in ganz Deutschland.<br />
Generalsekretärin<br />
gestorben<br />
Romana Filipin, Verbandsmitarbeiterin, Generalsekretärin<br />
des österreichischen Eiskunstlaufverbandes<br />
und Preisrichterin, ist am 30.<br />
Juni plötzlich verstorben.<br />
Fotograf gestorben<br />
Der für die Agentur Vandystadt hauptberuflich<br />
arbeitende französische Fotograf Richard<br />
Martin ist mit 54 Jahren an Lungenkrebs gestorben.<br />
Er war Familienvater und starker<br />
Raucher und hat bei vielen Eislaufveranstaltungen<br />
in Frankreich und bei Olympischen<br />
Spielen fotografiert.<br />
Sportgymnasten bewerten<br />
Eisläufer<br />
Der ukrainische Verband für Rhythmische Sportgymnastik<br />
hielt am 6. <strong>Juli</strong> ein Online-Webinar<br />
ab, bei dem auch zwei ISU-Preisrichter für Eiskunstlaufen<br />
Rhythmische Sportgymnastik bewerteten<br />
und zwei Preisrichter aus dieser Disziplin<br />
die Eiskunstläufer. Die beiden Preisrichter<br />
waren die bekannten Rita Zonnekeyn aus Belgien<br />
und Alexey Beletsky aus Israel, sicherlich mit<br />
Erlaubnis der ISU.<br />
Nagasu operiert<br />
Zum zweiten Mal musste sich im Juni die US-<br />
Läuferin Mirai Nagasu (27) einer Hüftoperation<br />
unterziehen, die nach einem 10. Platz bei den<br />
Olympischen Spielen 2018 und demselben Resultat<br />
bei der WM einige Wochen später ihre<br />
Karriere beendet hatte. Zuvor schrieben US-Medien<br />
darüber, dass sie regemäßig im japanischen<br />
Restaurant ihrer Eltern mitarbeitete, als dieses<br />
wegen des Corona-Virus schließen musste und<br />
nur Mahlzeiten an die Beschäftigten eines nahen<br />
Krankenhauses liefern konnte.<br />
Gailhaguet sieht sich<br />
im Recht<br />
Der im Februar zurückgetretene französische<br />
Verbandspräsident Didier Gailhaguet beschuldigte<br />
über seinen Anwalt die Sportministerin<br />
Roxana Maracineanu, sich in seinem Fall nicht<br />
neutral verhalten, ihn öffentlich „verteufelt“<br />
und so zum Rücktritt gezwungen zu haben.<br />
Das Ministerium antwortete, er sei in vollem<br />
Besitz seiner geistigen Kräfte zurückgetreten,<br />
daher stünden ihm die 300.000 Euro Entschädigung<br />
nicht zu, die er fordere. Die einstige<br />
Paarläuferin Sarah Abitbol, die den Skandal<br />
um sexuellen Missbrauch mit der Veröffentlichung<br />
eines Buches (siehe Mai/Juni-<strong>Pirouette</strong>)<br />
ins Rollen gebracht hatte, sagte, sie sei entsetzt,<br />
dass Gailhaguet jetzt eine Entschädigung<br />
haben wolle. Bei der großen Umbildung<br />
der Regierung Anfang <strong>Juli</strong> blieb Maracineanu<br />
im Amt; sie scheint also das Wohlwollen von<br />
Präsident Emmanuel Macron zu genießen.<br />
Asher Hill kritisiert<br />
kanadischen Verband<br />
Nach der hitzigen Debatte um Polizeigewalt und<br />
die Diskriminierung von Farbigen vor allem in<br />
den USA veröffentlichten sowohl die ISU als auch<br />
der kanadische Verband Stellungnahmen, in denen<br />
sie jeglichen Rassismus ablehnen und sagen,<br />
bei ihnen im Sport würden alle Menschen gleich<br />
behandelt, egal welche Hautfarbe sie haben. Anders<br />
als der kanadische Verband scheinheilig<br />
schreibe, sagte der dunkelhäutige ehemalige kanadische<br />
Eistänzer Asher Hill in einem Interview<br />
mit der Fernsehgesellschaft CBC, habe er von Anfang<br />
seiner Karriere an sehr wohl unter Rassismus<br />
und Homophobie gelitten, aber angesprochen<br />
habe man ihn darauf nie. Als er sich zum<br />
Beispiel als Trainer über negative Bemerkungen<br />
in seinem Verein in Brampton beklagte, habe er<br />
keine Antwort erhalten. Der Verband schrieb jedoch,<br />
man habe seine Vorwürfe von einer neutralen<br />
Person überprüfen lassen, die keine Diskriminierung<br />
bemerkte. Hill sagte, man habe alles<br />
unter den Teppich kehren wollen und sogar gedroht,<br />
ihn zu suspendieren oder seine Trainerlizenz<br />
einzuziehen. Dies bestreitet der Verband.<br />
Das kanadische Olympische Komitee schrieb, sie<br />
hätten auch keine Antwort auf alles, aber sie<br />
versuchten immer, etwas besser zu machen.<br />
Hill lief viele Jahre lang mit Kharis Ralph und<br />
war mit ihr unter anderem im Jahr 2011 Dritter<br />
der Nebelhorn Trophy und ein halbes Jahr später<br />
13. der WM, bevor er 2014 seine Läuferkarriere<br />
beendete und Trainer wurde.<br />
Reed/Ambrulevicius<br />
wechseln nach Montreal<br />
Das für Litauen startende Tanzpaar Allison Reed<br />
und Saulius Ambrulevicius (11. der EM <strong>2020</strong>)<br />
hat Oberstdorf und seinen bisherigen Haupttrainer<br />
Rostislav Sinicyn verlassen und wechselt in<br />
die Eistanzschule von Montreal (Ice Academy).<br />
Mitte <strong>Juli</strong> hielt sich wegen der Reisebeschränkungen<br />
Reed allerdings noch bei ihren Eltern in<br />
den USA auf, Ambrulevicius dagegen in Litauen<br />
und sie konnten nicht zusammen trainieren.<br />
Morgan Ciprès war geladen<br />
Der französische Paarläufer Morgan Ciprès hatte<br />
vor fast drei Jahren in den USA zwei 13-14<br />
Jahren alten Eisläuferinnen, die in derselben<br />
Halle trainieren wie er, Nacktfotos von sich geschickt.<br />
Dies wurde mit zwei Jahren Verspätung<br />
bekannt. Am 9. <strong>Juli</strong> dieses Jahres musste er vor<br />
der von der neuen Verbandspräsidentin Nathalie<br />
Péchalat gegründeten Disziplinkommission<br />
des französischen Verbandes aussagen, der sie<br />
selbst nicht angehört, weil sie keine Juristin ist.<br />
Sie sagte, sie wolle solche Probleme nicht mehr<br />
mit einem Klaps auf die Schulter regeln. Anfang<br />
<strong>August</strong> wollte der Verband dann bekanntgeben,<br />
ob Ciprès gesperrt wird, eine Strafe zahlen<br />
muss oder seine Paarlaufkarriere mit Vanessa<br />
James fortsetzen kann. In die USA wird er<br />
vermutlich nicht mehr einreisen wollen, denn<br />
dort läuft seit kurzem ein gerichtliches Verfahren<br />
gegen ihn, und er könnte bei der Einreise<br />
verhaftet werden. <br />
krk<br />
Alexandrovskaya<br />
beging Selbstmord<br />
Die Paarläuferin Ekaterina Alexandrovskaya<br />
hat sich das Leben genommen. Die Leiche der<br />
20-Jährigen wurde am 18. <strong>Juli</strong> neben einem<br />
Haus im Zentrum Moskaus gefunden, berichtete<br />
die Agentur TASS. 2017 gewann sie mit<br />
Harley Windsor die Junioren-WM und die<br />
erste ISU-Meisterschaft für Australien. „Ich<br />
bin am Boden zerstört über den traurigen und<br />
plötzlichen Tod von Katia“, schrieb Ex-Partner<br />
Windsor auf Instagram. <br />
tat<br />
13<br />
News
14<br />
Die Corona-Krise und der Sportverein<br />
Die Corona-Krise und<br />
der Sportverein<br />
ein kritischer Blick auf eine Entwicklung von Jörn Lucas<br />
Dieser Artikel beleuchtet die Probleme, die sich durch die Corona-Krise für den organisierten<br />
Sport ergeben haben. Dies geschieht zunächst einmal aus sportpolitischer,<br />
dann aus gesellschaftspolitischer Sicht, dann aus der Sicht der Sportvereine im<br />
Allgemeinen und der Großsportvereine im Besonderen.<br />
Foto: privat<br />
Vorangestellt werden soll, dass der Autor angewandte<br />
Kulturwissenschaft studiert hat und seit<br />
mehr als 23 Jahren als Geschäftsführer in Großsportvereinen<br />
arbeitet, seit 19 Jahren beim MTV<br />
Treubund Lüneburg von 1848 e.V., erfolgreicher<br />
Roll- und Eistänzer und Übungsleiter war und<br />
seit vielen Jahren Preisrichter im Eiskunstlaufen<br />
ist. Deshalb kann man fragen, ob sich ein Artikel<br />
wie dieser mit der Regelung der ISU verträgt,<br />
wonach Preisrichter Zurückhaltung in den Medien<br />
zu halten haben. Allerdings beschäftigt<br />
sich der Artikel mit den Sportarten Eis- und<br />
Rollkunstlaufen nur am Rande und gar nicht<br />
mit Preisrichtern.<br />
Aus sportpolitischer Sicht zeigt die Corona-Krise<br />
den tatsächlichen gesellschaftlichen Stellenwert<br />
des Sports. Entgegen der gehaltenen<br />
Sonntagsreden spielte der organisierte Sport in<br />
der beginnenden Corona-Krise keine Rolle. Es<br />
spielte keine Rolle, dass die größte Vereinigung<br />
von Menschen in Deutschland - der DOSB -<br />
von heute auf morgen seine Daseinsberechtigung<br />
verloren hat. Das war gesellschaftlich so<br />
irrelevant, dass der DOSB die eigene Bedeutungslosigkeit<br />
mit Schweigen begleitete. Erst<br />
nach quälenden 14 Tagen des sportpolitischen<br />
Scheintods legte der DOSB dann ein gutes,<br />
wirksames und hilfreiches Papier vor: „Sportdeutschland<br />
bietet aktive Mithilfe“ an. Darin<br />
enthalten: Die „Zehn Leitplanken des Sports“,<br />
die sich so oder ähnlich dann in den meisten<br />
Landesverordnungen wiederfinden. Nach diesem<br />
nicht gering einzuschätzenden Positionspapier<br />
ist der DOSB jedoch wieder in seine Bedeutungslosigkeit<br />
zurückgefallen. Es gab außer<br />
Ankündigungen keine wesentlichen Sport- oder<br />
gesellschaftspolitischen Initiativen. Auch die<br />
angekündigten finanziellen und organisatorischen<br />
Hilfen waren unbedeutend. Wie wenig<br />
der DOSB seine sportpolitische Verantwortung<br />
mit Nachdruck zu Gehör gebracht hat, kann<br />
man daran erkennen, wie wenig sich für die<br />
Nicht-Fußball-Profisportarten eingesetzt wurde.<br />
Es ist ja der Hohn, dass der Profi-Fußball<br />
nach nur kurzer Zeit wieder trainieren durfte,<br />
andere Profisportarten jedoch nicht. Kein Aufschrei<br />
und Einforderung von Gleichbehandlung,<br />
und kein einziges Wort der Kritik daran war zu<br />
vernehmen. Selbst Golfern wurde das Training<br />
nicht gestattet. Und dass den Pferden das Risiko<br />
der Ansteckung durch seine Reiter erspart<br />
geblieben ist, war auch wohl eher ein Akt des<br />
Tierschutzes als Ergebnis einer sportpolitischen<br />
Überlegung.<br />
Erwähnenswert wäre noch, dass zu Beginn der<br />
Krise zwei kommerzielle Großveranstaltungen<br />
die sportpolitische Diskussion bestimmten: Die<br />
Fußball-Europameisterschaft und die Olympischen<br />
Spiele. Hierzu möchte ich lieber nicht viel<br />
sagen, denn Meinungsfreiheit ist nicht unbedingt<br />
das verbreitetste Recht in demokratiearmen<br />
Organisationen. Außerdem haben die<br />
sportlich angehauchten Disneyland-Ableger alle<br />
vier Jahre wenig mit dem Problem des organisierten<br />
Sports zu tun.<br />
Dass andere da anders agieren, kann man in der<br />
Fitnesswirtschaft erkennen. Bereits am 9. April<br />
äußert der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg<br />
(Az 1 S 925/20) erhebliche Zweifel, dass<br />
die Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg<br />
verfassungskonform sei, ohne allerdings<br />
die Verordnung zu kippen. Ein entsprechender<br />
Beschluss des VerwG Hamburg wird durch Beschluss<br />
des OVG Hamburg am 22.05.<strong>2020</strong> einkassiert.<br />
Auch ein ähnlicher Beschluss des VerwG<br />
Niedersachsen kann keine Bewegung erzeugen.<br />
Gleichwohl zeigt diese Branche mehr Zähne und<br />
der rechtliche Druck ergehender Urteile landauf<br />
und landab bewegen die Landesregierungen<br />
dazu, in ihren Corona-Verordnungen Spielräume<br />
einzubauen. Es zeigt sich, dass das politische<br />
und rechtliche Gewicht der betreffenden Verbände<br />
- als Beispiel sei hier der Deutsche Sportstudioverband<br />
(DSSV) genannt - bedeutend höher<br />
einzustufen ist als der des DOSB. Einzig um<br />
den Hochleistungssport wird sich etwas bemüht.<br />
So durften in Niedersachsen gleichzeitig mit den<br />
Profi-Fußballern die Sportler des Olympia-Kaders<br />
und des Perspektivkaders sehr frühzeitig im April<br />
wieder trainieren. Andere Bundesländer sind da<br />
nachgezogen, wobei Thüringen das Kunststück<br />
fertig gebracht hat, den Trainingsbetrieb erst<br />
sehr spät zu erlauben, bei dem allgemeinen Kontaktverbot<br />
jedoch als erstes Bundesland zu „lockern“.<br />
Statt gemeinsamer Lösungen für alle<br />
werden Einzellösungen für wenige gesucht. Ein<br />
augenöffnendes Beispiel sei hier eine Besonderheit<br />
des Landes Niedersachsen genannt: Die aktuelle<br />
Regelung vom 22.<strong>06</strong>.<strong>2020</strong> (und auch<br />
schon vorher) besagt in § 1 Absatz 8, dass die<br />
„Sportausübung (..) zulässig (sei), wenn (…) diese<br />
kontaktlos zwischen den beteiligten Personen<br />
erfolgt (und) ein Abstand von mindestens zwei<br />
Metern jeder Person zu jeder anderen beteiligten<br />
Person, die nicht zum eigenen Hausstand gehört,<br />
jederzeit eingehalten wird (…). Mit äußerstem<br />
Erstaunen hat der Autor festgestellt, dass trotz<br />
dieser Regelung nicht nur das Training, sondern<br />
auch die Punktspiele im Doppel im Tennis wieder<br />
erlaubt seien. Auf Nachfrage sei versichert worden,<br />
es habe ein entsprechendes Gespräch mit<br />
dem Innenminister gegeben. Ich glaube nicht erwähnen<br />
zu müssen, dass es keine entsprechende<br />
Klarstellung für andere Sportarten gegeben hat.<br />
Sportliche Solidarität? Fehlanzeige! Lobbyarbeit<br />
durch Verbände? Fehlanzeige!<br />
Aus gesellschaftspolitischer Sicht ist die Corona-<br />
Krise ein Lehrstück im Föderalismus. Schon aus<br />
dem Bildungswesen kennen wir die besondere<br />
Vielfalt in Deutschland. Aber was das Krisenmanagement<br />
angeht, erscheint die Vielfalt ja grenzenlos.<br />
Man könnte es auch als Chaos bezeichnen.<br />
Staatspolitisch ist es nicht zu beanstanden,<br />
wenn 16 Länder die Krisen in ihrer eigenen Verantwortung<br />
lösen wollen, denn immerhin ist<br />
Aufgabe und Pflicht der Länder, sich genau darum<br />
zu kümmern. Nur leider war es so unkoordiniert,<br />
dass die koordinierende Funktion der Bundesregierung<br />
ab Ende März durchweg als angenehm<br />
empfunden worden ist. Von Ende März an<br />
waren vier Wochen die Regeln bundesweit sehr<br />
vergleichbar und es herrschte ein allgemeiner<br />
gesellschaftlicher Konsens. Das zerbröselte dann<br />
und seit Mitte/Ende April fand der zu Recht als<br />
„Lockerungsorgie“ zu bezeichnende Wettlauf der<br />
Landesregierungen statt, der zur Auflösung des<br />
gesellschaftlichen Konsens führte. Ich wohne in<br />
Schleswig-Holstein und fahre durch Hamburg<br />
nach Niedersachsen zur Arbeit und stelle das<br />
allgemeine Organisationschaos fest. Was hier<br />
verboten ist, ist dort erlaubt.<br />
Der Sündenfall begann aber auch schon ganz am<br />
Anfang, als schon sehr frühzeitig den modernen<br />
Gladiatoren des Profi-Fußballs Training erlaubt<br />
und der Wiederbeginn der Punktspiele erlaubt<br />
wurden. Ich nenne das bewusst im Bereich der<br />
gesellschaftspolitischen Sicht, denn es geht in<br />
diesem Fall darum, dass da als Kontaktverbot und<br />
Abstand das allgemein akzeptierte Kernstück der<br />
Maßnahmen unter Ignorierung der Gefahren für<br />
die Gesundheit der Sportler (und der Entourage)<br />
ad absurdum geführt wurde. Dass eine Sportart,<br />
die unter Beachtung von Abstands- und Kontaktarmutsregeln<br />
gar nicht denkbar ist, als erste wie-
15<br />
der trainieren durfte und auch als erstes wieder<br />
in den Medien stattfinden konnte, ist die erbärmlichste<br />
politische Entscheidung seit der Steuerbefreiung<br />
von Flugbenzin.<br />
Was bedeutet das Ganze für die kleinen und<br />
großen Sportvereine?<br />
Der Niedersächsische Landessportbund hat eine<br />
Befragung seiner Vereine durchgeführt. Die<br />
überragende Mehrheit gerät durch die Corona-<br />
Krise nicht in existenzbedrohende Situation. Das<br />
überrascht nur auf den ersten Blick: Wer kein<br />
Eigentum besitzt und keine Mitarbeiter oder<br />
sonstige laufende Kosten zu tragen hat, den<br />
trifft die Einstellung seiner Tätigkeit nicht in<br />
seiner Existenz. Die herausragende Anzahl der<br />
deutschen Sportvereine hat kein oder wenig Eigentum<br />
und beschäftigt keine Mitarbeiter, die<br />
auch in Krisenzeiten weiter zu bezahlen sind.<br />
Und wenn Kosten da sind, dann können sie aus<br />
den Beiträgen bestritten werden. Denn Vereine<br />
haben ein Privileg aus ihrer besonderen rechtlichen<br />
Struktur: Die Vereinsbeiträge können nicht<br />
nur, sie müssen weiter erhoben werden. Vereinsbeiträge<br />
werden nämlich nicht erhoben, weil<br />
man etwas tun kann, nachdem man sie bezahlt<br />
hat, und im Umkehrschluss sie nur zu zahlen<br />
sind, wenn man es tut. Die Vereinsbeiträge werden<br />
auf Grund der Mitgliedschaft erhoben: Wer<br />
Mitglied ist, zahlt seinen Beitrag, weil er Mitglied<br />
ist. Ob er aktiv den Zweck des Vereins ausübt<br />
oder nicht, ist dabei irrelevant. Mehr noch:<br />
Die Einforderung der Beiträge auszusetzen,<br />
bringt mehrfache Gefahren mit sich: Es wird<br />
beschrieben, dass die Aussetzung von Vereinsbeiträgen<br />
die Gemeinnützigkeit gefährden würde<br />
– was für den Sportverein der Super-Gau<br />
darstellen würde, denn die Gemeinnützigkeit ist<br />
eine der Voraussetzungen für die Mitgliedschaft<br />
in den Sportverbänden und damit die Voraussetzung<br />
für den Wettkampfsport. Eine zweite<br />
Gefahr ist, dass die Vorstände sich dadurch<br />
möglicherwiese untreu verhalten. Untreue ist<br />
eine Straftat und ein Offizialdelikt, was bedeutet,<br />
der Staat muss von sich aus ermitteln.<br />
Das Risiko für die kleinen Sportvereine ist also<br />
gering. Die hauptsächlich genannte Sorge:<br />
Mitgliederschwund und sinkende sportliche<br />
Leistungen durch Trainingsmangel sind zwar<br />
nicht von der Hand zu weisen, existenzbedrohend<br />
sind sie jedoch nicht.<br />
Ein existenzbedrohendes Risiko liegt jedoch in<br />
der Bereitstellung der Sportanlagen. Wenn die<br />
Krise in den kommunalen Kassen voll durchschlägt<br />
(sinkende Gewerbesteuereinnahmen<br />
durch Insolvenzen, erhöhte Sozialausgaben<br />
durch Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit, Bau zusätzlicher<br />
Räume in Kitas und Schulen) bleibt<br />
den Kommunen nichts anderes übrig, als bei<br />
den Nicht-Pflichtaufgaben zu sparen. Und da<br />
wären die Schwimmhallen und Eisbahnen die<br />
ersten Themen, die einem einfallen. Es bleibt<br />
abzuwarten, ob diese Befürchtung eintritt.<br />
Das Risiko steigt, je größer der Sportverein<br />
wird. Wer Eigentum hat, der muss dies weiter<br />
pflegen. Wer Mitarbeiter hat, muss diese weiterbezahlen,<br />
und wer einen wesentlichen Teil<br />
seiner Einnahmen aus Nichtbeiträgen bestreitet<br />
und seine Ausgaben auf diese Einnahmen<br />
mit ausrichtet, der hat ein Problem.<br />
Am Beispiel des MTV Treubund Lüneburg kann<br />
dieses Problem aufgezeigt werden: Der Verein<br />
besitzt eigene Sportanlagen. An drei Standorten<br />
gibt es drei Vereinsheime mit jeweils einer<br />
Gaststätte und Sporträumen (fehlende Mieteinnahmen),<br />
die Anlagen müssen aber weiter<br />
gepflegt und betrieben werden (Personalkosten<br />
für Platzwarte, Hausmeister, Reinigungskräfte<br />
usw. laufen weiter), das Ganze muss<br />
weiter verwaltet werden (Personalkosten für<br />
Verwaltung laufen weiter). Der Verein betreibt<br />
ein eigenes Fitness-Studio, eine Kindersportschule<br />
und ein Bewegungsbecken (die Raumkosten<br />
laufen unverändert weiter). Nicht stattfinden<br />
kann der durch Kursbetrieb (Präventionsangebote),<br />
Fitness, Schwimmen-Lernen, Yoga)<br />
und der Rehabilitationssport (über 2.000 Menschen<br />
in unserem Verein betreiben Reha-Sport<br />
und die Krankenkassen bezahlen pro nachgewiesenem<br />
Teilnehmer). Dem Verein fehlen durch<br />
fehlende Einnahmen im 2. Quartal <strong>2020</strong> über<br />
160.000 Euro. Auch wenn einige Mitarbeiter in<br />
Kurzarbeit geschickt werden konnten und die<br />
ehrenamtlichen Übungsleiter nicht bezahlt worden<br />
sind, bleibt die Lücke groß. Am Rande anzumerken<br />
ist, dass die ersten, die Ihre Miete gekündigt<br />
haben – zum Beispiel die Wasserzeit im<br />
Bewegungsbecken oder die Nutzung des Sportplatzes<br />
– staatliche Stellen waren.<br />
Die Krise läuft langsam aus und noch ist es zu<br />
früh, die Bestandsaufnahme des Schadens zu<br />
machen. Bei einer Schätzung von fehlenden<br />
160.000 Euro im zweiten Quartal, sind der bereits<br />
geflossene Zuschuss von 20.000 Euro aus<br />
Bundesmitteln, die Erstattungen aus dem Kurzarbeitergeld<br />
und die noch nicht bewilligten Anträge<br />
an den Landkreis Lüneburg und die Toto-<br />
Lotto-Stiftung nur eine kleine Hilfe. Gleichwohl<br />
ist der Autor optimistisch, dass die Krise überstanden<br />
wird.<br />
Und wie sieht es mit dem Sport aus?<br />
Beim MTV Treubund läuft ein großer Teil des<br />
Sportbetriebes wieder. Das Bewegungsbecken<br />
konnte am 22. Juni wieder geöffnet werden und<br />
alle Sporthallen stehen wieder zur Verfügung.<br />
Aber noch nicht alle Teilnehmer und Übungsleiter<br />
sind wieder an Bord. Viele Sportarten trainieren<br />
kontaktarm. Die Folgen werden sich in<br />
der nächsten Saison zeigen. Wir werden sehen,<br />
wie es weiter geht.<br />
•••<br />
Die Corona-Krise und der Sportverein<br />
Vasiliev Nationaltrainer<br />
in Weißrussland<br />
Der Paarlauf-Olympiasieger Oleg Vasiliev ist<br />
jetzt Nationaltrainer von Weißrussland und arbeitet<br />
seit dem 1. <strong>Juli</strong> fest vor Ort. Mitgebracht<br />
hat er ein russisches Paarlaufpaar, Bogdana Lukashevich/<br />
Alexander Stepanov, die die Freigabe<br />
von Russland erhalten haben. Der russische Verband<br />
habe einigen anderen Sportlern jedoch die<br />
Freigabe verweigert, sagte Vasiliev der weißrussischen<br />
Webseite sb.by. Die Bedingungen in<br />
Weißrussland seien gut, er sehe Chancen, dass<br />
sich eine Dame, ein Herr und ein Paarlaufpaar<br />
für die Olympischen Spiele in Peking qualifizieren<br />
könnten. In der ehemaligen Sowjetrepublik<br />
gab es keine Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie,<br />
dort konnten die Eiskunstläufer<br />
normal trainieren.<br />
Anna Duskova hört auf<br />
Die tschechische Paarläuferin Anna Duskova<br />
hat ihre Eiskunstlauf-Karriere beendet. „Ich<br />
habe die wohl schwerste Entscheidung meines<br />
Lebens getroffen. Der Grund dafür ist mein<br />
Kampf mit vielen Verletzungen in den vergangenen<br />
zwei Jahren“, schrieb die 20-Jährige auf<br />
Instagram. Nach ihren zwei Knie-Operationen<br />
habe sie andere Verletzungen gehabt und nicht<br />
mehr kontinuierlich trainieren können. Mit ihrem<br />
ersten Partner Martin Bidar gewann die<br />
Tschechin 2016 den ersten Junioren-WM-Titel<br />
Anzeige<br />
für ihr Land. Bei den<br />
Olympischen Spielen<br />
2018 belegte das vielversprechende<br />
Duo<br />
den 14. Platz. Nach<br />
der Saison trennte<br />
sich das Paar, weil sie<br />
sich nicht über ihren<br />
künftigen Trainingsort<br />
einigen konnten. Duskova, die in Prag ein Medizinstudium<br />
begann, wollte ihre Karriere mit<br />
Radek Jakubka fortsetzen, aber wegen der Verletzungsprobleme<br />
traten sie nie bei einem<br />
Wettkampf an. Ex-Partner Bidar erhielt nun<br />
endlich die Freigabe für seine russische Partnerin<br />
Elizaveta Zhuk.<br />
Junhwan Cha als Sänger<br />
Der Koreanische Meister Junhwan Cha trat erfolgreich<br />
in der koreanischen Musikshow „Der<br />
König der maskierten Sänger“ auf. Dabei sang<br />
er mit einem bunten Pappkarton über dem Kopf<br />
zwei romantische Lieder, begeisterte das Publikum<br />
und enthüllte seine Identität am Ende. Zuvor<br />
war der Sportler in einer Talkshow in Korea<br />
zu sehen und erzählte, dass er als Kind zunächst<br />
Schauspieler in TV-Filmen und Werbespots<br />
gewesen sei. Er habe Klavier und Geige<br />
gespielt sowie Ballett, Taekwondo und eben<br />
auch Eislaufen trainiert, um möglichst viele<br />
Rollen darstellen zu können. Am Ende aber<br />
blieb der 15. der Olympischen Spiele von 2018<br />
beim Eiskunstlauf hängen. <br />
tat
16<br />
<strong>Juli</strong>-Training in Egna<br />
Sommertraining<br />
Trainingsbesuch<br />
in Egna<br />
Nach der schlimmen Lage im Frühjahr<br />
hat Italien mit viel strengeren<br />
Ausgangsbeschränkungen als Deutschland<br />
das Coronavirus einigermaßen in<br />
den Griff bekommen. Daher durfte ich<br />
am 10. und 11. <strong>Juli</strong> im etwa 20 Kilometer<br />
südlich von Bozen gelegenen Egna<br />
in die Würth Arena, in der 2017 und<br />
2019 schon zwei Junioren Grand Prix<br />
und zuletzt im Februar <strong>2020</strong> die Egna<br />
Dance Trophy stattgefunden hatten.<br />
Seit Ende Mai ist sie wieder offen.<br />
Cheftrainer Lorenzo Magri von der „Young Goose<br />
Academy“ gönnte sich in der Woche meines<br />
Besuches einen fünf Tage langen Strandurlaub<br />
an der Adria, denn auch der lebenslustige Trainer<br />
durfte seinen Wohnort Bozen drei Monate<br />
lang nicht verlassen. Aber die anderen Kunstlauftrainer,<br />
insbesondere Eva Martinek und Zsolt<br />
Kosz, waren den ganzen Tag auf dem Eis. Ein in<br />
Kopfhöhe senkrecht aufgestelltes Tablet misst<br />
automatisch die Stirntemperatur jedes Eintretenden<br />
aus 30 - 40 cm Entfernung und schnarrt<br />
dann auf Englisch mit grüner Lampe: „Sie dürfen<br />
vorbeigehen“ oder mit rotem Licht und<br />
Alarmton: „Sie dürfen nicht vorbeigehen“. Jeder<br />
Läufer hat seinen eigenen nummerierten Stuhl<br />
an der Bande im Abstand von zwei Metern zum<br />
nächsten Stuhl und muss sich dort umziehen,<br />
denn die Umkleidekabinen bleiben verschlossen.<br />
Mehrmals am Tag werden die Stühle desinfiziert.<br />
Masken sind für alle obligatorisch, bis sie<br />
aufs Eis gehen. Ein- und Ausgang sind an verschiedenen<br />
Seiten der Halle, aber beide Bestimmungen<br />
wurden im <strong>Juli</strong> nicht mehr systematisch<br />
eingehalten.<br />
Grassl mit neuem Vierfachen<br />
Bester Läufer von Magris „Boygroup“ ist der<br />
EM-Vierte Daniel Grassl. Vom März bis Mai<br />
durfte der 18-Jährige sein Elternhaus in Meran<br />
so gut wie gar nicht verlassen, nur mit einer offiziellen<br />
Bescheinigung, in die er eintragen<br />
musste, welchen dringenden Grund dies hatte,<br />
auch das Einkaufen war stark eingeschränkt.<br />
Magri entwickelte für alle Schüler Online-Kurse:<br />
Trockentraining im Garten oder Hinterhof, Tanz<br />
zu Musik und mehr. Als Grassl wieder rausgehen<br />
durfte, trainierte er zuerst kurz in Bozen, auch<br />
bei einem Tanzlehrer, und ab 1. Juni wieder in<br />
Egna. Nachmittags fand Online-Schulunterricht<br />
statt, denn das Abitur stand an. Das schriftliche<br />
war abgeschlossen, für das mündliche musste er<br />
in der Woche nach meinem Besuch nach Rom<br />
fahren, um an einem Tag elf mündliche Prüfungen<br />
à 15 Minuten abzulegen. Anschließend soll-<br />
te er gleich einen einwöchigen Lehrgang bei der<br />
Sportpolizei absolvieren, die ihn aufgenommen<br />
hat und die mit den deutschen Sportsoldaten<br />
vergleichbar ist. Außerdem war der im April 18<br />
Jahre alt gewordene Läufer gerade dabei, den<br />
Führerschein zu machen, damit er in Zukunft<br />
alleine zum Training fahren kann. Ende <strong>Juli</strong> sollte<br />
es dann nach Courchevel zu weiterem Sommertraining<br />
bei Magri und seinem Choreografen<br />
Benoît Richaud gehen. Am Samstag meines Besuches<br />
kam er gerade von fünf freien Tagen und<br />
einer Kurzreise nach Venedig zurück und wollte<br />
die nagelneuen Schlittschuhe ausprobieren.<br />
Etwa drei Tage brauche er immer für das Einlaufen.<br />
Das von ihm erhoffte Sommertraining bei Eteri<br />
Tutberidze musste er streichen, denn er darf<br />
ohne Quarantäne nicht nach Russland einreisen.<br />
Von dem Hin und Her der ISU für die Wertigkeit<br />
der vierfachen Sprünge lässt er sich nicht nervös<br />
machen (siehe Zitat).<br />
Sein neues KP hat einen ganz anderen Musikstil<br />
als die bisherige Klassik und er wollte die Musik<br />
im <strong>Juli</strong> noch nicht verraten. Die Kür will er zur<br />
Musik des Films „Joker“ laufen, einstudiert hat<br />
er beide Programme wieder mit Richaud. Erster<br />
»„Wenn der 4R genauso viele Punkte wie der<br />
4F und 4L erhält, ist das ein Vorteil für mich,<br />
denn der 4R ist mein stabilster Vierfacher.<br />
Für ihn ist besondere Konzentration nötig<br />
und besonders viel Rotation, mehr als beim<br />
4L, da muss man einfach drauflos gehen und<br />
abspringen und erhöht mit dem zweiten Fuß<br />
die Höhe. Außerdem will ich in dieser Saison<br />
vielleicht noch den 4S für die Kür hinzunehmen,<br />
denn der klappte recht gut. Mir gefällt<br />
außerdem, dass die ISU das „q“ einführen<br />
«<br />
will. Der Basiswert soll nicht sinken, sondern<br />
nur die Ausführung. Dann werden nicht<br />
mehr so viele Punkte abgezogen. Für das<br />
Vordrehen haben die Preisrichter keine Zeitlupe,<br />
in der sie alles ganz genau sehen können,<br />
die haben nur die Spezialisten. Daher ist<br />
das schwer zu bewerten und letztlich dreht<br />
fast jeder Läufer etwas vor.“<br />
Daniel Grassl:<br />
Daniel Grassl, Fotos:. Kany<br />
Wettbewerb soll evtl. die Nebelhorn Trophy<br />
werden, denn, so sagte er, „die Deutschen organisieren<br />
den Wettbewerb immer gut und haben<br />
auch am wenigsten Corona-Probleme.“ Dann<br />
hofft er auf zwei Grand Prix, aber wenn die Serie<br />
nicht stattfindet, will er zwei andere Wettbewerbe<br />
laufen. Einziger Junioren-Wettbewerb<br />
soll die Junioren-WM werden, wo auch immer<br />
sie stattfindet. Nationale Meisterschaft, EM und<br />
WM sind fest eingeplant.<br />
Starostin und Todeschini<br />
Nikita Starostin war schon seit Anfang März<br />
nicht mehr zu Hause in St. Petersburg: Als der<br />
Luxemburger Wettbewerb ausfiel, ging er zur<br />
Choreografie zu dem ehemaligen ungarischen<br />
Eistänzer Adam Solya. Dieser ist bei der DEU inzwischen<br />
ein gefragter Choreograf, hatte einst<br />
in Berlin bei Hendryk Schamberger trainiert, und<br />
war später nach Belgien ausgewandert. Im Mai<br />
kam Starostin mit ihm nach Oberstdorf und Anfang<br />
<strong>Juli</strong> mit ihm nach Egna. Von hier aus ging<br />
es am 12. 7. zurück nach Oberstdorf, weil der<br />
Läufer dort am DEU-Camp für Junioren teilnehmen<br />
wollte. „Ich hoffe, die Grenze nach Russland<br />
wird im <strong>August</strong> ohne Quarantäne geöffnet<br />
und ich kann auch mal wieder nach Hause zu
17<br />
meiner Mutter“, sagte er mir in Egna. „Aber so<br />
lange ich Eislaufen kann und nicht verletzt bin,<br />
so wie zurzeit, bin ich glücklich.“ Mit inzwischen<br />
18 Jahren ist er recht selbständig, außer<br />
dass er noch keinen Führerschein hat, sondern<br />
immer auf Mitfahrgelegenheiten mit Adam Solya<br />
angewiesen ist. Sein Englisch ist deutlich<br />
besser geworden und Deutsch will er ab September<br />
ebenfalls systematisch lernen, weil er<br />
den Sprachtest machen will, der für die deutsche<br />
Staatsbürgerschaft obligatorisch ist.<br />
In Oberstdorf wird entschieden, ob er Junioren<br />
Grand Prix läuft (falls die Serie überhaupt stattfindet),<br />
aber sein Fokus liegt auf der Meisterklasse:<br />
„Ich will im <strong>August</strong> das DEU-Sichtungslaufen<br />
mitmachen und im Dezember an den<br />
Deutschen Meisterschaften teilnehmen. Dort<br />
will ich mich für die EM qualifizieren, denn es<br />
gibt zwei Startplätze,“ sagte er selbstbewusst.<br />
Das neue KP läuft er zu „Latch“ des britischen<br />
Elektronik-Duos „Disclosure“ mit Sänger Sam<br />
Smith. Die Kür zu einem Tango-Medley wird er<br />
mit neuer Choreografie beibehalten. Zwei 3A<br />
sind in die Kür integriert und ein Vierfacher ist<br />
im Laufe der Saison geplant. Nach seinem Training<br />
musste er auf Solya warten, der noch andere<br />
Schüler unterrichtete. Einstweilen ging er<br />
bei 33 Grad Außentemperatur ins Freibad neben<br />
der Eishalle, um seinen für einen Eisläufer ungewöhnlich<br />
braungebrannten Körper noch weiter<br />
der Sonne auszusetzen und sich in das Wasser<br />
zu stürzen.<br />
Nikita Starostin<br />
Nicola Todeschini<br />
Der französischsprachige Schweizer Nicola Todeschini<br />
ist in der zweiten Saison in Egna und<br />
trainiert hauptsächlich bei der Österreicherin<br />
Eva Martinek. Auch er konnte drei Monate lang<br />
nur per Skype mit den Betreuern kommunizieren.<br />
Sein Hauptziel ist die Teilnahme an der<br />
kommenden EM und WM, denn er hatte das<br />
Minimum geschafft. Dafür muss er vor allem<br />
den anderen Schweizer Lukas Britschgi schlagen,<br />
dem die Mindestpunktenzahlen noch fehlen<br />
(siehe Seite 18). Der 4T klappt schon, aber er<br />
will außerdem den 4S in die Programme einbauen.<br />
Auch der 3A sei stabil, sagt er: „Ich habe<br />
jetzt viele anspruchsvollen Schritte in meinen<br />
Programmen, denn meine Komponenten müssen<br />
steigen.“ Seine KP-Musik ist „Dark Times“ von<br />
Ed Sheeran und „Blinding Lights“ von „The<br />
Weeknd“. Die Kür zu „Who Wants to Live Forever“<br />
von Queen will er beibehalten. Langfristiges<br />
Ziel ist die Teilnahme an den kommenden<br />
beiden Olympischen Spielen.<br />
Tomas Guarino<br />
Tomas Guarino ist in der zweiten Saison in Egna<br />
und wechselt die Nation. Denn statt für die<br />
Schweiz startet der 21-Jährige ab Mitte <strong>No</strong>vember<br />
für Spanien, dem Heimatland seiner Eltern.<br />
Er hat gute Gründe: „Bei der EM <strong>2020</strong> war<br />
kein Spanier dabei, weil niemand das Minimum<br />
geschafft hatte. Ich hatte es, konnte aber nicht,<br />
weil es in der Schweiz ein paar ziemlich gute<br />
Läufer gibt, die ich nicht schlagen konnte. Mein<br />
letzter Wettbewerb für die Schweiz war Andorra<br />
im <strong>No</strong>vember, daher kann ich ab Ende <strong>No</strong>vember<br />
für Spanien starten, erstmals wahrscheinlich<br />
bei den nationalen Meisterschaften im Dezember.<br />
Ein Saisonziel ist, auch die WM-<strong>No</strong>rm zu<br />
schaffen, aber dafür müsste ich noch einen<br />
Vierfachen lernen, der mir leichter fällt als der<br />
3A.“ Das KP läuft er zu „Angels and Demons“ in<br />
einer Interpretation von Edvin Marton, die Kür<br />
bleibt „A Day in the Life“ von den Beatles, aber<br />
in einer bearbeiteten Version. Neben dem Eislaufen<br />
studiert er online Informatik. Nicht angetroffen<br />
habe ich den EM-13. Gabriele Frangipani<br />
aus Egna, weil er in Courchevel bei Benoît<br />
Richaud war, und den Österreicher Luc Maierhofer,<br />
weil er sich im Training leicht am Knie<br />
verletzt hatte. Auf dem Eis gesehen habe ich<br />
dagegen die EM-22. Eliska Brezinova, die<br />
Schwester von Michal Brezina. Aber später mit<br />
der Maske konnte ich sie nicht mehr erkennen<br />
und zum Kurzinterview einladen.<br />
Neue Tanzschule<br />
Die Hallenbetreiber bleiben ehrgeizig und engagierten<br />
den italienischen Tanztrainer Matteo<br />
Zanni, der zuvor in Geneva nahe Chicago und<br />
davor in Mailand aktiv war und jetzt eine Tanzschule<br />
in Egna aufbauen soll. Er hatte auch<br />
schon mit Anjelika Krylova zusammengearbeitet<br />
und ist zurzeit ihr „Westeuropa-Assistent“,<br />
solange die Paare aus dieser Region nicht nach<br />
Russland dürfen.<br />
Der letzte Wettbewerb der Krylova-Schüler Adelina<br />
Galyavieva und Louis Thauron war die Egna<br />
Dance Trophy im Februar. Danach mussten die<br />
12. der EM in Graz drei Monate zu Hause in<br />
Frankreich bleiben und durften nur Hebungen<br />
und Konditionstraining machen und erst im Juni<br />
in Courchevel aufs Eis. Ende Juni konnten sie<br />
erstmals nach Italien reisen und trainieren seitdem<br />
mit Matteo Zanni in Egna, aber stets in<br />
Absprache mit Anjelika Krylova, die weiterhin<br />
ihre Haupttrainerin ist. Den Rhythmustanz zum<br />
Musical Mamma Mia werden sie zunächst beibehalten<br />
und wollen ihn evtl. später in der Saison<br />
ändern. Die Musik der neuen Kür wollten sie<br />
noch nicht bekanntgeben. Begeistert waren sie<br />
von der Wahl von Nathalie Péchalat als neuer<br />
Verbandspräsidentin. Thauron sagte: „Dass eine<br />
Eistänzerin Präsidentin wurde, ist natürlich toll.<br />
Wir haben eine sehr gute Beziehung zu ihr, sie<br />
ist sehr professionell und wird bestimmt alles<br />
tun, um die Sportler zu unterstützen. Denn das<br />
ist ja die Aufgabe eines Verbandes.“ Saisonziel<br />
ist, wieder Paar Nummer zwei in Frankreich zu<br />
werden, sich für EM und WM zu qualifizieren<br />
und im Folgejahr für die Olympischen Spiele<br />
2022. Erster Wettbewerb soll der Masters Anfang<br />
Oktober sein, falls er stattfindet. Sie studiert<br />
online Politikwissenschaften in Paris und<br />
er will im Dezember eine renommierte Wirtschaftshochschule<br />
in Lyon abschließen.<br />
Adelina Galyavieva und Louis Thauron<br />
Ebenfalls bei Zanni trainieren Natalie Taschlerova<br />
(18) und Filip Taschler (20) aus dem tschechischen<br />
Brünn, die bei der EM Platz 19 und bei<br />
der Junioren-WM Rang 16 belegt hatten. Sie<br />
sind mit Zanni vom Raum Chicago nach Egna<br />
umgezogen und sind glücklich, dass der tschechische<br />
Verband ihren ganzjährigen Aufenthalt<br />
(Fortsetzung auf Seite 18)<br />
<strong>Juli</strong>-Training in Egna<br />
Sommertraining
18<br />
Juni-Training in Oberstdorf<br />
Sommertraining<br />
Besuch in Oberstdorf<br />
Mein alljährlicher Juni-Besuch in Oberstdorf war diesmal etwas verzögerter als der<br />
in Berlin, denn Anfang Juni durften wegen des Corona-Virus nur einige Läufer und<br />
Trainer in bayrische Eishallen, aber sonst niemand. Erst nach weiteren staatlichen Lockerungen<br />
konnte mich das Sportamt registrieren und mir eine Gästekarte für den 25.<br />
Juni ausstellen. Natürlich hielt ich bei allen Interviews den vorgeschriebenen Abstand<br />
ein und sprach mit einigen Läufern auch gerne draußen vor dem Haupteingang. Die<br />
Bavarian Open finden übrigens deshalb schon im Januar statt, weil die Halle 1 ab Anfang<br />
Februar abgetaut wird und als Pressezentrum für die <strong>No</strong>rdische Ski-WM dienen<br />
soll. Diese beginnt allerdings erst ab 23. Februar, falls sie überhaupt stattfinden kann.<br />
Die Seile für die Nebelhornbahn waren abmontiert, weil an gleicher Stelle bis Ende März<br />
2021 eine ganz neue Seilbahn ohne Umstieg an der Mittelstation gebaut wird.<br />
Nicole Schott war zunächst einige Wochen in<br />
Essen und seit Mai wieder in Oberstdorf bei Michael<br />
Huth; die gesundheitlichen Probleme waren<br />
ausgeheilt. Ihr neues KP läuft sie zur Musik<br />
des Films „What a Feeling“ und die Kür zum<br />
„Winter“ aus Vivaldis Vier Jahreszeiten. Der erste<br />
Wettbewerb soll wie üblich nicht zu früh<br />
sein, sondern geplant war der Challenger-Wettbewerb<br />
im Oktober in Budapest, gefolgt eventuell<br />
von Grand Prix, falls sie welche erhält und<br />
die Wettbewerbe überhaupt stattfinden. Ihre<br />
Elemente sollen im Wesentlichen so bleiben wie<br />
bisher. Die geplante Ausbildung zur Bürokauffrau<br />
musste sie verschieben.<br />
Anett Pötzsch war mit mehreren Läufern aus<br />
Mannheim angereist, denn dort gab es im Frühsommer<br />
kein Eis. Nathalie Weinzierl bedauerte<br />
noch einmal, dass sie ihr Comeback nach mehreren<br />
Verletzungen nicht schon im März bei der<br />
Frühlings Trophy im Südtiroler Egna trotz ausgeheilter<br />
Beschwerden beginnen konnte und<br />
hofft nun auf die Nebelhorn Trophy. Ende <strong>Juli</strong><br />
sollte die Nebenhalle der Mannheimer SAP-Arena<br />
wieder zur Verfügung stehen, aber eine Universitätsklausur<br />
und die Bachelorarbeit musste<br />
sie wegen Corona verschieben. Immerhin konnte<br />
sie Vorlesungsaufzeichnungen in Jura hochladen,<br />
auch mehrmals. Da sie in der vergangenen<br />
Saison keinen Wettbewerb laufen konnte, wird<br />
sie beide Programme behalten: Das KP zu Lady<br />
Marmalade und Moulin Rouge von Christina<br />
Aguilera und die Kür zu „ A Time for Us“ von<br />
George Davidson. Sie hat 3-3-Kombinationen<br />
wieder in Angriff genommen, wollte bis September<br />
3L-3T sowie die Biellmann-<strong>Pirouette</strong><br />
wieder ins Programm nehmen. Tracey Solomon<br />
hatte die Choreographien mit ihr gestaltet.<br />
Lea Johanna Dastich erzählte, dass ihr Arzt in<br />
der Vorwoche sehr zufrieden mit dem Heilungsprozess<br />
am Fuß war und endgültig grünes Licht<br />
für volles Training gegeben hat. Zwei Jahre war<br />
sie keinen Wettbewerb mehr gelaufen, Luxemburg<br />
im März war ausgefallen, aber sie war zuversichtlich,<br />
bis zum ersten Wettbewerb, evtl.<br />
der Nebelhorn Trophy, wieder gut in Form zu<br />
sein. Das KP will sie zu „Everybody Wants to<br />
Rule the World” von Cinematic Pop laufen, die<br />
Kür zur Filmmusik „The Greatest Showman“. Im<br />
<strong>Juli</strong> standen noch mündliche und praktische Abiturprüfungen<br />
in Sport auf dem Plan; im Herbst<br />
will sie ein Medizinstudium in Mannheim beginnen.<br />
Hauptziel ist, nach zwei Jahren mit vielen<br />
Arztbesuchen diesmal gut und verletzungsfrei<br />
durch die Saison zu kommen. Auf dem Eis<br />
waren auch Kristina Isaev und Anastasia Stebljanka.<br />
Jonathan Heß war dagegen wegen seines<br />
Studiums nicht in Oberstdorf. Aljona Savchenko<br />
arbeitete unter anderem mit Aya Hatakawa,<br />
Florian Just, Nelli Zhiganshina, Petr Barna<br />
und Frank Dehne mit mehreren kleineren Läuferinnen<br />
und Läufern. Natalia Karamysheva, Ehefrau<br />
von Rostislav Sinicyn, und Marie-Theres<br />
Lucas Britschgi<br />
Fotos: Kany<br />
Nicole Schott vor<br />
dem Eislaufzentrum<br />
in Oberstdorf<br />
Kreiselmeyer waren ebenfalls als Trainerinnen<br />
auf dem Eis. Für vier Wochen arbeitete auch der<br />
Genfer Peter Grütter wieder im Allgäu, der<br />
schon seit etwa 40 Jahren regelmäßig kommt<br />
und zum Oberstdorfer Inventar gehört.<br />
Der zweifache Schweizer Meister Lukas Britschgi,<br />
Schüler von Michael Huth und Alexei Pospelov,<br />
blieb nach der Absage der WM zwei Monate<br />
zu Hause in Schaffhausen, probierte viel Training<br />
außerhalb des Eises und hatte endlich einmal<br />
Zeit, seine Schulfreunde von früher zu tref-<br />
(Fortsetzung von Seite 17)<br />
finanziert. Nach drei Monaten mit Online-Unterricht<br />
trainieren sie seit Juni wieder auf dem Eis<br />
und wollen zweigleisig Wettbewerbe laufen: Zuerst<br />
die Junioren Grand Prix in Budapest und<br />
Ostrava plus im Idealfall das Juniorenfinale,<br />
dann EM und WM. Dass sie dafür zwei verschiedene<br />
Rhythmustänze brauchen, stört sie nicht,<br />
weil sie evtl. beide aus der vergangenen Saison<br />
beibehalten wollen. Die neue Kür zu „Keeping<br />
Me Alive“ von Jonathan Roy hatte Richaud choreografiert.<br />
Ein Dortmunder Paar habe ich auch<br />
gesehen: Viktoria Lopusova und Asaf Kazimov<br />
(siehe Seite 10) waren für eine Woche bei Zanni,<br />
vor allem wegen des Rhythmustanzes, nachdem<br />
ihre Trainingskameraden Katharina Müller und<br />
Tim Dieck hier zwei Wochen zuvor so gute Erfahrungen<br />
gemacht hatten.<br />
Natalie Taschlerova und Filip Taschler, Fotos: Kany<br />
Daniele Caprano mit Sohn Michaelangelo
19<br />
Nathalie Weinzierl<br />
Jennifer Janse van Rensburg<br />
und Benjamin Steffan<br />
Eistänzer noch am Anfang<br />
Jennifer Janse van Rensburg und Benjamin<br />
Steffan hatten erst kurz wieder angefangen,<br />
weil Steffan im Mai/Juni in Hannover einen<br />
Bundeswehrlehrgang absolvieren musste, den<br />
er im Vorjahr wegen Verletzung verschieben<br />
musste. Janse (früher Urban) hatte bewusst<br />
diesmal keinen Lehrgang gemacht, damit im<br />
nächsten Jahr derselbe Lehrgang wie für ihren<br />
Tanzpartner ansteht und sie dann nebenbei etwas<br />
trainieren können. Stattdessen war sie mit<br />
ihrem Ehepartner einige Wochen in Großbritannien<br />
und durfte dann mit ihm als deutsche<br />
Staatsbürgerin zurück durch den Ärmelkanaltunnel<br />
und Frankreich über die für andere noch<br />
geschlossene Grenze nach Deutschland. Anschließend<br />
und auch bei meinem Besuch haben<br />
sie noch Basistraining gemacht und hatten<br />
noch keine Programme in Arbeit. Ob sie den<br />
Rhythmustanz beibehalten, war noch ungewiss,<br />
evtl. war er in veränderter Form geplant. Eine<br />
neue Kür wollten sie mit Maria Tumanovskaia<br />
einstudieren und mit ihr die Musik auswählen,<br />
falls diese wieder nach Deutschland einreisen<br />
darf. Erster Wettbewerb soll die Nebelhorn Trophy<br />
werden.<br />
ren Wettbewerben muss er das Zimmer für ein<br />
paar Tage räumen, weil es dann für das OK gebraucht<br />
wird. Aber er freut sich, dass er kurze<br />
Wege zu den Eisflächen hat. Er ist verantwortlich,<br />
dass die Kaderstunden zeitlich optimal für<br />
alle Kaderathleten liegen und gerecht aufgeteilt<br />
werden, aber die bewährte Eisplanung für Gastläufer<br />
aus der ganzen Welt bleibt beim Sportamt.<br />
Wende ist in vielerlei Hinsicht verlängerter<br />
Arm der DEU, auch bei Lehrgängen, Physiotherapie,<br />
Ballett und Tests wie dem Semispezifischen<br />
Ausdauertest auf dem Eis inkl. Laktattest<br />
und Herzfrequenzmessung. Er hält Kontakt zu<br />
den Schulen, kümmert sich um Befreiungen für<br />
Lehrgänge und Wettbewerbe, hilft bei schulischen<br />
Problemen mit Organisation von Nachhilfe<br />
und spricht sich auch mit dem Skiinternat ab.<br />
Er arbeitet mit dem Olympiastützpunkt und dem<br />
dortigen Verantwortlichen Günter Hartung zusammen.<br />
Verbindungsmann ist er außer zum<br />
Sportamt auch zur Marktgemeinde Oberstdorf,<br />
insbesondere zur neuen Sportreferentin Alexa<br />
Schwendinger, die er als Mutter der früheren<br />
Eistänzerin Ria Schwendinger und als Medienbeauftragte<br />
schon lange gut kennt, und zum<br />
neuen Bürgermeister Klaus King.<br />
Grand Sommertraining Prix<br />
Juni-Training in Oberstdorf<br />
fen und mit ihnen Lauftraining zu machen,<br />
denn das war erlaubt. Drei Wochen hat er in einem<br />
Einkaufszentrum viel Geld verdient, weil es<br />
dort wegen der Grenzschließung zu Deutschland<br />
plötzlichen Personalmangel gab. Seit Mitte April<br />
ist der 22-Jährige in der Sportgruppe der<br />
Schweizer Armee und wollte sieben Wochen in<br />
Oberstdorf bleiben. Sein KP läuft er zur Musik<br />
„Amber“ der Schaffhauser Indie-Folk-Band<br />
„Gardener and the Tree“. Die Kür zu drei Musikstücken<br />
von Ray Charles und Robbie Williams<br />
will er zwar umstellen, aber im Wesentlichen<br />
beibehalten. Die Nebelhorn Trophy soll erster<br />
Saisonwettbewerb werden, möglichst mit 4T, es<br />
wäre seine erste Trophy. Ab September will er in<br />
Zürich Wirtschaftspsychologie studieren.<br />
Kostner und Caprano<br />
Zwei nicht in Egna vermutete Personen habe<br />
ich dort gesprochen: Die eine war Carolina<br />
Kostner, die mit einem Filmteam einen Warn-<br />
Beitrag über eine Lungenkrankheit drehte, die<br />
vor allem junge Frauen befällt. Auf das Eis ging<br />
sie noch nicht, denn sie muss ihre im Januar<br />
operierte Hüfte bis zum Herbst auskurieren.<br />
Aber sie war glücklich, dass sie nach drei Monaten<br />
in Rom wieder reisen durfte und ein paar<br />
Tage bei ihrer Mutter im nahen Grödnertal in<br />
Südtirol verbringen durfte.<br />
Unerwartet habe ich in Egna den früheren<br />
Stuttgarter Paarläufer und Trainer Daniele Caprano<br />
getroffen. Vor Jahren hatte er sich vom<br />
Eiskunstlauf verabschiedet und verdiente seinen<br />
Lara Luft machte bei meinem Besuch mit Maximilian<br />
Pfisterer ein Probetraining, denn ihr vorheriger<br />
Partner Stephano Schuster hat seine<br />
Karriere beendet, nachdem ihm von dem Oberstdorfer<br />
Fünf-Sterne-Hotel, in dem er schon länger<br />
jobbte, eine feste Stelle angeboten worden<br />
war. Luft machte ein Praktikum der Sozialpädagogik<br />
für die Fachoberschule im Allgäu, während<br />
Pfisterer weiterhin Maschinenbau in Berlin studiert.<br />
Zwei Wochen nach meinem Besuch schrieb<br />
mir Luft dann, dass sie definitiv zusammen laufen<br />
und meistens in Oberstdorf bei Rostislav Sinicyn<br />
trainieren werden. Eigentlich wollte auch<br />
Paarläufer Ruben Blommaert mit seiner Partnerin<br />
Elena Pavlova in Oberstdorf trainieren, aber<br />
sie durfte wegen Corona vorläufig nicht von<br />
Russland nach Deutschland einreisen.<br />
Daniel Wendes Aufgaben<br />
Seit 1. Januar ist Ex-Paarläufer Daniel Wende<br />
hauptberuflicher Stützpunktleiter und hat sein<br />
Büro im Erdgeschoss des Sportamtes. Bei größe-<br />
Lebensunterhalt in seinem erlernten Hauptberuf<br />
als Pflegedienstleiter. Aber vor zwei<br />
Jahren packte ihn doch wieder das Eisfieber<br />
und er nahm eine Trainerstelle in Meran an.<br />
Dort fing er auch an, seinen damals achtjährigen<br />
Sohn Michelangelo zu betreuen. Schon<br />
nach einem Jahr konnte dieser beim Alpenpokal<br />
bei den Neulingen starten. Bei meinem<br />
Besuch arbeitete der inzwischen Zehnjährige<br />
gerade am Doppelaxel. Aber im überwiegend<br />
deutschsprachigen Club in Meran fühlten sie<br />
sich nicht recht wohl und daher sucht er<br />
nun entweder in Deutschland oder in Egna<br />
eine Beschäftigung als Trainer. Davon wird<br />
auch abhängen, ob Michelangelo für<br />
Deutschland oder für Italien starten wird,<br />
falls er einmal internationales Niveau<br />
erreicht. <br />
Klaus-Reinhold Kany<br />
Daniel Wende, Foto: privat<br />
Als Beauftragter für das Center of Excellence<br />
der ISU (siehe Seite 9) nimmt er an regelmäßigen<br />
Online-Meetings teil und spricht ab, was<br />
gemacht werden soll. Wichtigstes Ziel der<br />
Oberstdorfer ist, das ISU-Center so darzustellen,<br />
dass es für Läufer aus aller Welt interessant<br />
ist, hierhin zu kommen. Es geht um die<br />
Zusammenarbeit der Trainer, um die Infrastruktur<br />
vor Ort, um die „Keep Training-Webinare“.<br />
Zwei Projekte haben schon stattgefunden, die<br />
Teresa Solveig Özkaraman abhielt: eines zum<br />
Contemporary Dance und zum Jazz Dance. Und<br />
Aljona Savchenko hat eines zum Thema Workout<br />
abgehalten. Zur Corona-Abwehr hat Wende<br />
am nötigen Hygienekonzept mitgearbeitet, das<br />
dem Landratsamt Oberallgäu vor der Öffnung<br />
des Eissportzentrums vorgelegt werden musste,<br />
zum Beispiel ein Einbahnstraßensystem mit getrennten<br />
Ein- und Ausgängen für alle drei Hallen,<br />
Desinfektionsstationen an mehreren Standortorten,<br />
neuer Aufwärmbereich in Halle 2, Einbeziehung<br />
des Ballettsaals. Außerdem hat er<br />
sich zusammen mit dem Sportamt mit dem<br />
Landratsamt beraten. Klaus-Reinhold Kany
20<br />
Juni-Training in Berlin<br />
Sommertraining<br />
Sommertraining in Berlin<br />
Schon Ende April durften die Kaderläufer<br />
aus Berlin mit Einschränkungen<br />
wieder etwas trainieren, früher als fast<br />
überall sonst in der Welt. Bei meinem Besuch<br />
Ende Juni im Sportforum lief fast alles<br />
wie sonst. Allerdings war nur der<br />
Haupteingang geöffnet, während der Seiteneingang,<br />
der direkt in die Trainingshalle<br />
führt, noch verschlossen war.<br />
Eigentlich unlogisch, denn man soll doch bei<br />
Aufenthalten in geschlossenen Räumen regelmäßigen<br />
Durchzug ermöglichen. Denn so wehen<br />
eventuelle Atemtröpfchen mit Viren ins Freie,<br />
wo sie durch den Wind in Sekunden trocknen<br />
und verschwinden. Aber die Läufer und Trainer<br />
waren relativ unbesorgt, weil sie aufeinander<br />
aufpassten und streng vereinbart hatten, bei<br />
ersten Anzeichen von Erkrankung zu Hause zu<br />
bleiben und weil auch ich natürlich den Sicherheitsabstand<br />
einhielt. Bundestrainerin Viola<br />
Striegler sagte, der Druck auf die Trainer werde<br />
größer, weil die DEU bei den nächsten Olympischen<br />
Spielen 2022 wieder eine Medaille erhoffe,<br />
so wie das ihr dank Aljona Savchenko mit<br />
ihren beiden Partnern in den Jahren 2010, 2014<br />
und 2018 geglückt war. Ob das realistisch ist?<br />
Striegler wird übrigens Ende dieses Jahres mit<br />
dann 68 Jahren in den Ruhestand gehen. Die<br />
Nachfolgestelle ist bereits ausgeschrieben und<br />
sie will diese Person Ende <strong>2020</strong> noch einarbeiten.<br />
Sie sagte, sie bleibe in Berlin und stehe im<br />
Einzelfall zukünftig für kleinere Aufgaben oder<br />
Vertretungen zur Verfügung, denn Däumchen-<br />
Drehen als Rentnerin liege ihr nicht.<br />
Sechs Kunstlaufpaare<br />
Die zwei Berliner Meister- und die vier Juniorenpaare<br />
trainierten schon intensiv. Die vier<br />
Paarlauftrainer in Berlin (plus Dmitri Savin) arbeiten<br />
gut zusammen, auch wenn einer offiziell<br />
Bundestrainer und einer Bundesnachwuchstrainer<br />
ist. Ich konnte beobachten, dass sich neben<br />
Knut Schubert „Chef“ Alexander König um Juniorenpaare<br />
kümmerte, weil mehrere auf dem Eis<br />
waren, und Rico Rex auch um Hocke/Kunkel,<br />
obwohl sie kein Juniorenpaar mehr sind. Aber er<br />
ist ihr Wunschtrainer. Ein bisschen später betreute<br />
Rex wieder zwei Juniorenpaare und<br />
Schubert arbeitete mit Hocke/Kunkel. So funktionieren<br />
erfolgreiche Schulen in aller Welt.<br />
Minerva Fabienne Hase und <strong>No</strong>lan Seegert trainierten<br />
zusammen mit Haupttrainern Romy<br />
Oesterreich und Dimitri Savin, dem Mozer-<br />
Team, dem US-Paar Cain/LeDuc und den Israelis<br />
Vernikov/Krasnopolski schon ein paar Tage vor<br />
der Absage in der russisch dominierten Richard<br />
J. Coday-Arena in West Orange in New Jersey,<br />
um den Jetlag zu überwinden. Nach dem Vormittagstraining<br />
erfuhren sie während eines<br />
Stadtbummels im nahen Manhattan am Nachmittag<br />
von der Absage. Hase sagte: „Natürlich<br />
Artur Mai<br />
Fotos: Kany<br />
Kai Jagoda<br />
Minerva Hase und<br />
<strong>No</strong>lan Seegert<br />
waren wir enttäuscht, aber wir waren auf beide<br />
Fälle vorbereitet. Wir buchten gleich Rückflüge<br />
und machten erstmal Urlaub zu Hause, den wir<br />
natürlich der Bundeswehr melden mussten.“<br />
Dann arbeiteten sie im Freien an neuen Hebungen.<br />
Das KP wollen sie beibehalten und haben<br />
online über Facebook mit dem bewährten Kanadier<br />
Mark Pillay an den Übergängen gearbeitet.<br />
Auch mit dem Mentaltrainer konnten sie nur<br />
online kommunizieren. Eine neue Kür zur Musik<br />
„People Help the People“ von Birdy haben sie<br />
mit Rostislav Sinicyn gestaltet, der Ende Mai in<br />
Berlin war und den sie Mitte Juni in Oberstdorf<br />
besuchten. Der Wurfrittberger soll ein neues<br />
Element werden, er war noch in Arbeit und die<br />
besten Level erreichten sie noch nicht. Der<br />
Wurfflip ist ebenfalls geplant, aber kein vierfaches<br />
Element. Die Saison beginnen wollen sie<br />
mit der Nebelhorn Trophy, falls sie stattfindet.<br />
Annika Hocke und Robert Kunkel waren von der<br />
Junioren-WM zurückgekehrt und waren am Tag<br />
der Absage noch in Berlin. Sie begannen mit<br />
Gabriella Papadakis‘ Mutter Catherine gleich<br />
mit der Choreografie für eine neue Kür, aber<br />
diese wollte vor der Grenzschließung schnell<br />
zurück nach Frankreich, so dass sich dann überwiegend<br />
Rico Rex um die Kür zur Musik „The<br />
Other Side“ von Ruelle kümmerte. Hocke freute<br />
sich über das gut bestandene Abitur, denn sie<br />
hatte zu Hause viel Zeit zum Lernen. Der Bundeswehrlehrgang<br />
von Kunkel wurde erwartungsgemäß<br />
abgesagt und auf den April 2021 verschoben.<br />
Dann kann er ihn gemeinsam mit Hocke<br />
absolvieren. Es blieb unfreiwillige Zeit für<br />
Urlaub zu Hause und für Athletiktraining mit<br />
der in Berlin lebenden Schweizerin Miriam Leuenberger.<br />
Anfang Juni waren sie eine Woche in<br />
Oberstdorf bei Aljona Savchenko, die zusammen<br />
mit Joti Polizoakis ihr neues KP zu dem zu Beginn<br />
etwas sphärischen „Shout“ des schwedischen<br />
Heavy Metal-Sängers Zayde Wölf in der<br />
Cover-Version von Tears for Fears erarbeiteten.<br />
Auf dem Rückweg machte das Paar beim Institut<br />
für Angewandte Trainingswissenschaften in<br />
Leipzig Station, um dort wissenschaftlich überwachte<br />
und gefilmte Vorübungen für einen<br />
dreifachen Wurfaxel zu beginnen. Kunkel musste<br />
dabei Hocke immer wieder in die Schaumstoffgrube<br />
werfen. Anfang <strong>Juli</strong> kam Savchenko<br />
mit Familie nach Berlin, um am KP weiterzuarbeiten.<br />
Auch Hocke und Kunkel wollen das Saisondebüt<br />
bei der Nebelhorn Trophy geben. Bei<br />
meinem Besuch konnte ich beobachten, wie<br />
Hocke dreifache Würfe zu Trainingsbeginn noch<br />
auf zwei Füßen landete, so wie manchmal auch<br />
in Wettbewerben der abgelaufenen Saison. Eine<br />
Stunde später klappten die Würfe souverän auf<br />
einem Fuß, und Trainer und andere Läufer auf<br />
dem Eis spendeten lautstarken Beifall.<br />
Die „österreichischen Berliner“ Miriam Ziegler<br />
und Severin Kiefer kamen in der Woche nach<br />
meinem Besuch zurück nach Berlin, nachdem<br />
die Grenze wieder geöffnet war. Aber sie konnten<br />
schon einige Wochen in Gmunden im Salzburger<br />
Land trainieren. Ihr Haupttrainer Knut<br />
Schubert erzählte mir, er sei sofort nach der<br />
Grenzöffnung nach Gmunden gefahren und<br />
habe dort mit ihnen eine Woche gearbeitet. Vier<br />
Juniorenpaare habe ich auch beobachtet, die<br />
zum Teil erst sehr kurz zusammenliefen: Daniela<br />
Muntean/Artem Rotar sollen Junioren Grand<br />
Prix laufen, Alina Rank (die in Ilmenau bei Kristin<br />
Wieczorek trainiert hatte)/Jegor Eßlinger<br />
eventuell auch, während Josephine Lossius/William<br />
Trautwein und die Geschwister Sanja und<br />
Robert Löwenherz im Paarlaufen noch eher am<br />
Anfang standen.<br />
Fentz, Stoll und Jagoda<br />
Der letzte Wettbewerb von Paul Fentz vor der<br />
Corona-Schließung war der Challenge Cup im<br />
Februar, damals mit noch nicht ganz eingelaufenen<br />
Schlittschuhen. Er freute sich, dass er
21<br />
nach der hervorragenden EM wieder in den Kader<br />
aufgenommen worden war. Bei der WM, so<br />
sagte er, wäre er sehr gut in Form gewesen. Am<br />
Mittwoch der Absage hielt er sich mit Trainerin<br />
Romy Oesterreich ebenso wie Hase/Seegert<br />
schon in New Jersey auf, um die Zeitumstellung<br />
zu überwinden. Gerade noch rechtzeitig vor der<br />
Schließung konnte das Team von New York aus<br />
auf Rückflüge nach Berlin ohne Umweg über<br />
Kanada umbuchen. „Nach der Rückkehr brauchte<br />
ich einige Tage, um die Absage der WM zu<br />
verkraften, und habe Urlaub gemacht. Dann<br />
habe ich hier in Berlin im Friedrichshain auf Inlinern<br />
trainiert, um in Form zu bleiben und auch<br />
sonst draußen nach den Online-Richtlinien der<br />
DEU trainiert, eben immer das beste aus der Situation<br />
gemacht.“ Der belgische Choreograf<br />
Adam Solya kam in der Woche nach meinem<br />
Besuch nach Berlin und Fentz wollte mit ihm<br />
ein neues KP mit dem Titel „Wire to Wire“ von<br />
„Razer Light“ einstudieren. Die Kür zu „I’m Still<br />
Standing“ mit der Musik des Films „Sing“ will er<br />
in bearbeiteter Form beibehalten. Im besten Fall<br />
sollen hier zwei 4T eingebaut werden. Geplant<br />
ist als erstes die Nebelhorn Trophy und schon<br />
jetzt sei er gut motiviert für zwei Grand Prix,<br />
falls die Serie stattfindet. Zunächst war für ihn<br />
(und Thomas Stoll und Kai Jagoda) in der zweiten<br />
<strong>Juli</strong>hälfte ein zweiwöchiges Training bei<br />
Stéphane Lambiel in der Schweiz geplant, das<br />
ursprünglich im Juni vorgesehen war, aber ausfiel,<br />
weil die Eishalle in Champéry noch geschlossen<br />
war.<br />
Thomas Stoll, im Winter lange Zeit von heftigen<br />
Schmerzen geplagt, konnte wieder trainieren.<br />
Zwar waren die Beschwerden noch nicht ganz<br />
vorbei, aber bei Terminen mit Ärzten wurden<br />
Nerven abgeklemmt. Die Off-Ice-Trainingspläne<br />
der DEU, die zum Teil von Rene Lohse erarbeitet<br />
wurden, hat er stets ausgeführt: Balanceübungen,<br />
Krafttraining, Inline-Skating, Fahrradfahren<br />
und einiges mehr. Seit Mitte Juni liegt der<br />
Schwerpunkt wieder auf dem Eis, und der<br />
22-Jährige lief gerade neue Schlittschuhe ein.<br />
Fünf Dreifache klappten schon wieder, nur mit<br />
dem Axel sah ich noch größere Probleme. Wenn<br />
es gut läuft, will er auch entweder der Toeloop<br />
oder den Rittberger (den er vorwärts schon landen<br />
konnte) vierfach angehen. Viola Striegler<br />
meinte, eigentlich habe er aufgrund der erstklassigen<br />
Konstitution und des schnellen Drehmoments<br />
gute Voraussetzungen, diese Sprünge<br />
einmal in die Programme einzubauen. Sein KP<br />
zur Musik „Istanbul (not Constantinopel)“ von<br />
„They Might Be Giants“ will er etwas überarbeitet<br />
beibehalten. Mark Pillay wollte mit ihm eine<br />
neue Kür einstudieren. Allerdings durfte er bis<br />
zum Redaktionsschluss Mitte <strong>Juli</strong> noch nicht<br />
aus Vancouver nach Deutschland einreisen, so<br />
dass sie die Arbeit online begannen, was aber<br />
nicht ideal klappte. „Ich will auf dem Eis präsent<br />
bleiben und daher auch schon bei der Nebelhorn<br />
Trophy starten, wenn sie stattfindet“,<br />
erklärte Stoll.<br />
Machon arbeitet dagegen in Wedding, was für<br />
ihn bei dem dichten Verkehr und den vielen<br />
Staus sehr viel Zeit für Fahrerei bedeuten würde.“<br />
Aber der 20-Jährige betonte, sie bleibe im<br />
Team. Das Abitur hat er mit Homeschooling<br />
problemlos bestanden, trainierte auch in der<br />
Eispause und will in die Sportfördergruppe der<br />
Bundeswehr. Im Juni wusste er noch nicht, ob<br />
er den gewünschten Studienplatz in Psychologie<br />
erhalten wird. Genau wie Thomas Stoll (und einige<br />
Nicht-Berliner) locken ihn natürlich die<br />
zwei Startplätze bei der kommenden EM, die<br />
Paul Fentz erkämpft hatte. Jagodas Trainingsschwerpunkte<br />
und Ziele sind größere Stabilität,<br />
3L-3T- und 3F-3T-Kombinationen, alle sechs<br />
Dreifachen in einem Wettbewerb stehen und<br />
Arbeit an den Komponenten. Den 3A beherrscht<br />
er in guter Form schon seit etwa fünf Jahren,<br />
Vierfache sind frühestens in der zweiten Saisonhälfte<br />
geplant. Erster Wettbewerb soll die Nebelhorn<br />
Trophy werden. Die Kür mit dem Musiktitel<br />
„Believer“ von der Gruppe „Imagine Dragons“<br />
will er beibehalten. Ein neues KP von<br />
„Wood Kid“ mit dem Titel „I Love You“ erarbeitete<br />
er wie Fentz mit Adam Solya.<br />
Der vierte Berliner DEU-Kaderläufer im Einzellauf<br />
ist der 15 Jahre alte Arthur Mai. Er sagte,<br />
er freue sich sehr, erstmals im Kader zu sein. Er<br />
hat die 9. Klasse abgeschlossen und läuft jetzt<br />
in der ersten Saison als Junior. Aber voraussichtlich<br />
startet er nicht im Junioren Grand Prix.<br />
Schwerpunkte sind 3L und 3F und bessere <strong>Pirouette</strong>n,<br />
während die drei weiteren Dreifachen<br />
schon gut klappen. Haupttrainerin ist Manuela<br />
Machon, und ich konnte beobachten, wie er mit<br />
dem vielbeschäftigten Paul Boll an einer Choreographie<br />
für ein bluesiges KP arbeitete. Die<br />
Yello-Kür mit dem Thema Autorennen will er<br />
beibehalten.<br />
Später kam - unerwartet für mich - Joti Polizoakis<br />
in die Halle und studierte neue Programme<br />
mit Janne Salatzki ein. Er erzählte, dass er<br />
jetzt in Berlin wohne und in Teilzeit als Choreograf<br />
arbeite, aber auch andere, noch geheime<br />
Projekte habe. Falls das Virus es erlaubt, wird er<br />
im Herbst und Winter wieder mit Sarah Lombardi<br />
auf Tournee von Holiday on Ice gehen,<br />
denn die dortigen Verantwortlichen waren sehr<br />
zufrieden mit ihnen. Außerdem will er hauptberuflich<br />
in Richtung Schauspieler gehen und das<br />
in Berlin lernen. Gesehen habe ich noch einige<br />
jüngere Läufer/innen, zum Beispiel Anna-Felicia<br />
Fröhlich, die groß geworden ist und sich auf den<br />
Einzellauf konzentrieren will. Abends kamen die<br />
Tanzpaare in die Halle, aber Trainer Stefano Caruso<br />
hatte es eilig und keine Zeit für mich, weil<br />
er gerade jemanden vom Flughafen abgeholt<br />
hatte. Außerdem hatte er kein Meisterklassepaar<br />
mehr, nachdem sich nach Koch/Nüchtern<br />
auch Amanda Peterson und Maximilian Pfisterer<br />
getrennt haten. Die Amerikanerin Peterson<br />
schrieb der <strong>Pirouette</strong>, der Hauptgrund sei, dass<br />
sie in Deutschland nicht arbeiten und kein Geld<br />
verdienen durfte, aber es hieß auch, sie habe<br />
Heimweh gehabt. Pfisterer suchte nach einer<br />
neuen Partnerin (siehe Seite 19). Dafür gibt es<br />
in Berlin zehn Nachwuchs- und Juniorentanzpaare,<br />
wie Assistenztrainerin Steffi Frohberg erzählte,<br />
sie hatte gehört, dass Shari Koch einen<br />
neuen Partner suchen soll. Im Nachwuchskader<br />
1 sind Lea Enderlein und Malte Brandt, im N-<br />
Kader 2 Alexia Kruk und Jan Eisenhaber. Die<br />
Synchronteams hatten bei meinem Besuch noch<br />
kein Eis zur Verfügung.<br />
Juni-Training in Berlin<br />
Sommertraining<br />
Kai Jagoda wechselte im Juni von Manuela Machon<br />
zu Romy Oesterreich, „vor allem“, so sagte<br />
die Olympia-Zweite von 1976, „weil er hier im<br />
Sportforum zusammen mit den anderen auch<br />
die Off-Ice-Möglichkeiten nutzen kann. Frau<br />
Annika Hocke und Robert Kunkel
22<br />
Juni-Training in Berlin<br />
Sommertraining<br />
Engagierter Rene Lohse<br />
Seit April 2019 hat der ehemalige Eistänzer<br />
Rene Sachtler-Lohse eine neue Aufgabe: Er koordiniert<br />
mit viel Engagement das Athletiktraining<br />
der Berliner Bundeskader der Stützpunktdisziplinen<br />
Paarlauf und Einzellauf und fungiert<br />
zunehmend auch stützpunktübergreifend, um<br />
den deutschen Bundeskaderläufern bis einschließlich<br />
Nachwuchskader 1 unterstützend<br />
und beratend zur Verfügung zu stehen. In einigen<br />
größeren anderen Sportarten gibt es einen<br />
Bundestrainer Athletik und er ist dabei, diese<br />
Rolle für den Eiskunstlauf zu übernehmen. Er<br />
erstellt eine Saisonplanung aus athletischer<br />
Sicht, in der er Belastung und Erholung in Balance<br />
bringt. Eislaufspezifische Kraft und Ausdauer<br />
sind in detaillierter Planung besonders<br />
im Frühjahr und Frühsommer angesagt. Stützpunktübergreifend<br />
werden Aufgaben ausgetauscht<br />
und miteinander in Kontakt gebracht.<br />
Außerdem hat er den sportmotorischen DEU-<br />
Athletiktest zusammen mit der wissenschaftlichen<br />
DEU-Mitarbeiterin Christine Leibinger<br />
und Nicole Brünner, der Bundestrainerin Einzellauf<br />
Nachwuchs überarbeitet. Er sammelt<br />
während der aktuellen Testphase der Saison<br />
20/21 nun die Feedbacks, um den neuen Test<br />
weiter zu entwickeln und zu optimieren, bespricht<br />
es mit den Trainern und passt es an.<br />
Solche Tests sind zum einen in den Bundeskaderlehrgängen<br />
integriert oder er bereist die<br />
Stützpunkte, um dort die Tests abzunehmen.<br />
Angestrebt werden mindestens zwei Bundeskaderlehrgänge<br />
pro Jahr. Viel Zeit wendet er für<br />
die nachhaltige Nachbereitungen der Tests auf.<br />
Außerdem wird er in Traineraus- und Fortbildungen<br />
involviert. Unter Beachtung des Datenschutzes<br />
pflegt er die Trainingsdatenbanken<br />
der Bundekaderläufer (Controlling), informiert<br />
sie bei Lücken und Mängeln und sucht nach<br />
geeigneten Übungen, um die Mängel zu beheben.<br />
Die leistungsdiagnostischen Tests sind einerseits<br />
wichtig für die Trainingssteuerung und<br />
anderenfalls, um möglichst frühzeitig Verletzungsrisiken<br />
zu entdecken oder zu vermeiden.<br />
Im Verletzungsfall steht er für die anschließende<br />
Rehabilitation beratend zur Verfügung.<br />
In den vergangenen Corona-Monaten entwickelte<br />
er in Abstimmung mit Nicole Brünner<br />
Wochenpläne, die auf die Homepage der Deutschen<br />
Eislauf-Union online gestellt wurden, um<br />
vor allem den deutschen Eisläufern Trainingsempfehlungen<br />
für zu Hause an die Hand zu<br />
geben. Bis Mitte Mai gab es auch jeden Tag<br />
sogenannte Online-Sessions. Außerdem arbeitet<br />
er mit an einer digitalen Rahmentrainingskonzeption<br />
der DEU allgemein für den Bereich<br />
Athletik und dreht dafür auch Demo-Videos.<br />
Alles zusammen ist es eine umfangreiche, verantwortungsvolle<br />
Aufgabe, die hoffentlich zu<br />
einem wichtigen Teil für die Bundeskader zu<br />
noch besseren Leistungen als bisher beitragen<br />
wird. Bei der EM <strong>2020</strong> konnten schon mal alle<br />
fünf Berliner überzeugen, was auch ein bisschen<br />
Lohses Erfolg ist. Unter anderem dank des<br />
Olympiasieges 2018 wird er weiterhin von der<br />
Bundeswehr finanziert. Klaus-Reinhold Kany<br />
Neues aus aller Welt<br />
Avonley Nguyen und Vadym Kolesnik bei der JWM im<br />
März <strong>2020</strong>, Foto: Flade<br />
Juniorenweltmeister<br />
trennen sich<br />
Ganz unerwartet hat Avonley Nguyen, die aktuelle<br />
Juniorenweltmeisterin im Eistanzen aus den<br />
USA, Ende Juni bekanntgegeben, dass sie sich<br />
von ihrem Partner Vadym Kolesnik getrennt hat.<br />
Sie schrieb: „Mit gemischten Gefühlen gebe ich<br />
das Ende meiner Partnerschaft mit Vadym bekannt.<br />
Die vergangene Saison war unsere bisher<br />
erfolgreichste und unser Traum vom Titelgewinn<br />
bei den Juniorenweltmeisterschaften hat sich<br />
erfüllt. Ich habe viele glückliche Erinnerungen<br />
an Vadym in den drei Jahren, in denen wir zusammengelaufen<br />
sind. Ich werde einen neuen<br />
Partner suchen, der meinen Enthusiasmus für<br />
das Eislaufen teilt.“ Kolesnik schwieg zunächst<br />
und schrieb nach einer Woche, dass sie in Zukunft<br />
getrennte Wege gehen werden und lobte<br />
Nguyen noch einmal enthusiastisch. Er werde<br />
eine Partnerin suchen und sie müsse nicht unbedingt<br />
amerikanisch sein. Warum sie sich trotz<br />
ihrer Erfolge getrennt haben, schrieben beide<br />
nicht, so wie in den USA üblich. Trainer Igor<br />
Shpilband sagte der <strong>Pirouette</strong>, es habe keinen<br />
großen Krach gegeben und auch keine gescheiterten<br />
Liebesbeziehungen. Aber nach dem Gewinn<br />
der Junioren-WM seien sie sich gegenseitig<br />
etwas auf die Nerven gegangen und hätten<br />
nicht mehr mit demselben Engagement zusammen<br />
trainiert. Der Ukrainer Kolesnik, so sagte<br />
Shpilband, habe übrigens wenige Tage nach der<br />
Trennung seine Greencard erhalten. Er darf also<br />
Geld verdienen (zum Beispiel als Assistenztrainer<br />
arbeiten) und kann im nächsten Jahr den<br />
Antrag auf die US-Staatsbürgerschaft stellen.<br />
Für 2022 hätten sie<br />
sich ohnehin wahrscheinlich<br />
nicht qualifiziert,<br />
weil es zu<br />
viele andere sehr gute<br />
Paare in den USA<br />
gibt. Für 2026 wäre<br />
dies aber ein Thema<br />
gewesen. krk<br />
Leserbrief zu „Das Übel der<br />
dreifachen Sprünge“<br />
von Denise Biellmann zum Artikel von 1985<br />
Mai/Juni-Heft <strong>2020</strong><br />
Liebes <strong>Pirouette</strong> Team,<br />
Es ist nicht richtig, dass ich an den Weltmeisterschaften<br />
1981 nur zwei Dreifache gesprungen<br />
bin, sondern drei Dreifache, inklusive dreifachen<br />
Lutz, als erste Frau der Welt. Ich hatte lediglich<br />
aus taktischen Gründen an dieser WM 81 nur<br />
drei Dreifache gezeigt. Ich beherrschte zu dem<br />
Zeitpunkt mit 18 Jahren und bis 35 Jährig immer<br />
noch alle fünf dreifachen Sprünge. Mit 40<br />
Jahren zeigte ich immerhin noch zwei dreifache<br />
Sprünge in Showprogrammen. Außerdem waren<br />
diese nicht mit Ach und Krach gesprungen, sondern<br />
sehr qualitativ und sauber ausgeführt (auch<br />
an der WM 1981). Mein Ablaufdatum, wie Herr<br />
Prieser mich betitelte, war noch lange nicht abgelaufen,<br />
sondern ich konnte mich nach meinem<br />
WM- und EM-Titel stets steigern und gewann<br />
elfmal Profiturniere oder Profiweltmeisterschaften<br />
in den USA, Japan und Europa gegen frischgebackene<br />
Weltmeisterinnen und Olympiasiegerinnen.<br />
Auch in den Shows wie Holiday on Ice<br />
und Art on Ice als Stargast habe ich stets dreifache<br />
Sprünge im Showprogramm gezeigt.<br />
Mir ist bewusst, dass der Artikel damals in einer<br />
anderen Zeitschrift abgedruckt wurde und Sie<br />
das übernommen haben. Aber als Fachmagazin,<br />
finde ich, sind Sie in der Pflicht, den Artikel<br />
über die Wahrheit des Inhaltes zu prüfen. Ich<br />
habe seit vielen, vielen Jahren die „<strong>Pirouette</strong>“<br />
(auf den Namen meiner Mutter) abonniert und<br />
ich lese sie bis heute ansonsten sehr gerne!<br />
Mit sportlichen Grüßen<br />
Denise Biellmann<br />
Anmerkung der Redaktion: Denise Biellmann hat<br />
natürlich recht. Sie hat wirklich bei der WM<br />
1981 drei dreifache Sprünge gezeigt und auch<br />
später als Profi noch viele Dreifachsprünge. Die<br />
WM-Kür 1981 kann man übrigens auf Youtube<br />
noch ansehen. Wir hatten in Uwe Priesers Artikel<br />
aus der Wochenzeitung „Die Zeit“ seine Bemerkungen<br />
zu Katarina Witt korrigiert und wollten<br />
nicht noch mehr richtigstellen. Aber es wäre korrekter<br />
gewesen, dies auch bei Denise Biellmann<br />
zu tun. Ich war bei der WM 1981 in Hartford,<br />
Connecticut (USA) selbst dabei und habe den<br />
verdienten Titelgewinn von Denise Biellmann mit<br />
dreifachem Lutz live miterlebt. Schon bei den<br />
Olympischen Spielen 1980 in Lake Placid war<br />
Biellmann mit Abstand die beste Kür gelaufen,<br />
blieb aber wegen Rückstandes in den Pflichtfiguren<br />
ohne Medaille. Klaus-Reinhold Kany<br />
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Foto: Lambiel<br />
23<br />
Die Initiative war ein voller Erfolg. Tausende von<br />
Zuschauern verfolgten die live auf dem ISU Skating<br />
Kanal bei Youtube übertragenen Trainingseinheiten<br />
mit so bekannten (Ex-)Läufern wie<br />
Stéphane Lambiel, Aljona Savchenko, Ondrej<br />
Hotarek, Jeremy Abbott und anderen Experten.<br />
Die Videos sind weiterhin kostenlos auf dem Kanal<br />
verfügbar. Die Eiskunstlauf-Trainingsserie<br />
deckt verschiedene Bereiche wie Kraft, Balance,<br />
Beweglichkeit, Körperbewusstsein ab. Es gibt<br />
spezielle Übungen für den Paarlauf, modernen<br />
Tanz, Dehnen und sogar Übungen in Schlittschuhen<br />
ohne Eis. Jede Einheit dauert etwa eine<br />
Stunde und eingeblendet sind nicht nur die<br />
Trainer, sondern auch Läufer aus aller Welt, die<br />
ebenfalls mitmachen. „Wir haben in unserer<br />
Schule zwei Krafttrainingseinheiten pro Woche<br />
und ich wollte mit der ganzen Welt teilen, was<br />
wir machen“, sagte der zweimalige Weltmeister<br />
Lambiel, der Cheftrainer seiner privaten „Skating<br />
School of Switzerland“ in Champéry ist. Er<br />
betreute zwei Einheiten. Olympiasiegerin Aljona<br />
Savchenko beteiligte sich mit einem intensiven<br />
Work Out für den ganzen Körper.<br />
Der frühere Paarläufer und EM-Medaillengewinner<br />
Ondrej Hotarek vom IceLab Bergamo in Italien<br />
moderierte unter anderem das Training „Balance<br />
und Beweglichkeit auf Schlittschuhen“.<br />
„Während der Quarantäne haben wir versucht,<br />
unsere Sportler zu motivieren, damit sie sich darauf<br />
konzentrieren, für die Rückkehr auf das Eis<br />
in Form zu bleiben“, meinte Hotarek. „Wir haben<br />
gelernt, mit dem zu improvisieren, was wir zu<br />
Hause haben, und es zu unserem Vorteil zu nutzen.<br />
Es war Franca Bianconis Idee, ein Training<br />
auf Schlittschuhen außerhalb vom Eis zu machen.<br />
In Bergamo haben wir viele Trainer und<br />
Tatiana Kapustina ist Spezialistin für off ice. Sie<br />
war die Trainerin hinter allen diesen Übungen,“<br />
fuhr Hotarek fort, der die Übungen erklärte und<br />
demonstrierte. „Wir wollten ein paar bekannte<br />
Läufer mit einbringen, damit sie die anderen in<br />
dieser schweren Zeit inspirieren. Wir hatten<br />
auch ein paar Minuten zum Reden und konnten<br />
allen unsere Leidenschaft für den Eiskunstlauf<br />
sogar in der Zeit des Lockdowns zeigen.“<br />
»Keep Training!«<br />
ISU-Serie setzt Signale für die Zukunft<br />
Während weltweit das Training auf dem Eis wegen der Pandemie<br />
zum Erliegen kam, waren die Eisläufer und Trainer nicht untätig,<br />
wie die <strong>Pirouette</strong> bereits in der vergangenen Ausgabe berichtete. Auch<br />
die ISU wollte ihren Teil dazu beitragen, die Sportler beim zwangsweisen Heimtraining<br />
zu unterstützen und rief von April bis Juni in Zusammenarbeit mit den Exzellenzzentren<br />
in Oberstdorf, Champéry und anderen Orten von April bis Juni eine Serie<br />
von online Trainings ins Leben – für Eiskunst- und Synchronlauf, aber auch für Eisschnelllauf<br />
und Short Track.<br />
Gerade die Idee, außerhalb vom Eis Übungen in<br />
Schlittschuhen zu machen, klingt zunächst sehr<br />
ungewöhnlich, aber Hotarek kann erklären, was<br />
das bringt: „Ich halte es für sehr hilfreich, wenn<br />
die Läufer ihre Schlittschuhe benutzen, selbst<br />
wenn sie aus irgendeinem Grund nicht auf dem<br />
Eis sein können. Ich denke, das ist mehr mental<br />
als physisch. Du kannst dich in Form halten, aber<br />
das Gefühl deiner Schlittschuhe ist einzigartig.“<br />
Als die Eishallen schlossen, mussten die Trainer<br />
sich rasch etwas ausdenken, und genau das haben<br />
sie getan. „Wir richteten eine online Trainingseinheit<br />
ein, um in Form zu bleiben und<br />
auch um den Kontakt zu halten“, sagte Lambiel.<br />
„Die Gruppe zeigte Solidarität und die Arbeit hat<br />
uns dabei geholfen, den Mut nicht sinken zu<br />
lassen.“ Das Athletik- und Krafttraining war unter<br />
diesen besonderen Umständen noch wichtiger<br />
als sonst. „Die Arbeit zur Stärkung der Muskeln<br />
ist für Sportler unerlässlich“, betonte Lambiel.<br />
„An der Koordination und der Bewegung<br />
durch Übungen wie Pilates und Tanz musste<br />
auch gearbeitet werden. Ich ermutige alle Läufer<br />
dazu, Sprungtraining und eislaufspezifische Rotationsübungen<br />
zu machen. Kardio muss man<br />
auch einbeziehen. Eiskunstlauf ist eine Sportart,<br />
die viele körperliche und künstlerische Fähigkeiten<br />
voraussetzt, und ich war beeindruckt zu sehen,<br />
wie meine Sportler in autonomer und intelligenter<br />
Art und Weise aktiv blieben.“<br />
Ondrej Hotarek stimmte zu: „Ich würde sagen,<br />
dass es wichtig ist, sich in so einer Situation zu<br />
beschäftigen, aber auch neue Dinge auszuprobieren,<br />
eine neue Herangehensweise an das<br />
Training zu finden, eine Yoga-Stunde, eine<br />
Dehn-Stunde, eine Tanzeinheit zu absolvieren,<br />
in dem Wissen, dass alle diese Fähigkeiten dir<br />
helfen werden, ein besserer Sportler zu werden.“<br />
Online Training war eine neue Erfahrung für viele<br />
Trainer, aber sie nahmen die Herausforderung an.<br />
„Für mich war es das erste Mal, online zu unterrichten<br />
und ich gebe zu, es machte mich nervös“,<br />
verriet Hotarek. „Ich wollte den Läufern einige<br />
gute Übungen vermitteln, aber sie auch unterhalten<br />
und ihnen positive Energie mitgeben. Das<br />
Ziel war es, dass jeder mitmachen und es ausprobieren<br />
kann. Vom Anfänger bis zum hohen Niveau<br />
sollte jeder etwas Nützliches finden.“<br />
Elizaveta Tuktamysheva, die Welt- und Europameisterin<br />
von 2015, war eine Top-Läuferin, die<br />
das Angebot der ISU nutzen. „Ich habe zugeschaut<br />
und Stéphanes Übungen waren sehr interessant“,<br />
sagte sie. Ebenfalls dabei waren bekannte<br />
Läufer wie Deniss Vasilijevs, Matteo Rizzo,<br />
Shoma Uno, Satoko Miyahara und Paarläuferin<br />
Vanessa James. Man sah dazu deutsche<br />
Läufer wie Aya Hatakawa, Elena Pavlova und<br />
Ruben Blommaert. „Die Tatsache, dass die Exzellenzzentren<br />
ihr Wissen teilen und die Läufer,<br />
Trainer und Fans aus aller Welt inspirieren, ist<br />
sehr motivierend“, betonte Lambiel und dankte<br />
der ISU für die Initiative. Die Idee war aus der<br />
<strong>No</strong>t geboren, aber die nun gesammelte Erfahrung<br />
ist nützlich für die Zukunft und wird dabei<br />
helfen, online Trainingsmethoden weiter zu entwickeln.<br />
„Ich denke, wir sollten das in der Zukunft<br />
mehr nutzen. Es ist eine tolle Gelegenheit,<br />
diese Trainingseinheiten mit der ganzen Welt zu<br />
teilen und Menschen aus verschiedenen Schulen<br />
zusammenzubringen. Ich werde mit Sicherheit<br />
versuchen, diese Unterrichtsstunden zu verbessern,<br />
damit sie für das tägliche Training genutzt<br />
werden“, kommentierte Hotarek. „Die ISU hat<br />
ein E-Learning Konzept, das immer wichtiger<br />
wird. Das muss in der Zukunft weiterentwickelt<br />
werden“, schloss Lambiel. Tatjana Flade<br />
Die Videos sind auf dem Youtube Kanal Skating<br />
ISU abrufbar:<br />
www.youtube.com/user/SkatingISU/videos<br />
ISU-Serie „Keep Training!“
24<br />
ISU Skating Awards<br />
ISU vergibt erste »Eislauf-Oscars«<br />
online<br />
Superstar Yuzuru Hanyu ist der wertvollste Läufer der Saison 2019/20, die Eistanz-<br />
Weltmeister Gabriella Papadakis/Guillaume Cizeron hatten das unterhaltsamste<br />
Programm, Europameisterin Alena Kostornaia ist die beste Newcomerin und die Vier-<br />
Kontinente-Meister Madison Chock/Evan Bates hatten das beste Kostüm. Die ISU<br />
ehrte bei den erstmals vergebenen „Skating Awards“, eine Art „Oscar“, außerdem<br />
Eteri Tutberidze als beste Trainerin und Shae-Lynn Bourne als beste Choreographin.<br />
Der legendäre kanadische Eiskunstläufer Kurt Browning erhielt die Auszeichnung für<br />
sein Lebenswerk. Die „<strong>Pirouette</strong>“ hatte wie so oft den richtigen Riecher und alle siegreichen<br />
aktiven Läufer kürzlich auf dem Titel (siehe Seite 2).<br />
Die große Show zur Vergabe der sieben „Eislauf-<br />
Oscars“ war eigentlich zum Abschluss der WM<br />
in Montreal geplant. Nach der Absage der WM<br />
entschied die ISU, sie online abzuhalten, was<br />
eine sehr gute Idee war. Gerade in den unsicheren<br />
Corona-Zeiten setzt so eine Veranstaltung<br />
ein positives Signal. Oliver Höners Produktionsfirma<br />
„Art on Ice“ stellte also alles auf online<br />
um und am 11. <strong>Juli</strong> streamte die ISU die Show<br />
auf ihrem Kanal, wo sie auch noch jetzt abrufbar<br />
ist. Das Team meisterte die logistischen und<br />
technischen Herausforderungen, die so eine virtuelle<br />
Veranstaltung mit Schaltungen von Zürich<br />
in alle Herren Länder mit sich bringt und es<br />
kam ein abwechslungsreiches zweistündiges<br />
Programm dabei heraus. Bis Redaktionsschluss<br />
verzeichnete die ISU rund 147 000 Zuschauer,<br />
die live dabei waren oder sich die Übertragung<br />
später ansahen. Das japanische und russische<br />
Fernsehen zeigten die Show auf ihren Online-<br />
Kanälen. Die Moderatoren Tanith (Belbin) und<br />
Charlie White präsentierten das Programm souverän.<br />
Die früheren Eistänzer saßen in einem<br />
Studio in Detroit, dazu gab es ein Studio in Toronto,<br />
in das Brian Orser und Kurt Browning kamen.<br />
Alle anderen wurden von zu Hause aus<br />
zugeschaltet. Nur Eteri Tutberidze konnte nicht<br />
teilnehmen, schickte aber eine Videobotschaft.<br />
In der Kategorie „wertvollster Läufer“ trat Hanyu<br />
gegen Nathan Chen und Papadakis/ Cizeron<br />
an. Es war keine große Überraschung, dass der<br />
zweimalige Olympiasieger diese Kategorie gewann,<br />
denn kaum ein Eiskunstläufer dürfte<br />
mehr Fans und mehr Sponsorendeals haben.<br />
Hanyu, der jeden möglichen Titel meist nicht<br />
nur einmal gewonnen hat und technisch und<br />
artistisch Maßstäbe setzt, ist nicht nur in Japan,<br />
sondern weltweit ein Star.<br />
Hanyu, Papadakis/Cizeron, Kostornaia, Browning und andere geehrt<br />
»<br />
Yuzuru Hanyu:<br />
„Eiskunstlauf ist ein Sport und<br />
«<br />
es gibt<br />
Shows, aber wir sind Athleten und Wettkämpfer.<br />
Fast in jedem Moment im täglichen<br />
Leben denke ich an den Eiskunstlauf und<br />
hoffe, stets besser und stärker zu werden.<br />
Ich verbringe jeden Tag damit, besser zu<br />
werden und etwas zu tun, was ich am Tag<br />
davor nicht tun konnte. Ich will hart arbeiten<br />
und die Ergebnisse liefern, die ich mir wünsche<br />
und wie es meine Familie, Trainer und<br />
Fans von mir erwarten.“<br />
Papadakis/Cizeron erhielten die Auszeichnung<br />
für ihren unterhaltsamen Rhythmustanz zum<br />
Musical „Fame“. Von der Musik über die witzige<br />
Choreographie bis hin zu den bonbonfarbenen<br />
Kostümen war das ein kleines Meisterwerk, das<br />
eine neue Seite der viermaligen Weltmeister<br />
»<br />
präsentierte.<br />
Gabriella Papadakis/Guillaume Cizeron:<br />
Gabriella: „Das ist eine Seite unserer<br />
«<br />
Persönlichkeit,<br />
die in uns steckt, aber die wir niemals<br />
wirklich dem Publikum gezeigt haben. Zuerst<br />
hatten wir Zweifel, ob das eine gute Idee ist,<br />
aber es hat Spaß gemacht, das zu probieren.“<br />
Guillaume: „Das ist eines der Programme,<br />
bei dem wir am meisten Spaß hatten, es zu<br />
choreographieren. Unser gesamtes Team in<br />
Montreal hat uns in unserer Wahl unterstützt<br />
und uns dazu gebracht, dieses Spaßgefühl<br />
umzusetzen.“<br />
Aber auch Evgenia Medvedeva mit ihrer ausdrucksstarken<br />
Kür zu „Memoiren einer Geisha“<br />
und Kevin Aymoz mit vom größtenteils von ihm<br />
selbst choreographierten coolen KP zu „The<br />
Question of U“ von Prince waren preiswürdig.<br />
Kostornaia triumphierte erwartungsgemäß als<br />
beste Newcomerin. Die 16-Jährige hatte in ihrer<br />
Debütsaison in der Meisterklasse jeden internationalen<br />
Wettbewerb gewonnen, einschließlich<br />
EM und GP Finale, und verbindet technische<br />
Höchstschwierigkeiten mit erstklassiger Interpretation<br />
und Musikalität.<br />
»<br />
Alena Kostornaia:<br />
„Ich bin sehr aufgeregt, denn<br />
«<br />
das war total<br />
unerwartet. Ich konnte mir nicht vorstellen,<br />
dass ich gewinne. Ich wusste nicht, was ich<br />
sagen sollte, denn habe gar nicht richtig begriffen,<br />
dass ich diesen großen Preis bekomme.<br />
Mir bedeutet das sehr viel. Ich weiß,<br />
dass die Leute mich unterstützen und jetzt<br />
bin ich mich dessen noch sicherer. Ich<br />
möchte niemanden enttäuschen und das<br />
gibt mir mehr Energie, Selbstvertrauen und<br />
Motivation zum Arbeiten und mich jeden<br />
Tag zu verbessern.“<br />
Alexandra Trusova, die mit ihren Vierfachsprüngen<br />
neue technische Maßstäbe im Damen-Eiskunstlauf<br />
setzt, und die Koreanerin Young You,<br />
die bei ihrem Debüt Silber bei der Vier-Kontinente-Meisterschaft<br />
gewann, waren verdient<br />
mit im Rennen.<br />
Alle drei nominierten Kostüme waren herausragend,<br />
und hier hatte die übrigens sehr diverse<br />
Jury aus den früheren Topläufern Tatiana Navka,<br />
Surya Bonaly, Lu Chen, Miki Ando, Eric Radford<br />
und Todd Eldredge eine schwierige Entscheidung<br />
zu treffen. Chock/Bates erhalten die<br />
goldene Statue, die ein französischer Künstler<br />
gestaltet hat, für ihre Kostüme zur Kür „Ägyptischer<br />
Schlangentanz“. Chocks Kostüm ist mit<br />
mehr als 14 500 Strasssteinen besetzt und glitzert<br />
wirklich wie die Haut einer Schlange in<br />
Bewegung. Designer Mathieu Caron und sein<br />
Team steckten 80 Stunden Arbeit in dieses einzigartige<br />
Kleid.
25<br />
»<br />
Madison Chock:<br />
„Es war wichtig für uns, dass<br />
«<br />
unsere Geschichte<br />
klar verständlich ist. Wir wollten sicherstellen,<br />
dass die Kostüme unsere Charaktere<br />
herausstellen. Ich wollte, dass sich mein<br />
Kleid wie Schlangenhaut anfühlt und Mathieu<br />
und sein Team haben tolle Arbeit geleistet,<br />
auch für Evans Kostüm. Er ist der<br />
Reisende, der Charmeur, der mich das ganze<br />
Programm hindurch bezirzt und sein Kostüm<br />
hat wie nach einer Reise Risse und Löcher,<br />
aber in modischer Art und Weise.“<br />
Hanyus Outfit zur Kür „Origin“ war nicht weniger<br />
beeindruckend: Designerin Satomi Ito ließ sich<br />
von Vaclav Nijinskis Kostüm zum Ballett „Der<br />
Geist der Rose“ von 1911 inspirieren und verzierte<br />
das Kostüm mit 15 handgearbeiteten Rosen<br />
und drei Schmetterlingen plus an die 3.000 Swarovski-Kristallen.<br />
Anna Shcherbakova war mit ihrem<br />
trickreichen Kleid zum „Feuervogel“ nominiert.<br />
Mitten im Programm während einer <strong>Pirouette</strong><br />
wechselte sie die Farbe, indem sie das Oberteil<br />
herunterzog. Dieses ungewöhnliche Kostüm<br />
hat Designerin Milena Bobkova geschaffen.<br />
Favoritin Eteri Tutberidze setzte sich in der Wahl<br />
zum besten Coach gegen Rafael Arutyunyan und<br />
Brian Orser durch. Tutberidzes Läuferinnen gewannen<br />
alle drei Medaillen im GP Finale und bei<br />
der EM, dazu Gold und Silber bei der Junioren-<br />
»<br />
WM und EM-Bronze bei den Herren.<br />
Eteri Tutberidze:<br />
„Natürlich ist die Auszeichnung für mich die<br />
Anerkennung eines gegangenen Weges und<br />
getaner Arbeit. Das gilt umso mehr, als meine<br />
Mitbewerber sehr würdig waren. Es war schon<br />
eine Ehre, nominiert zu sein. Wir versuchen<br />
jeden Tag Nützliches unter den gegebenen<br />
Umständen zu tun. Das Geheimnis unserer<br />
Arbeit ist sehr einfach – wir lieben, was wir<br />
tun, nicht anderes. Im Jazz gibt es nur Mädchen<br />
(russischer Filmtitel)? Natürlich nicht!<br />
Wir hatten Sergei Voronov, Adian Pitkeev und<br />
andere Jungs, sind das etwa Mädchen? Moris<br />
Kvitelashvili (EM-Dritter) trainiert schon sehr<br />
lange bei uns. Aber man assoziiert uns mit<br />
Mädchen, weil es mit ihnen bei uns ein besser<br />
klappt. Für mich ist jeder Wettbewerb, jedes<br />
Podium ein Teil des Weges. Ein Wettbewerb<br />
endet und wir denken schon daran, woran wir<br />
arbeiten müssen, wie wir besser werden, die<br />
Form halten oder Fehler korrigieren. Aber moralisch<br />
bereiten mir die Medaillen meiner<br />
Tochter Diana Davis, die mit Gleb Smolkin Eistänzerin<br />
bei Igor Shpilband ist, echte Freude.<br />
Und das möge mir niemand übelnehmen. Ich<br />
möchte sehr, dass es uns gelingt, solche Programme<br />
zu choreographieren, die die Zuschauer<br />
fesseln und zum Nachdenken zwin-<br />
«<br />
gen und natürlich diese Programme so zu erarbeiten,<br />
dass man sie danach noch einmal<br />
sehen möchte. Was die Medaillen angeht –<br />
ich möchte die Hymne zu unseren Ehren hören.<br />
Wenn unsere Fahne aufsteigt, die Hymne<br />
ertönt, dann ist da mehr Luft (zum Atmen)<br />
und du möchtest diesen Moment verlängern.“<br />
Die Eistanzweltmeisterin von 2003, Shae-Lynn<br />
Bourne (sie lief mit dem deutschstämmigen Victor<br />
Kraatz), gewann in der Kategorie beste Choreographin.<br />
Sie hatte in der vergangenen Saison<br />
unter anderem Programme für Medvedeva (Geisha),<br />
Mariah Bell, Shoma Uno, Rika Kihira und<br />
»<br />
Elizaveta Tuktamysheva kreiert.<br />
Shae-Lynn Bourne:<br />
„Ich habe eine solche Leidenschaft<br />
«<br />
für das<br />
Eis und dieses Gleiten. Ich liebe es, das Eis<br />
mit den Menschen zu teilen, die diese Leidenschaft<br />
haben, diese Freude und Freiheit<br />
spüren. Am liebsten mag ich es, den Läufer<br />
kennenzulernen und herauszubringen, wer<br />
sie sind, egal was für eine Geschichte wir<br />
dem Publikum zeigen. Das macht diesen Job<br />
für immer freudvoll.“<br />
Während in den sechs vorangegangenen Kategorien<br />
zunächst Fans, Verbände und Medienvertreter<br />
die Finalisten wählten und die Jury die<br />
Sieger kürte, entschied die ISU- Auswahlkommission<br />
über die Auszeichnung für das Lebenswerk.<br />
Kurt Browning ist ein würdiger Empfänger,<br />
denn der heute 54 Jahre alte viermalige<br />
Weltmeister schrieb Sportgeschichte als erster<br />
Läufer, der offiziell einen Vierfachsprung im<br />
Wettkampf stand (4T bei der WM 1988) und<br />
setzte künstlerische Maßstäbe („Casablanca“,<br />
„Singing in the Rain“). Er trug erheblich zur Popularität<br />
des Eiskunstlaufs in seinem Heimatland<br />
Kanada bei und machte sich als Choreograph<br />
einen Namen.<br />
»„Danke an dich, Eiskunstlauf-Welt.<br />
«<br />
Wir sind<br />
Kurt Browning:<br />
alle eine Familie, wir lieben und unterstützen<br />
einander und ich liebe es, ein Teil dieser wunderbaren<br />
Familie zu sein. Eines der Dinge, auf<br />
die ich stolz bin, ist Langlebigkeit. Ich habe<br />
vergessen aufzuhören. Ich bin so begeistert<br />
von diesem Sport, dass ich nie aufhören<br />
möchte und für den Rest meines Lebens mit<br />
dem Eiskunstlauf verbunden sein möchte.“<br />
Weitere Highlights waren der Auftritt des Sängers<br />
Aloe Blacc, der seine neue Single „My Way“<br />
vorstellte und ein Video einer Art on Ice Produktion.<br />
Schade war, dass kein einziges Paarlaufpaar<br />
es ins Finale geschafft hatte. Um alle Disziplinen<br />
zu würdigen, könnte der Preis für das beste Programm<br />
pro Kategorie vergeben werden, denn es<br />
gibt eine Vielzahl großartiger Programme. In Ergänzung<br />
zum besten Newcomer könnte die Kategorie<br />
„Durchbruch des Jahres“ oder „Comeback<br />
des Jahres“ eingeführt werden, wenn jemand,<br />
der nicht das erste Jahr in der Meisterklasse<br />
läuft oder nach einer Pause zurückkommt, herausragt.<br />
Andererseits sollte die Zahl der Preise<br />
nicht inflationär ansteigen. Es war überraschend,<br />
dass Alina Zagitova es nicht ins Finale als wertvollste<br />
Läuferin schaffte, denn die Olympiasiegerin<br />
ist über Russland hinaus bekannt und beliebt.<br />
Darüber empörten sich ihre Fans und schimpften<br />
auf die ISU, die allerdings an der Abstimmung<br />
gar nicht beteiligt war.<br />
Die ISU Skating Awards gehen auf eine Initiative<br />
des umtriebigen Eislauf-Promoters und<br />
Agenten Ari Zakarian zurück, der lange für diese<br />
Idee warb. Die Premiere war auf jeden Fall gelungen<br />
und es bleibt zu hoffen, dass die ISU das<br />
Format fortführt und weiterentwickelt, denn es<br />
kann zur Popularität des Eiskunstlaufs beitragen.<br />
Dass die Preisverleihung außerhalb der Saison<br />
im Sommer stattfinden musste, war gar<br />
nicht schlecht, denn so gab es vielleicht mehr<br />
Aufmerksamkeit. Das Event ließe sich bestimmt<br />
gut in der eislauflosen Zeit etablieren, zum Beispiel<br />
als Gala-Abend mit zahlenden Zuschauern<br />
(wie ein „Ball des Sports“), wenn es die Verhältnisse<br />
zulassen. <br />
Tatjana Flade<br />
Brian Orser mit Evgenia Medvedeva<br />
Kurt Browning küsst seine Statue<br />
Der Gastsänger Aloe Blacc, Fotos: ©ISU<br />
ISU Skating Awards
26<br />
Sommertraining in Russland<br />
Neues aus Russland<br />
Der Berg Elbrus in Kislovodsk, Fotos: Molotov<br />
In Russland haben bis Mitte <strong>Juli</strong> auch die Sankt Petersburger Läufer wieder das Training<br />
aufnehmen können. Die Hallen öffneten nach längerem Hin und Her am 13. <strong>Juli</strong>.<br />
Das betraf unter anderem die Eiskunstlauf-Akademie und die Schule von Tamara<br />
Moskvina. Weil sich die Öffnung der Hallen immer wieder hinauszögerte, waren Alexei<br />
Mishin und seine Trainingsgruppe Anfang <strong>Juli</strong> schließlich doch ins Trainingslager nach<br />
Kislovodsk im Kaukasus geflogen. Dort kamen Elizaveta Tuktamysheva, Sofia Samodurova<br />
und weitere Läufer nach rund drei Monaten Pause wieder auf das Eis.<br />
Schon bald lud Tuktamysheva ein Video hoch,<br />
auf dem sie einen 3A springt und bestätigte damit<br />
die weisen Worte ihres Trainers, der in einem<br />
Interview gesagt hatte, die dreimonatige Pause<br />
sei kein Grund zur Beunruhigung und sowieso<br />
nur ein kurzer Moment in seiner jahrzehntelangen<br />
Eislauf-Karriere. Mishins Gruppe bekam<br />
überraschend Zuwachs, denn Mikhail Kolyada,<br />
der im Juni zunächst am Trainingslager in <strong>No</strong>vogorsk<br />
teilgenommen hatte, wechselte von Valentina<br />
Chebotareva, die ihn von Kindheit an trainiert<br />
hatte, zum Altmeister. Warum Kolyada diesen<br />
von vielen lang erwarteten Trainerwechsel<br />
nun plötzlich doch vollzog und zu Mishin ging,<br />
kommentierte er auf Wunsch seines neuen<br />
Coachs zunächst nicht. Auch Mishin wollte<br />
nichts sagen, zumal die Nachricht vom Wechsel<br />
ungewollt durchgesickert war. Seine Frau Tatiana<br />
sagte der russischen Presse, dass ihr Mann nicht<br />
lange überlegt habe, als die Anfrage kam.<br />
Es gab noch einen weiteren, weniger prominenten<br />
Trainerwechsel. Der lange verletzte Juniorenweltmeister<br />
von 2018, Alexei Erokhov, verließ<br />
die Schule von Eteri Tutberidze und trainiert<br />
nun bei Viktoria Butsaeva (Volchkova). Er<br />
danke seinen bisherigen Trainern per Instagram<br />
und schrieb: „Leider geschieht es im Leben, dass<br />
sich die Pfade von Menschen trennen und der<br />
Sport bildet keine Ausnahme.“<br />
Evgeni Rukavitsin kehrte mit Europameister<br />
Dmitri Aliev und mit Makar Ignatov nach fünf<br />
Wochen in Kislovodsk nach St. Petersburg zurück.<br />
An dem Trainingslager hatte auch Alexander<br />
Samarin mit seiner Trainerin Svetlana Sokolovskaia<br />
teilgenommen. (siehe Kommentar S. 27)<br />
Tamara Moskvina berichtete der <strong>Pirouette</strong> von<br />
Neuigkeiten aus ihrer Schule. Neu hinzugekommen<br />
sind Anastasia Mishina/Alexander Galliamov,<br />
die sie gerne genommen habe. Aus Moskau<br />
kam der bisherige Einzelläufer Georgi Kunitsa,<br />
der nun Paarläufer werden will. Die talentierten<br />
Junioren Petr Gumennik, Andrei Kutovoi und Nikolai<br />
Ugozhaev trainieren weiterhin bei Veronika<br />
Daineko und ihrem Team. Moskvina ist nach<br />
wie vor die Cheftrainerin des Clubs, der ihren<br />
Namen trägt, und arbeitet zusammen mit Artur<br />
Minchuk mit den Europameistern Aleksandra<br />
Boikova/Dmitrii Kozlovskii und mit Mishina/Galliamov.<br />
(siehe Kommentar S. 27)<br />
Boikova und Kozlovskii konnten die Corona-<br />
Pause gut für die Schule bzw. das Studium nutzen.<br />
Boikova schloss die Schule ab, Kozlovskii<br />
das dritte Studienjahr in Verwaltungswissenschaft<br />
an einer renommierten Petersburger<br />
Hochschule. (siehe Kommentar S. 27)<br />
Medvedeva in Moskau,<br />
Sotskova hört auf<br />
Bei den Paaren von Liudmila, Nikolai Velikov<br />
und Enkel Vasili gab es einige Veränderungen.<br />
Polina Kostiukovich und Dmitri Ialin, die sich -<br />
wie gemeldet - getrennt hatten, haben neue<br />
Partner. Kostiukovich trainiert nun mit Andrei<br />
Briukhanov. Das neue Duo sei vielversprechend<br />
und wird bei den Junioren starten. Ialin und<br />
seine neue Partnerin Valeria Ponosova hätten<br />
dagegen nach der Pause Anlaufschwierigkeiten,<br />
sagte Vasili Velikov der <strong>Pirouette</strong>. Die frühere<br />
Einzelläuferin Alisa Solovieva hat einen neuen<br />
Partner in Elisei Ivanov gefunden. „Sie beherrschen<br />
den dreifachen Flip und dreifach-dreifach<br />
Kombis“, verriet der Trainer. Die Vize-Juniorenweltmeister<br />
Ksenia Akhanteva/ Valeri Kolesov<br />
laufen entgegen einiger Gerüchte weiterhin<br />
zusammen. „Wir haben das auch gelesen und<br />
darüber gelacht. Sollen sie doch schreiben, was<br />
sie wollen“, kommentierte Velikov. Außerdem<br />
blieben Tatiana Kuzmina/Andrei Khvalko zusammen.<br />
Die Moskauer Hallen hatten schon länger wieder<br />
geöffnet, aber die Tutberidze-Gruppe blieb<br />
in <strong>No</strong>vogorsk, wo sie jeden Sommer ein langes<br />
Trainingslager abhalten. Dort waren auch die<br />
Eistänzer Alexandra Stepanova/Ivan Bukin und<br />
später Tiffany Zagorski/Jonathan Guerreiro. Viktoria<br />
Sinitsina/ Nikita Katsalapov trainierten in<br />
anderen Hallen, sobald diese öffneten, und haben<br />
inzwischen eine neue Kür. Der Stil sei ganz<br />
anders als das, was sie bisher gemacht hätten,<br />
sagte Katsalapov, aber mehr enthüllte er noch<br />
nicht. Es gibt ein neues Eistanzpaar – Elizaveta<br />
Khudaiberdieva, Zweite der Junioren-WM 2019,<br />
wechselte erneut den Partner und läuft jetzt mit<br />
Egor Bazin, dessen bisherige Partnerin Sofia Evdokimova<br />
ihre Karriere wegen anhaltender Verletzungsprobleme<br />
beendet hat. Das Duo trainiert<br />
bei Denis Samokhin.<br />
Evgenia Medvedeva kehrte Ende Juni aus Japan<br />
nach Moskau zurück und begann nach zweiwöchiger<br />
Quarantäne bei ZSKA Moskau mit dem<br />
Training. Dort kann sie bei Cheftrainerin Elena<br />
Vodorezova (Buianova) mit aufs Eis, ihr Haupttrainer<br />
aber bleibe Brian Orser, sagte ihre Mutter<br />
Zhanna der <strong>Pirouette</strong>. Mit ihm arbeitet sie<br />
online und postete ein Video, auf dem zu sehen<br />
ist, wie Orser sie aus der Ferne coacht. Die Paarlauf-Vizeeuropameister<br />
Evgenia Tarasova/Vladimir<br />
Morozov hatten in <strong>No</strong>vogorsk trainiert und<br />
kehrten im <strong>Juli</strong> ausgerechnet ins besonders Corona-verseuchte<br />
Florida zurück, um mit Marina<br />
Zueva ihre Programme aufzubauen.<br />
Maria Sotskova erklärte nicht ganz unerwartet<br />
im <strong>Juli</strong> ihren Rücktritt. „Wenn du das erste Mal<br />
den Geschmack des Sieges spürst, scheint dir,<br />
dass es nie enden wird. Leider ist das nicht so<br />
Die Trainingsgruppe mit Evgeni Rukavitsin (Dritter von rechts) in Kislovodsk
Boikova/Kozlovskii mit ihren Trainern<br />
Tamara Moskvina und Artur Minchuk<br />
bei der letzten WM, Foto: Flade<br />
und alles geht leider irgendwann einmal zu ich überwinden kann. Ich verstand, dass ich<br />
Ende“, schrieb die Olympiateilnehmerin auf Instagram.<br />
„Mein Weg war dornig, aber sehr inter-<br />
und habe gekämpft. Aber es gibt Umstände, die<br />
mein Potenzial nicht ganz ausgeschöpft hatte,<br />
essant und schön. (…) Auf die Olympischen Spiele<br />
folgte eine misslungene Saison, aber ich überwindliche Hindernisse aufbauten, dass mir<br />
langsam meinen Glauben zerstörten und so un-<br />
wusste, das sind zeitweilige Schwierigkeiten, die bewusst wurde, es ist vorbei.“ In der vergangenen<br />
Saison hatte Sotskova, die am renommierten<br />
GITIS-Institut in Moskau in Vollzeit Choreographie<br />
studiert, schwache Leistungen gezeigt und<br />
war bei der Russischen Meisterschaft nicht angetreten.<br />
Ein schwerer Schlag war für sie der<br />
überraschende Tod ihres Vaters im vergangenen<br />
Jahr. In einem Interview berichtete die 20-Jährige<br />
von ihrer baldigen Hochzeit mit einem Komponisten.<br />
Der ehemalige Paarläufer und Juniorenweltmeister<br />
<strong>No</strong>dari Maisuradze (32) hat die<br />
19 Jahre alte Alina Ustimkina geheiratet, ebenfalls<br />
eine ehemalige Paarläuferin, die in Shows<br />
auftritt. Team-Olympiasiegerin <strong>Juli</strong>a Lipnitskaia<br />
(22) bestätigte einen Pressebericht, dass sei ein<br />
» » »<br />
Kind erwarte. Der Vater ist ihr langjähriger<br />
Foto: Flade<br />
Evgeni Rukavitsin: Tamara Moskvina:<br />
„Meine Sportler haben die Corona-Zeit gut<br />
bewältigt. Es kommt im Leben vor, dass<br />
man einen langen Urlaub hat, krank oder<br />
„Unser Trainingslager war sehr fruchtbar.<br />
Dima (Aliev) ist gleich beim ersten Mal aufs<br />
Eis gegangen und ist einen Vierfachen gesprungen,<br />
ohne uns vorher etwas davon zu<br />
sagen! Damit hat er die anderen angefeuert,<br />
die beim nächsten Training auch alle Elemente<br />
einschließlich eines Vierfachsprungs<br />
gemacht haben. Das ist ein gutes Zeichen<br />
und zeigt, dass unsere Arbeit außerhalb vom<br />
Eis richtig war. Danach haben wir den Trubel<br />
etwas gebremst, damit sich niemand schadet,<br />
denn die Form war nach der langen<br />
Pause natürlich nicht ganz da. Wir haben für<br />
Makar (Ignatov) zwei neue Programme aufgebaut<br />
und für Dima eine neue Kür. Ich denke,<br />
das wird ein gelungenes Programm mit<br />
Tiefgang. Das KP ist auch schon in den Köpfen<br />
unserer Choreographen geboren und wir<br />
werden jetzt daran arbeiten und die Programme<br />
für die anderen Läufer, die in St. Petersburg<br />
bleiben mussten, zusammenstellen.<br />
Zur Musik möchte ich noch nichts<br />
«<br />
sagen,<br />
denn vielleicht ändert sich noch etwas. Dima<br />
hat sich (nach dem Erfolg) nicht verändert.<br />
Er geht mit genau derselben Denkweise heran<br />
wie vorher auch und das freut mich. Makar<br />
hat in der vergangenen Saison erstmals<br />
gespürt, was Erfolg ist. Jetzt muss ich ihm<br />
nichts mehr erklären, sondern ihn eher<br />
manchmal etwas bremsen.“<br />
verletzt ist. Wir haben sie motiviert, was sie<br />
machen und wie sie damit umgehen sollen.<br />
Es betraf die ganze Welt und deshalb hat<br />
niemand eine Tragödie daraus gemacht. Bereiche<br />
wie Bildung, Wirtschaft, Transport<br />
hatten viel größere Probleme. In Panik zu<br />
verfallen ist nicht richtig. Mishina/Galliamov<br />
hatten selbst den Wunsch zu uns zu<br />
kommen und stellten offiziell einen Antrag.<br />
Ich war einverstanden, denn es ist besser,<br />
zwei Paare zu trainieren, es ist lustiger für<br />
sie und es existiert der Wettkampf-Effekt<br />
mit einem Sparringpartner. Sie sind ein Paar<br />
von hohem Niveau. Es ist eine motivierende<br />
und gutartige Zusammenarbeit. Natalia Bestemianova<br />
und Igor Bobrin schafften es,<br />
für Mishina/Galliamov das KP aufzubauen<br />
und wir planen, mit Alexander Zhulin bald<br />
die Kür zu machen. Alexander<br />
«<br />
Zhulin hat<br />
für Boikova/Kozlvoskii nach der EM ein<br />
neues KP aufgebaut und wir hatten vor,<br />
noch mit anderen Choreographen zu arbeiten.<br />
Leider kam das wegen der Einschränkungen<br />
nicht zustande. Wir können eine<br />
neue Kür machen oder 007 (James Bond<br />
Kür) behalten, zumal es bisher keine Klarheit<br />
über den Beginn der Saison gibt.“<br />
Freund Vladislav Tarasenko, der wie sie ein ehemaliger<br />
Eiskunstläufer ist. Tatjana Flade<br />
»<br />
Aleksandra Boikova:<br />
„Die WM-Absage war hart, weil die Saison<br />
irgendwie kein richtiges Ende hatte. Das<br />
brachte ein Gefühl der Leere mit sich. Für<br />
mich war die Selbst-Isolation leichter, weil<br />
ich wegen der Abschlussprüfungen an der<br />
Schule viel zu tun hatte. Ich habe Prüfungen<br />
in Literatur, Russisch und Gesellschaftswissenschaften<br />
abgelegt. Im Herbst möchte ich<br />
anfangen, Journalismus zu studieren. Ich bin<br />
jemand, die immer in Bewegung ist und nicht<br />
stillsitzen kann. Die Zeit der Selbst-Isolation<br />
half mir, ruhiger und aufmerksamer zu werden.<br />
Wenn du jeden Tag mit deinen Trainern<br />
arbeitest, bemerkst du keine Veränderungen<br />
und denkst, du läufst am Anfang der Saison<br />
genauso wie am Ende. Aber wenn Sie unseren<br />
ersten Wettbewerb, die Shanghai Trophy,<br />
mit der EM vergleichen, sehen Sie den Unterschied<br />
in der eisläuferischen Qualität und in<br />
der Ausführung der Elemente.<br />
«<br />
Daran wollen<br />
wir weiterhin arbeiten, denn obwohl wir<br />
Fortschritte gemacht haben, haben wir noch<br />
Defizite. Ich denke, dass der Wettbewerb (im<br />
Training) ein Motor für den Fortschritt ist. Die<br />
Ankunft von einem unserer Konkurrenzpaare<br />
(Mishina/ Galliamov) in unserer Gruppe ist -<br />
ich würde nicht sagen ein Tritt in den Hintern,<br />
aber etwas, das uns vorantreibt.“<br />
Dmitrii Kozlvoskii:<br />
„Wir hatten uns so auf die WM gefreut, sie<br />
hätte etwas Besonderes werden sollen mit<br />
den ISU-Auszeichnungen, die das erste Mal<br />
stattfinden sollten. Aber wir verstehen, dass<br />
die Gesundheit der Menschen das Wichtigste<br />
ist. In der Quarantäne-Zeit haben wir getrennt<br />
voneinander trainiert, denn wir wollten<br />
nichts riskieren und es ist auch nicht<br />
schlecht, mal eine Pause voneinander zu machen<br />
(lacht). Direkt nach der EM haben wir<br />
mit Alexander Zhulin ein neues KP gemacht,<br />
das war ein Wink des Schicksals. Es ist immer<br />
logistisch schwer, Programme aufzubauen,<br />
denn Alexander Viacheslavovich (Zhulin)<br />
arbeitet mit den führenden Paaren der Welt<br />
und er und auch andere Choreographen arbeiten<br />
nicht nur mit dem Paar Boikova/Kozlovskii<br />
und es ist nicht einfach, die Pläne zu<br />
koordinieren. Nach der WM denkt jeder an<br />
neue Programme. Daher hatte Tamara Nikolaevna<br />
(Moskvina) eine gute Zeit gefunden<br />
und es war Teil unserer WM-Vorbereitung,<br />
denn nach einem Wettbewerb wie der EM<br />
brauchst du einen mentalen Reload. Wir<br />
hatten Glück und gingen mit<br />
«<br />
einem neuen<br />
KP in die Quarantäne. In dieser Corona-Zeit<br />
realisierst du, dass das Wichtigste in der<br />
Welt die Fähigkeit zuzuhören und einander<br />
zuzuhören ist. Alle diese Konflikte sind<br />
dumm, denn wir sind alle Menschen, die auf<br />
einer Erde leben. Wir sind eins und wir können<br />
diese Konflikte nur lösen, wenn wir als<br />
Einheit handeln und aufeinander hören.“<br />
27<br />
Sommertraining in Russland
28<br />
The Girl Without a Face<br />
Buchrezension<br />
The Girl Without a Face<br />
Ein amerikanischer Eislaufroman<br />
Buchbesprechung von Tatjana Flade<br />
Die Autoren<br />
Randy und Hailey Hicks<br />
Foto: privat<br />
recht beschuldigt zu haben, ändert sich alles schlagartig: Das beste US-<br />
Paarlaufpaar Melissa Cake und Alexander Piezov kommt nach Lake Arrowhead,<br />
um bei David Wilder zu trainieren. Katie, deren einziger Freund bisher<br />
das Eis war, ist fasziniert und ängstlich zugleich. Aber die Paarläufer werden<br />
ihre ersten richtigen Freunde und Katie fasst den Mut, sich der Welt zu<br />
stellen und bei Wettbewerben anzutreten. Und natürlich schafft sie es zu<br />
den Olympischen Spielen, wo allerdings nicht alles so läuft wie erhofft…<br />
Die Geschichte ist gut recherchiert und wirkt authentisch, auch wenn aus<br />
dramaturgischen Gründen nicht alles so ist wie im richtigen Leben und<br />
manchmal etwas märchenhaft (aber dafür ist es eben ein Roman). Die Figuren<br />
sind realistisch und sympathisch, ein paar Klischees bleiben nicht aus,<br />
wie der Vater des Paarläufers Alex, der ein russischer Eishockeyspieler ist<br />
und es dem Sohn übelnimmt, dass er Eiskunstläufer wurde. Mehrere reale<br />
Personen kommen in der Geschichte vor, zum Beispiel der Trainer Tom Zakrajsek,<br />
der die Autoren bei der ein Jahr andauernden Recherche unterstützte.<br />
Die Autoren erzählen Katies Geschichte in der ersten Person, mit einem<br />
Schuss Selbstironie. Autor Hicks zog seine 26 Jahre alte Tochter hinzu,<br />
um den Teenager-Ton zu treffen. An manchen Stellen wirkt Katie etwas altklug,<br />
aber andererseits ist sie keine normale 15-Jährige. Das Buch liest sich<br />
leicht und flüssig und ist auch für Nicht-Muttersprachler gut verständlich.<br />
Da der Eiskunstlauf wie kaum eine andere Sportart mit äußerlicher Schönheit<br />
assoziiert wird, ist das Konzept von der talentierten, aber schrecklich<br />
entstellten Eiskunstläuferin ein ungewöhnlicher und interessanter Ansatz.<br />
„Ich wollte eine mächtige Story“<br />
Der Eiskunstlauf ist eine Sportart, in der viele tolle Geschichten<br />
erzählt werden. Die meisten Bücher zum Thema<br />
sind allerdings Biographien oder Autobiographien über Stars<br />
wie Aljona Savchenko oder Adam Rippon und nur wenige Autoren<br />
setzen sich literarisch mit dem Eiskunstlauf auseinander,<br />
was eigentlich verwunderlich ist. Der Amerikaner Randall<br />
Hicks, ein langjähriger Eiskunstlauf-Fan und anerkannter<br />
Fachanwalt für Adoptionsrecht, der schon mehrere Sachbücher<br />
und auch Romane veröffentlichte, hat nun zusammen<br />
mit seiner Tochter Hailey den Roman „The Girl Without a<br />
Face“ (Das Mädchen ohne Gesicht) geschrieben.<br />
Katie Wilder ist 15 Jahre alt und ist eine der talentiertesten Eiskunstläuferinnen<br />
der Welt, die nicht nur den dreifachen Axel, sondern sogar den<br />
vierfachen Lutz beherrscht. Aber niemand hat je von ihr gehört. Sie lebt<br />
abgeschieden alleine mit ihrem Vater David, einem ehemals bekannten<br />
und erfolgreichen Trainer, im alten Eislaufzentrum Lake Arrowhead. Der<br />
Vater wurde einst aus der Eislaufwelt verstoßen, weil ihm eine Schülerin<br />
vorwarf, er habe eine Affäre mit ihr gehabt. Seitdem unterrichtet er ein<br />
paar Anfänger – und steckt sein ganzes Fachwissen in die Tochter. Doch<br />
Katie erlitt als Dreijährige bei einem Autounfall schreckliche Verbrennungen<br />
im Gesicht, so dass sie eine Maske trägt, wenn sie mal mit Außenstehenden<br />
in Kontakt kommt. An Wettbewerben teilzunehmen, kommt für<br />
sie nicht in Frage. Als die ehemalige Schülerin zugibt, den Trainer zu Un-<br />
„Meine Liebe für den Eiskunstlauf begann, als ich 19 Jahre alt war und Dorothy<br />
Hamill zusah, wie sie 1976 zu Gold bei den Olympischen Spielen in Innsbruck<br />
lief. Was hatte ich für einen Teenager-Crush für sie! Das war vor 43<br />
Jahren und ich warte immer noch auf unser erstes Date. Vielleicht ist es Zeit<br />
aufzugeben“, scherzte Hicks im Interview mit der „<strong>Pirouette</strong>“. „Das war der<br />
Beginn meiner Leidenschaft für Eiskunstlauf. Ich liebe diese Einzigartigkeit<br />
von künstlerischem Ausdruck und großartiger Athletik. Für mich ist das wie in<br />
die Oper zu gehen und plötzlich machen die Leute dreifache Axel. Als ich die<br />
Idee für das Buch hatte, war die Herausforderung, den Sport aus der einzigartigen<br />
Perspektive der Protagonistin zu präsentieren – eine Eliteläuferin, die in<br />
gewisser Hinsicht eine Insiderin, aber andererseits als Person eine komplette<br />
Außenseiterin ist. Ich wollte eine wirklich mächtige Story über ein Mädchen,<br />
das mehr Herausforderungen zu bewältigen hat, als die meisten von uns sich<br />
vorstellen können, aber die an diesen Herausforderungen wächst. Und auf<br />
diesem Weg lachen und weinen wir mit ihr und feuern sie an“, fasste Hicks<br />
zusammen. Das ist in gewisser Weise typisch amerikanisch – sich hochkämpfen,<br />
Widerstände und Rückschläge überwinden, um am Ende seine Träume zu<br />
verwirklichen. Das Buch hat durchaus eine starke Botschaft, die die Autoren<br />
an manchen Stellen etwas subtiler hätten herüberbringen können. Besonders<br />
gelungene Momente sind Katies Auftritt bei der US-Meisterschaft und wenn<br />
sie genug Vertrauen fasst, vor ihren Freunden die Maske abzunehmen.<br />
„Im Grunde schrieb mein Papa die Story, dann habe ich sie so überarbeitet,<br />
um Katies Stimme so authentisch wie möglich zu machen. Es hat viel Spaß<br />
gemacht, das Leben aus einer ganz anderen Perspektive zu sehen“, erzählte<br />
Hailey Hicks, die aktuell in Thailand lebt und arbeitet. „Es gibt viele großartige<br />
Biographien von Eiskunstläufern und hervorragende Sachbücher über den<br />
Sport, aber gibt es tolle unterhaltsame Romane aus der Welt des Eiskunstlaufs?<br />
Nein. Das war mein Ziel. Ich wollte ein Buch schreiben, dass so unterhaltsam<br />
und authentisch wie möglich ist“, meinte Vater Hicks. „Um das zu<br />
erreichen, machten wir etwas, das so gut wie nie in Romanen vorkommt –
Eislaufgeschichte:<br />
Elsa Rendschmidt<br />
Die große Pionierin<br />
des deutschen<br />
Damen-Eiskunstlaufens<br />
Bei den Weltmeisterschaften 1902 in<br />
London wurden die Offiziellen der ISU<br />
mit der Meldung einer Dame – der Britin<br />
Madge Cave-Syers - überrascht. Weil das<br />
Niveau des Dameneiskunstlaufens noch<br />
unterentwickelt war, hielten es die Fachleute<br />
für unmöglich, dass Frauen bei internationalen<br />
Meisterschaften antreten<br />
könnten. Deshalb enthielt die Wettlaufordnung<br />
auch keine Regel, die einem<br />
Start von Frauen entgegenstand.<br />
wir schlossen echte Personen in die Geschichte<br />
ein. Katies Weg kreuzt sich mit einigen der<br />
größten Namen aus der Eislaufwelt, von Tara Lipinski<br />
über Scott Hamilton bis zu Adam Rippon.<br />
Und wenn sie von der Presse interviewt wird,<br />
dann von echten Eislaufjournalisten, deren Namen<br />
die Fans wiederkennen“, schilderte er. „Die<br />
andere große Herausforderung war der Wunsch,<br />
die Menschen zu berühren und sie zum Nachdenken<br />
zu bringen, wie sie andere sehen und<br />
behandeln. In anderen Worten, ich wollte ein<br />
Buch schreiben, das einen Unterschied in der<br />
Welt macht, so pathetisch das klingen mag.<br />
Aber das Buch sollte witzig, flott und unterhaltsam<br />
sein, niemals predigend. Hier war Hailey<br />
sehr hilfreich. Mit ihrer Hilfe wurde Katie<br />
Wilder eine echte Person mit einem eigenen<br />
Kopf,“ schloss der Autor. Tatjana Flade<br />
Fazit: „The Girl Without a Face“ ist eine unterhaltsame<br />
Lektüre nicht nur für Eiskunstlauffans.<br />
Es ist kein knallharter Tatsachenroman,<br />
der hinter die Kulissen des Eiskunstlaufs führt,<br />
sondern eine eher romantische, aber nicht zu<br />
kitschige Geschichte.<br />
Randall und Hailey Hicks: The Girl Without a<br />
Face, erschienen bei Wordslinger Press,<br />
368 Seiten, erhältlich als E-Book (9,19 Euro)<br />
und als Taschenbuch (16,40 Euro),<br />
ISBN 978-0983942573<br />
Elsa Rendschmidt, Siegerin<br />
der Damenkonkurrenz bei den<br />
<strong>No</strong>rdischen Spielen 1909<br />
Quelle: Sveriges Centralförening<br />
för Idrottens Främjande Archive<br />
Pokale und Ehrenpreise von Elsa Rendschmidt<br />
Foto: Archiv Ulrich Sander<br />
Beim 6. ISU-Kongress 1903 wurde mit sechs<br />
gegen drei Stimmen „empfohlen“, Damen an<br />
EM und WM nicht zuzulassen. Die Beteiligung<br />
von Damen würde die Schwierigkeiten<br />
der richtigen Urteilsfindung noch vermehren.<br />
Der Haupteinwand war, dass die Damen auf<br />
Grund des fußlangen Rockes Nachhilfen mit<br />
dem Spielbein in der Pflicht geschickt verbergen<br />
könnten. Ein internationales Starterfeld mit<br />
neun Teilnehmerinnen im Rahmenwettbewerb<br />
der WM 1905 in Stockholm bedeutete den internationalen<br />
Durchbruch des Damenkunstlaufens,<br />
so dass der darauffolgende 7. ISU-Kongress<br />
in Kopenhagen die Einführung einer separat<br />
durchzuführenden „ISU-Damenmeisterschaft“ ab<br />
dem Jahr 19<strong>06</strong> beschloss. Diese erhielten 1923<br />
nachträglich die offizielle Anerkennung als<br />
Weltmeisterschaften. Damit hatte das Eiskunstlaufen<br />
eine absolute Vorreiterrolle im Frauensport.<br />
An den I. „ISU-Damenmeisterschaften“<br />
nahm mit Elsa Rendschmidt auch eine deutsche<br />
Läuferin teil, die als die große Pionierin des<br />
deutschen Dameneiskunstlaufens gilt.<br />
Familiärer Hintergrund<br />
Elsa Helene Rendschmidt wurde am 11.01.1886<br />
in Berlin geboren. Ihr Vater Maximilian Friedrich<br />
(Max) Rendschmidt (1846-1926) stammt<br />
aus dem schlesischen Rosenberg (Olesno). Nach<br />
Besuch der Compositionsklasse an der Königlichen<br />
Akademie der Künste in Berlin arbeitete er<br />
als Kunstmaler und Exlibris-Zeichner. Er führte<br />
vorrangig Auftragsarbeiten, zumeist Portraits,<br />
aus. Ihre Mutter Margarethe Anna Marie<br />
Klippert (1862-1940) entstammt einer Kaufmannsfamilie,<br />
die ein Garn- und Webwarengeschäft<br />
in der Gertraudtenstrasse 170 betrieb.<br />
Nach ihrer Heirat im Jahr 1883 wohnte<br />
die Familie Rendschmidt in der Grimmstraße<br />
1 und später in der Bismarckstraße 22<br />
im Stadtteil Friedenau. Elsa besuchte von 1893-<br />
1897 die Königliche Elisabethschule, 1898-<br />
1900 die Höhere Mädchenschule Elisabeth Michalik<br />
im Grunewald und 1900-1902 die Höhere<br />
Mädchenschule zu Friedenau. Zudem<br />
sandten sie ihre Eltern im Winter 1902-1903<br />
an die Haushaltsschule im Ursulinerinnen-<br />
Kloster Thildonck (Belgien).<br />
Ihr Vater war aktiver Radfahrer im Sommer<br />
und Eiskunstläufer im Winter. Er wirkte in<br />
verschiedenen Funktionen (Vorsitzender,<br />
Fahrwart, Beisitzer) im Vorstand des<br />
1891 gegründeten Berliner Bicycle<br />
Clubs. Der Sportsmann übernahm die<br />
eisläuferische Ausbildung seiner Kinder<br />
Max und Elsa und ermöglichte ihnen<br />
Training im 1893 gegründeten Berliner<br />
Schlittschuh-Club. Die Mitgliedschaft in<br />
einem Verein sicherte zu diesem Zeitpunkt<br />
aber nur die Nutzung der Infrastrukturen sowie<br />
die Teilnahme an sportlichen und gesellschaftlichen<br />
Aktivitäten. Einen vom Verein gestellten<br />
oder bezahlten Nachwuchstrainer gab es<br />
noch nicht. Die Ausbildung war Privatsache, womit<br />
der Zugang zum Eiskunstlaufen ein Privileg<br />
Weniger war, die entsprechend Geld, Zeit und<br />
auch den notwendigen Enthusiasmus aufbrachten.<br />
So berichtete die Mutter in ihren Annalen<br />
von Fernreisen zu Natureisbahnen in den<br />
29<br />
Eislaufgeschichte Elsa Rendschmidt
30<br />
Eislaufgeschichte<br />
Elsa Rendschmidt<br />
Ein Zeitungartikel von 1908<br />
Sieger-Urkunde von den Olympischen Spielen 1908, Quelle der Fotos: Archiv Ulrich Sander<br />
Schweizer Alpen und nach Skandinavien. 1902<br />
wurde Max Rendschmidt zum Laufwart für<br />
Paarlauf und Mitglied im Sportausschuss des<br />
Berliner Schlittschuh-Clubs gewählt. Zudem<br />
fungierte er als internationaler Preisrichter. Die<br />
Eltern achteten auch auf eine berufliche Absicherung<br />
ihrer Tochter und ließen sie 1905 eine<br />
Ausbildung zur Bibliothekarin absolvieren.<br />
Vielversprechender internationaler<br />
Einstieg<br />
Erstes Aufsehen in der Fachpresse erregte Elsa<br />
Rendschmidt, als sie bei den auf der Westeisbahn<br />
ausgerichteten Meisterschaften des Berliner<br />
Schlittschuh-Clubs am 16.01.1904 das<br />
„Kunstlaufen für Damen“ vor Hedwig und Else<br />
Müller gewann. Am 25.01.1904 nahm sie als<br />
<strong>No</strong>vum gleichberechtigt mit den Herren an<br />
dem neu eingeführten, vierstufigen Klassenlaufen<br />
ihres Vereins teil und bestand die unterste<br />
Stufe. Ihr internationaler Einstieg erfolgte vom<br />
27.- 29.01.19<strong>06</strong> beim „Davoser Eislaufmeeting“,<br />
wo sie am „Damenlaufen des Internationalen<br />
Schlittschuh-Clubs Davos“ und an den I.<br />
„ISU-Damenmeisterschaften“ teilnahm. Beim<br />
„Damenlaufen des ISCD“ setzte sich Elsa Rendschmidt<br />
überraschend vor der favorisierten<br />
Jenny Herz (Österreich) und Anna Hübler<br />
(Deutschland) durch. Auf den weiteren Plätzen<br />
folgten Miss Harrington (Großbritannien) und<br />
Frl. Rossel (Schweiz). Damit konnte sie zuversichtlich<br />
bei den anschließenden I. „ISU-Damen-Meisterschaften“<br />
an den Start gehen.<br />
Durch einen Sturz bei der Gegenwende in der<br />
Pflicht fiel sie aussichtslos zurück und wurde<br />
in der Gesamtwertung auf dem undankbaren 4.<br />
Platz eingestuft. Ihr Kürlaufen wurde in der<br />
Presse als „energisch“ und „schneidig“ bezeichnet.<br />
Als ihr Markenzeichen galt das „Aufstellen“<br />
auf die Kufenspitzen. Bei dem als Rahmenwettbewerb<br />
der Deutschen Meisterschaften<br />
am 03. und 04.02.19<strong>06</strong> in München ausgetragenen,<br />
ersten „Verbandskunstlaufen für Damen“<br />
siegte die Berlinerin vor Anna Hübler<br />
vom Münchener Eislauf-Verein. Damit gewann<br />
Elsa Rendschmidt den ersten, noch inoffiziellen<br />
deutschen Meistertitel. In diesem Wettbewerb<br />
war nur Kürlaufen gefordert.<br />
Erste deutsche WM-Medaille im<br />
Einzellaufen der Damen<br />
Bei den II. „ISU-Damenmeisterschaften“ 1907<br />
in Wien zeigte Elsa Rendschmidt erneut Unsicherheiten<br />
in der Pflicht und kam deshalb<br />
über den 4. Platz nicht hinaus. Als bei den III.<br />
„ISU-Damenmeisterschaften“ 1908 in Troppau<br />
(Opava) nur zwei Damen antraten, gelang der<br />
erste WM-Medaillengewinn einer deutschen<br />
Dame. Zwei Trainingsstürze zwei Tage vor<br />
Meisterschaftsbeginn, die eine schmerzhafte<br />
Knieprellung verursachten, gefährdeten ihren<br />
Start. Aber auch ohne diese Indisposition wäre<br />
Elsa Rendschmidt gegen Lilly Kronberger (Ungarn)<br />
wohl chancenlos gewesen. Im Wettkampfbericht<br />
heißt es, dass sie die in der<br />
Pflicht geforderte Einwärtswende nur mit Hilfe<br />
des Spielfußes hatte ausführen können. Lob<br />
gab es hingegen für ihr Kürlaufen: „Ob sie pirouettiert,<br />
Tanzschritte läuft oder sich in<br />
Sprüngen versucht, immer tut sie es mit Geschmack<br />
und mit der ihr eigenen Grazie.“ Ihr<br />
Kürprogramm war wie folgt ausgebaut: Übersetzer<br />
zur Spirale übergehend – Spitzendrehungen<br />
– Doppeldreier in Achterform – Spirale<br />
– Zwischenschritte – Brille – Amerikanischer<br />
Walzer – Rebe – Standpirouette beidbeinig,<br />
Dreiersprünge mit Zwischenschritten in Achterform<br />
– Schlingen kombiniert mit Spitzenschritten<br />
- Übersetzer – Gegenwende – Spitzenspringen<br />
– Rebe – Wenden und Dreier in<br />
Achterform - Spitzenschritte – Übersetzer mit<br />
zwei Wenden – Spitzenstand als Schlusspose.<br />
Am 16.02.1908 nahm sie am „Internationalen<br />
Damenkunstlaufen“ im Rahmen der ISU-Paarlaufmeisterschaften<br />
in St. Petersburg teil und<br />
errang hinter Lilly Kronberger den 2. Platz vor<br />
der Schwedin Elma Montgomery.<br />
Olympia-Silber in London<br />
Ihr großer Vorteil in der olympischen Saison<br />
1908/1909 war die Eröffnung des Berliner Eispalastes<br />
in der Lutherstraße. Beim „Opening“<br />
am 31.08.1908 gaben Elsa und Bruder Max<br />
Rendschmidt (jun.) einen seltenen Auftritt als<br />
Paar. Das regelmäßige Training auf Kunsteis<br />
bewirkte einen Leistungsschub insbesondere<br />
Die Olympia<br />
Silbermedaille<br />
im Pflichtlaufen. Fünf Monate nach dem eigentlichen<br />
Beginn der Olympischen Spiele fielen am<br />
28.10. mit den Pflicht- und am 29.10.1908 mit<br />
den Kürwettbewerben die Entscheidungen im<br />
Eiskunstlaufen im 1895 errichteten „Princes Skating<br />
Club Rink“ von Knightsbridge (London). Der<br />
Olympiasieg von Altmeisterin Madge Cave-Syers<br />
bildete aufgrund ihres mit den Herren vergleichbaren<br />
Leistungsvermögens im Pflichtlaufen nur<br />
eine Formsache, obwohl ihr Kürlaufen mit klein<br />
angelegten Figuren, einem Tanz mit graziösen<br />
Beinschwüngen und zahlreichen Posen antiquiert<br />
war. Weil Kronberger und Herz nicht teilnahmen,<br />
schien die Vergabe der weiteren Medaillen völlig<br />
offen. Vorentscheidend war die Pflicht, in der<br />
sich Elsa Rendschmidt als Zweite bereits knapp<br />
mit 8,5 Punkten vor der Britin Dorothy Greenhough-Smith<br />
platzierte. Mit der besten Kürleistung<br />
ihrer Laufbahn konnte sie den Abstand um<br />
weitere 86 Punkte ausbauen und die olympische<br />
Silbermedaille gewinnen. Einzelläuferin Elsa<br />
Rendschmidt und Paarläuferin Anna Hübler waren<br />
die ersten deutschen Frauen, die überhaupt<br />
an Olympischen Spielen teilnahmen und olympische<br />
Medaillen gewannen.<br />
Im vom Berliner Schlittschuh-Club veranstalteten<br />
Wettbewerb „Preis des Berliner Eispalastes“<br />
am 3.-5.11.1908 – konnte Elsa Rendschmidt ihren<br />
2. Platz von London eindrucksvoll bestätigen.<br />
Sie hätte „bei flottem Marschtempo Temperament<br />
und Eigenart“ entwickelt, kommentiert<br />
das Verbandsorgan „Deutscher Wintersport“.<br />
„Ihre Sprünge, Spitzenpirouetten und<br />
Wendenübersetzer glückten gut und ihr kompli-
31<br />
zierter Panin-Marsch wurde lebhaft applaudiert.“<br />
Bei den IV. „ISU-Damenmeisterschaften“<br />
am 23./24.01.1909 in Budapest traten<br />
Jenny Herz und Elsa Rendschmidt nicht im<br />
Hauptwettbewerb an und überließen der einheimischen<br />
Lilly Kronberger kampflos den Titel.<br />
Um Benachteiligungen zu entgehen, starteten<br />
sie im als Rahmenwettbewerb durchgeführten<br />
„Senioren-Laufen“. Elsa Rendschmidt<br />
platzierte sich hinter Jenny Herz, aber vor<br />
dem neuen ungarischen Wunderkind Opika<br />
von Meray-Horvath. Beim „Damen-Kunstlaufen<br />
des Wiener Eislauf-Vereins“ am<br />
26.01.1909 erreichte sie trotz gleicher Platzziffer<br />
aber mit geringerer Punktzahl wie die<br />
erneute Siegerin Herz wieder den 2. Platz vor<br />
Meray-Horvath und Hübler. Für großes gesellschaftliches<br />
Aufsehen sorgte ihr Sieg in der<br />
Damenkonkurrenz der „<strong>No</strong>rdischen Spiele“ in<br />
Stockholm (<strong>06</strong>.-14.02.1909), als ihr der<br />
schwedische König Gustav V. den Ehrenpreis<br />
überreichte. Am Saisonfinale siegte Elsa im<br />
„Senioren-Damenkunstlaufen“ der Sportwoche<br />
im Berliner Eispalast in der Lutherstraße<br />
ohne Konkurrenz.<br />
Zweite WM-Medaille und erste<br />
Deutsche Meisterin<br />
Die Saison 1909 /1910 begann Elsa Rendschmidt<br />
mit einem überraschenden Debüt.<br />
Beim „Internationalen Kunstlaufmeeting“ im<br />
Berliner Eispalast (14./15.12.1909) ging sie mit<br />
Werner Rittberger in der Eiswalzer-Konkurrenz<br />
an den Start. Sie belegten bei diesem einmaligen<br />
Versuch hinter Ludowika Eilers / Walter<br />
Jakobsson den 2. Platz. Es folgten zwei Siege<br />
beim „Akademischen Kunstlaufen“ (21.01.1910)<br />
und bei der Premiere des „Damen-Kunstlaufens<br />
um den Gurschner-Preis“ (22.01.1910) jeweils<br />
in Wien. Bei ihrer letzten Teilnahme an „ISU-<br />
Damenmeisterschaften“ 1910 in Berlin konnte<br />
sie ihren Leistungszuwachs erneut nachweisen<br />
und mit nur 16 Punkten den Abstand zu Kronberger<br />
wesentlich reduzieren. Vor Heimpublikum<br />
erlief sie ihre zweite WM-Silbermedaille.<br />
Mit ihrer „ans Männliche erinnernden, fesselnden<br />
Vortragsweise“ hob sie sich deutlich vom<br />
tänzerisch-weichen Laufstil Kronbergers ab. Im<br />
Anschluss siegte Rendschmidt in der Damenkonkurrenz<br />
als Rahmenwettbewerb der Herren-<br />
EM 1910 in Berlin. Die vom Deutschen Eislauf-<br />
Verband im Jahr 1909 beschlossene Einführung<br />
offizieller Landesmeisterschaften für Damen ab<br />
1910 fiel auf Grund ungünstiger Witterung<br />
und interner Verbandsquerelen aus. Die Premiere<br />
erfolgte am 11.2.1911 in Olmütz (Olomouc).<br />
Dies veranlasste Elsa, noch eine Saison zu verlängern.<br />
Obwohl sie noch keinen Wettbewerb<br />
bestritt, gewann sie überlegen den ersten<br />
deutschen Meistertitel für Damen vor Grete<br />
Strasilla (Troppau). Am 19.02.1911 nahm sie<br />
noch einmal am „Internationalen Senioren-Damen-Kunstlaufen“<br />
der Sportwoche des Berliner<br />
Schlittschuh-Clubs teil und siegte vor Ludowika<br />
Eilers und der (späteren) Olympia-Silbermedaillengewinnerin<br />
von 1920 Svea <strong>No</strong>rén<br />
(Schweden). Mit einem Sieg beim „Internationalen<br />
Damenkunstlaufen“ in Hannover schloss<br />
sie die Saison erfolgreich ab.<br />
Berufseisläuferin in St. Moritz<br />
Im Dezember 1911 verkündeten die Tageszeitungen<br />
ihren Wechsel als Berufseisläuferin. Sie<br />
erhielt ein Engagement vom Internationalen<br />
Schlittschuh-Club von St. Moritz. Hier erteilte<br />
sie im Team von Bror Meyer (Schweden) Privatunterricht<br />
und trat in Schaulaufen auf den Eisplätzen<br />
der Engadiner Luxushotels auf. Sie gehörte<br />
zu den großen Sportstars dieser Epoche.<br />
Die „Berliner Illustrierte“, die Wiener „Sport im<br />
Bild“, die „Allgemeine Sportzeitung“ sowie zahlreiche<br />
andere Medien brachten sie aufs Titelblatt.<br />
Mit dem Ende von Elsas Amateurkarriere<br />
zog sich die gesamte Familie Rendschmidt vom<br />
Eissport zurück. Vater Max (sen.) beendete seine<br />
Laufbahn als internationaler Preisrichter. Er<br />
wertete u.a. bei den WM 1904 in Berlin, 1905<br />
in Stockholm, 1910 und 1911 in Berlin. Er gab<br />
zudem seine Ämter im Vorstand des Berliner<br />
Schlittschuh-Clubs auf. Der verdienstvolle<br />
Sportfunktionär zog 1913 zu seiner Tochter<br />
nach Hannover. Bruder Max (jun.), EM-Sechster<br />
19<strong>06</strong>, wurde 1913 Regierungsbaumeister und<br />
ab 1929 Magistratsoberbaurat. Nach seiner Promotion<br />
berief man ihn von 1933 bis 1937 zum<br />
Stadtbaudirektor von Berlin. In St. Moritz lernte<br />
Elsa im Winter 1912 den deutsch-jüdischen Unternehmer<br />
Siegfried (Fritz) Sander kennen. Er<br />
machte im mondänen Wintersportort jährlich 6<br />
Wochen Urlaub.<br />
Die Firma „S. Sander & Söhne“ betrieb u.a. die<br />
„Hannoverschen Schwellenwerke“, den Basaltsteinbruch<br />
Bramburg und mehrere Ziegeleien.<br />
1913 folgte die Heirat. Diese sollte sich für Elsa<br />
als ein finanziell ausgezeichneter Schachzug<br />
erweisen. Im Januar 1914 wurde Tochter Eva<br />
und im Juni 1916 Sohn Günter geboren. Mit<br />
der Eheschließung erfolgte der Rückzug ins Private<br />
und der Abschied vom Eis. Die Familie lebte<br />
in Hannover in einer Gründerzeitvilla in der<br />
Bernstraße. Fritz Sander diente im I. Weltkrieg<br />
als Soldat und konvertierte 1921 zum Protestantismus.<br />
Nach einem langwierigen Gerichtsprozess<br />
wurde die Ehe im Jahr 1929 geschieden.<br />
Das Gericht urteilte zu Lasten des Ehemannes,<br />
was Elsa ein beträchtliches Vermögen<br />
und damit ein sicheres Auskommen bis zu ihrem<br />
Tod garantierte. Ihr wurden zudem die Kinder<br />
zugesprochen. Sie nahm wieder ihren Mädchennamen<br />
an und bezog eine Mietwohnung in<br />
der Wißmann-Straße 1.<br />
Schicksal im II. Weltkrieg<br />
In der Zeit des Nationalsozialismus zeigte Elsa<br />
Rendschmidt, die durch ihre Familie und den internationalen<br />
Sportbetrieb weltoffen geprägt<br />
wurde, eine aus heutiger Sicht dunkle Seite. Bereits<br />
im <strong>No</strong>vember 1932 wurde sie Mitglied der<br />
NSDAP. Bei der Eröffnung der Olympischen Winterspiele<br />
1936 in Garmisch-Partenkirchen soll<br />
man Elsa am Tisch Hitlers sitzend gesehen haben.<br />
Als man sie 1942 aus der Partei ausschloss,<br />
weil sie wegen ihres familiären Hintergrunds die<br />
„Rassegrundsätze“ nicht vorbehaltlos vertreten<br />
könne, legte sie Rechtsmittel ein. Dieser Schritt<br />
erscheint schwer nachvollziehbar angesichts des<br />
Schicksals ihres Ex-Mannes Fritz Sander, der am<br />
12.04.1941 von der Gestapo verhaftet und ins<br />
KZ Sachsenhausen gebracht wurde, wo er am<br />
<strong>06</strong>.08.1941 offiziell an einer Embolie infolge<br />
einer Lungenentzündung verstarb. Ihr Enkelsohn<br />
Ulrich Sander sieht darin eine Überlebensstrategie,<br />
um ihre halbjüdischen Kinder<br />
zu schützen, denn nach der „Wannsee-Konferenz“<br />
im Januar 1942 war nunmehr auch diese<br />
Bevölkerungsgruppe gefährdet und konnte<br />
ins KZ deportiert werden. Am Ende des II.<br />
Weltkriegs arbeitete Elsa in der ausgelagerten<br />
Bibliothek des Oberkommandos der Wehrmacht<br />
im Lager <strong>No</strong>rd Hochwalde im ostpreußischen<br />
Meseritz (Międzyrzec Podlaski). Nach<br />
dem Krieg zog sie zu ihrem Sohn Günter, der<br />
aufgrund der Bombardements auf Hannover<br />
den Wohnsitz der Familie in ein leerstehendes<br />
Kutscherhaus im ehemaligen Werksgelände<br />
des Steinbruchs in Volpriehausen verlegte.<br />
Dort gründete er im Juni 1946 einen Maschinenhandel,<br />
aus welchem das Unternehmen<br />
SPÄNEX hervorging.<br />
Elsa Rendschmidt lebte bis 1969 in der Familie<br />
Sander. Sie verstarb am 09.10. des Jahres<br />
in einem Seniorenheim am Wohnort ihrer<br />
Tochter Eva in Celle. Ein Grab existiert nicht<br />
mehr. Am 01.02.20<strong>06</strong> erhielt ein Verbindungsweg<br />
zwischen der Glockenturmstraße, in der<br />
sich ab 1974 das Clubhaus des Berliner<br />
Schlittschuh-Clubs befand, und dem S-Bahnhof<br />
Pichelsberg ihren Namen. Diese Benennung<br />
soll an die Verdienste des einstigen<br />
Sportidols, das für die Entwicklung des Frauensports<br />
allgemein und des deutschen Dameneiskunstlaufens<br />
im Besonderen einen unschätzbar<br />
wichtigen Beitrag leistete, erinnern.<br />
Ihren Nachlass verwaltet ihr Enkel, Rechtsanwalt<br />
Ulrich Sander, von dem dankenswerter<br />
Weise die Fotos und Informationen zum familiären<br />
Hintergrund stammen. <br />
<br />
Dr. Matthias Hampe<br />
Elsa Rendschmidt<br />
in St. Moritz<br />
Eislaufgeschichte Elsa Rendschmidt
ISU Skating Awards<br />
ISU Award-Gewinnerin Eteri Tutberidge mit ihren Co-Trainern<br />
Sergei Dudakov (links) und Daniel Gleichengauz sowie Kamila Valieva<br />
(rechts) und Daria Usacheva in Tallinn, Foto: Tatjana Flade<br />
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