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Pirouette No. 06/2020 Juli + August

ISU Skating Awards Wertvollster Läufer - unterhaltsamstes Programm - beste Newcomerin - bestes Kostüm - beste Trainerin - beste Choreographin - Lebenswerk: Die ISU vergibt erste »Eislauf-Oscars« online und ehrt damit alle im Eiskunstlauf Tätigen. Sommertraining, das ist weiteres Schwerpunktthema dieser Ausgabe. Tatjana Flade und Klaus-Reinhold Kany besuchten die Trainingszentren in Telfs, Egna, Oberstdorf, Berlin und Dortmund um exclusiv für die Pirouette zu berichten. … Topthemen: · ISU Skating Awards 2020 · Sommertraining Weiteres aus dem Inhalt: · Interview: Vanessa James & Maé-Bérénice Méité · Wettbewerbs-Planung der ISU: Die nächsten Weltmeisterschaften, Grand Prix und Challenger · Interview: Stéphane Lambiel · Juli-Training in Telfs: Lambiels Sommertraining mit Paganini, Vasiljevs, Shimada, Zandron · Interview: Katharina Müller & Tim Dieck · Juni-Training in Dortmund · Neues aus aller Welt · Die Corona-Krise und der Sportverein: Ein kritischer Blick auf eine Entwicklung · Juli-Training in Egna · Juni-Training in Oberstdorf · Juni-Training in Berlin · Neues aus aller Welt · Leserbrief von Denise Biellmann · ISU-Serie „Keep Training!“: Signale für die Zukunft · ISU Skating Awards 2020: Hanyu, Papadakis/Cizeron, Kostornaia, Browning und andere geehrt · Sommertraining in Russland · Buchrezension: The Girl Without a Face (Ein amerikanischer Eislaufroman) · Eislaufgeschichte: Elsa Rendschmidt, Die große Pionierin des deutschen Damen-Eiskunstlaufens Titelbild: Eteri Tutberidze mit ihrer Schülerin Alina Zagitova. ISU Skating Awards: Eteri Tutberidze setzte sich in der Wahl zum besten Coach durch. Es war überraschend, dass Alina Zagitova es nicht ins Finale als wertvollste Läuferin schaffte. Foto: Tatjana Flade Auch als Printversion erhältlich unter: www.pirouette-online.de/nr-6-juli-august-2020.html (Erscheinungstermin 28.7.2020)

ISU Skating Awards

Wertvollster Läufer - unterhaltsamstes Programm - beste Newcomerin - bestes Kostüm - beste Trainerin - beste Choreographin - Lebenswerk: Die ISU vergibt erste »Eislauf-Oscars« online und ehrt damit alle im Eiskunstlauf Tätigen. Sommertraining, das ist weiteres Schwerpunktthema dieser Ausgabe. Tatjana Flade und Klaus-Reinhold Kany besuchten die Trainingszentren in Telfs, Egna, Oberstdorf, Berlin und Dortmund um exclusiv für die Pirouette zu berichten. …

Topthemen:
· ISU Skating Awards 2020
· Sommertraining

Weiteres aus dem Inhalt:
· Interview: Vanessa James & Maé-Bérénice Méité
· Wettbewerbs-Planung der ISU: Die nächsten Weltmeisterschaften, Grand Prix und Challenger
· Interview: Stéphane Lambiel
· Juli-Training in Telfs: Lambiels Sommertraining mit Paganini, Vasiljevs, Shimada, Zandron
· Interview: Katharina Müller & Tim Dieck
· Juni-Training in Dortmund
· Neues aus aller Welt
· Die Corona-Krise und der Sportverein: Ein kritischer Blick auf eine Entwicklung
· Juli-Training in Egna
· Juni-Training in Oberstdorf
· Juni-Training in Berlin
· Neues aus aller Welt
· Leserbrief von Denise Biellmann
· ISU-Serie „Keep Training!“: Signale für die Zukunft
· ISU Skating Awards 2020: Hanyu, Papadakis/Cizeron, Kostornaia, Browning und andere geehrt
· Sommertraining in Russland
· Buchrezension: The Girl Without a Face (Ein amerikanischer Eislaufroman)
· Eislaufgeschichte: Elsa Rendschmidt, Die große Pionierin des deutschen Damen-Eiskunstlaufens

Titelbild:
Eteri Tutberidze mit ihrer Schülerin Alina Zagitova. ISU Skating Awards: Eteri Tutberidze setzte sich in der Wahl zum besten Coach durch. Es war überraschend, dass Alina Zagitova es nicht ins Finale als wertvollste Läuferin schaffte. Foto: Tatjana Flade

Auch als Printversion erhältlich unter: www.pirouette-online.de/nr-6-juli-august-2020.html (Erscheinungstermin 28.7.2020)

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<strong>Pirouette</strong> Nr. 6 | <strong>Juli</strong> & <strong>August</strong> <strong>2020</strong> Internationales Eiskunstlauf-Magazin | 53. Jahrgang | www.pirouette-online.de<br />

Eteri Tutberidze<br />

ISU Skating Awards<br />

Sommertraining<br />

<strong>Pirouette</strong>-Online<br />

<strong>Pirouette</strong>-Facebook


Die ISU Skating Awards Preisgewinner<br />

Fotos von Hella Höppner


Impressum<br />

Verlags- und Redaktionsanschrift:<br />

STS·Verlag+Werbung<br />

Stefan Schulze<br />

Am Stutz 14<br />

97993 Creglingen<br />

Fon 07933-700-191<br />

Fax 07933-700-192<br />

E-Mail: info@pirouette-online.de<br />

Webshop www.pirouette-online.de<br />

Facebook: www.facebook.com/pirouettemagazin<br />

3<br />

Inhalt & Termine<br />

Verlagsleitung: Stefan Schulze<br />

Chefredakteur: Klaus-Reinhold Kany<br />

Stellvertreterin: Tatjana Flade<br />

Mitarbeiter: Manuela Buyny, Albert-René Kolb<br />

(Schweiz), Katrin Flaschka (Österreich), Hella Höppner<br />

Grafik: Stefan Schulze, Andreas Münch<br />

Anzeigen: Stefan Schulze<br />

Kundenbetreuung: Angelika Manicone<br />

Für unverlangt eingesandte Manuskripte<br />

und Bildzuschriften haftet der Verlag nicht.<br />

Beiträge, die mit Namen oder Initialen des Verfassers<br />

gezeichnet sind, stellen nicht unbedingt die Meinung<br />

der Redaktion oder des Herausgebers dar. Für die<br />

Richtigkeit der Mitteilungen und Berichte zeichnen<br />

die Clubs verantwortlich. Zuschriften können von uns,<br />

falls kein ausdrücklicher Vor behalt gemacht wird, im<br />

Wortlaut oder aus zugs weise veröffentlicht werden.<br />

Erscheinungsweise: 10 mal im Jahr, Mai/Juni und<br />

<strong>Juli</strong>/<strong>August</strong> sind Doppelausgaben, sonst monatlich.<br />

Bestellungen im Webshop: www.pirouette-online.de<br />

Einzelheft: 6,50 EUR zzgl. Versandkosten<br />

Jahresabonnement:<br />

Deutschland: 65 EUR, EU: 68 EUR inkl. Versand<br />

Probeabo: 33 EUR, EU: 35 EUR inkl. Versand<br />

Bankverbindungen:<br />

GLS Gemeinschaftsbank eG<br />

IBAN DE3443<strong>06</strong>09677014380800,<br />

BIC GENODEM1GLS<br />

USt.-ID DE 178391<strong>06</strong>2<br />

Anzeigen: Standard-Formate zum vergünstigten<br />

Festpreis in unserer Preisliste, z.B. 1/8 Seite<br />

105,- EUR. Download unter www.pirouette-online.de/<br />

info/anzeigenpreise<br />

Copyright für alle Beiträge bei: STS·Verlag+Werbung.<br />

Nachdruck in Wort und Bild, auch auszugsweise,<br />

nur mit schriftlicher Ge neh migung des Verlags.<br />

Gerichtsstand: Bad Mergentheim<br />

Interview auf Seite 9: Katharina Müller und Tim Dieck beim Training in Dortmund, Foto: Flade<br />

Eiskunstlauf-Termine<br />

von Anfang <strong>August</strong> bis Anfang Oktober<br />

(mit besonderem Vorbehalt)<br />

21.08.. – 23.08. Sichtungslaufen in<br />

Berlin-Wedding<br />

20.08. – 23.08. Glacier Falls Summer Event<br />

in Anaheim (USA)<br />

10.09. – 12.09. Junioren Grand Prix in<br />

Budapest (Ungarn), ohne<br />

Paarlaufen<br />

17.09. – 19.09. Autumn Classic in Oakville<br />

(Kanada)<br />

18.09. – 20.09. Dreitannen-Cup in Olten<br />

(Schweiz)<br />

18.09. – 20.09. Lombardia Trophy in<br />

Bergamo (Italien)<br />

24.09. – 26.09. Nebelhorn Trophy in<br />

Oberstdorf<br />

24.09. – 26.09. Junioren Grand Prix in<br />

Ostrava (Tschechien), mit<br />

Paarlaufen<br />

01.10. – 03.10. Junioren Grand Prix in<br />

Taschkent (Usbekistan), mit<br />

Paarlaufen<br />

08.10. – 10.10. Junioren Grand Prix in<br />

Ljubljana (Slowenien), ohne<br />

Paarlaufen<br />

08.10. – 11.10. Finlandia Trophy in Espoo<br />

(Finnland)<br />

15.10. – 17.10. Junioren Grand Prix in Riga<br />

(Lettland), mit Paarlaufen<br />

(neu hinzugekommen)<br />

Titelbild: Eteri Tutberidze mit Alina Zagitova<br />

Foto: Tatjana Flade<br />

Inhalt<br />

Interview: V. James & M.-B. Méité 4<br />

Wettbewerbs-Planung der ISU 5<br />

Interview: Stéphane Lambiel 6<br />

<strong>Juli</strong>-Training in Telfs 7<br />

Interview: Katharina Müller & Tim Dieck 9<br />

Juni-Training in Dortmund 10<br />

Neues aus aller Welt 12<br />

Die Corona-Krise und der Sportverein 14<br />

<strong>Juli</strong>-Training in Egna 16<br />

Juni-Training in Oberstdorf 18<br />

Juni-Training in Berlin 20<br />

Neues aus aller Welt 22<br />

Leserbrief von Denise Biellmann 22<br />

ISU-Serie „Keep Training!“ 23<br />

ISU Skating Awards <strong>2020</strong> 24<br />

Sommertraining in Russland 26<br />

Buchrezension: The Girl Without a Face 28<br />

Kündigung sind bis acht Wochen vor Ablauf des<br />

Abon ne ments möglich, sonst erfolgt Verlängerung um<br />

ein weiteres Jahr. Eine Kündigung bedarf der<br />

Schriftform.<br />

Die vollständigen AGB sind nachzulesen im Internet:<br />

www.pirouette-online.de/info/<br />

allgemeine-geschaeftsbedingungen<br />

<strong>Pirouette</strong>-Online<br />

Scan<br />

mich!<br />

Besuchen Sie die<br />

<strong>Pirouette</strong> im Internet:<br />

Unser Webshop<br />

Erscheinungstermin<br />

der nächsten <strong>Pirouette</strong>:<br />

Anfang September<br />

Aufgrund der aktuellen Lage finden derzeit<br />

immer noch keine Wettbewerbe statt. Um<br />

kurzfristige auf Planungen reagieren zu können,<br />

liegt der Erscheinungstermin unserer Ausgabe<br />

September noch nicht fest.<br />

Das genaue Datum werden wir auf Facebook<br />

und www.pirouette-online.de bekannt geben.<br />

Eislaufgeschichte: Elsa Rendschmidt 29<br />

Scan<br />

mich!


4<br />

Vanessa James & Maé-Bérénice Méité<br />

Interview<br />

Vanessa: Ich hatte Glück, denn ich hatte nie irgendwelche<br />

negative Erfahrungen, egal in welchem<br />

Land ich war. Ich denke, die Eislaufgemeinde<br />

ist sehr liebevoll. Manche Leute sagen<br />

Sachen wie ‚Vanessa, du redest ja wie eine Weiße‘<br />

oder „Vanessa, lächele, denn sonst sehen wir<br />

dich im Dunkeln nicht‘, aber das sehe ich nicht<br />

als Rassismus an. Als ich in Washington D.C.<br />

war, gab es ein paar schwarze Läufer wie Derrick<br />

Delmore, zu denen ich aufschauen konnte.<br />

In Großbritannien war ich die einzige schwarze<br />

Läuferin, soweit ich mich erinnere. In Frankreich<br />

siehst du den Unterschied, weil da wirklich jede<br />

Hautfarbe vertreten ist. In den USA ist Eiskunstlauf<br />

ein sehr elitärer Sport, aber in Frankreich<br />

ist es nicht so teuer und jeder kann es probieren.<br />

In Frankreich hatten wir Yannick Bonheur,<br />

Yretha Silète, Florent Amodio, Chafik Besseghier,<br />

mich selbst im Team. Das ist die größte Diversität,<br />

die ich je auf hohem Niveau im Eiskunstlauf<br />

gesehen habe.<br />

Vanessa James und<br />

Maé-Bérénice Méité<br />

»Jeder muss dieselben Chancen haben,<br />

auf das höchste Niveau zu kommen«<br />

Die Französinnen Vanessa James (32)<br />

und Maé-Bérénice Méité (25) gehören<br />

zu der Minderheit dunkelhäutiger Top-<br />

Eiskunstläufer. Im Video-Interview mit<br />

der <strong>Pirouette</strong> von Florida aus berichten<br />

die Paarlauf-Europameisterin von 2019<br />

und die sechsmalige Französische Meisterin<br />

über ihre Erfahrungen und die<br />

neue Bewegung für mehr Diversität im<br />

Eiskunstlauf.<br />

<strong>Pirouette</strong>: Es gibt nicht so viele farbige Eiskunstläufer.<br />

Wie war es für Sie, als Sie<br />

anfingen, wer waren Ihre Vorbilder?<br />

Vanessa: Als ich mit dem Eislaufen anfing,<br />

dachte ich nicht an meine Hautfarbe. Ich bin in<br />

Bermuda aufgewachsen, wo es viele verschiedene<br />

Ethnien gibt und es war normal für mich,<br />

viele hellhäutige Freunde zu haben. Beim Eislaufen<br />

war es nicht seltsam für mich, dass ich<br />

die einzige Schwarze war. Meine Freunde haben<br />

nie etwas dazu gesagt. Mir fiel erst auf, dass ich<br />

die einzige war, als die Leute mich fragten, wie<br />

es denn sei, die einzige schwarze Läuferin zu<br />

sein. Als ich im Einzellauf Britische Meisterin<br />

wurde, schrieb die Zeitung, dass ich die erste<br />

schwarze britische Eiskunstlaufmeisterin sei.<br />

Das empfand ich als unangenehm. Die Hautfarbe<br />

sollte keine Rolle spielen. Meine Vorbilder<br />

Foto: privat<br />

waren Michelle Kwan und Tara Lipinski. Ihretwegen<br />

bin ich zum Eiskunstlauf gekommen und<br />

sie sind bis heute großartige Vorbilder.<br />

Maé-Bérénice: In meinem Eislaufclub, in dem<br />

ich anfing, hatten wir Weiße, Schwarze, Menschen<br />

jeder Ethnie, von daher war das für mich<br />

normal. In Frankreich haben wir kein echtes<br />

Problem mit Diversität. In unserem Team haben<br />

wir Menschen von überall her und das macht es<br />

so schön. Die Leute sahen mich als Eisläuferin<br />

und nicht als schwarze Frau auf dem Eis. Vielleicht<br />

half es, dass wir Surya (Bonaly) vorher<br />

hatten. Als ich aufgewachsen bin, habe ich verschiedene<br />

Läufer bewundert, Kurt Browning,<br />

Brian Joubert, Surya (Bonaly), Philippe (Candeloro).<br />

Ich habe nicht nur zu Surya aufgeschaut.<br />

Welchen besonderen Einfluss hatte Surya<br />

Bonaly als erste prominente schwarze Läuferin<br />

in Frankreich vielleicht dennoch auf Sie?<br />

Maé-Bérénice: Sie ist so nett und unterstützend.<br />

Sie gibt Rat und sie durchbrach Grenzen.<br />

Das hat sie für uns geschafft. Sie war mit Rassismus<br />

konfrontiert und weil sie das alles<br />

durchgemacht hat, hat sie die Türen für uns<br />

geöffnet.<br />

Vanessa, Sie haben in den USA, Groß ­<br />

britannien und Frankreich trainiert. Wie<br />

können Sie die Situation in diesen Ländern<br />

vergleichen?<br />

Welche negativen Erfahrungen haben Sie<br />

gemacht?<br />

Vanessa: Eigentlich keine. Auf youtube sieht<br />

man manchmal Kommentare wie ‘Schwarze<br />

sollten nicht auf dem Eis sein’, aber es ist selten<br />

im Vergleich zu den Tausenden positiven<br />

Kommentaren.<br />

Maé-Bérénice: Ich habe auch nie schlechte Erfahrungen<br />

gemacht, aber ich würde sagen, dass<br />

mir ein wenig Diskriminierung begegnet ist, weil<br />

ich physisch anders bin. Ich bin nicht die <strong>No</strong>rm,<br />

die man auf dem Eis sieht. Manchmal habe ich<br />

das Gefühl, dass ich mir keinen Fehler erlauben<br />

darf. Ich bin sehr athletisch und für manche<br />

Leute scheint das ein Problem zu sein und sie<br />

fällen ein Urteil, bevor ich überhaupt das Eis<br />

betrete. Sie denken, ich kann nur springen und<br />

nicht artistisch sein. Es ist gut, dass sich das<br />

nun etwas öffnet, damit sich jeder selbst ausdrücken<br />

kann, unabhängig von der Hautfarbe<br />

oder vom Geschlecht. Was Rassismus angeht,<br />

habe ich mal einen Kommentar zu einem Bild<br />

von mir gesehen, dass ich wie ein Affe aussehe<br />

und nicht auf dem Eis sein sollte. Ich war etwa<br />

15 Jahre alt damals und es hat wehgetan. Es<br />

hat mich gelehrt, diese Kommentare nicht mehr<br />

zu lesen. Du musst lernen, diese schlechten Dinge<br />

herauszufiltern. Aber ich denke, wir bewegen<br />

uns in eine bessere Richtung.<br />

Vanessa: Manchmal haben wir auch Vorurteile.<br />

Du fährst irgendwohin und fragst dich, ob du<br />

wegen deiner Hautfarbe akzeptiert wirst oder<br />

nicht. In Russland war ich nicht sicher, wie man<br />

uns aufnehmen würde, aber nachdem wir (2018<br />

bei der EM) Vierte waren, kamen russische Fans<br />

zu uns und sagten, ‚wir lieben unsere russischen<br />

Läufer, aber ihr hättet auf dem Podium sein<br />

müssen‘. In Weißrussland (EM 2019) bekamen<br />

wir stehende Ovationen. Und vorher war ich<br />

nicht sicher, wie die Zuschauer mich als Schwarze<br />

an einem Ort akzeptieren würden, an dem<br />

man den Anblick nicht so gewohnt ist. Aber sie<br />

mochten mein Eislaufen und mich als Person.<br />

Maé-Bérénice: In Russland hatte ich auch sehr<br />

schöne Erfahrungen. Bei meinem Grand Prix in


5<br />

Moskau spürte ich die Liebe des Publikums<br />

mehr als irgendwo anders. Deswegen habe ich<br />

mich in Russland verliebt.<br />

Sie leben aktuell in den USA und wir hören<br />

viele schlimme Geschichten über den Rassismus<br />

dort.<br />

Maé-Bérénice: Wir fühlen uns komplett sicher,<br />

wo wir jetzt sind. Dass die Leute hier Waffen tragen<br />

dürfen, hat mir ein bisschen Angst gemacht,<br />

denn in Europa gibt es das nicht. Wenn ich allein<br />

Auto fahre, habe ich immer ein wenig Angst davor,<br />

von der Polizei angehalten zu werden. In<br />

Frankreich ist es eigentlich genauso schlimm wie<br />

in den USA, nur reden wir nicht darüber.<br />

Vanessa: Unsere Erfahrungen sind anders als die<br />

vieler anderer Schwarzer in den USA. Wir leben<br />

in einer guten Gegend. Aber egal wo du dich<br />

befindest, solltest du nicht, nur weil du schwarz<br />

und in einer gewissen Gegend bist, als kriminell<br />

angesehen werden.<br />

Was kann für mehr Diversität im Eiskunstlauf<br />

und anderen Sportarten getan werden?<br />

Vanessa: In vielen Sportarten gibt es Diversität.<br />

Finanzielle Probleme machen den Unterschied.<br />

Manche Menschen können es sich nicht leisten,<br />

teure Sportarten wie Eiskunstlauf, Reiten oder<br />

Fechten zu machen. Wir müssen finanzielle Un-<br />

terstützung für Minderheiten, für talentierte<br />

Kinder finden, um ihnen zu helfen.<br />

Maé-Bérénice: Es geht auch darum, das Bewusstsein<br />

für den Sport zu wecken. Manche<br />

Leute wissen gar nichts davon oder denken ‚das<br />

kann ich sowieso nicht machen‘.<br />

Vanessa: Wir sind in der Allianz für Diversität<br />

und Inklusion involviert, die Elladj Baldé und<br />

Michelle Hong gegründet haben. Mit dabei sind<br />

unter anderem auch Michelle Kwan, Adam Rippon,<br />

Surya Bonaly und Charlie White. Außerdem<br />

gibt es die Stiftung „DiversifyIce“ von Joel Savary.<br />

Der US-Verband sagte, sie werden nun einen<br />

Experten hinzuziehen, um Diversität zu unterstützen<br />

und auszubauen. Das ist ein großer<br />

Schritt für US Figure Skating und sehr schön zu<br />

erfahren, ein paar Wochen nachdem die Bewegung<br />

gegründet wurde. Es geht nicht nur um<br />

Schwarze und Minderheiten. Wir wollen, dass<br />

alle Leute, egal of schwarz oder weiß, in ihrer<br />

Mission, die besten zu werden, Unterstützung<br />

finden. Unabhängig von Rasse, Geschlecht, Sexualität<br />

oder Behinderung – wir müssen sicherstellen,<br />

dass jeder dieselbe Chance hat, auf das<br />

höchste Niveau zu kommen.<br />

Maé-Bérénice: Zunächst konzentrieren wir uns<br />

auf Kanada und USA, später wollen wir ausweiten.<br />

Je mehr Menschen wir einbeziehen können,<br />

desto eher werden wir Veränderungen sehen. Die<br />

Eislaufverbände reagieren bereits ein wenig.<br />

Wie sehen Ihre persönlichen Pläne für die<br />

Saison aus?<br />

Vanessa: Frankreich hat eine Vorschrift erlassen,<br />

nach der alle Athleten einen Fitnesstest absolvieren<br />

müssen, bevor sie wieder trainieren, weil<br />

wir so lange weg vom Eis und körperlicher Aktivität<br />

waren. Ich werde mit dem Training anfangen,<br />

sobald ich den Test gemacht habe, aber das<br />

ist nicht so einfach wegen des Corona-Virus. Sie<br />

wollen nicht, dass die Leute ins Krankenhaus<br />

gehen, außer es ist absolut notwendig. Ich arbeite<br />

ein wenig als Trainerin. Aktuell gibt es ein<br />

paar Dinge, die geklärt werden müssen, bevor<br />

wir weitersehen können. Es hängt noch vieles in<br />

der Luft und Morgan (Ciprès) ist in Frankreich.<br />

Maé-Bérénice: Ich hatte Reha für mein Knie,<br />

aber jetzt kann ich bald aufs Eis. Ich habe schon<br />

Musik ausgesucht. Mein KP wird leidenschaftlich<br />

und tiefgehend sein, die Kür unterhaltsam.<br />

Adam Rippon macht das KP und für die Kür arbeite<br />

ich mit einem Tänzer und natürlich mit<br />

Silvia (Fontana) und John (Zimmerman). Ich<br />

freue mich schon sehr darauf.<br />

Vielen Dank für das Interview und alles Gute!<br />

Mit Vanessa James und Maé-Bérénice Méité<br />

sprach Tatjana Flade.<br />

•••<br />

Vanessa James & Maé-Bérénice Méité<br />

Interview<br />

ISU-Planung für Wettbewerbe<br />

WM und Synchron-WM<br />

Nachdem diese beiden Wettbewerbe <strong>2020</strong> nicht<br />

stattfanden, gelten für die beiden WM 20/21<br />

logischerweise die Startquoten von <strong>2020</strong>. Die<br />

DEU und der österreichische Verband haben also<br />

2021 bei der WM zwei Startplätze im Paarlaufen<br />

und einen in den anderen Kategorien. Bei<br />

der Junioren-WM der Synchronläufer sind einige<br />

Teams wegen Corona nicht gestartet oder<br />

nicht bis zu Ende gelaufen. Daher erhalten bei<br />

der JWM 2021 die fünf besten Länder der JWM<br />

<strong>2020</strong> zwei Startplätze und zusätzlich die USA,<br />

weil in den drei Jahren zuvor ebenfalls zwei<br />

Teams starten konnten.<br />

Grand Prix<br />

Anfang <strong>Juli</strong> verkündete China, dass das Land in<br />

diesem Jahr in keiner Sportart mehr internationale<br />

Wettbewerbe organisieren wird, außer<br />

Testevents für die Olympischen Winterspiele<br />

2022. Nach Rücksprache mit dem chinesischen<br />

Verband schrieb die ISU, dass das Chinesische<br />

Olympische Komitee den Grand Prix als Teil des<br />

Finales und damit als Teil eines Testevents ansehe.<br />

Daher werde der Cup of China in Chongqing<br />

nun doch stattfinden, ebenso das Grand<br />

Prix Finale, falls man Lösungen für die Logistik-,<br />

Medizin- und Sicherheitsprobleme findet.<br />

Bei der nächsten Vorstandssitzung am 3. <strong>August</strong><br />

werde nach Rücksprache mit den sechs<br />

Grand Prix-Verbänden endgültig beschlossen,<br />

ob man die gesamte Serie absagt oder die Vorbereitungen<br />

für ein Abhalten weitergehen. Mitte<br />

<strong>Juli</strong> durften zum Beispiel US-amerikanische<br />

Läufer in keines des fünf anderen Grand Prix-<br />

Länder reisen. Umgekehrt war im <strong>Juli</strong> für alle<br />

Europäer die Einreise weder nach <strong>No</strong>rdamerika<br />

noch nach Asien oder Russland möglich, nur<br />

Grenoble war erlaubt.<br />

Junioren Grand Prix<br />

Kanada sagte den ersten Junior Grand Prix und<br />

die Slowakei den zweiten in Kosice schon im<br />

Mai ab. Japan strich im Juni den fünften JGP in<br />

Yokohama. Die lettische Hauptstadt Riga ist dagegen<br />

vom 15. bis 17. Oktober als Ersatz für einen<br />

ausgefallenen Grand Prix eingesprungen,<br />

aber kein anderes Land war dazu bereit. Auf ihrer<br />

Online-Sitzung am 6. <strong>Juli</strong> beschloss der ISU-<br />

Vorstand daher, dass es bei den verbleibenden<br />

Junioren Grand Prix keine Punkte für das Finale<br />

gibt. Daher ist auch das Juniorenfinale in Peking<br />

fraglich. Über Preisgeld und Weltranglistenpunkte<br />

soll im <strong>August</strong> entschieden werden.<br />

Denn zumindest Mitte <strong>Juli</strong> gab es noch viele<br />

Reisebeschränkungen. Es soll in diesem Jahr<br />

keine der sonst nach Ländern vorgeschriebene<br />

Beschränkungen der Teilnehmerzahl geben,<br />

denn man rechnet mit weniger Läufern als<br />

sonst. Stattdessen kann jeder Verband zu jedem<br />

JGP in jeder Kategorie mindestens einen Läufer<br />

bzw. ein Paar melden (jedoch wie bisher niemanden<br />

mehr als zweimal).<br />

Nebelhorn und Challenger<br />

In diesem Herbst soll es keine Challenger-Serie<br />

mit Preisgeld am Ende geben, sondern die<br />

Wettbewerbe sind Einzel-Events. In Oberstdorf<br />

bereite man sich, so sagte Sportamtsleiter Peter<br />

Jokschat der <strong>Pirouette</strong>, vom 24. bis 26. September<br />

auf eine Nebelhorn Trophy mit 400 bis 500<br />

Zuschauern und besonderem Hygienekonzept<br />

vor (freie Sitzreihen, verschiedene Ein- und<br />

Ausgänge usw.). Dies sollte machbar sein und<br />

ist sinnvoll, denn bei diesem Wettbewerb sind<br />

bisher immer viele Plätze freigeblieben. Falls<br />

keine Läufer aus Amerika, Asien und Russland<br />

kommen dürfen, wird das eine Nebelhorn<br />

Trophy nur mit Läufern aus den 27 EU- und<br />

gleichgestellten Staaten wie die Schweiz. Falls<br />

die Infektionszahlen bis September wieder stark<br />

steigen und neue Beschränkungen beschlossen<br />

werden, kann man kurzfristig immer noch absagen.<br />

Die DEU schreibt, dass in diesem Fall<br />

niemand sie wegen eventuell bereits entstandener<br />

Kosten (Bahnticket, Hotel) verklagen<br />

kann. Auch beim Synchronlaufen gibt es keine<br />

Challenger-Serie, sondern die Wettbewerbe<br />

zählen einzeln.<br />

krk


6<br />

Stéphane Lambiel<br />

Der zweimalige<br />

Welt meister<br />

Stéphane Lambiel (35)<br />

aus der Schweiz<br />

kon zen triert sich<br />

zu nehmend auf seine<br />

Arbeit als Trainer und<br />

Choreograph.<br />

Stéphane Lambiel<br />

»Als Trainer musst du den<br />

Schlüssel zu jedem Läufer finden«<br />

Interview<br />

Foto: Flade<br />

<strong>Pirouette</strong>: Wann konnten Sie wieder auf<br />

dem Eis arbeiten?<br />

Stéphane: Wir haben am 11. Mai angefangen,<br />

in Champéry waren wir ab dem 21. Mai. Die<br />

vergangene Saison endete leider ohne das<br />

Hauptziel für die Sportler (die WM). Das war<br />

für viele schwer zu akzeptieren. Die Hallen<br />

waren nach der Absage der WM noch eine<br />

Weile offen, aber die Motivation war weg. Wir<br />

haben uns viele Dinge gefragt, wir wussten<br />

nicht, was die Zukunft bereithielt und waren<br />

etwas verloren. Ich habe mit meinem Team<br />

gleich mit Training außerhalb vom Eis begonnen,<br />

damit die Sportler aktiv blieben.<br />

Wie war es nach der Pause, wieder ins Training<br />

zurückzukommen?<br />

Ich war in der Tat überrascht, denn alle Sportler<br />

haben sehr gut wieder angefangen. Ich<br />

denke, dass kommt daher, weil wir während<br />

der Isolationszeit Kontakt gehalten haben. Wir<br />

hatten den Kontakt, um die Motivation zu<br />

halten und wir hatten das physische Training,<br />

um die Form zu halten. Die Sportler haben die<br />

Verantwortung übernommen, autonomer zu<br />

arbeiten und sich selbst besser zu korrigieren.<br />

Sie hatten die Zeit, ihre eigenen Bedürfnisse<br />

zu entwickeln, ihre Vorlieben. Das war etwas<br />

sehr Positives. Als wir wieder angefangen haben,<br />

hatten einige der Schüler sich sogar fortentwickelt<br />

im Vergleich zu vorher.<br />

Wie unerwartet war das für Sie?<br />

Die gesamte Situation war sehr, sehr unerwartet.<br />

Wir leben in einer Welt, in der alles sehr,<br />

sehr schnell geht und dann auf einmal bleibt<br />

alles stehen. Aber wie ich sagte, wir haben<br />

schnell etwas organisiert, damit die Schüler<br />

untereinander in Kontakt blieben. Es hat mir<br />

sehr gefallen, dass alle sehr solidarisch waren,<br />

trotz der Distanz.<br />

Wie denken Sie, wird die Pandemie die neue<br />

Saison beeinflussen?<br />

Das ist schwer zu sagen. Als Sportler hatte ich<br />

immer gerne Ziele, und das hat mir erlaubt,<br />

mein Training zu planen und hat mich motiviert.<br />

Jetzt, in dieser unsicheren Situation ist<br />

es sehr schwierig, Ziele zu setzen. Es gibt sehr<br />

viele Fragen und ich denke, es ist sehr wichtig,<br />

an sich selbst zu arbeiten und sich weiterzuentwickeln.<br />

Wir bereiten uns vor und sind auf<br />

Stand-By und gleichzeitig bereit, wenn es die<br />

Bestätigung gibt, dass die Saison beginnt.<br />

Haben Sie die Zeit genutzt, um Musik zu<br />

recherchieren und sich neue Programme auszudenken?<br />

Wir haben schon vor der WM viel Musik gehört<br />

und die Zeit nach der Absage war sehr kreativ.<br />

Dann ließ es ein wenig nach, weil wir nicht<br />

wussten, was passieren wird, danach ging es<br />

wieder aufwärts. Ich habe meine erste Choreographie<br />

mit Zoom gemacht, das Kurzprogramm<br />

mit Satoko Miyahara.<br />

Wie negativ ist so eine lange Eispause für die<br />

Läufer?<br />

Als Sportler hatte ich Verletzungen und musste<br />

manchmal für zwei Monate pausieren und 2008<br />

habe ich fast ein ganzes Jahr pausiert. Es ist<br />

immer schwer zurückzukommen, es braucht<br />

Zeit, aber es ist auch eine Zeit um zu entspannen,<br />

mit dem Kopf woanders zu sein und wenn<br />

du zurückkommst, hat dein Geist sich weiterentwickelt<br />

und du bist kreativer und aufnahmefähiger.<br />

Eine Pause ist nicht unbedingt etwas<br />

Schlechtes. Allerdings hat die Situation auf unserem<br />

Planeten einen Einfluss. Wir wissen nicht<br />

genau, was geschieht und ich mache mir mehr<br />

Gedanken um die Atmosphäre in der Welt. Ich<br />

bemerke zwei Seiten der Gesellschaft – die eine<br />

ist aggressiv und sagt ‚dieses Virus wird uns<br />

nicht attackieren, das Leben muss weitergehen‘<br />

und die andere ist viel vorsichtiger, hat Angst.<br />

Wenn sich diese zwei Teile der Gesellschaft gegenseitig<br />

konfrontieren, ist es schwer, eine Balance<br />

zu finden.<br />

Was ist Ihre Vision für den Eiskunstlauf?<br />

Zuallererst definiere ich Eislaufen als eine<br />

Kunst, in der du physisches Können zeigen<br />

kannst, aber auch die Möglichkeit hast, etwas<br />

auszudrücken und zu interpretieren. Ich würde<br />

sagen, es ist die einzige Sportart, die diese Eleganz,<br />

Raffinesse hat und in der die Persönlichkeit<br />

eine solche Bedeutung hat. Meine Vision<br />

ist, dass wir weiterhin diese starken Persönlichkeiten<br />

haben, die den Eiskunstlauf voranbringen,<br />

die dich träumen lassen, wenn alles mehr und<br />

mehr reglementiert und technisch wird. Vision<br />

ist weniger Berechnung, sondern mehr Träumen,<br />

mehr Persönlichkeit, mehr Musikalität, mehr<br />

Emotion. Das ist das, was mich am Eiskunstlauf<br />

angezogen hat, als ich sieben Jahre alt war. Und<br />

jetzt, 28 Jahre später, ist es immer noch das,<br />

was ich mir wünsche.<br />

Werden Sie weiter in Shows auftreten?<br />

Das ist eine gute Frage. Ich trete gerne auf,<br />

denn ich habe immer noch diesen Wunsch,<br />

mich zu zeigen und ich habe Freude am Eislaufen.<br />

Ich weiß nicht, wie lange, aber ein paar<br />

Jahre möchte ich noch weitermachen. Mir<br />

macht das Unterrichten sehr viel Spaß und ich<br />

habe großes Glück mit meinen Schülern.<br />

Sie sagten mal, dass sie nie Trainer werden<br />

wollten. Wieso haben Sie Ihre Meinung<br />

geändert?<br />

Ich habe das gesagt, weil ich Herrn Grütter vor<br />

Augen hatte, der immer schon und immer noch<br />

jeden Tag von 6:30 Uhr morgens bis 19:30 Uhr<br />

abends in der Eishalle arbeitet. Ich hatte viel<br />

Bewunderung für ihn, aber gleichzeitig hatte<br />

ich nicht vor, dieses Modell zu kopieren. Und<br />

heute mache ich genau dasselbe! Mein erster<br />

Schüler, für den ich Choreographie gemacht<br />

habe, war Denis Ten. Ich denke an ihn und behalte<br />

ihn im Herzen. Dank ihm habe ich meine<br />

Leidenschaft zum Unterrichten entdeckt und<br />

was du einem Schüler geben kannst. Dann lud<br />

mich der japanische Verband zu einem Seminar<br />

ein. Ich fand es wunderbar, dass ich trotz der<br />

Sprachbarriere einen Weg fand, mit jedem einzelnen<br />

Kind zu kommunizieren. Das weckte<br />

meine Leidenschaft, denn als Trainer musst du<br />

den Schlüssel finden, um die Tür zu jedem Läufer<br />

zu öffnen.<br />

Warum haben Sie Ihre Schule in Champéry<br />

eröffnet?<br />

Erstens ist Champéry im Vallée, das ist die Region,<br />

in der ich aufgewachsen bin. Es war wichtig<br />

für mich, nah bei meiner Familie zu sein. Zweitens<br />

haben sie im Jahr 2005 die Eishalle für das<br />

Europäische Olympische Jugendfestival renoviert.<br />

Bis 2014 wurde die Halle kaum genutzt<br />

und mir gefiel der Ort. Ich möchte auch dem<br />

Schweizer Eiskunstlauf etwas zurückgeben und<br />

den Eiskunstlauf im Vallée entwickeln.<br />

Vielen Dank für das Interview!<br />

Mit Stéphane Lambiel sprach Tatjana Flade. •••


7<br />

Spitzeneiskunstlauf in Telfs<br />

Lambiels Sommertraining mit Paganini, Vasiljevs, Shimada, Zandron<br />

Ein Bericht von Tatjana Flade unter Mitarbeit von Irene Probst<br />

»<br />

Alexia Paganini:<br />

Telfs in der Nähe von Innsbruck hat<br />

sich schon seit einiger Zeit über Österreich<br />

hinaus einen Namen als Eislaufzentrum<br />

gemacht. Die in einem modernen<br />

Sportzentrum gelegene Halle bietet<br />

in der Tat beste Voraussetzungen für das<br />

Training auf und neben dem Eis. Daher<br />

ist es kein Wunder, dass ein renommierter<br />

Trainer wie Stéphane Lambiel hier öfter<br />

ein Trainingslager abhält. Der zweimalige<br />

Weltmeister war Mitte <strong>Juli</strong> für<br />

zwei Wochen mit seiner „Skating School<br />

of Switzerland“ zu Gast und brachte seine<br />

bekannten Schüler Deniss Vasilijevs<br />

und Koshiro Shimada, die im Mai zu ihm<br />

gewechselte Alexia Paganini, Shaline<br />

Rüegger sowie weitere Läuferinnen und<br />

Läufer mit. Nur Shoma Uno, der seit dem<br />

vergangenen Spätherbst bei Lambiel ist,<br />

konnte wegen der Reisebeschränkungen<br />

bisher noch nicht aus Japan zurückkehren.<br />

Satoko Miyahara, die aktuell in Toronto<br />

trainiert, wollte zur Choreographie<br />

Ende <strong>Juli</strong> in die Schweiz kommen, aber<br />

aus Sorge, dass sie nicht wieder nach Kanada<br />

darf, blieb sie vorerst dort. Shimada<br />

ist bereits das dritte Jahr bei Lambiel und<br />

hat eine Aufenthaltsgenehmigung für die<br />

Schweiz, so dass er einreisen durfte.<br />

In Telfs galten im <strong>Juli</strong> wie Deutschland die üblichen<br />

Sicherheitsmaßnahmen. Nur Läufer und<br />

Trainer durften in die Halle (Besucher wie von<br />

der <strong>Pirouette</strong> mussten sich vorher anmelden)<br />

und beim Betreten desinfizierte man sich erst<br />

einmal die Hände. Die Maskenpflicht galt zum<br />

„In der Quarantäne dachte ich über meine<br />

Karriere und diese Dinge nach. Ich wollte<br />

mein Trainingsumfeld verändern, ich wollte<br />

einfach einen Wechsel. Ich kam nach Champéry,<br />

weil mir gefiel, dass es eine Schule ist<br />

und wie die Gruppe zusammenarbeitet. Wir<br />

haben Unterricht auf dem Eis, neben dem Eis<br />

und alles wird für uns organisiert. Das ist<br />

nicht wie in den USA, wo du dein eigenes<br />

Zeug zusammenstellst. Ich kam zunächst<br />

wegen Corona her, denn ich hatte in den<br />

USA keine Trainingsmöglichkeit. Ich trainierte<br />

einen Tag mit der Schule und es gefiel mir<br />

so, dass ich Stéphane gefragt habe, ob er<br />

mich nimmt. Und er sagte ja! Ich arbeite<br />

sehr gerne mit Stéphane, weil er ein sehr<br />

gutes Verständnis dafür hat, wie Läufer denken<br />

und fühlen. Seine Stärke ist es, dass er<br />

weiß, wie er aus jedem von uns individuell<br />

das Beste herausholen kann. Für mein KP<br />

wollte ich dieses Jahr etwas cooles, langsames<br />

und jazziges. Mir gefiel sehr die Kür von<br />

Madison Hubbell und Zachary Donohue zu<br />

diesem Lied („Caught Out in the Rain“ von<br />

Beth Hart), das war der Stil, nach dem ich<br />

gesucht habe. In der Kür ist ein Teil aus dem<br />

Film „Hable con ella“ und der zweite Teil ist<br />

„Le di a la caza alcance“ von Estrella Morente<br />

und Michael Nyman. In vielen Programmen<br />

hatte ich nicht diese präzisen<br />

«<br />

Bewegungen<br />

und meine Arme sind etwas schlampig,<br />

und in diesem Programm sind viele Bewegungen<br />

sehr präzise und sehr besonders.<br />

Für mich ist es wichtig, dass jede Bewegung<br />

verfeinert ist und ich jede Bewegung zu<br />

Ende bringe, daher haben wir dieses spanische<br />

Thema genommen. Stéphane und Salomé<br />

haben die Programme choreographiert.“<br />

Zeitpunkt des Besuchs<br />

in Österreich nur noch<br />

in öffentlichen Verkehrsmitteln,<br />

aber die<br />

<strong>Pirouette</strong> kam mit Maske<br />

und trug sie bei allen<br />

Interviews, obwohl die<br />

bei schönstem Sonnenschein<br />

draußen stattfanden.<br />

Niemand sollte sich Sorgen vor einer<br />

Ansteckung machen müssen.<br />

Auf dem Eis arbeiteten die Sportler mit Lambiel,<br />

Choreographin Salomé Brunner und dem Amerikaner<br />

Robert Dierking, der ebenfalls zum Trainerteam<br />

der Schule gehört. Die erste Einheit war<br />

der Laufschule gewidmet, danach übten die<br />

Sportler Elemente und Programme. Lambiel demonstrierte,<br />

korrigierte, motivierte. Dierking half<br />

bei Sprungübungen mit der Longe. Im Anschluss<br />

an das Eistraining heizte Tanztrainerin Khoudia<br />

Toure den Läufern kräftig ein. Alle waren mit<br />

Enthusiasmus bei der Sache. In kürzester Zeit<br />

hat sich Alexia Paganini in die Gruppe integriert,<br />

wie Lambiel berichtete. Und auch die Schweizer<br />

Meisterin bestätigte, dass sie sich wohl fühle.<br />

(siehe Kommentar links)<br />

Deniss Vasiljevs ist schon seit 2016 bei Lambiel<br />

und hat sich einen Namen als ausdrucksstarker<br />

Läufer gemacht. Der populäre Lette blieb während<br />

des Lockdowns die ganze Zeit in der<br />

Schweiz und riskierte so nicht, wegen der Reisebeschränkungen<br />

in Lettland festzusitzen.<br />

(siehe Kommentar S. 8) Vasilijevs neue Programme<br />

sind fertig, aber er wollte die Musik<br />

nicht verraten und sagte nur, dass er in der Kür<br />

eine neue Seite von sich zeige und mit einer<br />

Primaballerina gearbeitet habe. Das KP wiederum<br />

sei patriotisch, denn der Musiker komme<br />

aus Lettland. Als Hauptziel für die Saison nennt<br />

der bald 21-Jährige, dass er einen Vierfachsprung<br />

ins Programm einbauen will.<br />

Der Japaner Koshiro Shimada (18), der vor drei<br />

Jahren zu Lambiel kam und ab Ende März zwei<br />

Monate lang in Japan war, bevor in die Schweiz<br />

zurückkehrte, erzählte dagegen sehr gerne und<br />

begeistert von seinen Programmen. (siehe Kommentar<br />

Seite 8)<br />

<strong>Juli</strong>-Training in Telfs<br />

Sommertraining<br />

Die Trainingsgruppe um<br />

Stéphane Lambiel, Foto: Flade


8<br />

<strong>Juli</strong>-Training in Telfs<br />

Sommertraining<br />

»„Ich hatte Glück, denn ich war in einem<br />

Dorf (Champéry) in den Bergen und dort gab<br />

es weniger Einschränkungen. Ich war sehr<br />

viel draußen, ich habe physisch viel gearbeitet<br />

und insgesamt waren meine Tage gut<br />

ausgefüllt. Mit der Ausnahme, dass ich nicht<br />

nach Japan (zu Shows) reisen konnte, war<br />

diese Zeit sogar nach meinem Geschmack,<br />

denn weil wir weniger trainiert haben,<br />

konnte ich Verletzungen ausheilen und beginne<br />

diese Saison physisch stärker als früher.<br />

Aber das war die längste Zeit, die ich<br />

nicht auf dem Eis war – zehn Wochen. Ich<br />

habe das zweite Jahr an der Universität abgeschlossen<br />

und die Zeit der Isolation erlaubte<br />

es mir, ohne diesen engen Zeitplan zu<br />

studieren. Sonst läufst du Eis und lernst und<br />

alles immer in Eile. Ich studiere Humanwissenschaften,<br />

grob gesagt werde ich am Ende<br />

ein Pädagoge sein. Nach den zehn Wochen<br />

war es etwas komisch, wieder zurückzukommen<br />

und ich wollte alles auf<br />

«<br />

einmal. Ich<br />

musste mich wieder daran gewöhnen, auf<br />

dem Eis zu sein und meinen Füßen gefiel es<br />

nicht, dass sie wieder in Schlittschuhe gesteckt<br />

wurden, aber am Ende ging alles gut.<br />

Ich war sehr enttäuscht, dass es keine WM<br />

gab, denn ich war viel besser vorbereitet als<br />

vorher. Jetzt komme ich wieder in Form,<br />

aber es nervt mich, dass nicht sicher ist, was<br />

geschieht. Ich verpasse so viele Shows, bei<br />

Deniss Vasiljevs:<br />

denen ich neue Energie laden kann. Ich kann<br />

es kaum erwarten, dass sie uns wieder rauslassen.<br />

Eine volle Arena, voller Emotionen,<br />

das möchte ich wieder erleben, das ist der<br />

Antrieb, der mir jetzt fehlt.“<br />

Der ständig in Tirol trainierende Österreichische<br />

Staatsmeister Maurizio Zandron nahm eine Woche<br />

lang an Lambiels Trainingslager teil.<br />

(siehe Kommentar oben)<br />

Zandron behält seine Kür „Alice im Wunderland“<br />

in einer überarbeiteten Form und hat ein<br />

neues KP zu Michael Jacksons „Earth Song“,<br />

wozu ihn die aktuelle Lage inspiriert hat (mehr<br />

über Maurizio Zandron gibt es in der nächsten<br />

Ausgabe der <strong>Pirouette</strong>). Nicht im Trainingslager,<br />

aber zu anderen Zeiten auf dem Eis waren die<br />

Tirolerinnen Anita Kapferer und Nathalie Klotz.<br />

Für alle Sportler ist die Unsicherheit darüber,<br />

wann und ob es Wettbewerbe gibt, schwer zu<br />

ertragen. Die Läufer in Lambiels Camp hofften<br />

auf internationale Wettbewerbe. „Wenn es einen<br />

»„Zuerst haben Stéphane und ich die Schaulaufnummer<br />

„I Will Remain“ von Matthew<br />

Hegarty gemacht, um etwas Lustiges und Interessantes<br />

zu tun. Die Kür ist „Rhapsody on<br />

a Theme of Paganini“ und sie ist sehr passend.<br />

Der erste Teil ist die klassische Version,<br />

gespielt von Lang Lang, der zweite Teil ist<br />

mit Gesang von Jose Carreras. Im KP laufe<br />

ich zu „Firedance“ in einer Version von Jennifer<br />

Thomas. Das ist sehr dramatisch. Diese<br />

Musik habe ich selbst vorgeschlagen und die<br />

Kürmusik hat Stéphane empfohlen. Ich kann<br />

es nicht erwarten, die Programme zu zeigen.<br />

Die vergangene Saison war mental schwierig<br />

für mich. In der Meisterklasse<br />

«<br />

hatte ich das<br />

Gefühl, dass ich noch zu schwach bin und<br />

ich hatte ein paar Verletzungen und konnte<br />

nicht so gut trainieren. Aber jetzt geht es<br />

mir zehnmal besser und ich kann sagen, dass<br />

es eine wichtige Erfahrung für mich war. Ansonsten<br />

habe ich angefangen, Humanpsychologie<br />

zu studieren und bin gerade bei der<br />

Verhaltensforschung.“<br />

Koshiro Shimada:<br />

Deniss Vasiljevs und Kashiro Shimada<br />

Grand Prix gibt, fahre ich gerne dorthin. Ich<br />

kann es nicht erwarten, das Leben fortzuführen,<br />

das ich vorher hatte“, sagte Vasiljevs. Der japanische<br />

Verband hatte angekündigt, keine JGP<br />

und Challenger-Wettbewerbe zu beschicken.<br />

Shimada will sich daher zunächst auf regionale<br />

Wettbewerbe in Japan konzentrieren (falls das<br />

reisetechnisch geht) und falls die NHK Trophy<br />

stattfindet, möchte er an einem Auswahlwettbewerb<br />

des Verbandes dafür teilnehmen. „Es ist<br />

schwer zu planen, aber ich werde mich auf jeden<br />

Fall vorbereiten“, sagte er. Paganini ist skeptisch,<br />

was internationale Wettbewerbe im<br />

Herbst angeht. „Ich trainiere, um mein<br />

»„Das Training ist sehr interessant für mich,<br />

aber auch anstrengend. Ich habe gerade<br />

drei Stunden eine nach der anderen gemacht.<br />

Stéphane arbeitet viel mit Choreo<br />

und in der künstlerischen Richtung. Am Anfang<br />

hatten wir ein Tanztraining, Floordance,<br />

und diese Richtung. Das sind Dinge, die ich<br />

nie gemacht habe. So es ist für mich immer<br />

eine neue Inspiration und neue Motivation.<br />

Ich werde etwas Neues lernen und für mich<br />

mitnehmen. Seit Anfang Mai kann ich wieder<br />

trainieren. Als die WM abgesagt wurde,<br />

war ich in Montreal. Wir sind zwei Wochen<br />

früher dorthin geflogen. Nach der Absage<br />

hatte ich die Idee, noch etwas dort zu bleiben.<br />

Aber dann habe ich gedacht, dass es<br />

vielleicht zu kompliziert ist. Ich bin sonntags<br />

zurückgekommen und gleich an diesem<br />

Sonntag kam der Lockdown. So war ich ein<br />

paar Wochen hier und habe immer probiert<br />

weiter zu trainieren, z.B. laufen. Zuerst<br />

wollte ich das zu Hause machen,<br />

«<br />

aber da<br />

war nicht viel Platz. Es ist auch interessant,<br />

weil ich glaube, die Eiskunstläufer haben<br />

nie so eine lange Pause gemacht und am<br />

Ende haben viele verstanden, das ist nicht<br />

so schlimm, es macht nicht so viel aus.<br />

Nach zwei Wochen ist es ungefähr wie vorher.<br />

Mit diesem Lockdown hatte ich auch<br />

viel mehr Zeit für die Uni. Ich war immer zu<br />

Hause und die Vorlesungen waren online.<br />

Maurizio Zandron:<br />

Ich hatte zwei Prüfungen.“<br />

Eislaufen zu verbessern. Wir fokussieren<br />

uns nicht wirklich darauf, uns<br />

auf Wettbewerbe vorzubereiten.<br />

Falls es keine erste Hälfte der Saison<br />

gibt, werde ich bei<br />

Swiss Cup Wettbewerben<br />

laufen oder wir können<br />

Wettbewerbe in unserer<br />

Halle simulieren. Ich<br />

würde sehr gern den<br />

Grand Prix laufen, aber<br />

ehrlich gesagt<br />

denke<br />

ich, es<br />

wird<br />

schwierig<br />

mit den Quarantäne-Bestimmungen<br />

von Land zu<br />

Land zu reisen“,<br />

meinte sie.•••<br />

Alexia Paganini<br />

beim Training<br />

Fotos: Flade<br />

Ende des Tanztrainings, Fotos: Flade


Die Deutschen Eistanz-Meister Katharina Müller und Tim Dieck (beide 24) berichten im <strong>Pirouette</strong>-Interview,<br />

wie sie mit der Corona-Zeit umgehen und sich auf die Saison vorbereiten.<br />

Katharina Müller<br />

& Tim Dieck<br />

»Mit der Situation umzugehen<br />

ist schwer, aber das werden<br />

wir Menschen auch lernen«<br />

<strong>Pirouette</strong>: Was ist seit der WM-Absage im<br />

März bei Ihnen passiert?<br />

Tim: Wir sind zunächst in Moskau geblieben<br />

und haben überlegt, ob wir noch ein bisschen<br />

trainieren. Die Woche danach haben wir mit<br />

Maxim Staviski die Polka geübt und aufgebaut.<br />

Wir wollten da bleiben, weil wir wussten, dass<br />

die Eishalle in Dortmund zumacht. Aber unsere<br />

Eltern und Vitali (Schulz) haben langsam gesagt,<br />

‚kommt mal zurück‘. Sie hatten etwas Angst.<br />

Katharina: Zu der Zeit war es in Deutschland<br />

viel fortgeschrittener als in Russland und wir<br />

haben die ganze Panik nicht verstanden. Ich<br />

habe angefangen, nach Flügen zu gucken. Sowas<br />

hatte ich noch nie gesehen - der Flugpreis<br />

konnte sich in Minuten ändern. Mit jedem Tag<br />

gab es weniger Flüge. Wir konnten nur nach<br />

Berlin fliegen und sind mit dem Mietwagen<br />

nach Hause gefahren.<br />

Tim: Wir waren nur zu Hause, bei der Familie,<br />

was auch mal ganz schön war. Wir haben ein<br />

paarmal Live-Workouts gemacht, wir haben<br />

ohne Eis trainiert, aber es war sehr schwer. Ich<br />

habe noch ein bisschen Russisch gelernt, bis<br />

dann im April der Bundeswehrlehrgang für mich<br />

anfing. Der fand unter besonderen Regelungen<br />

statt. Im Mai waren wir das erste Mal auf dem<br />

Eis, in Willingen für eine Woche. Später sind wir<br />

nach Dinslaken gegangen.<br />

Wie haben Sie diese Zeit mental und emotional<br />

erlebt?<br />

Katharina: Wir hatten so viel Zeit in der Corona-<br />

Zeit, dass wir alles Mögliche durchlebt haben. Es<br />

war nicht immer ein und dasselbe Gefühl. Es<br />

ging von Nicht-Wahrhaben bis hin zu Tief, bis<br />

hin zu Motivation, jetzt können wir noch etwas<br />

verbessern und andere Fähigkeiten ausbauen. Es<br />

war viel Auf und Ab. Relativ am Anfang der Corona-Zeit<br />

war so viel unklar, dass für mich klar<br />

war, ich kann es einfach nur auf mich zukommen<br />

lassen. Das einzige, was ich machen kann,<br />

ist mich einigermaßen fit zu halten, joggen zu<br />

gehen und Yoga zu Hause zu machen. Jetzt haben<br />

wir für uns im Team gesagt, gehen davon<br />

aus, dass wir uns für den ersten Wettkampf vorbereiten,<br />

den wir geplant haben. Ob der stattfindet<br />

oder nicht, macht nichts, wir wollen uns<br />

trotzdem zu dem Zeitpunkt in Topform bringen.<br />

Das wäre im September China gewesen.<br />

Ich denke, bis dahin ist vieles klar und wir können<br />

uns auf dem Weg dorthin anpassen.<br />

Tim: Für mich war die Zeit schwierig. Ich habe<br />

beim Training zu Hause auch mal neue Sachen<br />

probiert, und meinen Körper vielleicht auch besser<br />

kennengelernt. Aber es war sehr schwer für<br />

mich, mir selbst Ziele zu setzen. So eine Zeit<br />

habe ich noch nie vorher erlebt und will ich<br />

auch nicht mehr erleben.<br />

Was planen Sie mit Ihren Programmen?<br />

Tim: Während der ganzen Zeit haben wir uns<br />

natürlich überlegt, was wir machen. Wir haben<br />

mit unserem Trainerteam entschieden, dass wir<br />

die Kür behalten.<br />

Katharina: Es war sehr schade, dass wir die Kür<br />

nicht bei der WM zeigen konnten, aber es ist<br />

auch komisch, sie zu behalten. Wir haben gesagt,<br />

wir wechseln den RD, das sollten wir schaffen.<br />

Das Thema ist Fred Astaire und Ginger Rogers.<br />

„Stepping Out With My Baby“ ist der erste Teil, in<br />

dem der Finnstep mit drin ist. Der zweite Teil ist<br />

„The Way You Look Tonight“ und das letzte ist<br />

eine moderne Version von „Puttin‘ on the Ritz“.<br />

Tim: Es ist für uns etwas Neues und Interessantes.<br />

Wir waren in Egna bei Matteo Zanni zur<br />

Choreo und sind sehr glücklich darüber. Wir haben<br />

das auch mit Anjelika (Krylova) abgesprochen.<br />

Wir wussten, wir brauchen einen Tanztrainer<br />

und da sind wir auf Katharinas Bruder<br />

gekommen, weil er schon jahrelang Tänzer ist<br />

und im Standard auch besser als im Latein.<br />

Katharina: Mein Bruder Daniel ist jetzt 18. Er ist<br />

letztes Jahr zu den Erwachsenen aufgestiegen,<br />

im Jugendbereich haben sie bei Europa- und<br />

Weltmeisterschaften mitgemacht.<br />

Wie ist es für Sie, dass der kleine Bruder Sie<br />

trainiert?<br />

Katharina: Eben weil es der kleine Bruder ist,<br />

habe ich mir direkt gesagt, das muss sofort ausgeblendet<br />

werden. Anders wird es nicht funktionieren.<br />

Ich habe Respekt vor seinen Kenntnissen,<br />

ich würde das nie in Frage stellen, ich habe<br />

keine Ahnung vom Parketttanz, aber er schon.<br />

Als wir es das erste Mal probiert haben, um zu<br />

gucken, ob das funktioniert oder nicht, war ich<br />

überrascht, dass mein kleiner Bruder so etwas<br />

Logisches sagen kann (lacht).<br />

Foto: Flade<br />

Wie läuft die Zusammenarbeit mit Anjelika<br />

aus der Ferne?<br />

Tim: Wir telefonieren mehrmals die Woche, sie<br />

schreibt uns die Pläne, wenn es an die Durchläufe<br />

geht. Die Konditionspläne bekommen wir<br />

weiterhin von einem Trainer dort vor Ort. Sie ist<br />

unsere Haupttrainerin und für uns zuständig<br />

und fragt immer nach, ob alles okay ist.<br />

Katharina: Wir schicken ihr Videos, wenn wir<br />

die Elemente ausarbeiten. Als wir noch keine<br />

Choreo hatten, haben wir Elemente auf die Musik<br />

gemacht, damit sie schaut, ob das passt. Sie<br />

war aktiv bei der Musikauswahl dabei und auch<br />

als wir die Choreo aufgebaut haben, haben wir<br />

die Videos an sie geschickt und sie hat Feedback<br />

geschickt und direkt Matteo geschrieben.<br />

Wie gehen Sie inzwischen mit der neuen<br />

Realität in der Corona-Zeit um?<br />

Tim: Diese Ungewissheit als Sportler zu haben,<br />

war sehr anstrengend und schwer zu bewältigen.<br />

Darüber sind wir noch nicht hinweg, weil<br />

wir immer noch Ungewissheit haben, bzw. ich<br />

bin darüber noch nicht hinweg und wir hoffen<br />

einfach, dass sich jetzt alles wieder bessert und<br />

man irgendwann wieder durchs Leben gehen<br />

kann, ohne diesen Namen Corona zu hören.<br />

Man hört nichts anderes mehr. An diese Masken<br />

werde ich mich wohl nie gewöhnen.<br />

Katharina: Es ist ungewohnt, auf diese menschliche<br />

Nähe zu verzichten. Ich begrüße gerne mit<br />

Umarmung und ich fühle mich so unvollständig<br />

und total kalt einem Menschen gegenüber, das<br />

ist komisch.<br />

Tim: Es ist schwer, mit der Situation umzugehen,<br />

aber das werden wir Menschen auch lernen.<br />

Das wird noch dauern. Ich denke, alle<br />

Sportler haben schon wieder ein bisschen mehr<br />

Motivation, bzw. ich habe sie jetzt durch das<br />

Training. Die <strong>No</strong>rmalität ist im Großen und Ganzen<br />

wieder da, außer, dass wir nicht nach Moskau<br />

können.<br />

Vielen Dank für das Interview und alles Gute!<br />

Mit Katharina Müller und Tim Dieck sprach Tatjana<br />

Flade.<br />

•••<br />

9<br />

Katharina Müller & Tim Dieck<br />

Interview


10<br />

Juni-Training in Dortmund<br />

Sommertraining<br />

Tanz auf dem Vulkan in Dortmund<br />

Stützpunkttraining in den Zeiten von Corona · Aus Dortmund berichtet Tatjana Flade<br />

Die Eishalle in Dortmund öffnete nach rund zweieinhalb Monaten Corona-Pause<br />

wieder, aber nur für Leistungssportler. Natürlich gelten auch hier die üblichen<br />

Vorsichtsmaßnahmen: Am Eingang tragen sich alle in Anwesenheitslisten ein und<br />

desinfizieren sich die Hände, außerhalb vom Eis wird Maske getragen, alle achten auf<br />

Abstand und die Eltern müssen draußen bleiben. Die Dortmunder Bundeskaderläufer<br />

und ihre Trainer verteilen sich gut auf der Eisfläche und an der Bande.<br />

Die Eistänzer Katharina Müller/Tim Dieck und<br />

Viktoria Lopusova/Asaf Kazimov arbeiten unter<br />

Aufsicht von Vitali Schulz und mit Unterstützung<br />

ihres neues Tanztrainers Daniel Müller –<br />

ein Parketttänzer und der Bruder von Katharina<br />

- an ihren Programmen. Sportler und Trainer<br />

unterhalten sich in einer lustigen Mischung aus<br />

Russisch und Deutsch – mal fangen sie einen<br />

Satz auf Deutsch an und beenden ihn auf Russisch,<br />

mal ist es umgekehrt. Tim Dieck, der einzige<br />

im Team ohne russischen Migrationshintergrund,<br />

hat keine Verständigungsprobleme und<br />

macht es genauso. Müller/Dieck feilen an ihrem<br />

brandneuen Rhythmustanz, den sie in Egna mit<br />

Matteo Zanni einstudiert hatten. Als Ginger Rogers<br />

und Fred Astaire fegen sie über das Eis<br />

(siehe Interview Seite 9). Die Junioren Lopusova/<br />

Kazimov, die in ihre zweite gemeinsame Saison<br />

starten, haben ihren Rhythmustanz behalten,<br />

aber sie wollen ihn weiterentwickeln und verbessern.<br />

Neu ist die moderne Kür.<br />

»<br />

Viktoria Lopusova/Asaf Kazimov:<br />

Asaf: „Wir haben die Choreographie für unsere<br />

Programme online mit Mark Hanretty<br />

gemacht, vielen Dank an ihn. Wir übertragen<br />

die Programme jetzt auf das Eis und<br />

verändern noch ein paar Sachen. In der neuen<br />

Kür haben wir eine Komposition aus drei<br />

verschiedenen Teilen, Belonging 2 von Denis<br />

Stelmakh, Shine the Light von Banners und<br />

Smallest Light von Ingrid Michaelson. Wir<br />

wollten etwas im modernen Stil machen. Ich<br />

denke, es wird gut. Wir haben das erste Mal<br />

Choreographie online gemacht. Wir nahmen<br />

mein Ipad und gingen raus auf die Straße,<br />

stellten es auf die Bank und trugen Masken.<br />

Mark war bei sich zu Hause und wir machten<br />

auf der Straße das Programm. Als Ziele<br />

für die Saison setzen wir uns zwei (Junioren)<br />

Grand Prix und wir möchten in die Top<br />

Ten bei diesen Grand Prix kommen und natürlich<br />

zur Junioren-WM fahren. Das ist unser<br />

größtes Ziel, wie auch die Deutsche Juniorenmeisterschaft.“<br />

Trainer Vitali Schulz betreut insgesamt sieben<br />

Paare, drei Nachwuchsteams, zwei Anfängersowie<br />

die zwei Kader-Duos. „Im unteren Bereich<br />

gibt es immer viel Bewegung, da will ein Mädchen<br />

mehr Wert auf Eiskunstlauf legen, dann<br />

ziehen sie sich ein bisschen zurück aus dem Eistanzen.<br />

Ich befürworte, dass die Sportler im<br />

jungen Alter beides machen. Sie müssen springen<br />

können, <strong>Pirouette</strong>n können. Ohne diese<br />

Grundausbildung haben sie im Eistanzen nichts<br />

verloren. Eistanz ist eine sehr komplizierte<br />

Sportart und sie müssen eine gute Ausbildung<br />

haben. Danach, mit zehn, elf Jahren, können sie<br />

entscheiden, was sie machen werden,“ sagte er.<br />

Viktoria Lopusova und Asaf Kazimov beim Training, Fotos: Flade<br />

Die Dortmunder saßen übrigens nicht die ganze<br />

Zeit auf dem Trockenen. Die Tänzer konnten<br />

dank der Vermittlung von Jens ter Laak ab Mitte<br />

Mai nach Dinslaken ausweichen, Müller/Dieck<br />

waren vorher noch in Willingen. Einzelläufer<br />

Denis Gurdzhi durfte ebenfalls in Willingen und<br />

danach in Oberstdorf auf das Eis. Eistanz-Trainer<br />

Vitali Schulz organisierte für seine Sportler<br />

online Training und freut sich, dass alle bei der<br />

Stange blieben. Dennoch war und ist es für den<br />

Coach nicht so leicht, das Training und die Saison<br />

zu planen.<br />

„Alle Menschen waren betroffen und jede Stunde<br />

hatten wir eine Veränderung. Darauf müssen<br />

wir reagieren. Ich habe mir gesagt - es kommt<br />

der Tag und ich mache für den Tag den Plan<br />

und wenn der Plan mehr oder weniger gelungen<br />

ist, sei froh. Ich habe keine Planung für die ganze<br />

Woche gemacht, sondern nur für den kommenden<br />

Tag, in der Hoffnung, dass wir in Dinslaken<br />

wieder am nächsten Tag trainieren dürfen“,<br />

erzählte er.<br />

Schulz geht davon<br />

aus, dass in der Saison<br />

Wettbewerbe stattfinden<br />

werden und bereitet<br />

seine Sportler<br />

entsprechend vor. Anfang<br />

<strong>August</strong> soll es<br />

ein Sichtungslaufen<br />

geben. Aber die Unsicherheit<br />

bleibt.<br />

„Ich hoffe, dass die<br />

Halle nicht geschlossen<br />

wird. Ich habe einen<br />

Plan für die<br />

Die Eistanz-Trainimgsgruppe mit Tim Dieck un<br />

Viktoria Lopusova und Asaf Kazimov sowie d<br />

und Daniel Müller (von links)<br />

Viktoria: „Unsere neue Kür gefällt uns gut.<br />

Wir haben auf jeden Fall Fortschritte<br />

«<br />

gemacht.<br />

Wir spüren einander, wir sind eingelaufen.<br />

Das braucht Zeit. Ich bin die ganze<br />

Zeit in Deutschland geblieben. Natürlich<br />

vermisse ich meine Familie, weil ich so lange<br />

nicht zu Hause war, fünf Monate, aber<br />

was soll ich machen. In Deutschland gefällt<br />

es mir. Wir haben gute Bedingungen für das<br />

Training, viel Eis.“


11<br />

nächsten zwei Wochen gemacht, weiter gehe<br />

ich nicht. Wenn wir die zwei Wochen geschafft<br />

haben, Gott sei Dank. Wenn es einen erwischt,<br />

muss die Halle zugemacht werden. Wir sitzen<br />

hier wir auf einem Vulkan. Aber ich denke, das<br />

wird nicht passieren. Hier gibt es ein sehr gutes<br />

Konzept und alle passen auf.“<br />

Der Trainer ist mit der Entwicklung der Paare<br />

sehr zufrieden. „Es ist die zweite Saison für Viktoria<br />

und Asaf. Viktoria hat sich hier eingelebt.<br />

Sie geht zur deutschen Schule, das ist eine ganz<br />

neue Gesellschaft, ein anderes Land. Sie ist hier<br />

ohne ihre Eltern. Für mich war es wichtig, dass<br />

sie sich gut integriert und sich hier wohlfühlt.<br />

Wenn sie gut integriert ist und sich gut fühlt,<br />

dann kommt die Leistung.“ Lopusova wohnt wie<br />

auch Kazimov im Olympiastützpunkt, in dem<br />

Zimmer zur Verfügung stehen. Dort kochen die<br />

Sportler selbst. Aber Schulz weiß, dass es für die<br />

16 Jahre alte Viktoria nicht einfach ist und sobald<br />

die Grenze nach Russland geöffnet wird,<br />

wird er ihr eine Woche Urlaub geben, damit sie<br />

ihre Eltern besuchen kann. Wie Müller/Dieck<br />

lobt der Trainer die Zusammenarbeit mit Anjelika<br />

Krylova aus der Ferne. „Wir telefonieren<br />

ständig - die Sportler mit Anjelika und ich auch<br />

mit Anjelika. Wir finden eine gemeinsame Linie<br />

und ziehen an einem Strang“, sagte er. Er blickt<br />

mit Optimismus in die Zukunft. „Katharina und<br />

Tim sind immer fleißig und wie ich finde auf einem<br />

guten Weg. Sie werden die Ziele, die sie<br />

sich gesetzt haben, definitiv erreichen.“<br />

Gurdzhi mit neuer Kür<br />

Von den Kaderläufern waren am Besuchstag der<br />

<strong>Pirouette</strong> außer Gurdzhi auch Olesia Ray, Aurelie<br />

Beier, Ina Jungmann und Hanna Pfaffenrot<br />

mit ihren Trainerinnen Marina Dieck bzw. <strong>Juli</strong>a<br />

Gnilozubova auf dem Eis. Louis Weissert war<br />

nicht da. Gurdzhi lief gerade neue Schlittschuhe<br />

ein und trainierte seine neue Kür zu „Per Te“,<br />

gesungen von Josh Groban.<br />

•••<br />

d Katharina Müller,<br />

en Trainern Vitali Schulz<br />

»„Ich fand die (Corona) Zeit nicht so schlimm,<br />

wie in den Medien berichtet wurde, weil in<br />

meinem Wohnort alles relativ entspannt war.<br />

Natürlich war es sehr belastend, dass wir keine<br />

Trainingsmöglichkeiten hatten, deswegen<br />

hatten wir online Training und haben zu Hause<br />

selbst Übungen gemacht. Das hat auch ein<br />

bisschen den Kopf frei gemacht von diesem<br />

ständigen Aufenthalt in der Eishalle. Die Corona-Zeit<br />

hat meinem rechten Knöchel sehr<br />

gut getan, dadurch dass ich keinen Lutz, Flip<br />

oder Rittberger gesprungen bin und nicht im<br />

Schlittschuh drin war. Ich war sehr viel zu<br />

Hause. Ich habe jetzt einen neuen Hund, einen<br />

Dalmatiner, ich habe viel mit ihm gespielt<br />

und ihn erzogen. Ich habe das Kurzprogramm<br />

behalten, „Caruso“ von Lara Fabian. Mit Adam<br />

Solya haben wir meine neue Kür gemacht.<br />

Das Wichtigste ist erst einmal, zwei (Junioren)<br />

Grand Prix, die hoffentlich stattfinden werden,<br />

zu laufen und in beiden die Top Ten zu<br />

erreichen. Bei der Deutschen Junioren-Meisterschaft<br />

will ich versuchen, den Meistertitel<br />

zu behalten und dann zur Junioren-WM. Diese<br />

Saison werden Lutz und Flip drin sein und<br />

dann hoffentlich der dreifache<br />

«<br />

Axel oder der<br />

vierfache Salchow. Der Salchow ist der einfachste<br />

Sprung für mich. Ich habe ein gutes<br />

Gefühl, wenn ich weiter daran arbeite, wird er<br />

(vierfach) funktionieren. Mein Ziel ist es jetzt,<br />

einfach wieder reinzukommen nach der ganzen<br />

Phase, die neuen Schlittschuhe und die<br />

beiden Programme einzulaufen und dann hoffentlich<br />

die Wettkämpfe zu laufen.“<br />

Denis Gurdzhi:<br />

Kihira nimmt Orser<br />

als Co-Trainer<br />

Die Japanerin Rika Kihira hat Brian Orser als<br />

Co-Trainer angeheuert. Haupttrainerin soll jedoch<br />

wie bisher Mie Hamada bleiben. „Ich<br />

habe das so entschieden, denn ich bin sicher,<br />

dass ich mich (mit Orser) vor den Olympischen<br />

Winterspielen in Peking weiter entwickeln<br />

kann“, sagte Kihira der japanischen Nachrichtenagentur<br />

Kyodo News im Juni. Sie wolle den<br />

vierfachen Toeloop und Salchow in ihre Programme<br />

einbauen und von Top-Läufern lernen.<br />

Die Vier-Kontinente-Meisterin hoffte auf ein<br />

Ende der Reisebeschränkungen im Sommer,<br />

um zu Orser nach Kanada reisen zu können.<br />

Bei dem Kanadier trainiert unter anderem Kihiras<br />

Landsmann, der zweimalige Olympiasieger<br />

Yuzuru Hanyu.<br />

Yu/Zhang getrennt<br />

Das chinesische Paarlaufpaar Xiaoyu Yu/Hao<br />

Zhang gibt es nicht mehr. Yu veröffentlichte<br />

einen längeren Text in chinesischen sozialen<br />

Netzwerken, schrieb über ihre Karriere und<br />

dass sie nicht wisse, wie es für sie weitergehe.<br />

Aber sie werde ihren Weg gehen. Eine Anzeige<br />

auf der internationalen Partnersuche-Webseite<br />

Icepartnersearch musste sie nach Berichten<br />

chinesischer Fans angeblich auf Druck der Behörden<br />

wieder löschen. Hao Zhang soll schon<br />

länger wegen anhaltender Verletzungsprobleme<br />

nicht mehr trainiert haben. Das Duo war<br />

das letzte Mal in der Olympiasaison 2017/18<br />

international gestartet und hatte Rang acht<br />

bei den Olympischen Spielen und Platz sieben<br />

bei der WM belegt. Danach hatten sie nach<br />

Angaben des chinesischen Verbandes noch an<br />

nationalen Wettbewerben teilgenommen. tat<br />

News


12<br />

News<br />

Neues aus aller Welt<br />

Hin und Her bei<br />

Regeländerungen<br />

Die ISU hat in den vergangenen Monaten mehrfach<br />

Regeln geändert, wieder zurückgenommen<br />

und doch wieder in Kraft gesetzt. Tobt da ein<br />

Machtkampf zwischen dem Vorstand und Fabio<br />

Bianchetti, dem Chef des Kunstlaufkomitees?<br />

Auf jeden Fall schrieb die ISU im Juni, die im<br />

Mai beschlossenen Punkteangleichungen bei den<br />

vierfachen Sprüngen und die Einführung des<br />

umstrittenen “q“ bei Sprüngen mit genau einer<br />

Viertelumdrehung zu wenig (siehe Mai/Juniheft<br />

Seite 4) würden doch nicht in Kraft treten, da<br />

die meisten Läufer wegen des Coronavirus gar<br />

nicht trainieren konnten. Nach der nächsten<br />

Vorstandssitzung am 6. <strong>Juli</strong> gab man bekannt, es<br />

würden nun doch einige Regeln vom Mai gelten<br />

und ältere ISU-Mitteilungen (Communications<br />

2323 und 2324) wurden gelöscht und waren<br />

verschwunden. Dort war allerdings detailliert<br />

aufgeführt, welchen Level die verschiedenen Details<br />

bei den <strong>Pirouette</strong>n und Schrittfolgen und<br />

einige Paarlaufelemente haben. Damit gelten<br />

nun die Regeln wie im Mai/Juni-Heft beschrieben,<br />

außer bei den zuvor geänderten Punkten<br />

für die Sprünge. Hier sollen die Regeln der vergangenen<br />

Saison weiterhin gelten. Am 15. <strong>Juli</strong><br />

waren allerdings die neuesten Beschlüsse des<br />

Vorstandes vom 6. <strong>Juli</strong> (Communication 2335)<br />

von der Kunstlauf-Website der ISU wieder verschwunden,<br />

am 16. <strong>Juli</strong> wieder online, so dass<br />

das langsam zu einem Kasperletheater werden<br />

könnte. Dass Läufer, Trainer, Spezialisten, Preisrichter<br />

und Programmierer endlich die genauen<br />

Regeln kennen müssen, geriet fast in Vergessenheit.<br />

Vierfache Sprünge in Damen-Kurzprogrammen<br />

bleiben weiterhin nicht erlaubt.<br />

Tickets für 2021<br />

Am 25. <strong>August</strong> mittags um 12 Uhr Mitteleuropäischer<br />

Sommerzeit startet der Verkauf von<br />

Dauerkarten für die WM 2021 unter www.<br />

stockholm2021.se in der Globen Arena in<br />

Stockholm, in der schon die EM 2015 abgehalten<br />

worden war. Der schwedische Verband<br />

kündigte an, dass eine Rückerstattung von gekauften<br />

Tickets nur dann erfolgen kann, wenn<br />

die WM vom Staat Schweden oder der ISU abgesagt<br />

wird. Eine Erstattung sei nicht möglich,<br />

wenn die WM stattfindet, aber Fans aus Sorge<br />

um Ansteckung mit dem Corona-Virus nicht<br />

anreisen, nicht in die Halle kommen möchten<br />

oder Schweden ihnen keine Einreise erlaubt.<br />

Die Eintrittspreise waren Mitte <strong>Juli</strong> noch nicht<br />

bekannt. Für die EM 2021 in Zagreb gibt es<br />

noch keinen Termin für den Vorverkauf.<br />

Chemnitz bleibt Stützpunkt<br />

Weil nur wenige Kaderläufer der DEU aus<br />

Chemnitz oder dem mit dieser Halle verbundenen<br />

Dresden kommen, war der Status als Bundesstützpunkt<br />

bedroht. Aber die DEU konnte<br />

nun erreichen, dass die sächsische Stadt zumindest<br />

bis Ende 2022 Bundesstützpunkt bleibt.<br />

Sarah Hecken heißt jetzt Sarah Haase, Foto: privat<br />

Sarah Hecken verheiratet<br />

Sarah Hecken aus Mannheim, viermalige Deutsche<br />

Meisterin, Gewinnerin des Pokals der Blauen<br />

Schwerter 2007 sowie Elfte der EM und WM<br />

2011 und 18. der Olympischen Spiele 2010, hat<br />

ihren langjährigen Lebensgefährten Henry Haase<br />

geheiratet und heißt jetzt Sarah Haase. Das Paar<br />

lebt seit einigen Jahren in Augsburg und hat einen<br />

22 Monate alten Sohn namens Stephan.<br />

Haase spielt nach Jahren in Augsburg zurzeit als<br />

Profi-Eishockeyspieler in Berlin. Nach dem Ende<br />

der Elternzeit im <strong>August</strong> wird Hecken wieder als<br />

Immobilienkauffrau in Augsburg arbeiten.<br />

Holiday on Ice<br />

Die Produktionsfirma von Holiday on Ice gab am<br />

15. <strong>Juli</strong> bekannt, dass sie in diesem Herbst und<br />

Winter keine Shows veranstalten, sondern alle<br />

Termine um ein Jahr verschieben wird. Damit<br />

kann auch Joti Polizoakis nicht mit Sarah Lombardi<br />

starten, der dies Ende Juni beim Besuch<br />

der <strong>Pirouette</strong> in Berlin noch gehofft hatte.<br />

Alysa Liu wechselt Trainer<br />

Die zweimalige US-Meisterin (Meisterklasse)<br />

Alysa Liu aus Oakland in Kalifornien beherrscht<br />

sowohl den dreifachen Axel als auch den vierfache<br />

Lutz und war deshalb blitzschnell an die nationale<br />

Spitze gelangt. Bei der Junioren-WM vor<br />

vier Monaten gewann sie eine Bronzemedaille.<br />

Stilistisch ist sie allerdings noch ein Stück von<br />

der Weltspitze entfernt. Im Juni hat sie ihrer<br />

Trainerin Laura Lipetsky gekündigt, die sie seit<br />

ihren ersten Tagen auf dem Eis betreut hatte.<br />

Offensichtlich war dem ehrgeizigen Vater Lipetsky<br />

nicht mehr gut genug. Neuer Haupttrainer<br />

soll zumindest vorläufig der Tanztrainer Massimo<br />

Scali werden, der seit einem Jahr in Oakland<br />

lebt. Eigentlich will sie aber in das 4.000 Kilometer<br />

entfernte Toronto, um dort im Granite<br />

Club mit dem Techniktrainer Lee Barkell und der<br />

Star-Choreografin Lori Nichol zu arbeiten. Im<br />

Juni und <strong>Juli</strong> waren allerdings die Grenzen zwischen<br />

den USA und Kanada geschlossen, so dass<br />

sie vorläufig nur online mit diesen Beiden arbeiten<br />

kann. Außerdem geht sie auch noch zur<br />

Schule, wird im <strong>August</strong> erst 15 Jahre alt, und ihr<br />

Vater muss sich auch um ihre Geschwister kümmern<br />

und es ist ziemlich zweifelhaft, dass all das<br />

Hin und Her ihrer Karriere förderlich ist.<br />

Eisläuferin wird Pornostar<br />

De heute 30 Jahre alte Melissa Bulanhagui, eine<br />

US-Läuferin aus Philadelphia mit philippinischen<br />

Eltern, war als Juniorin recht erfolgreich<br />

und gewann im Jahr 2008 sogar den Junioren<br />

Grand Prix in Meran. Im Jahr 2010 holte sie<br />

Bronze bei der Nebelhorn Trophy (siehe Foto).<br />

Seit 2012 lief sie für die Philippinen und wurde<br />

zweifache Landesmeisterin. Zu einer Teilnahme<br />

an den Olympischen Spielen reichte es allerdings<br />

weder 2010 noch 2014. Sie beendete sie<br />

ihre ISU-Karriere, arbeitete kurze Zeit in Thailand<br />

als Trainerin, hatte Alkoholprobleme und<br />

arbeitete in einer Bar in Kalifornien. Die<br />

Schweizer Boulevardzeitung „Blick“ schrieb,<br />

dass sie dort von Produzenten von Pornofilmen<br />

angesprochen wurde. Unter ihrem Künstlernamen<br />

Jada Kai dreht sie nun seit 2018 Pornofilme<br />

und ihre Filme sollen schon 30 Millionen<br />

mal angeklickt worden sein.<br />

Melissa Bulanhagui bei<br />

der Nebelhorntrophy 2010<br />

Foto: Krauter<br />

Grand Prix-<strong>No</strong>minierungen<br />

Die ISU hat in diesem Jahr bis Mitte <strong>Juli</strong> noch<br />

keine Grand Prix-<strong>No</strong>minierungen bekanntgegeben,<br />

wie sonst im Juni üblich. Stattdessen sollen<br />

die Namen der Läufer („Wer startet wo?“) erst<br />

Anfang <strong>August</strong> veröffentlicht werden, wenn die<br />

Corona-Arbeitsgruppe der ISU entschieden hat,<br />

dass die Planung für die gesamte Serie weitergeht<br />

und der Vorstand hat das am 3. <strong>August</strong><br />

beschlossen. Falls die Serie abgesagt werden<br />

sollte, sind Einladungen ohnehin hinfällig.


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Japan-Tournee geht weiter<br />

Mao Asada kündigte an, dass ihre Tournee<br />

durch Japan nach mehrmonatiger Corona-Pause<br />

wieder fortgesetzt wird, wenn auch mit geringeren<br />

Zuschauerzahlen als ursprünglich geplant.<br />

Daher gibt es mehr Livestreams.<br />

McNamara läuft mit<br />

Spiridonov<br />

Die amerikanische Eistänzerin Lorraine McNamara,<br />

die im Spätwinter ihre langjährige Karriere<br />

mit Quinn Carpenter (u.a. Juniorenweltmeister<br />

2016) beendet hatte, setzt diese nun mit<br />

dem in den USA geborenen, aber zuletzt in<br />

Russland lebenden Anton Spiridonov (22) fort.<br />

Spiridonov war 2015 und 2016 mit Leticia<br />

Marsh für Großbritannien gestartet (Neunte<br />

beim Pokal der Blauen Schwerter 2016) und zuletzt<br />

mit Jana Buga und Polina Pankova national<br />

in Russland gestartet.<br />

Werner Sayffaerth<br />

gestorben<br />

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Der ehemalige Kölner Trainer und Trainerausbilder<br />

Werner Sayffaerth ist am 10. Juni im<br />

Alter von 81 Jahren gestorben. Nach eigener<br />

Karriere in den 1950er Jahren schloss er ein<br />

Studium an der Sporthochschule Köln ab und<br />

kümmerte sich auch intensiv um den Schulsport.<br />

Sein erfolgreichster Läufer war Gert-<br />

Walter Gräbner, der 1976 Deutscher Meister<br />

wurde, in anderen Jahren zweimal Silber und<br />

zweimal Bronze gewann. International landete<br />

er auf Rang 17 bei der EM und Platz 19 bei<br />

der WM 1976. Sayffaerths größter Verdienst<br />

ist wohl die Ausbildung von vielen anderen<br />

Eislauftrainern in ganz Deutschland.<br />

Generalsekretärin<br />

gestorben<br />

Romana Filipin, Verbandsmitarbeiterin, Generalsekretärin<br />

des österreichischen Eiskunstlaufverbandes<br />

und Preisrichterin, ist am 30.<br />

Juni plötzlich verstorben.<br />

Fotograf gestorben<br />

Der für die Agentur Vandystadt hauptberuflich<br />

arbeitende französische Fotograf Richard<br />

Martin ist mit 54 Jahren an Lungenkrebs gestorben.<br />

Er war Familienvater und starker<br />

Raucher und hat bei vielen Eislaufveranstaltungen<br />

in Frankreich und bei Olympischen<br />

Spielen fotografiert.<br />

Sportgymnasten bewerten<br />

Eisläufer<br />

Der ukrainische Verband für Rhythmische Sportgymnastik<br />

hielt am 6. <strong>Juli</strong> ein Online-Webinar<br />

ab, bei dem auch zwei ISU-Preisrichter für Eiskunstlaufen<br />

Rhythmische Sportgymnastik bewerteten<br />

und zwei Preisrichter aus dieser Disziplin<br />

die Eiskunstläufer. Die beiden Preisrichter<br />

waren die bekannten Rita Zonnekeyn aus Belgien<br />

und Alexey Beletsky aus Israel, sicherlich mit<br />

Erlaubnis der ISU.<br />

Nagasu operiert<br />

Zum zweiten Mal musste sich im Juni die US-<br />

Läuferin Mirai Nagasu (27) einer Hüftoperation<br />

unterziehen, die nach einem 10. Platz bei den<br />

Olympischen Spielen 2018 und demselben Resultat<br />

bei der WM einige Wochen später ihre<br />

Karriere beendet hatte. Zuvor schrieben US-Medien<br />

darüber, dass sie regemäßig im japanischen<br />

Restaurant ihrer Eltern mitarbeitete, als dieses<br />

wegen des Corona-Virus schließen musste und<br />

nur Mahlzeiten an die Beschäftigten eines nahen<br />

Krankenhauses liefern konnte.<br />

Gailhaguet sieht sich<br />

im Recht<br />

Der im Februar zurückgetretene französische<br />

Verbandspräsident Didier Gailhaguet beschuldigte<br />

über seinen Anwalt die Sportministerin<br />

Roxana Maracineanu, sich in seinem Fall nicht<br />

neutral verhalten, ihn öffentlich „verteufelt“<br />

und so zum Rücktritt gezwungen zu haben.<br />

Das Ministerium antwortete, er sei in vollem<br />

Besitz seiner geistigen Kräfte zurückgetreten,<br />

daher stünden ihm die 300.000 Euro Entschädigung<br />

nicht zu, die er fordere. Die einstige<br />

Paarläuferin Sarah Abitbol, die den Skandal<br />

um sexuellen Missbrauch mit der Veröffentlichung<br />

eines Buches (siehe Mai/Juni-<strong>Pirouette</strong>)<br />

ins Rollen gebracht hatte, sagte, sie sei entsetzt,<br />

dass Gailhaguet jetzt eine Entschädigung<br />

haben wolle. Bei der großen Umbildung<br />

der Regierung Anfang <strong>Juli</strong> blieb Maracineanu<br />

im Amt; sie scheint also das Wohlwollen von<br />

Präsident Emmanuel Macron zu genießen.<br />

Asher Hill kritisiert<br />

kanadischen Verband<br />

Nach der hitzigen Debatte um Polizeigewalt und<br />

die Diskriminierung von Farbigen vor allem in<br />

den USA veröffentlichten sowohl die ISU als auch<br />

der kanadische Verband Stellungnahmen, in denen<br />

sie jeglichen Rassismus ablehnen und sagen,<br />

bei ihnen im Sport würden alle Menschen gleich<br />

behandelt, egal welche Hautfarbe sie haben. Anders<br />

als der kanadische Verband scheinheilig<br />

schreibe, sagte der dunkelhäutige ehemalige kanadische<br />

Eistänzer Asher Hill in einem Interview<br />

mit der Fernsehgesellschaft CBC, habe er von Anfang<br />

seiner Karriere an sehr wohl unter Rassismus<br />

und Homophobie gelitten, aber angesprochen<br />

habe man ihn darauf nie. Als er sich zum<br />

Beispiel als Trainer über negative Bemerkungen<br />

in seinem Verein in Brampton beklagte, habe er<br />

keine Antwort erhalten. Der Verband schrieb jedoch,<br />

man habe seine Vorwürfe von einer neutralen<br />

Person überprüfen lassen, die keine Diskriminierung<br />

bemerkte. Hill sagte, man habe alles<br />

unter den Teppich kehren wollen und sogar gedroht,<br />

ihn zu suspendieren oder seine Trainerlizenz<br />

einzuziehen. Dies bestreitet der Verband.<br />

Das kanadische Olympische Komitee schrieb, sie<br />

hätten auch keine Antwort auf alles, aber sie<br />

versuchten immer, etwas besser zu machen.<br />

Hill lief viele Jahre lang mit Kharis Ralph und<br />

war mit ihr unter anderem im Jahr 2011 Dritter<br />

der Nebelhorn Trophy und ein halbes Jahr später<br />

13. der WM, bevor er 2014 seine Läuferkarriere<br />

beendete und Trainer wurde.<br />

Reed/Ambrulevicius<br />

wechseln nach Montreal<br />

Das für Litauen startende Tanzpaar Allison Reed<br />

und Saulius Ambrulevicius (11. der EM <strong>2020</strong>)<br />

hat Oberstdorf und seinen bisherigen Haupttrainer<br />

Rostislav Sinicyn verlassen und wechselt in<br />

die Eistanzschule von Montreal (Ice Academy).<br />

Mitte <strong>Juli</strong> hielt sich wegen der Reisebeschränkungen<br />

Reed allerdings noch bei ihren Eltern in<br />

den USA auf, Ambrulevicius dagegen in Litauen<br />

und sie konnten nicht zusammen trainieren.<br />

Morgan Ciprès war geladen<br />

Der französische Paarläufer Morgan Ciprès hatte<br />

vor fast drei Jahren in den USA zwei 13-14<br />

Jahren alten Eisläuferinnen, die in derselben<br />

Halle trainieren wie er, Nacktfotos von sich geschickt.<br />

Dies wurde mit zwei Jahren Verspätung<br />

bekannt. Am 9. <strong>Juli</strong> dieses Jahres musste er vor<br />

der von der neuen Verbandspräsidentin Nathalie<br />

Péchalat gegründeten Disziplinkommission<br />

des französischen Verbandes aussagen, der sie<br />

selbst nicht angehört, weil sie keine Juristin ist.<br />

Sie sagte, sie wolle solche Probleme nicht mehr<br />

mit einem Klaps auf die Schulter regeln. Anfang<br />

<strong>August</strong> wollte der Verband dann bekanntgeben,<br />

ob Ciprès gesperrt wird, eine Strafe zahlen<br />

muss oder seine Paarlaufkarriere mit Vanessa<br />

James fortsetzen kann. In die USA wird er<br />

vermutlich nicht mehr einreisen wollen, denn<br />

dort läuft seit kurzem ein gerichtliches Verfahren<br />

gegen ihn, und er könnte bei der Einreise<br />

verhaftet werden. <br />

krk<br />

Alexandrovskaya<br />

beging Selbstmord<br />

Die Paarläuferin Ekaterina Alexandrovskaya<br />

hat sich das Leben genommen. Die Leiche der<br />

20-Jährigen wurde am 18. <strong>Juli</strong> neben einem<br />

Haus im Zentrum Moskaus gefunden, berichtete<br />

die Agentur TASS. 2017 gewann sie mit<br />

Harley Windsor die Junioren-WM und die<br />

erste ISU-Meisterschaft für Australien. „Ich<br />

bin am Boden zerstört über den traurigen und<br />

plötzlichen Tod von Katia“, schrieb Ex-Partner<br />

Windsor auf Instagram. <br />

tat<br />

13<br />

News


14<br />

Die Corona-Krise und der Sportverein<br />

Die Corona-Krise und<br />

der Sportverein<br />

ein kritischer Blick auf eine Entwicklung von Jörn Lucas<br />

Dieser Artikel beleuchtet die Probleme, die sich durch die Corona-Krise für den organisierten<br />

Sport ergeben haben. Dies geschieht zunächst einmal aus sportpolitischer,<br />

dann aus gesellschaftspolitischer Sicht, dann aus der Sicht der Sportvereine im<br />

Allgemeinen und der Großsportvereine im Besonderen.<br />

Foto: privat<br />

Vorangestellt werden soll, dass der Autor angewandte<br />

Kulturwissenschaft studiert hat und seit<br />

mehr als 23 Jahren als Geschäftsführer in Großsportvereinen<br />

arbeitet, seit 19 Jahren beim MTV<br />

Treubund Lüneburg von 1848 e.V., erfolgreicher<br />

Roll- und Eistänzer und Übungsleiter war und<br />

seit vielen Jahren Preisrichter im Eiskunstlaufen<br />

ist. Deshalb kann man fragen, ob sich ein Artikel<br />

wie dieser mit der Regelung der ISU verträgt,<br />

wonach Preisrichter Zurückhaltung in den Medien<br />

zu halten haben. Allerdings beschäftigt<br />

sich der Artikel mit den Sportarten Eis- und<br />

Rollkunstlaufen nur am Rande und gar nicht<br />

mit Preisrichtern.<br />

Aus sportpolitischer Sicht zeigt die Corona-Krise<br />

den tatsächlichen gesellschaftlichen Stellenwert<br />

des Sports. Entgegen der gehaltenen<br />

Sonntagsreden spielte der organisierte Sport in<br />

der beginnenden Corona-Krise keine Rolle. Es<br />

spielte keine Rolle, dass die größte Vereinigung<br />

von Menschen in Deutschland - der DOSB -<br />

von heute auf morgen seine Daseinsberechtigung<br />

verloren hat. Das war gesellschaftlich so<br />

irrelevant, dass der DOSB die eigene Bedeutungslosigkeit<br />

mit Schweigen begleitete. Erst<br />

nach quälenden 14 Tagen des sportpolitischen<br />

Scheintods legte der DOSB dann ein gutes,<br />

wirksames und hilfreiches Papier vor: „Sportdeutschland<br />

bietet aktive Mithilfe“ an. Darin<br />

enthalten: Die „Zehn Leitplanken des Sports“,<br />

die sich so oder ähnlich dann in den meisten<br />

Landesverordnungen wiederfinden. Nach diesem<br />

nicht gering einzuschätzenden Positionspapier<br />

ist der DOSB jedoch wieder in seine Bedeutungslosigkeit<br />

zurückgefallen. Es gab außer<br />

Ankündigungen keine wesentlichen Sport- oder<br />

gesellschaftspolitischen Initiativen. Auch die<br />

angekündigten finanziellen und organisatorischen<br />

Hilfen waren unbedeutend. Wie wenig<br />

der DOSB seine sportpolitische Verantwortung<br />

mit Nachdruck zu Gehör gebracht hat, kann<br />

man daran erkennen, wie wenig sich für die<br />

Nicht-Fußball-Profisportarten eingesetzt wurde.<br />

Es ist ja der Hohn, dass der Profi-Fußball<br />

nach nur kurzer Zeit wieder trainieren durfte,<br />

andere Profisportarten jedoch nicht. Kein Aufschrei<br />

und Einforderung von Gleichbehandlung,<br />

und kein einziges Wort der Kritik daran war zu<br />

vernehmen. Selbst Golfern wurde das Training<br />

nicht gestattet. Und dass den Pferden das Risiko<br />

der Ansteckung durch seine Reiter erspart<br />

geblieben ist, war auch wohl eher ein Akt des<br />

Tierschutzes als Ergebnis einer sportpolitischen<br />

Überlegung.<br />

Erwähnenswert wäre noch, dass zu Beginn der<br />

Krise zwei kommerzielle Großveranstaltungen<br />

die sportpolitische Diskussion bestimmten: Die<br />

Fußball-Europameisterschaft und die Olympischen<br />

Spiele. Hierzu möchte ich lieber nicht viel<br />

sagen, denn Meinungsfreiheit ist nicht unbedingt<br />

das verbreitetste Recht in demokratiearmen<br />

Organisationen. Außerdem haben die<br />

sportlich angehauchten Disneyland-Ableger alle<br />

vier Jahre wenig mit dem Problem des organisierten<br />

Sports zu tun.<br />

Dass andere da anders agieren, kann man in der<br />

Fitnesswirtschaft erkennen. Bereits am 9. April<br />

äußert der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg<br />

(Az 1 S 925/20) erhebliche Zweifel, dass<br />

die Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg<br />

verfassungskonform sei, ohne allerdings<br />

die Verordnung zu kippen. Ein entsprechender<br />

Beschluss des VerwG Hamburg wird durch Beschluss<br />

des OVG Hamburg am 22.05.<strong>2020</strong> einkassiert.<br />

Auch ein ähnlicher Beschluss des VerwG<br />

Niedersachsen kann keine Bewegung erzeugen.<br />

Gleichwohl zeigt diese Branche mehr Zähne und<br />

der rechtliche Druck ergehender Urteile landauf<br />

und landab bewegen die Landesregierungen<br />

dazu, in ihren Corona-Verordnungen Spielräume<br />

einzubauen. Es zeigt sich, dass das politische<br />

und rechtliche Gewicht der betreffenden Verbände<br />

- als Beispiel sei hier der Deutsche Sportstudioverband<br />

(DSSV) genannt - bedeutend höher<br />

einzustufen ist als der des DOSB. Einzig um<br />

den Hochleistungssport wird sich etwas bemüht.<br />

So durften in Niedersachsen gleichzeitig mit den<br />

Profi-Fußballern die Sportler des Olympia-Kaders<br />

und des Perspektivkaders sehr frühzeitig im April<br />

wieder trainieren. Andere Bundesländer sind da<br />

nachgezogen, wobei Thüringen das Kunststück<br />

fertig gebracht hat, den Trainingsbetrieb erst<br />

sehr spät zu erlauben, bei dem allgemeinen Kontaktverbot<br />

jedoch als erstes Bundesland zu „lockern“.<br />

Statt gemeinsamer Lösungen für alle<br />

werden Einzellösungen für wenige gesucht. Ein<br />

augenöffnendes Beispiel sei hier eine Besonderheit<br />

des Landes Niedersachsen genannt: Die aktuelle<br />

Regelung vom 22.<strong>06</strong>.<strong>2020</strong> (und auch<br />

schon vorher) besagt in § 1 Absatz 8, dass die<br />

„Sportausübung (..) zulässig (sei), wenn (…) diese<br />

kontaktlos zwischen den beteiligten Personen<br />

erfolgt (und) ein Abstand von mindestens zwei<br />

Metern jeder Person zu jeder anderen beteiligten<br />

Person, die nicht zum eigenen Hausstand gehört,<br />

jederzeit eingehalten wird (…). Mit äußerstem<br />

Erstaunen hat der Autor festgestellt, dass trotz<br />

dieser Regelung nicht nur das Training, sondern<br />

auch die Punktspiele im Doppel im Tennis wieder<br />

erlaubt seien. Auf Nachfrage sei versichert worden,<br />

es habe ein entsprechendes Gespräch mit<br />

dem Innenminister gegeben. Ich glaube nicht erwähnen<br />

zu müssen, dass es keine entsprechende<br />

Klarstellung für andere Sportarten gegeben hat.<br />

Sportliche Solidarität? Fehlanzeige! Lobbyarbeit<br />

durch Verbände? Fehlanzeige!<br />

Aus gesellschaftspolitischer Sicht ist die Corona-<br />

Krise ein Lehrstück im Föderalismus. Schon aus<br />

dem Bildungswesen kennen wir die besondere<br />

Vielfalt in Deutschland. Aber was das Krisenmanagement<br />

angeht, erscheint die Vielfalt ja grenzenlos.<br />

Man könnte es auch als Chaos bezeichnen.<br />

Staatspolitisch ist es nicht zu beanstanden,<br />

wenn 16 Länder die Krisen in ihrer eigenen Verantwortung<br />

lösen wollen, denn immerhin ist<br />

Aufgabe und Pflicht der Länder, sich genau darum<br />

zu kümmern. Nur leider war es so unkoordiniert,<br />

dass die koordinierende Funktion der Bundesregierung<br />

ab Ende März durchweg als angenehm<br />

empfunden worden ist. Von Ende März an<br />

waren vier Wochen die Regeln bundesweit sehr<br />

vergleichbar und es herrschte ein allgemeiner<br />

gesellschaftlicher Konsens. Das zerbröselte dann<br />

und seit Mitte/Ende April fand der zu Recht als<br />

„Lockerungsorgie“ zu bezeichnende Wettlauf der<br />

Landesregierungen statt, der zur Auflösung des<br />

gesellschaftlichen Konsens führte. Ich wohne in<br />

Schleswig-Holstein und fahre durch Hamburg<br />

nach Niedersachsen zur Arbeit und stelle das<br />

allgemeine Organisationschaos fest. Was hier<br />

verboten ist, ist dort erlaubt.<br />

Der Sündenfall begann aber auch schon ganz am<br />

Anfang, als schon sehr frühzeitig den modernen<br />

Gladiatoren des Profi-Fußballs Training erlaubt<br />

und der Wiederbeginn der Punktspiele erlaubt<br />

wurden. Ich nenne das bewusst im Bereich der<br />

gesellschaftspolitischen Sicht, denn es geht in<br />

diesem Fall darum, dass da als Kontaktverbot und<br />

Abstand das allgemein akzeptierte Kernstück der<br />

Maßnahmen unter Ignorierung der Gefahren für<br />

die Gesundheit der Sportler (und der Entourage)<br />

ad absurdum geführt wurde. Dass eine Sportart,<br />

die unter Beachtung von Abstands- und Kontaktarmutsregeln<br />

gar nicht denkbar ist, als erste wie-


15<br />

der trainieren durfte und auch als erstes wieder<br />

in den Medien stattfinden konnte, ist die erbärmlichste<br />

politische Entscheidung seit der Steuerbefreiung<br />

von Flugbenzin.<br />

Was bedeutet das Ganze für die kleinen und<br />

großen Sportvereine?<br />

Der Niedersächsische Landessportbund hat eine<br />

Befragung seiner Vereine durchgeführt. Die<br />

überragende Mehrheit gerät durch die Corona-<br />

Krise nicht in existenzbedrohende Situation. Das<br />

überrascht nur auf den ersten Blick: Wer kein<br />

Eigentum besitzt und keine Mitarbeiter oder<br />

sonstige laufende Kosten zu tragen hat, den<br />

trifft die Einstellung seiner Tätigkeit nicht in<br />

seiner Existenz. Die herausragende Anzahl der<br />

deutschen Sportvereine hat kein oder wenig Eigentum<br />

und beschäftigt keine Mitarbeiter, die<br />

auch in Krisenzeiten weiter zu bezahlen sind.<br />

Und wenn Kosten da sind, dann können sie aus<br />

den Beiträgen bestritten werden. Denn Vereine<br />

haben ein Privileg aus ihrer besonderen rechtlichen<br />

Struktur: Die Vereinsbeiträge können nicht<br />

nur, sie müssen weiter erhoben werden. Vereinsbeiträge<br />

werden nämlich nicht erhoben, weil<br />

man etwas tun kann, nachdem man sie bezahlt<br />

hat, und im Umkehrschluss sie nur zu zahlen<br />

sind, wenn man es tut. Die Vereinsbeiträge werden<br />

auf Grund der Mitgliedschaft erhoben: Wer<br />

Mitglied ist, zahlt seinen Beitrag, weil er Mitglied<br />

ist. Ob er aktiv den Zweck des Vereins ausübt<br />

oder nicht, ist dabei irrelevant. Mehr noch:<br />

Die Einforderung der Beiträge auszusetzen,<br />

bringt mehrfache Gefahren mit sich: Es wird<br />

beschrieben, dass die Aussetzung von Vereinsbeiträgen<br />

die Gemeinnützigkeit gefährden würde<br />

– was für den Sportverein der Super-Gau<br />

darstellen würde, denn die Gemeinnützigkeit ist<br />

eine der Voraussetzungen für die Mitgliedschaft<br />

in den Sportverbänden und damit die Voraussetzung<br />

für den Wettkampfsport. Eine zweite<br />

Gefahr ist, dass die Vorstände sich dadurch<br />

möglicherwiese untreu verhalten. Untreue ist<br />

eine Straftat und ein Offizialdelikt, was bedeutet,<br />

der Staat muss von sich aus ermitteln.<br />

Das Risiko für die kleinen Sportvereine ist also<br />

gering. Die hauptsächlich genannte Sorge:<br />

Mitgliederschwund und sinkende sportliche<br />

Leistungen durch Trainingsmangel sind zwar<br />

nicht von der Hand zu weisen, existenzbedrohend<br />

sind sie jedoch nicht.<br />

Ein existenzbedrohendes Risiko liegt jedoch in<br />

der Bereitstellung der Sportanlagen. Wenn die<br />

Krise in den kommunalen Kassen voll durchschlägt<br />

(sinkende Gewerbesteuereinnahmen<br />

durch Insolvenzen, erhöhte Sozialausgaben<br />

durch Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit, Bau zusätzlicher<br />

Räume in Kitas und Schulen) bleibt<br />

den Kommunen nichts anderes übrig, als bei<br />

den Nicht-Pflichtaufgaben zu sparen. Und da<br />

wären die Schwimmhallen und Eisbahnen die<br />

ersten Themen, die einem einfallen. Es bleibt<br />

abzuwarten, ob diese Befürchtung eintritt.<br />

Das Risiko steigt, je größer der Sportverein<br />

wird. Wer Eigentum hat, der muss dies weiter<br />

pflegen. Wer Mitarbeiter hat, muss diese weiterbezahlen,<br />

und wer einen wesentlichen Teil<br />

seiner Einnahmen aus Nichtbeiträgen bestreitet<br />

und seine Ausgaben auf diese Einnahmen<br />

mit ausrichtet, der hat ein Problem.<br />

Am Beispiel des MTV Treubund Lüneburg kann<br />

dieses Problem aufgezeigt werden: Der Verein<br />

besitzt eigene Sportanlagen. An drei Standorten<br />

gibt es drei Vereinsheime mit jeweils einer<br />

Gaststätte und Sporträumen (fehlende Mieteinnahmen),<br />

die Anlagen müssen aber weiter<br />

gepflegt und betrieben werden (Personalkosten<br />

für Platzwarte, Hausmeister, Reinigungskräfte<br />

usw. laufen weiter), das Ganze muss<br />

weiter verwaltet werden (Personalkosten für<br />

Verwaltung laufen weiter). Der Verein betreibt<br />

ein eigenes Fitness-Studio, eine Kindersportschule<br />

und ein Bewegungsbecken (die Raumkosten<br />

laufen unverändert weiter). Nicht stattfinden<br />

kann der durch Kursbetrieb (Präventionsangebote),<br />

Fitness, Schwimmen-Lernen, Yoga)<br />

und der Rehabilitationssport (über 2.000 Menschen<br />

in unserem Verein betreiben Reha-Sport<br />

und die Krankenkassen bezahlen pro nachgewiesenem<br />

Teilnehmer). Dem Verein fehlen durch<br />

fehlende Einnahmen im 2. Quartal <strong>2020</strong> über<br />

160.000 Euro. Auch wenn einige Mitarbeiter in<br />

Kurzarbeit geschickt werden konnten und die<br />

ehrenamtlichen Übungsleiter nicht bezahlt worden<br />

sind, bleibt die Lücke groß. Am Rande anzumerken<br />

ist, dass die ersten, die Ihre Miete gekündigt<br />

haben – zum Beispiel die Wasserzeit im<br />

Bewegungsbecken oder die Nutzung des Sportplatzes<br />

– staatliche Stellen waren.<br />

Die Krise läuft langsam aus und noch ist es zu<br />

früh, die Bestandsaufnahme des Schadens zu<br />

machen. Bei einer Schätzung von fehlenden<br />

160.000 Euro im zweiten Quartal, sind der bereits<br />

geflossene Zuschuss von 20.000 Euro aus<br />

Bundesmitteln, die Erstattungen aus dem Kurzarbeitergeld<br />

und die noch nicht bewilligten Anträge<br />

an den Landkreis Lüneburg und die Toto-<br />

Lotto-Stiftung nur eine kleine Hilfe. Gleichwohl<br />

ist der Autor optimistisch, dass die Krise überstanden<br />

wird.<br />

Und wie sieht es mit dem Sport aus?<br />

Beim MTV Treubund läuft ein großer Teil des<br />

Sportbetriebes wieder. Das Bewegungsbecken<br />

konnte am 22. Juni wieder geöffnet werden und<br />

alle Sporthallen stehen wieder zur Verfügung.<br />

Aber noch nicht alle Teilnehmer und Übungsleiter<br />

sind wieder an Bord. Viele Sportarten trainieren<br />

kontaktarm. Die Folgen werden sich in<br />

der nächsten Saison zeigen. Wir werden sehen,<br />

wie es weiter geht.<br />

•••<br />

Die Corona-Krise und der Sportverein<br />

Vasiliev Nationaltrainer<br />

in Weißrussland<br />

Der Paarlauf-Olympiasieger Oleg Vasiliev ist<br />

jetzt Nationaltrainer von Weißrussland und arbeitet<br />

seit dem 1. <strong>Juli</strong> fest vor Ort. Mitgebracht<br />

hat er ein russisches Paarlaufpaar, Bogdana Lukashevich/<br />

Alexander Stepanov, die die Freigabe<br />

von Russland erhalten haben. Der russische Verband<br />

habe einigen anderen Sportlern jedoch die<br />

Freigabe verweigert, sagte Vasiliev der weißrussischen<br />

Webseite sb.by. Die Bedingungen in<br />

Weißrussland seien gut, er sehe Chancen, dass<br />

sich eine Dame, ein Herr und ein Paarlaufpaar<br />

für die Olympischen Spiele in Peking qualifizieren<br />

könnten. In der ehemaligen Sowjetrepublik<br />

gab es keine Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie,<br />

dort konnten die Eiskunstläufer<br />

normal trainieren.<br />

Anna Duskova hört auf<br />

Die tschechische Paarläuferin Anna Duskova<br />

hat ihre Eiskunstlauf-Karriere beendet. „Ich<br />

habe die wohl schwerste Entscheidung meines<br />

Lebens getroffen. Der Grund dafür ist mein<br />

Kampf mit vielen Verletzungen in den vergangenen<br />

zwei Jahren“, schrieb die 20-Jährige auf<br />

Instagram. Nach ihren zwei Knie-Operationen<br />

habe sie andere Verletzungen gehabt und nicht<br />

mehr kontinuierlich trainieren können. Mit ihrem<br />

ersten Partner Martin Bidar gewann die<br />

Tschechin 2016 den ersten Junioren-WM-Titel<br />

Anzeige<br />

für ihr Land. Bei den<br />

Olympischen Spielen<br />

2018 belegte das vielversprechende<br />

Duo<br />

den 14. Platz. Nach<br />

der Saison trennte<br />

sich das Paar, weil sie<br />

sich nicht über ihren<br />

künftigen Trainingsort<br />

einigen konnten. Duskova, die in Prag ein Medizinstudium<br />

begann, wollte ihre Karriere mit<br />

Radek Jakubka fortsetzen, aber wegen der Verletzungsprobleme<br />

traten sie nie bei einem<br />

Wettkampf an. Ex-Partner Bidar erhielt nun<br />

endlich die Freigabe für seine russische Partnerin<br />

Elizaveta Zhuk.<br />

Junhwan Cha als Sänger<br />

Der Koreanische Meister Junhwan Cha trat erfolgreich<br />

in der koreanischen Musikshow „Der<br />

König der maskierten Sänger“ auf. Dabei sang<br />

er mit einem bunten Pappkarton über dem Kopf<br />

zwei romantische Lieder, begeisterte das Publikum<br />

und enthüllte seine Identität am Ende. Zuvor<br />

war der Sportler in einer Talkshow in Korea<br />

zu sehen und erzählte, dass er als Kind zunächst<br />

Schauspieler in TV-Filmen und Werbespots<br />

gewesen sei. Er habe Klavier und Geige<br />

gespielt sowie Ballett, Taekwondo und eben<br />

auch Eislaufen trainiert, um möglichst viele<br />

Rollen darstellen zu können. Am Ende aber<br />

blieb der 15. der Olympischen Spiele von 2018<br />

beim Eiskunstlauf hängen. <br />

tat


16<br />

<strong>Juli</strong>-Training in Egna<br />

Sommertraining<br />

Trainingsbesuch<br />

in Egna<br />

Nach der schlimmen Lage im Frühjahr<br />

hat Italien mit viel strengeren<br />

Ausgangsbeschränkungen als Deutschland<br />

das Coronavirus einigermaßen in<br />

den Griff bekommen. Daher durfte ich<br />

am 10. und 11. <strong>Juli</strong> im etwa 20 Kilometer<br />

südlich von Bozen gelegenen Egna<br />

in die Würth Arena, in der 2017 und<br />

2019 schon zwei Junioren Grand Prix<br />

und zuletzt im Februar <strong>2020</strong> die Egna<br />

Dance Trophy stattgefunden hatten.<br />

Seit Ende Mai ist sie wieder offen.<br />

Cheftrainer Lorenzo Magri von der „Young Goose<br />

Academy“ gönnte sich in der Woche meines<br />

Besuches einen fünf Tage langen Strandurlaub<br />

an der Adria, denn auch der lebenslustige Trainer<br />

durfte seinen Wohnort Bozen drei Monate<br />

lang nicht verlassen. Aber die anderen Kunstlauftrainer,<br />

insbesondere Eva Martinek und Zsolt<br />

Kosz, waren den ganzen Tag auf dem Eis. Ein in<br />

Kopfhöhe senkrecht aufgestelltes Tablet misst<br />

automatisch die Stirntemperatur jedes Eintretenden<br />

aus 30 - 40 cm Entfernung und schnarrt<br />

dann auf Englisch mit grüner Lampe: „Sie dürfen<br />

vorbeigehen“ oder mit rotem Licht und<br />

Alarmton: „Sie dürfen nicht vorbeigehen“. Jeder<br />

Läufer hat seinen eigenen nummerierten Stuhl<br />

an der Bande im Abstand von zwei Metern zum<br />

nächsten Stuhl und muss sich dort umziehen,<br />

denn die Umkleidekabinen bleiben verschlossen.<br />

Mehrmals am Tag werden die Stühle desinfiziert.<br />

Masken sind für alle obligatorisch, bis sie<br />

aufs Eis gehen. Ein- und Ausgang sind an verschiedenen<br />

Seiten der Halle, aber beide Bestimmungen<br />

wurden im <strong>Juli</strong> nicht mehr systematisch<br />

eingehalten.<br />

Grassl mit neuem Vierfachen<br />

Bester Läufer von Magris „Boygroup“ ist der<br />

EM-Vierte Daniel Grassl. Vom März bis Mai<br />

durfte der 18-Jährige sein Elternhaus in Meran<br />

so gut wie gar nicht verlassen, nur mit einer offiziellen<br />

Bescheinigung, in die er eintragen<br />

musste, welchen dringenden Grund dies hatte,<br />

auch das Einkaufen war stark eingeschränkt.<br />

Magri entwickelte für alle Schüler Online-Kurse:<br />

Trockentraining im Garten oder Hinterhof, Tanz<br />

zu Musik und mehr. Als Grassl wieder rausgehen<br />

durfte, trainierte er zuerst kurz in Bozen, auch<br />

bei einem Tanzlehrer, und ab 1. Juni wieder in<br />

Egna. Nachmittags fand Online-Schulunterricht<br />

statt, denn das Abitur stand an. Das schriftliche<br />

war abgeschlossen, für das mündliche musste er<br />

in der Woche nach meinem Besuch nach Rom<br />

fahren, um an einem Tag elf mündliche Prüfungen<br />

à 15 Minuten abzulegen. Anschließend soll-<br />

te er gleich einen einwöchigen Lehrgang bei der<br />

Sportpolizei absolvieren, die ihn aufgenommen<br />

hat und die mit den deutschen Sportsoldaten<br />

vergleichbar ist. Außerdem war der im April 18<br />

Jahre alt gewordene Läufer gerade dabei, den<br />

Führerschein zu machen, damit er in Zukunft<br />

alleine zum Training fahren kann. Ende <strong>Juli</strong> sollte<br />

es dann nach Courchevel zu weiterem Sommertraining<br />

bei Magri und seinem Choreografen<br />

Benoît Richaud gehen. Am Samstag meines Besuches<br />

kam er gerade von fünf freien Tagen und<br />

einer Kurzreise nach Venedig zurück und wollte<br />

die nagelneuen Schlittschuhe ausprobieren.<br />

Etwa drei Tage brauche er immer für das Einlaufen.<br />

Das von ihm erhoffte Sommertraining bei Eteri<br />

Tutberidze musste er streichen, denn er darf<br />

ohne Quarantäne nicht nach Russland einreisen.<br />

Von dem Hin und Her der ISU für die Wertigkeit<br />

der vierfachen Sprünge lässt er sich nicht nervös<br />

machen (siehe Zitat).<br />

Sein neues KP hat einen ganz anderen Musikstil<br />

als die bisherige Klassik und er wollte die Musik<br />

im <strong>Juli</strong> noch nicht verraten. Die Kür will er zur<br />

Musik des Films „Joker“ laufen, einstudiert hat<br />

er beide Programme wieder mit Richaud. Erster<br />

»„Wenn der 4R genauso viele Punkte wie der<br />

4F und 4L erhält, ist das ein Vorteil für mich,<br />

denn der 4R ist mein stabilster Vierfacher.<br />

Für ihn ist besondere Konzentration nötig<br />

und besonders viel Rotation, mehr als beim<br />

4L, da muss man einfach drauflos gehen und<br />

abspringen und erhöht mit dem zweiten Fuß<br />

die Höhe. Außerdem will ich in dieser Saison<br />

vielleicht noch den 4S für die Kür hinzunehmen,<br />

denn der klappte recht gut. Mir gefällt<br />

außerdem, dass die ISU das „q“ einführen<br />

«<br />

will. Der Basiswert soll nicht sinken, sondern<br />

nur die Ausführung. Dann werden nicht<br />

mehr so viele Punkte abgezogen. Für das<br />

Vordrehen haben die Preisrichter keine Zeitlupe,<br />

in der sie alles ganz genau sehen können,<br />

die haben nur die Spezialisten. Daher ist<br />

das schwer zu bewerten und letztlich dreht<br />

fast jeder Läufer etwas vor.“<br />

Daniel Grassl:<br />

Daniel Grassl, Fotos:. Kany<br />

Wettbewerb soll evtl. die Nebelhorn Trophy<br />

werden, denn, so sagte er, „die Deutschen organisieren<br />

den Wettbewerb immer gut und haben<br />

auch am wenigsten Corona-Probleme.“ Dann<br />

hofft er auf zwei Grand Prix, aber wenn die Serie<br />

nicht stattfindet, will er zwei andere Wettbewerbe<br />

laufen. Einziger Junioren-Wettbewerb<br />

soll die Junioren-WM werden, wo auch immer<br />

sie stattfindet. Nationale Meisterschaft, EM und<br />

WM sind fest eingeplant.<br />

Starostin und Todeschini<br />

Nikita Starostin war schon seit Anfang März<br />

nicht mehr zu Hause in St. Petersburg: Als der<br />

Luxemburger Wettbewerb ausfiel, ging er zur<br />

Choreografie zu dem ehemaligen ungarischen<br />

Eistänzer Adam Solya. Dieser ist bei der DEU inzwischen<br />

ein gefragter Choreograf, hatte einst<br />

in Berlin bei Hendryk Schamberger trainiert, und<br />

war später nach Belgien ausgewandert. Im Mai<br />

kam Starostin mit ihm nach Oberstdorf und Anfang<br />

<strong>Juli</strong> mit ihm nach Egna. Von hier aus ging<br />

es am 12. 7. zurück nach Oberstdorf, weil der<br />

Läufer dort am DEU-Camp für Junioren teilnehmen<br />

wollte. „Ich hoffe, die Grenze nach Russland<br />

wird im <strong>August</strong> ohne Quarantäne geöffnet<br />

und ich kann auch mal wieder nach Hause zu


17<br />

meiner Mutter“, sagte er mir in Egna. „Aber so<br />

lange ich Eislaufen kann und nicht verletzt bin,<br />

so wie zurzeit, bin ich glücklich.“ Mit inzwischen<br />

18 Jahren ist er recht selbständig, außer<br />

dass er noch keinen Führerschein hat, sondern<br />

immer auf Mitfahrgelegenheiten mit Adam Solya<br />

angewiesen ist. Sein Englisch ist deutlich<br />

besser geworden und Deutsch will er ab September<br />

ebenfalls systematisch lernen, weil er<br />

den Sprachtest machen will, der für die deutsche<br />

Staatsbürgerschaft obligatorisch ist.<br />

In Oberstdorf wird entschieden, ob er Junioren<br />

Grand Prix läuft (falls die Serie überhaupt stattfindet),<br />

aber sein Fokus liegt auf der Meisterklasse:<br />

„Ich will im <strong>August</strong> das DEU-Sichtungslaufen<br />

mitmachen und im Dezember an den<br />

Deutschen Meisterschaften teilnehmen. Dort<br />

will ich mich für die EM qualifizieren, denn es<br />

gibt zwei Startplätze,“ sagte er selbstbewusst.<br />

Das neue KP läuft er zu „Latch“ des britischen<br />

Elektronik-Duos „Disclosure“ mit Sänger Sam<br />

Smith. Die Kür zu einem Tango-Medley wird er<br />

mit neuer Choreografie beibehalten. Zwei 3A<br />

sind in die Kür integriert und ein Vierfacher ist<br />

im Laufe der Saison geplant. Nach seinem Training<br />

musste er auf Solya warten, der noch andere<br />

Schüler unterrichtete. Einstweilen ging er<br />

bei 33 Grad Außentemperatur ins Freibad neben<br />

der Eishalle, um seinen für einen Eisläufer ungewöhnlich<br />

braungebrannten Körper noch weiter<br />

der Sonne auszusetzen und sich in das Wasser<br />

zu stürzen.<br />

Nikita Starostin<br />

Nicola Todeschini<br />

Der französischsprachige Schweizer Nicola Todeschini<br />

ist in der zweiten Saison in Egna und<br />

trainiert hauptsächlich bei der Österreicherin<br />

Eva Martinek. Auch er konnte drei Monate lang<br />

nur per Skype mit den Betreuern kommunizieren.<br />

Sein Hauptziel ist die Teilnahme an der<br />

kommenden EM und WM, denn er hatte das<br />

Minimum geschafft. Dafür muss er vor allem<br />

den anderen Schweizer Lukas Britschgi schlagen,<br />

dem die Mindestpunktenzahlen noch fehlen<br />

(siehe Seite 18). Der 4T klappt schon, aber er<br />

will außerdem den 4S in die Programme einbauen.<br />

Auch der 3A sei stabil, sagt er: „Ich habe<br />

jetzt viele anspruchsvollen Schritte in meinen<br />

Programmen, denn meine Komponenten müssen<br />

steigen.“ Seine KP-Musik ist „Dark Times“ von<br />

Ed Sheeran und „Blinding Lights“ von „The<br />

Weeknd“. Die Kür zu „Who Wants to Live Forever“<br />

von Queen will er beibehalten. Langfristiges<br />

Ziel ist die Teilnahme an den kommenden<br />

beiden Olympischen Spielen.<br />

Tomas Guarino<br />

Tomas Guarino ist in der zweiten Saison in Egna<br />

und wechselt die Nation. Denn statt für die<br />

Schweiz startet der 21-Jährige ab Mitte <strong>No</strong>vember<br />

für Spanien, dem Heimatland seiner Eltern.<br />

Er hat gute Gründe: „Bei der EM <strong>2020</strong> war<br />

kein Spanier dabei, weil niemand das Minimum<br />

geschafft hatte. Ich hatte es, konnte aber nicht,<br />

weil es in der Schweiz ein paar ziemlich gute<br />

Läufer gibt, die ich nicht schlagen konnte. Mein<br />

letzter Wettbewerb für die Schweiz war Andorra<br />

im <strong>No</strong>vember, daher kann ich ab Ende <strong>No</strong>vember<br />

für Spanien starten, erstmals wahrscheinlich<br />

bei den nationalen Meisterschaften im Dezember.<br />

Ein Saisonziel ist, auch die WM-<strong>No</strong>rm zu<br />

schaffen, aber dafür müsste ich noch einen<br />

Vierfachen lernen, der mir leichter fällt als der<br />

3A.“ Das KP läuft er zu „Angels and Demons“ in<br />

einer Interpretation von Edvin Marton, die Kür<br />

bleibt „A Day in the Life“ von den Beatles, aber<br />

in einer bearbeiteten Version. Neben dem Eislaufen<br />

studiert er online Informatik. Nicht angetroffen<br />

habe ich den EM-13. Gabriele Frangipani<br />

aus Egna, weil er in Courchevel bei Benoît<br />

Richaud war, und den Österreicher Luc Maierhofer,<br />

weil er sich im Training leicht am Knie<br />

verletzt hatte. Auf dem Eis gesehen habe ich<br />

dagegen die EM-22. Eliska Brezinova, die<br />

Schwester von Michal Brezina. Aber später mit<br />

der Maske konnte ich sie nicht mehr erkennen<br />

und zum Kurzinterview einladen.<br />

Neue Tanzschule<br />

Die Hallenbetreiber bleiben ehrgeizig und engagierten<br />

den italienischen Tanztrainer Matteo<br />

Zanni, der zuvor in Geneva nahe Chicago und<br />

davor in Mailand aktiv war und jetzt eine Tanzschule<br />

in Egna aufbauen soll. Er hatte auch<br />

schon mit Anjelika Krylova zusammengearbeitet<br />

und ist zurzeit ihr „Westeuropa-Assistent“,<br />

solange die Paare aus dieser Region nicht nach<br />

Russland dürfen.<br />

Der letzte Wettbewerb der Krylova-Schüler Adelina<br />

Galyavieva und Louis Thauron war die Egna<br />

Dance Trophy im Februar. Danach mussten die<br />

12. der EM in Graz drei Monate zu Hause in<br />

Frankreich bleiben und durften nur Hebungen<br />

und Konditionstraining machen und erst im Juni<br />

in Courchevel aufs Eis. Ende Juni konnten sie<br />

erstmals nach Italien reisen und trainieren seitdem<br />

mit Matteo Zanni in Egna, aber stets in<br />

Absprache mit Anjelika Krylova, die weiterhin<br />

ihre Haupttrainerin ist. Den Rhythmustanz zum<br />

Musical Mamma Mia werden sie zunächst beibehalten<br />

und wollen ihn evtl. später in der Saison<br />

ändern. Die Musik der neuen Kür wollten sie<br />

noch nicht bekanntgeben. Begeistert waren sie<br />

von der Wahl von Nathalie Péchalat als neuer<br />

Verbandspräsidentin. Thauron sagte: „Dass eine<br />

Eistänzerin Präsidentin wurde, ist natürlich toll.<br />

Wir haben eine sehr gute Beziehung zu ihr, sie<br />

ist sehr professionell und wird bestimmt alles<br />

tun, um die Sportler zu unterstützen. Denn das<br />

ist ja die Aufgabe eines Verbandes.“ Saisonziel<br />

ist, wieder Paar Nummer zwei in Frankreich zu<br />

werden, sich für EM und WM zu qualifizieren<br />

und im Folgejahr für die Olympischen Spiele<br />

2022. Erster Wettbewerb soll der Masters Anfang<br />

Oktober sein, falls er stattfindet. Sie studiert<br />

online Politikwissenschaften in Paris und<br />

er will im Dezember eine renommierte Wirtschaftshochschule<br />

in Lyon abschließen.<br />

Adelina Galyavieva und Louis Thauron<br />

Ebenfalls bei Zanni trainieren Natalie Taschlerova<br />

(18) und Filip Taschler (20) aus dem tschechischen<br />

Brünn, die bei der EM Platz 19 und bei<br />

der Junioren-WM Rang 16 belegt hatten. Sie<br />

sind mit Zanni vom Raum Chicago nach Egna<br />

umgezogen und sind glücklich, dass der tschechische<br />

Verband ihren ganzjährigen Aufenthalt<br />

(Fortsetzung auf Seite 18)<br />

<strong>Juli</strong>-Training in Egna<br />

Sommertraining


18<br />

Juni-Training in Oberstdorf<br />

Sommertraining<br />

Besuch in Oberstdorf<br />

Mein alljährlicher Juni-Besuch in Oberstdorf war diesmal etwas verzögerter als der<br />

in Berlin, denn Anfang Juni durften wegen des Corona-Virus nur einige Läufer und<br />

Trainer in bayrische Eishallen, aber sonst niemand. Erst nach weiteren staatlichen Lockerungen<br />

konnte mich das Sportamt registrieren und mir eine Gästekarte für den 25.<br />

Juni ausstellen. Natürlich hielt ich bei allen Interviews den vorgeschriebenen Abstand<br />

ein und sprach mit einigen Läufern auch gerne draußen vor dem Haupteingang. Die<br />

Bavarian Open finden übrigens deshalb schon im Januar statt, weil die Halle 1 ab Anfang<br />

Februar abgetaut wird und als Pressezentrum für die <strong>No</strong>rdische Ski-WM dienen<br />

soll. Diese beginnt allerdings erst ab 23. Februar, falls sie überhaupt stattfinden kann.<br />

Die Seile für die Nebelhornbahn waren abmontiert, weil an gleicher Stelle bis Ende März<br />

2021 eine ganz neue Seilbahn ohne Umstieg an der Mittelstation gebaut wird.<br />

Nicole Schott war zunächst einige Wochen in<br />

Essen und seit Mai wieder in Oberstdorf bei Michael<br />

Huth; die gesundheitlichen Probleme waren<br />

ausgeheilt. Ihr neues KP läuft sie zur Musik<br />

des Films „What a Feeling“ und die Kür zum<br />

„Winter“ aus Vivaldis Vier Jahreszeiten. Der erste<br />

Wettbewerb soll wie üblich nicht zu früh<br />

sein, sondern geplant war der Challenger-Wettbewerb<br />

im Oktober in Budapest, gefolgt eventuell<br />

von Grand Prix, falls sie welche erhält und<br />

die Wettbewerbe überhaupt stattfinden. Ihre<br />

Elemente sollen im Wesentlichen so bleiben wie<br />

bisher. Die geplante Ausbildung zur Bürokauffrau<br />

musste sie verschieben.<br />

Anett Pötzsch war mit mehreren Läufern aus<br />

Mannheim angereist, denn dort gab es im Frühsommer<br />

kein Eis. Nathalie Weinzierl bedauerte<br />

noch einmal, dass sie ihr Comeback nach mehreren<br />

Verletzungen nicht schon im März bei der<br />

Frühlings Trophy im Südtiroler Egna trotz ausgeheilter<br />

Beschwerden beginnen konnte und<br />

hofft nun auf die Nebelhorn Trophy. Ende <strong>Juli</strong><br />

sollte die Nebenhalle der Mannheimer SAP-Arena<br />

wieder zur Verfügung stehen, aber eine Universitätsklausur<br />

und die Bachelorarbeit musste<br />

sie wegen Corona verschieben. Immerhin konnte<br />

sie Vorlesungsaufzeichnungen in Jura hochladen,<br />

auch mehrmals. Da sie in der vergangenen<br />

Saison keinen Wettbewerb laufen konnte, wird<br />

sie beide Programme behalten: Das KP zu Lady<br />

Marmalade und Moulin Rouge von Christina<br />

Aguilera und die Kür zu „ A Time for Us“ von<br />

George Davidson. Sie hat 3-3-Kombinationen<br />

wieder in Angriff genommen, wollte bis September<br />

3L-3T sowie die Biellmann-<strong>Pirouette</strong><br />

wieder ins Programm nehmen. Tracey Solomon<br />

hatte die Choreographien mit ihr gestaltet.<br />

Lea Johanna Dastich erzählte, dass ihr Arzt in<br />

der Vorwoche sehr zufrieden mit dem Heilungsprozess<br />

am Fuß war und endgültig grünes Licht<br />

für volles Training gegeben hat. Zwei Jahre war<br />

sie keinen Wettbewerb mehr gelaufen, Luxemburg<br />

im März war ausgefallen, aber sie war zuversichtlich,<br />

bis zum ersten Wettbewerb, evtl.<br />

der Nebelhorn Trophy, wieder gut in Form zu<br />

sein. Das KP will sie zu „Everybody Wants to<br />

Rule the World” von Cinematic Pop laufen, die<br />

Kür zur Filmmusik „The Greatest Showman“. Im<br />

<strong>Juli</strong> standen noch mündliche und praktische Abiturprüfungen<br />

in Sport auf dem Plan; im Herbst<br />

will sie ein Medizinstudium in Mannheim beginnen.<br />

Hauptziel ist, nach zwei Jahren mit vielen<br />

Arztbesuchen diesmal gut und verletzungsfrei<br />

durch die Saison zu kommen. Auf dem Eis<br />

waren auch Kristina Isaev und Anastasia Stebljanka.<br />

Jonathan Heß war dagegen wegen seines<br />

Studiums nicht in Oberstdorf. Aljona Savchenko<br />

arbeitete unter anderem mit Aya Hatakawa,<br />

Florian Just, Nelli Zhiganshina, Petr Barna<br />

und Frank Dehne mit mehreren kleineren Läuferinnen<br />

und Läufern. Natalia Karamysheva, Ehefrau<br />

von Rostislav Sinicyn, und Marie-Theres<br />

Lucas Britschgi<br />

Fotos: Kany<br />

Nicole Schott vor<br />

dem Eislaufzentrum<br />

in Oberstdorf<br />

Kreiselmeyer waren ebenfalls als Trainerinnen<br />

auf dem Eis. Für vier Wochen arbeitete auch der<br />

Genfer Peter Grütter wieder im Allgäu, der<br />

schon seit etwa 40 Jahren regelmäßig kommt<br />

und zum Oberstdorfer Inventar gehört.<br />

Der zweifache Schweizer Meister Lukas Britschgi,<br />

Schüler von Michael Huth und Alexei Pospelov,<br />

blieb nach der Absage der WM zwei Monate<br />

zu Hause in Schaffhausen, probierte viel Training<br />

außerhalb des Eises und hatte endlich einmal<br />

Zeit, seine Schulfreunde von früher zu tref-<br />

(Fortsetzung von Seite 17)<br />

finanziert. Nach drei Monaten mit Online-Unterricht<br />

trainieren sie seit Juni wieder auf dem Eis<br />

und wollen zweigleisig Wettbewerbe laufen: Zuerst<br />

die Junioren Grand Prix in Budapest und<br />

Ostrava plus im Idealfall das Juniorenfinale,<br />

dann EM und WM. Dass sie dafür zwei verschiedene<br />

Rhythmustänze brauchen, stört sie nicht,<br />

weil sie evtl. beide aus der vergangenen Saison<br />

beibehalten wollen. Die neue Kür zu „Keeping<br />

Me Alive“ von Jonathan Roy hatte Richaud choreografiert.<br />

Ein Dortmunder Paar habe ich auch<br />

gesehen: Viktoria Lopusova und Asaf Kazimov<br />

(siehe Seite 10) waren für eine Woche bei Zanni,<br />

vor allem wegen des Rhythmustanzes, nachdem<br />

ihre Trainingskameraden Katharina Müller und<br />

Tim Dieck hier zwei Wochen zuvor so gute Erfahrungen<br />

gemacht hatten.<br />

Natalie Taschlerova und Filip Taschler, Fotos: Kany<br />

Daniele Caprano mit Sohn Michaelangelo


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Nathalie Weinzierl<br />

Jennifer Janse van Rensburg<br />

und Benjamin Steffan<br />

Eistänzer noch am Anfang<br />

Jennifer Janse van Rensburg und Benjamin<br />

Steffan hatten erst kurz wieder angefangen,<br />

weil Steffan im Mai/Juni in Hannover einen<br />

Bundeswehrlehrgang absolvieren musste, den<br />

er im Vorjahr wegen Verletzung verschieben<br />

musste. Janse (früher Urban) hatte bewusst<br />

diesmal keinen Lehrgang gemacht, damit im<br />

nächsten Jahr derselbe Lehrgang wie für ihren<br />

Tanzpartner ansteht und sie dann nebenbei etwas<br />

trainieren können. Stattdessen war sie mit<br />

ihrem Ehepartner einige Wochen in Großbritannien<br />

und durfte dann mit ihm als deutsche<br />

Staatsbürgerin zurück durch den Ärmelkanaltunnel<br />

und Frankreich über die für andere noch<br />

geschlossene Grenze nach Deutschland. Anschließend<br />

und auch bei meinem Besuch haben<br />

sie noch Basistraining gemacht und hatten<br />

noch keine Programme in Arbeit. Ob sie den<br />

Rhythmustanz beibehalten, war noch ungewiss,<br />

evtl. war er in veränderter Form geplant. Eine<br />

neue Kür wollten sie mit Maria Tumanovskaia<br />

einstudieren und mit ihr die Musik auswählen,<br />

falls diese wieder nach Deutschland einreisen<br />

darf. Erster Wettbewerb soll die Nebelhorn Trophy<br />

werden.<br />

ren Wettbewerben muss er das Zimmer für ein<br />

paar Tage räumen, weil es dann für das OK gebraucht<br />

wird. Aber er freut sich, dass er kurze<br />

Wege zu den Eisflächen hat. Er ist verantwortlich,<br />

dass die Kaderstunden ​zeitlich optimal für<br />

alle Kaderathleten liegen und gerecht aufgeteilt<br />

werden, aber die bewährte Eisplanung ​für Gastläufer<br />

aus der ganzen Welt bleibt beim Sportamt.<br />

Wende ist in vielerlei Hinsicht verlängerter<br />

Arm der DEU, auch bei Lehrgängen, Physiotherapie,<br />

Ballett und Tests wie dem ​Semispezifischen<br />

Ausdauertest auf dem Eis inkl. Laktattest<br />

und Herzfrequenzmessung. Er hält Kontakt zu<br />

den Schulen, kümmert sich um Befreiungen für<br />

Lehrgänge und Wettbewerbe, hilft bei schulischen<br />

Problemen mit Organisation von Nachhilfe<br />

und spricht sich auch mit dem Skiinternat ab.<br />

Er arbeitet mit dem Olympiastützpunkt und dem<br />

dortigen Verantwortlichen Günter Hartung zusammen.<br />

Verbindungsmann ist er außer zum<br />

Sportamt auch zur Marktgemeinde Oberstdorf,<br />

insbesondere zur neuen Sportreferentin Alexa<br />

Schwendinger, die er als Mutter der früheren<br />

Eistänzerin Ria Schwendinger und als Medienbeauftragte<br />

schon lange gut kennt, und zum<br />

neuen Bürgermeister Klaus King.<br />

Grand Sommertraining Prix<br />

Juni-Training in Oberstdorf<br />

fen und mit ihnen Lauftraining zu machen,<br />

denn das war erlaubt. Drei Wochen hat er in einem<br />

Einkaufszentrum viel Geld verdient, weil es<br />

dort wegen der Grenzschließung zu Deutschland<br />

plötzlichen Personalmangel gab. Seit Mitte April<br />

ist der 22-Jährige in der Sportgruppe der<br />

Schweizer Armee und wollte sieben Wochen in<br />

Oberstdorf bleiben. Sein KP läuft er zur Musik<br />

„Amber“ der Schaffhauser Indie-Folk-Band<br />

„Gardener and the Tree“. Die Kür zu drei Musikstücken<br />

von Ray Charles und Robbie Williams<br />

will er zwar umstellen, aber im Wesentlichen<br />

beibehalten. Die Nebelhorn Trophy soll erster<br />

Saisonwettbewerb werden, möglichst mit 4T, es<br />

wäre seine erste Trophy. Ab September will er in<br />

Zürich Wirtschaftspsychologie studieren.<br />

Kostner und Caprano<br />

Zwei nicht in Egna vermutete Personen habe<br />

ich dort gesprochen: Die eine war Carolina<br />

Kostner, die mit einem Filmteam einen Warn-<br />

Beitrag über eine Lungenkrankheit drehte, die<br />

vor allem junge Frauen befällt. Auf das Eis ging<br />

sie noch nicht, denn sie muss ihre im Januar<br />

operierte Hüfte bis zum Herbst auskurieren.<br />

Aber sie war glücklich, dass sie nach drei Monaten<br />

in Rom wieder reisen durfte und ein paar<br />

Tage bei ihrer Mutter im nahen Grödnertal in<br />

Südtirol verbringen durfte.<br />

Unerwartet habe ich in Egna den früheren<br />

Stuttgarter Paarläufer und Trainer Daniele Caprano<br />

getroffen. Vor Jahren hatte er sich vom<br />

Eiskunstlauf verabschiedet und verdiente seinen<br />

Lara Luft machte bei meinem Besuch mit Maximilian<br />

Pfisterer ein Probetraining, denn ihr vorheriger<br />

Partner Stephano Schuster hat seine<br />

Karriere beendet, nachdem ihm von dem Oberstdorfer<br />

Fünf-Sterne-Hotel, in dem er schon länger<br />

jobbte, eine feste Stelle angeboten worden<br />

war. Luft machte ein Praktikum der Sozialpädagogik<br />

für die Fachoberschule im Allgäu, während<br />

Pfisterer weiterhin Maschinenbau in Berlin studiert.<br />

Zwei Wochen nach meinem Besuch schrieb<br />

mir Luft dann, dass sie definitiv zusammen laufen<br />

und meistens in Oberstdorf bei Rostislav Sinicyn<br />

trainieren werden. Eigentlich wollte auch<br />

Paarläufer Ruben Blommaert mit seiner Partnerin<br />

Elena Pavlova in Oberstdorf trainieren, aber<br />

sie durfte wegen Corona vorläufig nicht von<br />

Russland nach Deutschland einreisen.<br />

Daniel Wendes Aufgaben<br />

Seit 1. Januar ist Ex-Paarläufer Daniel Wende<br />

hauptberuflicher Stützpunktleiter und hat sein<br />

Büro im Erdgeschoss des Sportamtes. Bei größe-<br />

Lebensunterhalt in seinem erlernten Hauptberuf<br />

als Pflegedienstleiter. Aber vor zwei<br />

Jahren packte ihn doch wieder das Eisfieber<br />

und er nahm eine Trainerstelle in Meran an.<br />

Dort fing er auch an, seinen damals achtjährigen<br />

Sohn Michelangelo zu betreuen. Schon<br />

nach einem Jahr konnte dieser beim Alpenpokal<br />

bei den Neulingen starten. Bei meinem<br />

Besuch arbeitete der inzwischen Zehnjährige<br />

gerade am Doppelaxel. Aber im überwiegend<br />

deutschsprachigen Club in Meran fühlten sie<br />

sich nicht recht wohl und daher sucht er<br />

nun entweder in Deutschland oder in Egna<br />

eine Beschäftigung als Trainer. Davon wird<br />

auch abhängen, ob Michelangelo für<br />

Deutschland oder für Italien starten wird,<br />

falls er einmal internationales Niveau<br />

erreicht. <br />

Klaus-Reinhold Kany<br />

Daniel Wende, Foto: privat<br />

Als Beauftragter für das Center of Excellence<br />

der ISU (siehe Seite 9) nimmt er an regelmäßigen<br />

Online-Meetings teil und spricht ab, was<br />

gemacht werden soll. Wichtigstes Ziel der<br />

Oberstdorfer ist, das ISU-Center so darzustellen,<br />

dass es für Läufer aus aller Welt interessant<br />

ist, hierhin zu kommen. Es geht um die<br />

Zusammenarbeit der Trainer, um die Infrastruktur<br />

vor Ort, um die „Keep Training-Webinare“.<br />

Zwei Projekte haben schon stattgefunden, die<br />

Teresa ​Solveig Özkaraman abhielt: eines zum<br />

Contemporary Dance und zum Jazz Dance. Und<br />

Aljona Savchenko hat eines zum Thema Workout<br />

abgehalten. Zur Corona-Abwehr hat Wende<br />

am ​nötigen Hygienekonzept mitgearbeitet, das<br />

dem Landratsamt Oberallgäu vor der Öffnung<br />

des Eissportzentrums vorgelegt werden musste,<br />

zum Beispiel ein Einbahnstraßensystem mit getrennten<br />

Ein- und Ausgängen für alle drei Hallen,<br />

Desinfektionsstationen an mehreren Standortorten,<br />

neuer Aufwärmbereich in Halle 2, Einbeziehung<br />

des Ballettsaals. Außerdem hat er<br />

sich zusammen mit dem Sportamt mit dem<br />

Landratsamt beraten. Klaus-Reinhold Kany


20<br />

Juni-Training in Berlin<br />

Sommertraining<br />

Sommertraining in Berlin<br />

Schon Ende April durften die Kaderläufer<br />

aus Berlin mit Einschränkungen<br />

wieder etwas trainieren, früher als fast<br />

überall sonst in der Welt. Bei meinem Besuch<br />

Ende Juni im Sportforum lief fast alles<br />

wie sonst. Allerdings war nur der<br />

Haupteingang geöffnet, während der Seiteneingang,<br />

der direkt in die Trainingshalle<br />

führt, noch verschlossen war.<br />

Eigentlich unlogisch, denn man soll doch bei<br />

Aufenthalten in geschlossenen Räumen regelmäßigen<br />

Durchzug ermöglichen. Denn so wehen<br />

eventuelle Atemtröpfchen mit Viren ins Freie,<br />

wo sie durch den Wind in Sekunden trocknen<br />

und verschwinden. Aber die Läufer und Trainer<br />

waren relativ unbesorgt, weil sie aufeinander<br />

aufpassten und streng vereinbart hatten, bei<br />

ersten Anzeichen von Erkrankung zu Hause zu<br />

bleiben und weil auch ich natürlich den Sicherheitsabstand<br />

einhielt. Bundestrainerin Viola<br />

Striegler sagte, der Druck auf die Trainer werde<br />

größer, weil die DEU bei den nächsten Olympischen<br />

Spielen 2022 wieder eine Medaille erhoffe,<br />

so wie das ihr dank Aljona Savchenko mit<br />

ihren beiden Partnern in den Jahren 2010, 2014<br />

und 2018 geglückt war. Ob das realistisch ist?<br />

Striegler wird übrigens Ende dieses Jahres mit<br />

dann 68 Jahren in den Ruhestand gehen. Die<br />

Nachfolgestelle ist bereits ausgeschrieben und<br />

sie will diese Person Ende <strong>2020</strong> noch einarbeiten.<br />

Sie sagte, sie bleibe in Berlin und stehe im<br />

Einzelfall zukünftig für kleinere Aufgaben oder<br />

Vertretungen zur Verfügung, denn Däumchen-<br />

Drehen als Rentnerin liege ihr nicht.<br />

Sechs Kunstlaufpaare<br />

Die zwei Berliner Meister- und die vier Juniorenpaare<br />

trainierten schon intensiv. Die vier<br />

Paarlauftrainer in Berlin (plus Dmitri Savin) arbeiten<br />

gut zusammen, auch wenn einer offiziell<br />

Bundestrainer und einer Bundesnachwuchstrainer<br />

ist. Ich konnte beobachten, dass sich neben<br />

Knut Schubert „Chef“ Alexander König um Juniorenpaare<br />

kümmerte, weil mehrere auf dem Eis<br />

waren, und Rico Rex auch um Hocke/Kunkel,<br />

obwohl sie kein Juniorenpaar mehr sind. Aber er<br />

ist ihr Wunschtrainer. Ein bisschen später betreute<br />

Rex wieder zwei Juniorenpaare und<br />

Schubert arbeitete mit Hocke/Kunkel. So funktionieren<br />

erfolgreiche Schulen in aller Welt.<br />

Minerva Fabienne Hase und <strong>No</strong>lan Seegert trainierten<br />

zusammen mit Haupttrainern Romy<br />

Oesterreich und Dimitri Savin, dem Mozer-<br />

Team, dem US-Paar Cain/LeDuc und den Israelis<br />

Vernikov/Krasnopolski schon ein paar Tage vor<br />

der Absage in der russisch dominierten Richard<br />

J. Coday-Arena in West Orange in New Jersey,<br />

um den Jetlag zu überwinden. Nach dem Vormittagstraining<br />

erfuhren sie während eines<br />

Stadtbummels im nahen Manhattan am Nachmittag<br />

von der Absage. Hase sagte: „Natürlich<br />

Artur Mai<br />

Fotos: Kany<br />

Kai Jagoda<br />

Minerva Hase und<br />

<strong>No</strong>lan Seegert<br />

waren wir enttäuscht, aber wir waren auf beide<br />

Fälle vorbereitet. Wir buchten gleich Rückflüge<br />

und machten erstmal Urlaub zu Hause, den wir<br />

natürlich der Bundeswehr melden mussten.“<br />

Dann arbeiteten sie im Freien an neuen Hebungen.<br />

Das KP wollen sie beibehalten und haben<br />

online über Facebook mit dem bewährten Kanadier<br />

Mark Pillay an den Übergängen gearbeitet.<br />

Auch mit dem Mentaltrainer konnten sie nur<br />

online kommunizieren. Eine neue Kür zur Musik<br />

„People Help the People“ von Birdy haben sie<br />

mit Rostislav Sinicyn gestaltet, der Ende Mai in<br />

Berlin war und den sie Mitte Juni in Oberstdorf<br />

besuchten. Der Wurfrittberger soll ein neues<br />

Element werden, er war noch in Arbeit und die<br />

besten Level erreichten sie noch nicht. Der<br />

Wurfflip ist ebenfalls geplant, aber kein vierfaches<br />

Element. Die Saison beginnen wollen sie<br />

mit der Nebelhorn Trophy, falls sie stattfindet.<br />

Annika Hocke und Robert Kunkel waren von der<br />

Junioren-WM zurückgekehrt und waren am Tag<br />

der Absage noch in Berlin. Sie begannen mit<br />

Gabriella Papadakis‘ Mutter Catherine gleich<br />

mit der Choreografie für eine neue Kür, aber<br />

diese wollte vor der Grenzschließung schnell<br />

zurück nach Frankreich, so dass sich dann überwiegend<br />

Rico Rex um die Kür zur Musik „The<br />

Other Side“ von Ruelle kümmerte. Hocke freute<br />

sich über das gut bestandene Abitur, denn sie<br />

hatte zu Hause viel Zeit zum Lernen. Der Bundeswehrlehrgang<br />

von Kunkel wurde erwartungsgemäß<br />

abgesagt und auf den April 2021 verschoben.<br />

Dann kann er ihn gemeinsam mit Hocke<br />

absolvieren. Es blieb unfreiwillige Zeit für<br />

Urlaub zu Hause und für Athletiktraining mit<br />

der in Berlin lebenden Schweizerin Miriam Leuenberger.<br />

Anfang Juni waren sie eine Woche in<br />

Oberstdorf bei Aljona Savchenko, die zusammen<br />

mit Joti Polizoakis ihr neues KP zu dem zu Beginn<br />

etwas sphärischen „Shout“ des schwedischen<br />

Heavy Metal-Sängers Zayde Wölf in der<br />

Cover-Version von Tears for Fears erarbeiteten.<br />

Auf dem Rückweg machte das Paar beim Institut<br />

für Angewandte Trainingswissenschaften in<br />

Leipzig Station, um dort wissenschaftlich überwachte<br />

und gefilmte Vorübungen für einen<br />

dreifachen Wurfaxel zu beginnen. Kunkel musste<br />

dabei Hocke immer wieder in die Schaumstoffgrube<br />

werfen. Anfang <strong>Juli</strong> kam Savchenko<br />

mit Familie nach Berlin, um am KP weiterzuarbeiten.<br />

Auch Hocke und Kunkel wollen das Saisondebüt<br />

bei der Nebelhorn Trophy geben. Bei<br />

meinem Besuch konnte ich beobachten, wie<br />

Hocke dreifache Würfe zu Trainingsbeginn noch<br />

auf zwei Füßen landete, so wie manchmal auch<br />

in Wettbewerben der abgelaufenen Saison. Eine<br />

Stunde später klappten die Würfe souverän auf<br />

einem Fuß, und Trainer und andere Läufer auf<br />

dem Eis spendeten lautstarken Beifall.<br />

Die „österreichischen Berliner“ Miriam Ziegler<br />

und Severin Kiefer kamen in der Woche nach<br />

meinem Besuch zurück nach Berlin, nachdem<br />

die Grenze wieder geöffnet war. Aber sie konnten<br />

schon einige Wochen in Gmunden im Salzburger<br />

Land trainieren. Ihr Haupttrainer Knut<br />

Schubert erzählte mir, er sei sofort nach der<br />

Grenzöffnung nach Gmunden gefahren und<br />

habe dort mit ihnen eine Woche gearbeitet. Vier<br />

Juniorenpaare habe ich auch beobachtet, die<br />

zum Teil erst sehr kurz zusammenliefen: Daniela<br />

Muntean/Artem Rotar sollen Junioren Grand<br />

Prix laufen, Alina Rank (die in Ilmenau bei Kristin<br />

Wieczorek trainiert hatte)/Jegor Eßlinger<br />

eventuell auch, während Josephine Lossius/William<br />

Trautwein und die Geschwister Sanja und<br />

Robert Löwenherz im Paarlaufen noch eher am<br />

Anfang standen.<br />

Fentz, Stoll und Jagoda<br />

Der letzte Wettbewerb von Paul Fentz vor der<br />

Corona-Schließung war der Challenge Cup im<br />

Februar, damals mit noch nicht ganz eingelaufenen<br />

Schlittschuhen. Er freute sich, dass er


21<br />

nach der hervorragenden EM wieder in den Kader<br />

aufgenommen worden war. Bei der WM, so<br />

sagte er, wäre er sehr gut in Form gewesen. Am<br />

Mittwoch der Absage hielt er sich mit Trainerin<br />

Romy Oesterreich ebenso wie Hase/Seegert<br />

schon in New Jersey auf, um die Zeitumstellung<br />

zu überwinden. Gerade noch rechtzeitig vor der<br />

Schließung konnte das Team von New York aus<br />

auf Rückflüge nach Berlin ohne Umweg über<br />

Kanada umbuchen. „Nach der Rückkehr brauchte<br />

ich einige Tage, um die Absage der WM zu<br />

verkraften, und habe Urlaub gemacht. Dann<br />

habe ich hier in Berlin im Friedrichshain auf Inlinern<br />

trainiert, um in Form zu bleiben und auch<br />

sonst draußen nach den Online-Richtlinien der<br />

DEU trainiert, eben immer das beste aus der Situation<br />

gemacht.“ Der belgische Choreograf<br />

Adam Solya kam in der Woche nach meinem<br />

Besuch nach Berlin und Fentz wollte mit ihm<br />

ein neues KP mit dem Titel „Wire to Wire“ von<br />

„Razer Light“ einstudieren. Die Kür zu „I’m Still<br />

Standing“ mit der Musik des Films „Sing“ will er<br />

in bearbeiteter Form beibehalten. Im besten Fall<br />

sollen hier zwei 4T eingebaut werden. Geplant<br />

ist als erstes die Nebelhorn Trophy und schon<br />

jetzt sei er gut motiviert für zwei Grand Prix,<br />

falls die Serie stattfindet. Zunächst war für ihn<br />

(und Thomas Stoll und Kai Jagoda) in der zweiten<br />

<strong>Juli</strong>hälfte ein zweiwöchiges Training bei<br />

Stéphane Lambiel in der Schweiz geplant, das<br />

ursprünglich im Juni vorgesehen war, aber ausfiel,<br />

weil die Eishalle in Champéry noch geschlossen<br />

war.<br />

Thomas Stoll, im Winter lange Zeit von heftigen<br />

Schmerzen geplagt, konnte wieder trainieren.<br />

Zwar waren die Beschwerden noch nicht ganz<br />

vorbei, aber bei Terminen mit Ärzten wurden<br />

Nerven abgeklemmt. Die Off-Ice-Trainingspläne<br />

der DEU, die zum Teil von Rene Lohse erarbeitet<br />

wurden, hat er stets ausgeführt: Balanceübungen,<br />

Krafttraining, Inline-Skating, Fahrradfahren<br />

und einiges mehr. Seit Mitte Juni liegt der<br />

Schwerpunkt wieder auf dem Eis, und der<br />

22-Jährige lief gerade neue Schlittschuhe ein.<br />

Fünf Dreifache klappten schon wieder, nur mit<br />

dem Axel sah ich noch größere Probleme. Wenn<br />

es gut läuft, will er auch entweder der Toeloop<br />

oder den Rittberger (den er vorwärts schon landen<br />

konnte) vierfach angehen. Viola Striegler<br />

meinte, eigentlich habe er aufgrund der erstklassigen<br />

Konstitution und des schnellen Drehmoments<br />

gute Voraussetzungen, diese Sprünge<br />

einmal in die Programme einzubauen. Sein KP<br />

zur Musik „Istanbul (not Constantinopel)“ von<br />

„They Might Be Giants“ will er etwas überarbeitet<br />

beibehalten. Mark Pillay wollte mit ihm eine<br />

neue Kür einstudieren. Allerdings durfte er bis<br />

zum Redaktionsschluss Mitte <strong>Juli</strong> noch nicht<br />

aus Vancouver nach Deutschland einreisen, so<br />

dass sie die Arbeit online begannen, was aber<br />

nicht ideal klappte. „Ich will auf dem Eis präsent<br />

bleiben und daher auch schon bei der Nebelhorn<br />

Trophy starten, wenn sie stattfindet“,<br />

erklärte Stoll.<br />

Machon arbeitet dagegen in Wedding, was für<br />

ihn bei dem dichten Verkehr und den vielen<br />

Staus sehr viel Zeit für Fahrerei bedeuten würde.“<br />

Aber der 20-Jährige betonte, sie bleibe im<br />

Team. Das Abitur hat er mit Homeschooling<br />

problemlos bestanden, trainierte auch in der<br />

Eispause und will in die Sportfördergruppe der<br />

Bundeswehr. Im Juni wusste er noch nicht, ob<br />

er den gewünschten Studienplatz in Psychologie<br />

erhalten wird. Genau wie Thomas Stoll (und einige<br />

Nicht-Berliner) locken ihn natürlich die<br />

zwei Startplätze bei der kommenden EM, die<br />

Paul Fentz erkämpft hatte. Jagodas Trainingsschwerpunkte<br />

und Ziele sind größere Stabilität,<br />

3L-3T- und 3F-3T-Kombinationen, alle sechs<br />

Dreifachen in einem Wettbewerb stehen und<br />

Arbeit an den Komponenten. Den 3A beherrscht<br />

er in guter Form schon seit etwa fünf Jahren,<br />

Vierfache sind frühestens in der zweiten Saisonhälfte<br />

geplant. Erster Wettbewerb soll die Nebelhorn<br />

Trophy werden. Die Kür mit dem Musiktitel<br />

„Believer“ von der Gruppe „Imagine Dragons“<br />

will er beibehalten. Ein neues KP von<br />

„Wood Kid“ mit dem Titel „I Love You“ erarbeitete<br />

er wie Fentz mit Adam Solya.<br />

Der vierte Berliner DEU-Kaderläufer im Einzellauf<br />

ist der 15 Jahre alte Arthur Mai. Er sagte,<br />

er freue sich sehr, erstmals im Kader zu sein. Er<br />

hat die 9. Klasse abgeschlossen und läuft jetzt<br />

in der ersten Saison als Junior. Aber voraussichtlich<br />

startet er nicht im Junioren Grand Prix.<br />

Schwerpunkte sind 3L und 3F und bessere <strong>Pirouette</strong>n,<br />

während die drei weiteren Dreifachen<br />

schon gut klappen. Haupttrainerin ist Manuela<br />

Machon, und ich konnte beobachten, wie er mit<br />

dem vielbeschäftigten Paul Boll an einer Choreographie<br />

für ein bluesiges KP arbeitete. Die<br />

Yello-Kür mit dem Thema Autorennen will er<br />

beibehalten.<br />

Später kam - unerwartet für mich - Joti Polizoakis<br />

in die Halle und studierte neue Programme<br />

mit Janne Salatzki ein. Er erzählte, dass er<br />

jetzt in Berlin wohne und in Teilzeit als Choreograf<br />

arbeite, aber auch andere, noch geheime<br />

Projekte habe. Falls das Virus es erlaubt, wird er<br />

im Herbst und Winter wieder mit Sarah Lombardi<br />

auf Tournee von Holiday on Ice gehen,<br />

denn die dortigen Verantwortlichen waren sehr<br />

zufrieden mit ihnen. Außerdem will er hauptberuflich<br />

in Richtung Schauspieler gehen und das<br />

in Berlin lernen. Gesehen habe ich noch einige<br />

jüngere Läufer/innen, zum Beispiel Anna-Felicia<br />

Fröhlich, die groß geworden ist und sich auf den<br />

Einzellauf konzentrieren will. Abends kamen die<br />

Tanzpaare in die Halle, aber Trainer Stefano Caruso<br />

hatte es eilig und keine Zeit für mich, weil<br />

er gerade jemanden vom Flughafen abgeholt<br />

hatte. Außerdem hatte er kein Meisterklassepaar<br />

mehr, nachdem sich nach Koch/Nüchtern<br />

auch Amanda Peterson und Maximilian Pfisterer<br />

getrennt haten. Die Amerikanerin Peterson<br />

schrieb der <strong>Pirouette</strong>, der Hauptgrund sei, dass<br />

sie in Deutschland nicht arbeiten und kein Geld<br />

verdienen durfte, aber es hieß auch, sie habe<br />

Heimweh gehabt. Pfisterer suchte nach einer<br />

neuen Partnerin (siehe Seite 19). Dafür gibt es<br />

in Berlin zehn Nachwuchs- und Juniorentanzpaare,<br />

wie Assistenztrainerin Steffi Frohberg erzählte,<br />

sie hatte gehört, dass Shari Koch einen<br />

neuen Partner suchen soll. Im Nachwuchskader<br />

1 sind Lea Enderlein und Malte Brandt, im N-<br />

Kader 2 Alexia Kruk und Jan Eisenhaber. Die<br />

Synchronteams hatten bei meinem Besuch noch<br />

kein Eis zur Verfügung.<br />

Juni-Training in Berlin<br />

Sommertraining<br />

Kai Jagoda wechselte im Juni von Manuela Machon<br />

zu Romy Oesterreich, „vor allem“, so sagte<br />

die Olympia-Zweite von 1976, „weil er hier im<br />

Sportforum zusammen mit den anderen auch<br />

die Off-Ice-Möglichkeiten nutzen kann. Frau<br />

Annika Hocke und Robert Kunkel


22<br />

Juni-Training in Berlin<br />

Sommertraining<br />

Engagierter Rene Lohse<br />

Seit April 2019 hat der ehemalige Eistänzer<br />

Rene Sachtler-Lohse eine neue Aufgabe: Er koordiniert<br />

mit viel Engagement das Athletiktraining<br />

der Berliner Bundeskader der Stützpunktdisziplinen<br />

Paarlauf und Einzellauf und fungiert<br />

zunehmend auch stützpunktübergreifend, um<br />

den deutschen Bundeskaderläufern bis einschließlich<br />

Nachwuchskader 1 unterstützend<br />

und beratend zur Verfügung zu stehen. In einigen<br />

größeren anderen Sportarten gibt es einen<br />

Bundestrainer Athletik und er ist dabei, diese<br />

Rolle für den Eiskunstlauf zu übernehmen. Er<br />

erstellt eine Saisonplanung aus athletischer<br />

Sicht, in der er Belastung und Erholung in Balance<br />

bringt. Eislaufspezifische Kraft und Ausdauer<br />

sind in detaillierter Planung besonders<br />

im Frühjahr und Frühsommer angesagt. Stützpunktübergreifend<br />

werden Aufgaben ausgetauscht<br />

und miteinander in Kontakt gebracht.<br />

Außerdem hat er den sportmotorischen DEU-<br />

Athletiktest zusammen mit der wissenschaftlichen<br />

DEU-Mitarbeiterin Christine Leibinger<br />

und Nicole Brünner, der Bundestrainerin Einzellauf<br />

Nachwuchs überarbeitet. Er sammelt<br />

während der aktuellen Testphase der Saison<br />

20/21 nun die Feedbacks, um den neuen Test<br />

weiter zu entwickeln und zu optimieren, bespricht<br />

es mit den Trainern und passt es an.<br />

Solche Tests sind zum einen in den Bundeskaderlehrgängen<br />

integriert oder er bereist die<br />

Stützpunkte, um dort die Tests abzunehmen.<br />

Angestrebt werden mindestens zwei Bundeskaderlehrgänge<br />

pro Jahr. Viel Zeit wendet er für<br />

die nachhaltige Nachbereitungen der Tests auf.<br />

Außerdem wird er in Traineraus- und Fortbildungen<br />

involviert. Unter Beachtung des Datenschutzes<br />

pflegt er die Trainingsdatenbanken<br />

der Bundekaderläufer (Controlling), informiert<br />

sie bei Lücken und Mängeln und sucht nach<br />

geeigneten Übungen, um die Mängel zu beheben.<br />

Die leistungsdiagnostischen Tests sind einerseits<br />

wichtig für die Trainingssteuerung und<br />

anderenfalls, um möglichst frühzeitig Verletzungsrisiken<br />

zu entdecken oder zu vermeiden.<br />

Im Verletzungsfall steht er für die anschließende<br />

Rehabilitation beratend zur Verfügung.<br />

In den vergangenen Corona-Monaten entwickelte<br />

er in Abstimmung mit Nicole Brünner<br />

Wochenpläne, die auf die Homepage der Deutschen<br />

Eislauf-Union online gestellt wurden, um<br />

vor allem den deutschen Eisläufern Trainingsempfehlungen<br />

für zu Hause an die Hand zu<br />

geben. Bis Mitte Mai gab es auch jeden Tag<br />

sogenannte Online-Sessions. Außerdem arbeitet<br />

er mit an einer digitalen Rahmentrainingskonzeption<br />

der DEU allgemein für den Bereich<br />

Athletik und dreht dafür auch Demo-Videos.<br />

Alles zusammen ist es eine umfangreiche, verantwortungsvolle<br />

Aufgabe, die hoffentlich zu<br />

einem wichtigen Teil für die Bundeskader zu<br />

noch besseren Leistungen als bisher beitragen<br />

wird. Bei der EM <strong>2020</strong> konnten schon mal alle<br />

fünf Berliner überzeugen, was auch ein bisschen<br />

Lohses Erfolg ist. Unter anderem dank des<br />

Olympiasieges 2018 wird er weiterhin von der<br />

Bundeswehr finanziert. Klaus-Reinhold Kany<br />

Neues aus aller Welt<br />

Avonley Nguyen und Vadym Kolesnik bei der JWM im<br />

März <strong>2020</strong>, Foto: Flade<br />

Juniorenweltmeister<br />

trennen sich<br />

Ganz unerwartet hat Avonley Nguyen, die aktuelle<br />

Juniorenweltmeisterin im Eistanzen aus den<br />

USA, Ende Juni bekanntgegeben, dass sie sich<br />

von ihrem Partner Vadym Kolesnik getrennt hat.<br />

Sie schrieb: „Mit gemischten Gefühlen gebe ich<br />

das Ende meiner Partnerschaft mit Vadym bekannt.<br />

Die vergangene Saison war unsere bisher<br />

erfolgreichste und unser Traum vom Titelgewinn<br />

bei den Juniorenweltmeisterschaften hat sich<br />

erfüllt. Ich habe viele glückliche Erinnerungen<br />

an Vadym in den drei Jahren, in denen wir zusammengelaufen<br />

sind. Ich werde einen neuen<br />

Partner suchen, der meinen Enthusiasmus für<br />

das Eislaufen teilt.“ Kolesnik schwieg zunächst<br />

und schrieb nach einer Woche, dass sie in Zukunft<br />

getrennte Wege gehen werden und lobte<br />

Nguyen noch einmal enthusiastisch. Er werde<br />

eine Partnerin suchen und sie müsse nicht unbedingt<br />

amerikanisch sein. Warum sie sich trotz<br />

ihrer Erfolge getrennt haben, schrieben beide<br />

nicht, so wie in den USA üblich. Trainer Igor<br />

Shpilband sagte der <strong>Pirouette</strong>, es habe keinen<br />

großen Krach gegeben und auch keine gescheiterten<br />

Liebesbeziehungen. Aber nach dem Gewinn<br />

der Junioren-WM seien sie sich gegenseitig<br />

etwas auf die Nerven gegangen und hätten<br />

nicht mehr mit demselben Engagement zusammen<br />

trainiert. Der Ukrainer Kolesnik, so sagte<br />

Shpilband, habe übrigens wenige Tage nach der<br />

Trennung seine Greencard erhalten. Er darf also<br />

Geld verdienen (zum Beispiel als Assistenztrainer<br />

arbeiten) und kann im nächsten Jahr den<br />

Antrag auf die US-Staatsbürgerschaft stellen.<br />

Für 2022 hätten sie<br />

sich ohnehin wahrscheinlich<br />

nicht qualifiziert,<br />

weil es zu<br />

viele andere sehr gute<br />

Paare in den USA<br />

gibt. Für 2026 wäre<br />

dies aber ein Thema<br />

gewesen. krk<br />

Leserbrief zu „Das Übel der<br />

dreifachen Sprünge“<br />

von Denise Biellmann zum Artikel von 1985<br />

Mai/Juni-Heft <strong>2020</strong><br />

Liebes <strong>Pirouette</strong> Team,<br />

Es ist nicht richtig, dass ich an den Weltmeisterschaften<br />

1981 nur zwei Dreifache gesprungen<br />

bin, sondern drei Dreifache, inklusive dreifachen<br />

Lutz, als erste Frau der Welt. Ich hatte lediglich<br />

aus taktischen Gründen an dieser WM 81 nur<br />

drei Dreifache gezeigt. Ich beherrschte zu dem<br />

Zeitpunkt mit 18 Jahren und bis 35 Jährig immer<br />

noch alle fünf dreifachen Sprünge. Mit 40<br />

Jahren zeigte ich immerhin noch zwei dreifache<br />

Sprünge in Showprogrammen. Außerdem waren<br />

diese nicht mit Ach und Krach gesprungen, sondern<br />

sehr qualitativ und sauber ausgeführt (auch<br />

an der WM 1981). Mein Ablaufdatum, wie Herr<br />

Prieser mich betitelte, war noch lange nicht abgelaufen,<br />

sondern ich konnte mich nach meinem<br />

WM- und EM-Titel stets steigern und gewann<br />

elfmal Profiturniere oder Profiweltmeisterschaften<br />

in den USA, Japan und Europa gegen frischgebackene<br />

Weltmeisterinnen und Olympiasiegerinnen.<br />

Auch in den Shows wie Holiday on Ice<br />

und Art on Ice als Stargast habe ich stets dreifache<br />

Sprünge im Showprogramm gezeigt.<br />

Mir ist bewusst, dass der Artikel damals in einer<br />

anderen Zeitschrift abgedruckt wurde und Sie<br />

das übernommen haben. Aber als Fachmagazin,<br />

finde ich, sind Sie in der Pflicht, den Artikel<br />

über die Wahrheit des Inhaltes zu prüfen. Ich<br />

habe seit vielen, vielen Jahren die „<strong>Pirouette</strong>“<br />

(auf den Namen meiner Mutter) abonniert und<br />

ich lese sie bis heute ansonsten sehr gerne!<br />

Mit sportlichen Grüßen<br />

Denise Biellmann<br />

Anmerkung der Redaktion: Denise Biellmann hat<br />

natürlich recht. Sie hat wirklich bei der WM<br />

1981 drei dreifache Sprünge gezeigt und auch<br />

später als Profi noch viele Dreifachsprünge. Die<br />

WM-Kür 1981 kann man übrigens auf Youtube<br />

noch ansehen. Wir hatten in Uwe Priesers Artikel<br />

aus der Wochenzeitung „Die Zeit“ seine Bemerkungen<br />

zu Katarina Witt korrigiert und wollten<br />

nicht noch mehr richtigstellen. Aber es wäre korrekter<br />

gewesen, dies auch bei Denise Biellmann<br />

zu tun. Ich war bei der WM 1981 in Hartford,<br />

Connecticut (USA) selbst dabei und habe den<br />

verdienten Titelgewinn von Denise Biellmann mit<br />

dreifachem Lutz live miterlebt. Schon bei den<br />

Olympischen Spielen 1980 in Lake Placid war<br />

Biellmann mit Abstand die beste Kür gelaufen,<br />

blieb aber wegen Rückstandes in den Pflichtfiguren<br />

ohne Medaille. Klaus-Reinhold Kany<br />

Anzeige


Foto: Lambiel<br />

23<br />

Die Initiative war ein voller Erfolg. Tausende von<br />

Zuschauern verfolgten die live auf dem ISU Skating<br />

Kanal bei Youtube übertragenen Trainingseinheiten<br />

mit so bekannten (Ex-)Läufern wie<br />

Stéphane Lambiel, Aljona Savchenko, Ondrej<br />

Hotarek, Jeremy Abbott und anderen Experten.<br />

Die Videos sind weiterhin kostenlos auf dem Kanal<br />

verfügbar. Die Eiskunstlauf-Trainingsserie<br />

deckt verschiedene Bereiche wie Kraft, Balance,<br />

Beweglichkeit, Körperbewusstsein ab. Es gibt<br />

spezielle Übungen für den Paarlauf, modernen<br />

Tanz, Dehnen und sogar Übungen in Schlittschuhen<br />

ohne Eis. Jede Einheit dauert etwa eine<br />

Stunde und eingeblendet sind nicht nur die<br />

Trainer, sondern auch Läufer aus aller Welt, die<br />

ebenfalls mitmachen. „Wir haben in unserer<br />

Schule zwei Krafttrainingseinheiten pro Woche<br />

und ich wollte mit der ganzen Welt teilen, was<br />

wir machen“, sagte der zweimalige Weltmeister<br />

Lambiel, der Cheftrainer seiner privaten „Skating<br />

School of Switzerland“ in Champéry ist. Er<br />

betreute zwei Einheiten. Olympiasiegerin Aljona<br />

Savchenko beteiligte sich mit einem intensiven<br />

Work Out für den ganzen Körper.<br />

Der frühere Paarläufer und EM-Medaillengewinner<br />

Ondrej Hotarek vom IceLab Bergamo in Italien<br />

moderierte unter anderem das Training „Balance<br />

und Beweglichkeit auf Schlittschuhen“.<br />

„Während der Quarantäne haben wir versucht,<br />

unsere Sportler zu motivieren, damit sie sich darauf<br />

konzentrieren, für die Rückkehr auf das Eis<br />

in Form zu bleiben“, meinte Hotarek. „Wir haben<br />

gelernt, mit dem zu improvisieren, was wir zu<br />

Hause haben, und es zu unserem Vorteil zu nutzen.<br />

Es war Franca Bianconis Idee, ein Training<br />

auf Schlittschuhen außerhalb vom Eis zu machen.<br />

In Bergamo haben wir viele Trainer und<br />

Tatiana Kapustina ist Spezialistin für off ice. Sie<br />

war die Trainerin hinter allen diesen Übungen,“<br />

fuhr Hotarek fort, der die Übungen erklärte und<br />

demonstrierte. „Wir wollten ein paar bekannte<br />

Läufer mit einbringen, damit sie die anderen in<br />

dieser schweren Zeit inspirieren. Wir hatten<br />

auch ein paar Minuten zum Reden und konnten<br />

allen unsere Leidenschaft für den Eiskunstlauf<br />

sogar in der Zeit des Lockdowns zeigen.“<br />

»Keep Training!«<br />

ISU-Serie setzt Signale für die Zukunft<br />

Während weltweit das Training auf dem Eis wegen der Pandemie<br />

zum Erliegen kam, waren die Eisläufer und Trainer nicht untätig,<br />

wie die <strong>Pirouette</strong> bereits in der vergangenen Ausgabe berichtete. Auch<br />

die ISU wollte ihren Teil dazu beitragen, die Sportler beim zwangsweisen Heimtraining<br />

zu unterstützen und rief von April bis Juni in Zusammenarbeit mit den Exzellenzzentren<br />

in Oberstdorf, Champéry und anderen Orten von April bis Juni eine Serie<br />

von online Trainings ins Leben – für Eiskunst- und Synchronlauf, aber auch für Eisschnelllauf<br />

und Short Track.<br />

Gerade die Idee, außerhalb vom Eis Übungen in<br />

Schlittschuhen zu machen, klingt zunächst sehr<br />

ungewöhnlich, aber Hotarek kann erklären, was<br />

das bringt: „Ich halte es für sehr hilfreich, wenn<br />

die Läufer ihre Schlittschuhe benutzen, selbst<br />

wenn sie aus irgendeinem Grund nicht auf dem<br />

Eis sein können. Ich denke, das ist mehr mental<br />

als physisch. Du kannst dich in Form halten, aber<br />

das Gefühl deiner Schlittschuhe ist einzigartig.“<br />

Als die Eishallen schlossen, mussten die Trainer<br />

sich rasch etwas ausdenken, und genau das haben<br />

sie getan. „Wir richteten eine online Trainingseinheit<br />

ein, um in Form zu bleiben und<br />

auch um den Kontakt zu halten“, sagte Lambiel.<br />

„Die Gruppe zeigte Solidarität und die Arbeit hat<br />

uns dabei geholfen, den Mut nicht sinken zu<br />

lassen.“ Das Athletik- und Krafttraining war unter<br />

diesen besonderen Umständen noch wichtiger<br />

als sonst. „Die Arbeit zur Stärkung der Muskeln<br />

ist für Sportler unerlässlich“, betonte Lambiel.<br />

„An der Koordination und der Bewegung<br />

durch Übungen wie Pilates und Tanz musste<br />

auch gearbeitet werden. Ich ermutige alle Läufer<br />

dazu, Sprungtraining und eislaufspezifische Rotationsübungen<br />

zu machen. Kardio muss man<br />

auch einbeziehen. Eiskunstlauf ist eine Sportart,<br />

die viele körperliche und künstlerische Fähigkeiten<br />

voraussetzt, und ich war beeindruckt zu sehen,<br />

wie meine Sportler in autonomer und intelligenter<br />

Art und Weise aktiv blieben.“<br />

Ondrej Hotarek stimmte zu: „Ich würde sagen,<br />

dass es wichtig ist, sich in so einer Situation zu<br />

beschäftigen, aber auch neue Dinge auszuprobieren,<br />

eine neue Herangehensweise an das<br />

Training zu finden, eine Yoga-Stunde, eine<br />

Dehn-Stunde, eine Tanzeinheit zu absolvieren,<br />

in dem Wissen, dass alle diese Fähigkeiten dir<br />

helfen werden, ein besserer Sportler zu werden.“<br />

Online Training war eine neue Erfahrung für viele<br />

Trainer, aber sie nahmen die Herausforderung an.<br />

„Für mich war es das erste Mal, online zu unterrichten<br />

und ich gebe zu, es machte mich nervös“,<br />

verriet Hotarek. „Ich wollte den Läufern einige<br />

gute Übungen vermitteln, aber sie auch unterhalten<br />

und ihnen positive Energie mitgeben. Das<br />

Ziel war es, dass jeder mitmachen und es ausprobieren<br />

kann. Vom Anfänger bis zum hohen Niveau<br />

sollte jeder etwas Nützliches finden.“<br />

Elizaveta Tuktamysheva, die Welt- und Europameisterin<br />

von 2015, war eine Top-Läuferin, die<br />

das Angebot der ISU nutzen. „Ich habe zugeschaut<br />

und Stéphanes Übungen waren sehr interessant“,<br />

sagte sie. Ebenfalls dabei waren bekannte<br />

Läufer wie Deniss Vasilijevs, Matteo Rizzo,<br />

Shoma Uno, Satoko Miyahara und Paarläuferin<br />

Vanessa James. Man sah dazu deutsche<br />

Läufer wie Aya Hatakawa, Elena Pavlova und<br />

Ruben Blommaert. „Die Tatsache, dass die Exzellenzzentren<br />

ihr Wissen teilen und die Läufer,<br />

Trainer und Fans aus aller Welt inspirieren, ist<br />

sehr motivierend“, betonte Lambiel und dankte<br />

der ISU für die Initiative. Die Idee war aus der<br />

<strong>No</strong>t geboren, aber die nun gesammelte Erfahrung<br />

ist nützlich für die Zukunft und wird dabei<br />

helfen, online Trainingsmethoden weiter zu entwickeln.<br />

„Ich denke, wir sollten das in der Zukunft<br />

mehr nutzen. Es ist eine tolle Gelegenheit,<br />

diese Trainingseinheiten mit der ganzen Welt zu<br />

teilen und Menschen aus verschiedenen Schulen<br />

zusammenzubringen. Ich werde mit Sicherheit<br />

versuchen, diese Unterrichtsstunden zu verbessern,<br />

damit sie für das tägliche Training genutzt<br />

werden“, kommentierte Hotarek. „Die ISU hat<br />

ein E-Learning Konzept, das immer wichtiger<br />

wird. Das muss in der Zukunft weiterentwickelt<br />

werden“, schloss Lambiel. Tatjana Flade<br />

Die Videos sind auf dem Youtube Kanal Skating<br />

ISU abrufbar:<br />

www.youtube.com/user/SkatingISU/videos<br />

ISU-Serie „Keep Training!“


24<br />

ISU Skating Awards<br />

ISU vergibt erste »Eislauf-Oscars«<br />

online<br />

Superstar Yuzuru Hanyu ist der wertvollste Läufer der Saison 2019/20, die Eistanz-<br />

Weltmeister Gabriella Papadakis/Guillaume Cizeron hatten das unterhaltsamste<br />

Programm, Europameisterin Alena Kostornaia ist die beste Newcomerin und die Vier-<br />

Kontinente-Meister Madison Chock/Evan Bates hatten das beste Kostüm. Die ISU<br />

ehrte bei den erstmals vergebenen „Skating Awards“, eine Art „Oscar“, außerdem<br />

Eteri Tutberidze als beste Trainerin und Shae-Lynn Bourne als beste Choreographin.<br />

Der legendäre kanadische Eiskunstläufer Kurt Browning erhielt die Auszeichnung für<br />

sein Lebenswerk. Die „<strong>Pirouette</strong>“ hatte wie so oft den richtigen Riecher und alle siegreichen<br />

aktiven Läufer kürzlich auf dem Titel (siehe Seite 2).<br />

Die große Show zur Vergabe der sieben „Eislauf-<br />

Oscars“ war eigentlich zum Abschluss der WM<br />

in Montreal geplant. Nach der Absage der WM<br />

entschied die ISU, sie online abzuhalten, was<br />

eine sehr gute Idee war. Gerade in den unsicheren<br />

Corona-Zeiten setzt so eine Veranstaltung<br />

ein positives Signal. Oliver Höners Produktionsfirma<br />

„Art on Ice“ stellte also alles auf online<br />

um und am 11. <strong>Juli</strong> streamte die ISU die Show<br />

auf ihrem Kanal, wo sie auch noch jetzt abrufbar<br />

ist. Das Team meisterte die logistischen und<br />

technischen Herausforderungen, die so eine virtuelle<br />

Veranstaltung mit Schaltungen von Zürich<br />

in alle Herren Länder mit sich bringt und es<br />

kam ein abwechslungsreiches zweistündiges<br />

Programm dabei heraus. Bis Redaktionsschluss<br />

verzeichnete die ISU rund 147 000 Zuschauer,<br />

die live dabei waren oder sich die Übertragung<br />

später ansahen. Das japanische und russische<br />

Fernsehen zeigten die Show auf ihren Online-<br />

Kanälen. Die Moderatoren Tanith (Belbin) und<br />

Charlie White präsentierten das Programm souverän.<br />

Die früheren Eistänzer saßen in einem<br />

Studio in Detroit, dazu gab es ein Studio in Toronto,<br />

in das Brian Orser und Kurt Browning kamen.<br />

Alle anderen wurden von zu Hause aus<br />

zugeschaltet. Nur Eteri Tutberidze konnte nicht<br />

teilnehmen, schickte aber eine Videobotschaft.<br />

In der Kategorie „wertvollster Läufer“ trat Hanyu<br />

gegen Nathan Chen und Papadakis/ Cizeron<br />

an. Es war keine große Überraschung, dass der<br />

zweimalige Olympiasieger diese Kategorie gewann,<br />

denn kaum ein Eiskunstläufer dürfte<br />

mehr Fans und mehr Sponsorendeals haben.<br />

Hanyu, der jeden möglichen Titel meist nicht<br />

nur einmal gewonnen hat und technisch und<br />

artistisch Maßstäbe setzt, ist nicht nur in Japan,<br />

sondern weltweit ein Star.<br />

Hanyu, Papadakis/Cizeron, Kostornaia, Browning und andere geehrt<br />

»<br />

Yuzuru Hanyu:<br />

„Eiskunstlauf ist ein Sport und<br />

«<br />

es gibt<br />

Shows, aber wir sind Athleten und Wettkämpfer.<br />

Fast in jedem Moment im täglichen<br />

Leben denke ich an den Eiskunstlauf und<br />

hoffe, stets besser und stärker zu werden.<br />

Ich verbringe jeden Tag damit, besser zu<br />

werden und etwas zu tun, was ich am Tag<br />

davor nicht tun konnte. Ich will hart arbeiten<br />

und die Ergebnisse liefern, die ich mir wünsche<br />

und wie es meine Familie, Trainer und<br />

Fans von mir erwarten.“<br />

Papadakis/Cizeron erhielten die Auszeichnung<br />

für ihren unterhaltsamen Rhythmustanz zum<br />

Musical „Fame“. Von der Musik über die witzige<br />

Choreographie bis hin zu den bonbonfarbenen<br />

Kostümen war das ein kleines Meisterwerk, das<br />

eine neue Seite der viermaligen Weltmeister<br />

»<br />

präsentierte.<br />

Gabriella Papadakis/Guillaume Cizeron:<br />

Gabriella: „Das ist eine Seite unserer<br />

«<br />

Persönlichkeit,<br />

die in uns steckt, aber die wir niemals<br />

wirklich dem Publikum gezeigt haben. Zuerst<br />

hatten wir Zweifel, ob das eine gute Idee ist,<br />

aber es hat Spaß gemacht, das zu probieren.“<br />

Guillaume: „Das ist eines der Programme,<br />

bei dem wir am meisten Spaß hatten, es zu<br />

choreographieren. Unser gesamtes Team in<br />

Montreal hat uns in unserer Wahl unterstützt<br />

und uns dazu gebracht, dieses Spaßgefühl<br />

umzusetzen.“<br />

Aber auch Evgenia Medvedeva mit ihrer ausdrucksstarken<br />

Kür zu „Memoiren einer Geisha“<br />

und Kevin Aymoz mit vom größtenteils von ihm<br />

selbst choreographierten coolen KP zu „The<br />

Question of U“ von Prince waren preiswürdig.<br />

Kostornaia triumphierte erwartungsgemäß als<br />

beste Newcomerin. Die 16-Jährige hatte in ihrer<br />

Debütsaison in der Meisterklasse jeden internationalen<br />

Wettbewerb gewonnen, einschließlich<br />

EM und GP Finale, und verbindet technische<br />

Höchstschwierigkeiten mit erstklassiger Interpretation<br />

und Musikalität.<br />

»<br />

Alena Kostornaia:<br />

„Ich bin sehr aufgeregt, denn<br />

«<br />

das war total<br />

unerwartet. Ich konnte mir nicht vorstellen,<br />

dass ich gewinne. Ich wusste nicht, was ich<br />

sagen sollte, denn habe gar nicht richtig begriffen,<br />

dass ich diesen großen Preis bekomme.<br />

Mir bedeutet das sehr viel. Ich weiß,<br />

dass die Leute mich unterstützen und jetzt<br />

bin ich mich dessen noch sicherer. Ich<br />

möchte niemanden enttäuschen und das<br />

gibt mir mehr Energie, Selbstvertrauen und<br />

Motivation zum Arbeiten und mich jeden<br />

Tag zu verbessern.“<br />

Alexandra Trusova, die mit ihren Vierfachsprüngen<br />

neue technische Maßstäbe im Damen-Eiskunstlauf<br />

setzt, und die Koreanerin Young You,<br />

die bei ihrem Debüt Silber bei der Vier-Kontinente-Meisterschaft<br />

gewann, waren verdient<br />

mit im Rennen.<br />

Alle drei nominierten Kostüme waren herausragend,<br />

und hier hatte die übrigens sehr diverse<br />

Jury aus den früheren Topläufern Tatiana Navka,<br />

Surya Bonaly, Lu Chen, Miki Ando, Eric Radford<br />

und Todd Eldredge eine schwierige Entscheidung<br />

zu treffen. Chock/Bates erhalten die<br />

goldene Statue, die ein französischer Künstler<br />

gestaltet hat, für ihre Kostüme zur Kür „Ägyptischer<br />

Schlangentanz“. Chocks Kostüm ist mit<br />

mehr als 14 500 Strasssteinen besetzt und glitzert<br />

wirklich wie die Haut einer Schlange in<br />

Bewegung. Designer Mathieu Caron und sein<br />

Team steckten 80 Stunden Arbeit in dieses einzigartige<br />

Kleid.


25<br />

»<br />

Madison Chock:<br />

„Es war wichtig für uns, dass<br />

«<br />

unsere Geschichte<br />

klar verständlich ist. Wir wollten sicherstellen,<br />

dass die Kostüme unsere Charaktere<br />

herausstellen. Ich wollte, dass sich mein<br />

Kleid wie Schlangenhaut anfühlt und Mathieu<br />

und sein Team haben tolle Arbeit geleistet,<br />

auch für Evans Kostüm. Er ist der<br />

Reisende, der Charmeur, der mich das ganze<br />

Programm hindurch bezirzt und sein Kostüm<br />

hat wie nach einer Reise Risse und Löcher,<br />

aber in modischer Art und Weise.“<br />

Hanyus Outfit zur Kür „Origin“ war nicht weniger<br />

beeindruckend: Designerin Satomi Ito ließ sich<br />

von Vaclav Nijinskis Kostüm zum Ballett „Der<br />

Geist der Rose“ von 1911 inspirieren und verzierte<br />

das Kostüm mit 15 handgearbeiteten Rosen<br />

und drei Schmetterlingen plus an die 3.000 Swarovski-Kristallen.<br />

Anna Shcherbakova war mit ihrem<br />

trickreichen Kleid zum „Feuervogel“ nominiert.<br />

Mitten im Programm während einer <strong>Pirouette</strong><br />

wechselte sie die Farbe, indem sie das Oberteil<br />

herunterzog. Dieses ungewöhnliche Kostüm<br />

hat Designerin Milena Bobkova geschaffen.<br />

Favoritin Eteri Tutberidze setzte sich in der Wahl<br />

zum besten Coach gegen Rafael Arutyunyan und<br />

Brian Orser durch. Tutberidzes Läuferinnen gewannen<br />

alle drei Medaillen im GP Finale und bei<br />

der EM, dazu Gold und Silber bei der Junioren-<br />

»<br />

WM und EM-Bronze bei den Herren.<br />

Eteri Tutberidze:<br />

„Natürlich ist die Auszeichnung für mich die<br />

Anerkennung eines gegangenen Weges und<br />

getaner Arbeit. Das gilt umso mehr, als meine<br />

Mitbewerber sehr würdig waren. Es war schon<br />

eine Ehre, nominiert zu sein. Wir versuchen<br />

jeden Tag Nützliches unter den gegebenen<br />

Umständen zu tun. Das Geheimnis unserer<br />

Arbeit ist sehr einfach – wir lieben, was wir<br />

tun, nicht anderes. Im Jazz gibt es nur Mädchen<br />

(russischer Filmtitel)? Natürlich nicht!<br />

Wir hatten Sergei Voronov, Adian Pitkeev und<br />

andere Jungs, sind das etwa Mädchen? Moris<br />

Kvitelashvili (EM-Dritter) trainiert schon sehr<br />

lange bei uns. Aber man assoziiert uns mit<br />

Mädchen, weil es mit ihnen bei uns ein besser<br />

klappt. Für mich ist jeder Wettbewerb, jedes<br />

Podium ein Teil des Weges. Ein Wettbewerb<br />

endet und wir denken schon daran, woran wir<br />

arbeiten müssen, wie wir besser werden, die<br />

Form halten oder Fehler korrigieren. Aber moralisch<br />

bereiten mir die Medaillen meiner<br />

Tochter Diana Davis, die mit Gleb Smolkin Eistänzerin<br />

bei Igor Shpilband ist, echte Freude.<br />

Und das möge mir niemand übelnehmen. Ich<br />

möchte sehr, dass es uns gelingt, solche Programme<br />

zu choreographieren, die die Zuschauer<br />

fesseln und zum Nachdenken zwin-<br />

«<br />

gen und natürlich diese Programme so zu erarbeiten,<br />

dass man sie danach noch einmal<br />

sehen möchte. Was die Medaillen angeht –<br />

ich möchte die Hymne zu unseren Ehren hören.<br />

Wenn unsere Fahne aufsteigt, die Hymne<br />

ertönt, dann ist da mehr Luft (zum Atmen)<br />

und du möchtest diesen Moment verlängern.“<br />

Die Eistanzweltmeisterin von 2003, Shae-Lynn<br />

Bourne (sie lief mit dem deutschstämmigen Victor<br />

Kraatz), gewann in der Kategorie beste Choreographin.<br />

Sie hatte in der vergangenen Saison<br />

unter anderem Programme für Medvedeva (Geisha),<br />

Mariah Bell, Shoma Uno, Rika Kihira und<br />

»<br />

Elizaveta Tuktamysheva kreiert.<br />

Shae-Lynn Bourne:<br />

„Ich habe eine solche Leidenschaft<br />

«<br />

für das<br />

Eis und dieses Gleiten. Ich liebe es, das Eis<br />

mit den Menschen zu teilen, die diese Leidenschaft<br />

haben, diese Freude und Freiheit<br />

spüren. Am liebsten mag ich es, den Läufer<br />

kennenzulernen und herauszubringen, wer<br />

sie sind, egal was für eine Geschichte wir<br />

dem Publikum zeigen. Das macht diesen Job<br />

für immer freudvoll.“<br />

Während in den sechs vorangegangenen Kategorien<br />

zunächst Fans, Verbände und Medienvertreter<br />

die Finalisten wählten und die Jury die<br />

Sieger kürte, entschied die ISU- Auswahlkommission<br />

über die Auszeichnung für das Lebenswerk.<br />

Kurt Browning ist ein würdiger Empfänger,<br />

denn der heute 54 Jahre alte viermalige<br />

Weltmeister schrieb Sportgeschichte als erster<br />

Läufer, der offiziell einen Vierfachsprung im<br />

Wettkampf stand (4T bei der WM 1988) und<br />

setzte künstlerische Maßstäbe („Casablanca“,<br />

„Singing in the Rain“). Er trug erheblich zur Popularität<br />

des Eiskunstlaufs in seinem Heimatland<br />

Kanada bei und machte sich als Choreograph<br />

einen Namen.<br />

»„Danke an dich, Eiskunstlauf-Welt.<br />

«<br />

Wir sind<br />

Kurt Browning:<br />

alle eine Familie, wir lieben und unterstützen<br />

einander und ich liebe es, ein Teil dieser wunderbaren<br />

Familie zu sein. Eines der Dinge, auf<br />

die ich stolz bin, ist Langlebigkeit. Ich habe<br />

vergessen aufzuhören. Ich bin so begeistert<br />

von diesem Sport, dass ich nie aufhören<br />

möchte und für den Rest meines Lebens mit<br />

dem Eiskunstlauf verbunden sein möchte.“<br />

Weitere Highlights waren der Auftritt des Sängers<br />

Aloe Blacc, der seine neue Single „My Way“<br />

vorstellte und ein Video einer Art on Ice Produktion.<br />

Schade war, dass kein einziges Paarlaufpaar<br />

es ins Finale geschafft hatte. Um alle Disziplinen<br />

zu würdigen, könnte der Preis für das beste Programm<br />

pro Kategorie vergeben werden, denn es<br />

gibt eine Vielzahl großartiger Programme. In Ergänzung<br />

zum besten Newcomer könnte die Kategorie<br />

„Durchbruch des Jahres“ oder „Comeback<br />

des Jahres“ eingeführt werden, wenn jemand,<br />

der nicht das erste Jahr in der Meisterklasse<br />

läuft oder nach einer Pause zurückkommt, herausragt.<br />

Andererseits sollte die Zahl der Preise<br />

nicht inflationär ansteigen. Es war überraschend,<br />

dass Alina Zagitova es nicht ins Finale als wertvollste<br />

Läuferin schaffte, denn die Olympiasiegerin<br />

ist über Russland hinaus bekannt und beliebt.<br />

Darüber empörten sich ihre Fans und schimpften<br />

auf die ISU, die allerdings an der Abstimmung<br />

gar nicht beteiligt war.<br />

Die ISU Skating Awards gehen auf eine Initiative<br />

des umtriebigen Eislauf-Promoters und<br />

Agenten Ari Zakarian zurück, der lange für diese<br />

Idee warb. Die Premiere war auf jeden Fall gelungen<br />

und es bleibt zu hoffen, dass die ISU das<br />

Format fortführt und weiterentwickelt, denn es<br />

kann zur Popularität des Eiskunstlaufs beitragen.<br />

Dass die Preisverleihung außerhalb der Saison<br />

im Sommer stattfinden musste, war gar<br />

nicht schlecht, denn so gab es vielleicht mehr<br />

Aufmerksamkeit. Das Event ließe sich bestimmt<br />

gut in der eislauflosen Zeit etablieren, zum Beispiel<br />

als Gala-Abend mit zahlenden Zuschauern<br />

(wie ein „Ball des Sports“), wenn es die Verhältnisse<br />

zulassen. <br />

Tatjana Flade<br />

Brian Orser mit Evgenia Medvedeva<br />

Kurt Browning küsst seine Statue<br />

Der Gastsänger Aloe Blacc, Fotos: ©ISU<br />

ISU Skating Awards


26<br />

Sommertraining in Russland<br />

Neues aus Russland<br />

Der Berg Elbrus in Kislovodsk, Fotos: Molotov<br />

In Russland haben bis Mitte <strong>Juli</strong> auch die Sankt Petersburger Läufer wieder das Training<br />

aufnehmen können. Die Hallen öffneten nach längerem Hin und Her am 13. <strong>Juli</strong>.<br />

Das betraf unter anderem die Eiskunstlauf-Akademie und die Schule von Tamara<br />

Moskvina. Weil sich die Öffnung der Hallen immer wieder hinauszögerte, waren Alexei<br />

Mishin und seine Trainingsgruppe Anfang <strong>Juli</strong> schließlich doch ins Trainingslager nach<br />

Kislovodsk im Kaukasus geflogen. Dort kamen Elizaveta Tuktamysheva, Sofia Samodurova<br />

und weitere Läufer nach rund drei Monaten Pause wieder auf das Eis.<br />

Schon bald lud Tuktamysheva ein Video hoch,<br />

auf dem sie einen 3A springt und bestätigte damit<br />

die weisen Worte ihres Trainers, der in einem<br />

Interview gesagt hatte, die dreimonatige Pause<br />

sei kein Grund zur Beunruhigung und sowieso<br />

nur ein kurzer Moment in seiner jahrzehntelangen<br />

Eislauf-Karriere. Mishins Gruppe bekam<br />

überraschend Zuwachs, denn Mikhail Kolyada,<br />

der im Juni zunächst am Trainingslager in <strong>No</strong>vogorsk<br />

teilgenommen hatte, wechselte von Valentina<br />

Chebotareva, die ihn von Kindheit an trainiert<br />

hatte, zum Altmeister. Warum Kolyada diesen<br />

von vielen lang erwarteten Trainerwechsel<br />

nun plötzlich doch vollzog und zu Mishin ging,<br />

kommentierte er auf Wunsch seines neuen<br />

Coachs zunächst nicht. Auch Mishin wollte<br />

nichts sagen, zumal die Nachricht vom Wechsel<br />

ungewollt durchgesickert war. Seine Frau Tatiana<br />

sagte der russischen Presse, dass ihr Mann nicht<br />

lange überlegt habe, als die Anfrage kam.<br />

Es gab noch einen weiteren, weniger prominenten<br />

Trainerwechsel. Der lange verletzte Juniorenweltmeister<br />

von 2018, Alexei Erokhov, verließ<br />

die Schule von Eteri Tutberidze und trainiert<br />

nun bei Viktoria Butsaeva (Volchkova). Er<br />

danke seinen bisherigen Trainern per Instagram<br />

und schrieb: „Leider geschieht es im Leben, dass<br />

sich die Pfade von Menschen trennen und der<br />

Sport bildet keine Ausnahme.“<br />

Evgeni Rukavitsin kehrte mit Europameister<br />

Dmitri Aliev und mit Makar Ignatov nach fünf<br />

Wochen in Kislovodsk nach St. Petersburg zurück.<br />

An dem Trainingslager hatte auch Alexander<br />

Samarin mit seiner Trainerin Svetlana Sokolovskaia<br />

teilgenommen. (siehe Kommentar S. 27)<br />

Tamara Moskvina berichtete der <strong>Pirouette</strong> von<br />

Neuigkeiten aus ihrer Schule. Neu hinzugekommen<br />

sind Anastasia Mishina/Alexander Galliamov,<br />

die sie gerne genommen habe. Aus Moskau<br />

kam der bisherige Einzelläufer Georgi Kunitsa,<br />

der nun Paarläufer werden will. Die talentierten<br />

Junioren Petr Gumennik, Andrei Kutovoi und Nikolai<br />

Ugozhaev trainieren weiterhin bei Veronika<br />

Daineko und ihrem Team. Moskvina ist nach<br />

wie vor die Cheftrainerin des Clubs, der ihren<br />

Namen trägt, und arbeitet zusammen mit Artur<br />

Minchuk mit den Europameistern Aleksandra<br />

Boikova/Dmitrii Kozlovskii und mit Mishina/Galliamov.<br />

(siehe Kommentar S. 27)<br />

Boikova und Kozlovskii konnten die Corona-<br />

Pause gut für die Schule bzw. das Studium nutzen.<br />

Boikova schloss die Schule ab, Kozlovskii<br />

das dritte Studienjahr in Verwaltungswissenschaft<br />

an einer renommierten Petersburger<br />

Hochschule. (siehe Kommentar S. 27)<br />

Medvedeva in Moskau,<br />

Sotskova hört auf<br />

Bei den Paaren von Liudmila, Nikolai Velikov<br />

und Enkel Vasili gab es einige Veränderungen.<br />

Polina Kostiukovich und Dmitri Ialin, die sich -<br />

wie gemeldet - getrennt hatten, haben neue<br />

Partner. Kostiukovich trainiert nun mit Andrei<br />

Briukhanov. Das neue Duo sei vielversprechend<br />

und wird bei den Junioren starten. Ialin und<br />

seine neue Partnerin Valeria Ponosova hätten<br />

dagegen nach der Pause Anlaufschwierigkeiten,<br />

sagte Vasili Velikov der <strong>Pirouette</strong>. Die frühere<br />

Einzelläuferin Alisa Solovieva hat einen neuen<br />

Partner in Elisei Ivanov gefunden. „Sie beherrschen<br />

den dreifachen Flip und dreifach-dreifach<br />

Kombis“, verriet der Trainer. Die Vize-Juniorenweltmeister<br />

Ksenia Akhanteva/ Valeri Kolesov<br />

laufen entgegen einiger Gerüchte weiterhin<br />

zusammen. „Wir haben das auch gelesen und<br />

darüber gelacht. Sollen sie doch schreiben, was<br />

sie wollen“, kommentierte Velikov. Außerdem<br />

blieben Tatiana Kuzmina/Andrei Khvalko zusammen.<br />

Die Moskauer Hallen hatten schon länger wieder<br />

geöffnet, aber die Tutberidze-Gruppe blieb<br />

in <strong>No</strong>vogorsk, wo sie jeden Sommer ein langes<br />

Trainingslager abhalten. Dort waren auch die<br />

Eistänzer Alexandra Stepanova/Ivan Bukin und<br />

später Tiffany Zagorski/Jonathan Guerreiro. Viktoria<br />

Sinitsina/ Nikita Katsalapov trainierten in<br />

anderen Hallen, sobald diese öffneten, und haben<br />

inzwischen eine neue Kür. Der Stil sei ganz<br />

anders als das, was sie bisher gemacht hätten,<br />

sagte Katsalapov, aber mehr enthüllte er noch<br />

nicht. Es gibt ein neues Eistanzpaar – Elizaveta<br />

Khudaiberdieva, Zweite der Junioren-WM 2019,<br />

wechselte erneut den Partner und läuft jetzt mit<br />

Egor Bazin, dessen bisherige Partnerin Sofia Evdokimova<br />

ihre Karriere wegen anhaltender Verletzungsprobleme<br />

beendet hat. Das Duo trainiert<br />

bei Denis Samokhin.<br />

Evgenia Medvedeva kehrte Ende Juni aus Japan<br />

nach Moskau zurück und begann nach zweiwöchiger<br />

Quarantäne bei ZSKA Moskau mit dem<br />

Training. Dort kann sie bei Cheftrainerin Elena<br />

Vodorezova (Buianova) mit aufs Eis, ihr Haupttrainer<br />

aber bleibe Brian Orser, sagte ihre Mutter<br />

Zhanna der <strong>Pirouette</strong>. Mit ihm arbeitet sie<br />

online und postete ein Video, auf dem zu sehen<br />

ist, wie Orser sie aus der Ferne coacht. Die Paarlauf-Vizeeuropameister<br />

Evgenia Tarasova/Vladimir<br />

Morozov hatten in <strong>No</strong>vogorsk trainiert und<br />

kehrten im <strong>Juli</strong> ausgerechnet ins besonders Corona-verseuchte<br />

Florida zurück, um mit Marina<br />

Zueva ihre Programme aufzubauen.<br />

Maria Sotskova erklärte nicht ganz unerwartet<br />

im <strong>Juli</strong> ihren Rücktritt. „Wenn du das erste Mal<br />

den Geschmack des Sieges spürst, scheint dir,<br />

dass es nie enden wird. Leider ist das nicht so<br />

Die Trainingsgruppe mit Evgeni Rukavitsin (Dritter von rechts) in Kislovodsk


Boikova/Kozlovskii mit ihren Trainern<br />

Tamara Moskvina und Artur Minchuk<br />

bei der letzten WM, Foto: Flade<br />

und alles geht leider irgendwann einmal zu ich überwinden kann. Ich verstand, dass ich<br />

Ende“, schrieb die Olympiateilnehmerin auf Instagram.<br />

„Mein Weg war dornig, aber sehr inter-<br />

und habe gekämpft. Aber es gibt Umstände, die<br />

mein Potenzial nicht ganz ausgeschöpft hatte,<br />

essant und schön. (…) Auf die Olympischen Spiele<br />

folgte eine misslungene Saison, aber ich überwindliche Hindernisse aufbauten, dass mir<br />

langsam meinen Glauben zerstörten und so un-<br />

wusste, das sind zeitweilige Schwierigkeiten, die bewusst wurde, es ist vorbei.“ In der vergangenen<br />

Saison hatte Sotskova, die am renommierten<br />

GITIS-Institut in Moskau in Vollzeit Choreographie<br />

studiert, schwache Leistungen gezeigt und<br />

war bei der Russischen Meisterschaft nicht angetreten.<br />

Ein schwerer Schlag war für sie der<br />

überraschende Tod ihres Vaters im vergangenen<br />

Jahr. In einem Interview berichtete die 20-Jährige<br />

von ihrer baldigen Hochzeit mit einem Komponisten.<br />

Der ehemalige Paarläufer und Juniorenweltmeister<br />

<strong>No</strong>dari Maisuradze (32) hat die<br />

19 Jahre alte Alina Ustimkina geheiratet, ebenfalls<br />

eine ehemalige Paarläuferin, die in Shows<br />

auftritt. Team-Olympiasiegerin <strong>Juli</strong>a Lipnitskaia<br />

(22) bestätigte einen Pressebericht, dass sei ein<br />

» » »<br />

Kind erwarte. Der Vater ist ihr langjähriger<br />

Foto: Flade<br />

Evgeni Rukavitsin: Tamara Moskvina:<br />

„Meine Sportler haben die Corona-Zeit gut<br />

bewältigt. Es kommt im Leben vor, dass<br />

man einen langen Urlaub hat, krank oder<br />

„Unser Trainingslager war sehr fruchtbar.<br />

Dima (Aliev) ist gleich beim ersten Mal aufs<br />

Eis gegangen und ist einen Vierfachen gesprungen,<br />

ohne uns vorher etwas davon zu<br />

sagen! Damit hat er die anderen angefeuert,<br />

die beim nächsten Training auch alle Elemente<br />

einschließlich eines Vierfachsprungs<br />

gemacht haben. Das ist ein gutes Zeichen<br />

und zeigt, dass unsere Arbeit außerhalb vom<br />

Eis richtig war. Danach haben wir den Trubel<br />

etwas gebremst, damit sich niemand schadet,<br />

denn die Form war nach der langen<br />

Pause natürlich nicht ganz da. Wir haben für<br />

Makar (Ignatov) zwei neue Programme aufgebaut<br />

und für Dima eine neue Kür. Ich denke,<br />

das wird ein gelungenes Programm mit<br />

Tiefgang. Das KP ist auch schon in den Köpfen<br />

unserer Choreographen geboren und wir<br />

werden jetzt daran arbeiten und die Programme<br />

für die anderen Läufer, die in St. Petersburg<br />

bleiben mussten, zusammenstellen.<br />

Zur Musik möchte ich noch nichts<br />

«<br />

sagen,<br />

denn vielleicht ändert sich noch etwas. Dima<br />

hat sich (nach dem Erfolg) nicht verändert.<br />

Er geht mit genau derselben Denkweise heran<br />

wie vorher auch und das freut mich. Makar<br />

hat in der vergangenen Saison erstmals<br />

gespürt, was Erfolg ist. Jetzt muss ich ihm<br />

nichts mehr erklären, sondern ihn eher<br />

manchmal etwas bremsen.“<br />

verletzt ist. Wir haben sie motiviert, was sie<br />

machen und wie sie damit umgehen sollen.<br />

Es betraf die ganze Welt und deshalb hat<br />

niemand eine Tragödie daraus gemacht. Bereiche<br />

wie Bildung, Wirtschaft, Transport<br />

hatten viel größere Probleme. In Panik zu<br />

verfallen ist nicht richtig. Mishina/Galliamov<br />

hatten selbst den Wunsch zu uns zu<br />

kommen und stellten offiziell einen Antrag.<br />

Ich war einverstanden, denn es ist besser,<br />

zwei Paare zu trainieren, es ist lustiger für<br />

sie und es existiert der Wettkampf-Effekt<br />

mit einem Sparringpartner. Sie sind ein Paar<br />

von hohem Niveau. Es ist eine motivierende<br />

und gutartige Zusammenarbeit. Natalia Bestemianova<br />

und Igor Bobrin schafften es,<br />

für Mishina/Galliamov das KP aufzubauen<br />

und wir planen, mit Alexander Zhulin bald<br />

die Kür zu machen. Alexander<br />

«<br />

Zhulin hat<br />

für Boikova/Kozlvoskii nach der EM ein<br />

neues KP aufgebaut und wir hatten vor,<br />

noch mit anderen Choreographen zu arbeiten.<br />

Leider kam das wegen der Einschränkungen<br />

nicht zustande. Wir können eine<br />

neue Kür machen oder 007 (James Bond<br />

Kür) behalten, zumal es bisher keine Klarheit<br />

über den Beginn der Saison gibt.“<br />

Freund Vladislav Tarasenko, der wie sie ein ehemaliger<br />

Eiskunstläufer ist. Tatjana Flade<br />

»<br />

Aleksandra Boikova:<br />

„Die WM-Absage war hart, weil die Saison<br />

irgendwie kein richtiges Ende hatte. Das<br />

brachte ein Gefühl der Leere mit sich. Für<br />

mich war die Selbst-Isolation leichter, weil<br />

ich wegen der Abschlussprüfungen an der<br />

Schule viel zu tun hatte. Ich habe Prüfungen<br />

in Literatur, Russisch und Gesellschaftswissenschaften<br />

abgelegt. Im Herbst möchte ich<br />

anfangen, Journalismus zu studieren. Ich bin<br />

jemand, die immer in Bewegung ist und nicht<br />

stillsitzen kann. Die Zeit der Selbst-Isolation<br />

half mir, ruhiger und aufmerksamer zu werden.<br />

Wenn du jeden Tag mit deinen Trainern<br />

arbeitest, bemerkst du keine Veränderungen<br />

und denkst, du läufst am Anfang der Saison<br />

genauso wie am Ende. Aber wenn Sie unseren<br />

ersten Wettbewerb, die Shanghai Trophy,<br />

mit der EM vergleichen, sehen Sie den Unterschied<br />

in der eisläuferischen Qualität und in<br />

der Ausführung der Elemente.<br />

«<br />

Daran wollen<br />

wir weiterhin arbeiten, denn obwohl wir<br />

Fortschritte gemacht haben, haben wir noch<br />

Defizite. Ich denke, dass der Wettbewerb (im<br />

Training) ein Motor für den Fortschritt ist. Die<br />

Ankunft von einem unserer Konkurrenzpaare<br />

(Mishina/ Galliamov) in unserer Gruppe ist -<br />

ich würde nicht sagen ein Tritt in den Hintern,<br />

aber etwas, das uns vorantreibt.“<br />

Dmitrii Kozlvoskii:<br />

„Wir hatten uns so auf die WM gefreut, sie<br />

hätte etwas Besonderes werden sollen mit<br />

den ISU-Auszeichnungen, die das erste Mal<br />

stattfinden sollten. Aber wir verstehen, dass<br />

die Gesundheit der Menschen das Wichtigste<br />

ist. In der Quarantäne-Zeit haben wir getrennt<br />

voneinander trainiert, denn wir wollten<br />

nichts riskieren und es ist auch nicht<br />

schlecht, mal eine Pause voneinander zu machen<br />

(lacht). Direkt nach der EM haben wir<br />

mit Alexander Zhulin ein neues KP gemacht,<br />

das war ein Wink des Schicksals. Es ist immer<br />

logistisch schwer, Programme aufzubauen,<br />

denn Alexander Viacheslavovich (Zhulin)<br />

arbeitet mit den führenden Paaren der Welt<br />

und er und auch andere Choreographen arbeiten<br />

nicht nur mit dem Paar Boikova/Kozlovskii<br />

und es ist nicht einfach, die Pläne zu<br />

koordinieren. Nach der WM denkt jeder an<br />

neue Programme. Daher hatte Tamara Nikolaevna<br />

(Moskvina) eine gute Zeit gefunden<br />

und es war Teil unserer WM-Vorbereitung,<br />

denn nach einem Wettbewerb wie der EM<br />

brauchst du einen mentalen Reload. Wir<br />

hatten Glück und gingen mit<br />

«<br />

einem neuen<br />

KP in die Quarantäne. In dieser Corona-Zeit<br />

realisierst du, dass das Wichtigste in der<br />

Welt die Fähigkeit zuzuhören und einander<br />

zuzuhören ist. Alle diese Konflikte sind<br />

dumm, denn wir sind alle Menschen, die auf<br />

einer Erde leben. Wir sind eins und wir können<br />

diese Konflikte nur lösen, wenn wir als<br />

Einheit handeln und aufeinander hören.“<br />

27<br />

Sommertraining in Russland


28<br />

The Girl Without a Face<br />

Buchrezension<br />

The Girl Without a Face<br />

Ein amerikanischer Eislaufroman<br />

Buchbesprechung von Tatjana Flade<br />

Die Autoren<br />

Randy und Hailey Hicks<br />

Foto: privat<br />

recht beschuldigt zu haben, ändert sich alles schlagartig: Das beste US-<br />

Paarlaufpaar Melissa Cake und Alexander Piezov kommt nach Lake Arrowhead,<br />

um bei David Wilder zu trainieren. Katie, deren einziger Freund bisher<br />

das Eis war, ist fasziniert und ängstlich zugleich. Aber die Paarläufer werden<br />

ihre ersten richtigen Freunde und Katie fasst den Mut, sich der Welt zu<br />

stellen und bei Wettbewerben anzutreten. Und natürlich schafft sie es zu<br />

den Olympischen Spielen, wo allerdings nicht alles so läuft wie erhofft…<br />

Die Geschichte ist gut recherchiert und wirkt authentisch, auch wenn aus<br />

dramaturgischen Gründen nicht alles so ist wie im richtigen Leben und<br />

manchmal etwas märchenhaft (aber dafür ist es eben ein Roman). Die Figuren<br />

sind realistisch und sympathisch, ein paar Klischees bleiben nicht aus,<br />

wie der Vater des Paarläufers Alex, der ein russischer Eishockeyspieler ist<br />

und es dem Sohn übelnimmt, dass er Eiskunstläufer wurde. Mehrere reale<br />

Personen kommen in der Geschichte vor, zum Beispiel der Trainer Tom Zakrajsek,<br />

der die Autoren bei der ein Jahr andauernden Recherche unterstützte.<br />

Die Autoren erzählen Katies Geschichte in der ersten Person, mit einem<br />

Schuss Selbstironie. Autor Hicks zog seine 26 Jahre alte Tochter hinzu,<br />

um den Teenager-Ton zu treffen. An manchen Stellen wirkt Katie etwas altklug,<br />

aber andererseits ist sie keine normale 15-Jährige. Das Buch liest sich<br />

leicht und flüssig und ist auch für Nicht-Muttersprachler gut verständlich.<br />

Da der Eiskunstlauf wie kaum eine andere Sportart mit äußerlicher Schönheit<br />

assoziiert wird, ist das Konzept von der talentierten, aber schrecklich<br />

entstellten Eiskunstläuferin ein ungewöhnlicher und interessanter Ansatz.<br />

„Ich wollte eine mächtige Story“<br />

Der Eiskunstlauf ist eine Sportart, in der viele tolle Geschichten<br />

erzählt werden. Die meisten Bücher zum Thema<br />

sind allerdings Biographien oder Autobiographien über Stars<br />

wie Aljona Savchenko oder Adam Rippon und nur wenige Autoren<br />

setzen sich literarisch mit dem Eiskunstlauf auseinander,<br />

was eigentlich verwunderlich ist. Der Amerikaner Randall<br />

Hicks, ein langjähriger Eiskunstlauf-Fan und anerkannter<br />

Fachanwalt für Adoptionsrecht, der schon mehrere Sachbücher<br />

und auch Romane veröffentlichte, hat nun zusammen<br />

mit seiner Tochter Hailey den Roman „The Girl Without a<br />

Face“ (Das Mädchen ohne Gesicht) geschrieben.<br />

Katie Wilder ist 15 Jahre alt und ist eine der talentiertesten Eiskunstläuferinnen<br />

der Welt, die nicht nur den dreifachen Axel, sondern sogar den<br />

vierfachen Lutz beherrscht. Aber niemand hat je von ihr gehört. Sie lebt<br />

abgeschieden alleine mit ihrem Vater David, einem ehemals bekannten<br />

und erfolgreichen Trainer, im alten Eislaufzentrum Lake Arrowhead. Der<br />

Vater wurde einst aus der Eislaufwelt verstoßen, weil ihm eine Schülerin<br />

vorwarf, er habe eine Affäre mit ihr gehabt. Seitdem unterrichtet er ein<br />

paar Anfänger – und steckt sein ganzes Fachwissen in die Tochter. Doch<br />

Katie erlitt als Dreijährige bei einem Autounfall schreckliche Verbrennungen<br />

im Gesicht, so dass sie eine Maske trägt, wenn sie mal mit Außenstehenden<br />

in Kontakt kommt. An Wettbewerben teilzunehmen, kommt für<br />

sie nicht in Frage. Als die ehemalige Schülerin zugibt, den Trainer zu Un-<br />

„Meine Liebe für den Eiskunstlauf begann, als ich 19 Jahre alt war und Dorothy<br />

Hamill zusah, wie sie 1976 zu Gold bei den Olympischen Spielen in Innsbruck<br />

lief. Was hatte ich für einen Teenager-Crush für sie! Das war vor 43<br />

Jahren und ich warte immer noch auf unser erstes Date. Vielleicht ist es Zeit<br />

aufzugeben“, scherzte Hicks im Interview mit der „<strong>Pirouette</strong>“. „Das war der<br />

Beginn meiner Leidenschaft für Eiskunstlauf. Ich liebe diese Einzigartigkeit<br />

von künstlerischem Ausdruck und großartiger Athletik. Für mich ist das wie in<br />

die Oper zu gehen und plötzlich machen die Leute dreifache Axel. Als ich die<br />

Idee für das Buch hatte, war die Herausforderung, den Sport aus der einzigartigen<br />

Perspektive der Protagonistin zu präsentieren – eine Eliteläuferin, die in<br />

gewisser Hinsicht eine Insiderin, aber andererseits als Person eine komplette<br />

Außenseiterin ist. Ich wollte eine wirklich mächtige Story über ein Mädchen,<br />

das mehr Herausforderungen zu bewältigen hat, als die meisten von uns sich<br />

vorstellen können, aber die an diesen Herausforderungen wächst. Und auf<br />

diesem Weg lachen und weinen wir mit ihr und feuern sie an“, fasste Hicks<br />

zusammen. Das ist in gewisser Weise typisch amerikanisch – sich hochkämpfen,<br />

Widerstände und Rückschläge überwinden, um am Ende seine Träume zu<br />

verwirklichen. Das Buch hat durchaus eine starke Botschaft, die die Autoren<br />

an manchen Stellen etwas subtiler hätten herüberbringen können. Besonders<br />

gelungene Momente sind Katies Auftritt bei der US-Meisterschaft und wenn<br />

sie genug Vertrauen fasst, vor ihren Freunden die Maske abzunehmen.<br />

„Im Grunde schrieb mein Papa die Story, dann habe ich sie so überarbeitet,<br />

um Katies Stimme so authentisch wie möglich zu machen. Es hat viel Spaß<br />

gemacht, das Leben aus einer ganz anderen Perspektive zu sehen“, erzählte<br />

Hailey Hicks, die aktuell in Thailand lebt und arbeitet. „Es gibt viele großartige<br />

Biographien von Eiskunstläufern und hervorragende Sachbücher über den<br />

Sport, aber gibt es tolle unterhaltsame Romane aus der Welt des Eiskunstlaufs?<br />

Nein. Das war mein Ziel. Ich wollte ein Buch schreiben, dass so unterhaltsam<br />

und authentisch wie möglich ist“, meinte Vater Hicks. „Um das zu<br />

erreichen, machten wir etwas, das so gut wie nie in Romanen vorkommt –


Eislaufgeschichte:<br />

Elsa Rendschmidt<br />

Die große Pionierin<br />

des deutschen<br />

Damen-Eiskunstlaufens<br />

Bei den Weltmeisterschaften 1902 in<br />

London wurden die Offiziellen der ISU<br />

mit der Meldung einer Dame – der Britin<br />

Madge Cave-Syers - überrascht. Weil das<br />

Niveau des Dameneiskunstlaufens noch<br />

unterentwickelt war, hielten es die Fachleute<br />

für unmöglich, dass Frauen bei internationalen<br />

Meisterschaften antreten<br />

könnten. Deshalb enthielt die Wettlaufordnung<br />

auch keine Regel, die einem<br />

Start von Frauen entgegenstand.<br />

wir schlossen echte Personen in die Geschichte<br />

ein. Katies Weg kreuzt sich mit einigen der<br />

größten Namen aus der Eislaufwelt, von Tara Lipinski<br />

über Scott Hamilton bis zu Adam Rippon.<br />

Und wenn sie von der Presse interviewt wird,<br />

dann von echten Eislaufjournalisten, deren Namen<br />

die Fans wiederkennen“, schilderte er. „Die<br />

andere große Herausforderung war der Wunsch,<br />

die Menschen zu berühren und sie zum Nachdenken<br />

zu bringen, wie sie andere sehen und<br />

behandeln. In anderen Worten, ich wollte ein<br />

Buch schreiben, das einen Unterschied in der<br />

Welt macht, so pathetisch das klingen mag.<br />

Aber das Buch sollte witzig, flott und unterhaltsam<br />

sein, niemals predigend. Hier war Hailey<br />

sehr hilfreich. Mit ihrer Hilfe wurde Katie<br />

Wilder eine echte Person mit einem eigenen<br />

Kopf,“ schloss der Autor. Tatjana Flade<br />

Fazit: „The Girl Without a Face“ ist eine unterhaltsame<br />

Lektüre nicht nur für Eiskunstlauffans.<br />

Es ist kein knallharter Tatsachenroman,<br />

der hinter die Kulissen des Eiskunstlaufs führt,<br />

sondern eine eher romantische, aber nicht zu<br />

kitschige Geschichte.<br />

Randall und Hailey Hicks: The Girl Without a<br />

Face, erschienen bei Wordslinger Press,<br />

368 Seiten, erhältlich als E-Book (9,19 Euro)<br />

und als Taschenbuch (16,40 Euro),<br />

ISBN 978-0983942573<br />

Elsa Rendschmidt, Siegerin<br />

der Damenkonkurrenz bei den<br />

<strong>No</strong>rdischen Spielen 1909<br />

Quelle: Sveriges Centralförening<br />

för Idrottens Främjande Archive<br />

Pokale und Ehrenpreise von Elsa Rendschmidt<br />

Foto: Archiv Ulrich Sander<br />

Beim 6. ISU-Kongress 1903 wurde mit sechs<br />

gegen drei Stimmen „empfohlen“, Damen an<br />

EM und WM nicht zuzulassen. Die Beteiligung<br />

von Damen würde die Schwierigkeiten<br />

der richtigen Urteilsfindung noch vermehren.<br />

Der Haupteinwand war, dass die Damen auf<br />

Grund des fußlangen Rockes Nachhilfen mit<br />

dem Spielbein in der Pflicht geschickt verbergen<br />

könnten. Ein internationales Starterfeld mit<br />

neun Teilnehmerinnen im Rahmenwettbewerb<br />

der WM 1905 in Stockholm bedeutete den internationalen<br />

Durchbruch des Damenkunstlaufens,<br />

so dass der darauffolgende 7. ISU-Kongress<br />

in Kopenhagen die Einführung einer separat<br />

durchzuführenden „ISU-Damenmeisterschaft“ ab<br />

dem Jahr 19<strong>06</strong> beschloss. Diese erhielten 1923<br />

nachträglich die offizielle Anerkennung als<br />

Weltmeisterschaften. Damit hatte das Eiskunstlaufen<br />

eine absolute Vorreiterrolle im Frauensport.<br />

An den I. „ISU-Damenmeisterschaften“<br />

nahm mit Elsa Rendschmidt auch eine deutsche<br />

Läuferin teil, die als die große Pionierin des<br />

deutschen Dameneiskunstlaufens gilt.<br />

Familiärer Hintergrund<br />

Elsa Helene Rendschmidt wurde am 11.01.1886<br />

in Berlin geboren. Ihr Vater Maximilian Friedrich<br />

(Max) Rendschmidt (1846-1926) stammt<br />

aus dem schlesischen Rosenberg (Olesno). Nach<br />

Besuch der Compositionsklasse an der Königlichen<br />

Akademie der Künste in Berlin arbeitete er<br />

als Kunstmaler und Exlibris-Zeichner. Er führte<br />

vorrangig Auftragsarbeiten, zumeist Portraits,<br />

aus. Ihre Mutter Margarethe Anna Marie<br />

Klippert (1862-1940) entstammt einer Kaufmannsfamilie,<br />

die ein Garn- und Webwarengeschäft<br />

in der Gertraudtenstrasse 170 betrieb.<br />

Nach ihrer Heirat im Jahr 1883 wohnte<br />

die Familie Rendschmidt in der Grimmstraße<br />

1 und später in der Bismarckstraße 22<br />

im Stadtteil Friedenau. Elsa besuchte von 1893-<br />

1897 die Königliche Elisabethschule, 1898-<br />

1900 die Höhere Mädchenschule Elisabeth Michalik<br />

im Grunewald und 1900-1902 die Höhere<br />

Mädchenschule zu Friedenau. Zudem<br />

sandten sie ihre Eltern im Winter 1902-1903<br />

an die Haushaltsschule im Ursulinerinnen-<br />

Kloster Thildonck (Belgien).<br />

Ihr Vater war aktiver Radfahrer im Sommer<br />

und Eiskunstläufer im Winter. Er wirkte in<br />

verschiedenen Funktionen (Vorsitzender,<br />

Fahrwart, Beisitzer) im Vorstand des<br />

1891 gegründeten Berliner Bicycle<br />

Clubs. Der Sportsmann übernahm die<br />

eisläuferische Ausbildung seiner Kinder<br />

Max und Elsa und ermöglichte ihnen<br />

Training im 1893 gegründeten Berliner<br />

Schlittschuh-Club. Die Mitgliedschaft in<br />

einem Verein sicherte zu diesem Zeitpunkt<br />

aber nur die Nutzung der Infrastrukturen sowie<br />

die Teilnahme an sportlichen und gesellschaftlichen<br />

Aktivitäten. Einen vom Verein gestellten<br />

oder bezahlten Nachwuchstrainer gab es<br />

noch nicht. Die Ausbildung war Privatsache, womit<br />

der Zugang zum Eiskunstlaufen ein Privileg<br />

Weniger war, die entsprechend Geld, Zeit und<br />

auch den notwendigen Enthusiasmus aufbrachten.<br />

So berichtete die Mutter in ihren Annalen<br />

von Fernreisen zu Natureisbahnen in den<br />

29<br />

Eislaufgeschichte Elsa Rendschmidt


30<br />

Eislaufgeschichte<br />

Elsa Rendschmidt<br />

Ein Zeitungartikel von 1908<br />

Sieger-Urkunde von den Olympischen Spielen 1908, Quelle der Fotos: Archiv Ulrich Sander<br />

Schweizer Alpen und nach Skandinavien. 1902<br />

wurde Max Rendschmidt zum Laufwart für<br />

Paarlauf und Mitglied im Sportausschuss des<br />

Berliner Schlittschuh-Clubs gewählt. Zudem<br />

fungierte er als internationaler Preisrichter. Die<br />

Eltern achteten auch auf eine berufliche Absicherung<br />

ihrer Tochter und ließen sie 1905 eine<br />

Ausbildung zur Bibliothekarin absolvieren.<br />

Vielversprechender internationaler<br />

Einstieg<br />

Erstes Aufsehen in der Fachpresse erregte Elsa<br />

Rendschmidt, als sie bei den auf der Westeisbahn<br />

ausgerichteten Meisterschaften des Berliner<br />

Schlittschuh-Clubs am 16.01.1904 das<br />

„Kunstlaufen für Damen“ vor Hedwig und Else<br />

Müller gewann. Am 25.01.1904 nahm sie als<br />

<strong>No</strong>vum gleichberechtigt mit den Herren an<br />

dem neu eingeführten, vierstufigen Klassenlaufen<br />

ihres Vereins teil und bestand die unterste<br />

Stufe. Ihr internationaler Einstieg erfolgte vom<br />

27.- 29.01.19<strong>06</strong> beim „Davoser Eislaufmeeting“,<br />

wo sie am „Damenlaufen des Internationalen<br />

Schlittschuh-Clubs Davos“ und an den I.<br />

„ISU-Damenmeisterschaften“ teilnahm. Beim<br />

„Damenlaufen des ISCD“ setzte sich Elsa Rendschmidt<br />

überraschend vor der favorisierten<br />

Jenny Herz (Österreich) und Anna Hübler<br />

(Deutschland) durch. Auf den weiteren Plätzen<br />

folgten Miss Harrington (Großbritannien) und<br />

Frl. Rossel (Schweiz). Damit konnte sie zuversichtlich<br />

bei den anschließenden I. „ISU-Damen-Meisterschaften“<br />

an den Start gehen.<br />

Durch einen Sturz bei der Gegenwende in der<br />

Pflicht fiel sie aussichtslos zurück und wurde<br />

in der Gesamtwertung auf dem undankbaren 4.<br />

Platz eingestuft. Ihr Kürlaufen wurde in der<br />

Presse als „energisch“ und „schneidig“ bezeichnet.<br />

Als ihr Markenzeichen galt das „Aufstellen“<br />

auf die Kufenspitzen. Bei dem als Rahmenwettbewerb<br />

der Deutschen Meisterschaften<br />

am 03. und 04.02.19<strong>06</strong> in München ausgetragenen,<br />

ersten „Verbandskunstlaufen für Damen“<br />

siegte die Berlinerin vor Anna Hübler<br />

vom Münchener Eislauf-Verein. Damit gewann<br />

Elsa Rendschmidt den ersten, noch inoffiziellen<br />

deutschen Meistertitel. In diesem Wettbewerb<br />

war nur Kürlaufen gefordert.<br />

Erste deutsche WM-Medaille im<br />

Einzellaufen der Damen<br />

Bei den II. „ISU-Damenmeisterschaften“ 1907<br />

in Wien zeigte Elsa Rendschmidt erneut Unsicherheiten<br />

in der Pflicht und kam deshalb<br />

über den 4. Platz nicht hinaus. Als bei den III.<br />

„ISU-Damenmeisterschaften“ 1908 in Troppau<br />

(Opava) nur zwei Damen antraten, gelang der<br />

erste WM-Medaillengewinn einer deutschen<br />

Dame. Zwei Trainingsstürze zwei Tage vor<br />

Meisterschaftsbeginn, die eine schmerzhafte<br />

Knieprellung verursachten, gefährdeten ihren<br />

Start. Aber auch ohne diese Indisposition wäre<br />

Elsa Rendschmidt gegen Lilly Kronberger (Ungarn)<br />

wohl chancenlos gewesen. Im Wettkampfbericht<br />

heißt es, dass sie die in der<br />

Pflicht geforderte Einwärtswende nur mit Hilfe<br />

des Spielfußes hatte ausführen können. Lob<br />

gab es hingegen für ihr Kürlaufen: „Ob sie pirouettiert,<br />

Tanzschritte läuft oder sich in<br />

Sprüngen versucht, immer tut sie es mit Geschmack<br />

und mit der ihr eigenen Grazie.“ Ihr<br />

Kürprogramm war wie folgt ausgebaut: Übersetzer<br />

zur Spirale übergehend – Spitzendrehungen<br />

– Doppeldreier in Achterform – Spirale<br />

– Zwischenschritte – Brille – Amerikanischer<br />

Walzer – Rebe – Standpirouette beidbeinig,<br />

Dreiersprünge mit Zwischenschritten in Achterform<br />

– Schlingen kombiniert mit Spitzenschritten<br />

- Übersetzer – Gegenwende – Spitzenspringen<br />

– Rebe – Wenden und Dreier in<br />

Achterform - Spitzenschritte – Übersetzer mit<br />

zwei Wenden – Spitzenstand als Schlusspose.<br />

Am 16.02.1908 nahm sie am „Internationalen<br />

Damenkunstlaufen“ im Rahmen der ISU-Paarlaufmeisterschaften<br />

in St. Petersburg teil und<br />

errang hinter Lilly Kronberger den 2. Platz vor<br />

der Schwedin Elma Montgomery.<br />

Olympia-Silber in London<br />

Ihr großer Vorteil in der olympischen Saison<br />

1908/1909 war die Eröffnung des Berliner Eispalastes<br />

in der Lutherstraße. Beim „Opening“<br />

am 31.08.1908 gaben Elsa und Bruder Max<br />

Rendschmidt (jun.) einen seltenen Auftritt als<br />

Paar. Das regelmäßige Training auf Kunsteis<br />

bewirkte einen Leistungsschub insbesondere<br />

Die Olympia<br />

Silbermedaille<br />

im Pflichtlaufen. Fünf Monate nach dem eigentlichen<br />

Beginn der Olympischen Spiele fielen am<br />

28.10. mit den Pflicht- und am 29.10.1908 mit<br />

den Kürwettbewerben die Entscheidungen im<br />

Eiskunstlaufen im 1895 errichteten „Princes Skating<br />

Club Rink“ von Knightsbridge (London). Der<br />

Olympiasieg von Altmeisterin Madge Cave-Syers<br />

bildete aufgrund ihres mit den Herren vergleichbaren<br />

Leistungsvermögens im Pflichtlaufen nur<br />

eine Formsache, obwohl ihr Kürlaufen mit klein<br />

angelegten Figuren, einem Tanz mit graziösen<br />

Beinschwüngen und zahlreichen Posen antiquiert<br />

war. Weil Kronberger und Herz nicht teilnahmen,<br />

schien die Vergabe der weiteren Medaillen völlig<br />

offen. Vorentscheidend war die Pflicht, in der<br />

sich Elsa Rendschmidt als Zweite bereits knapp<br />

mit 8,5 Punkten vor der Britin Dorothy Greenhough-Smith<br />

platzierte. Mit der besten Kürleistung<br />

ihrer Laufbahn konnte sie den Abstand um<br />

weitere 86 Punkte ausbauen und die olympische<br />

Silbermedaille gewinnen. Einzelläuferin Elsa<br />

Rendschmidt und Paarläuferin Anna Hübler waren<br />

die ersten deutschen Frauen, die überhaupt<br />

an Olympischen Spielen teilnahmen und olympische<br />

Medaillen gewannen.<br />

Im vom Berliner Schlittschuh-Club veranstalteten<br />

Wettbewerb „Preis des Berliner Eispalastes“<br />

am 3.-5.11.1908 – konnte Elsa Rendschmidt ihren<br />

2. Platz von London eindrucksvoll bestätigen.<br />

Sie hätte „bei flottem Marschtempo Temperament<br />

und Eigenart“ entwickelt, kommentiert<br />

das Verbandsorgan „Deutscher Wintersport“.<br />

„Ihre Sprünge, Spitzenpirouetten und<br />

Wendenübersetzer glückten gut und ihr kompli-


31<br />

zierter Panin-Marsch wurde lebhaft applaudiert.“<br />

Bei den IV. „ISU-Damenmeisterschaften“<br />

am 23./24.01.1909 in Budapest traten<br />

Jenny Herz und Elsa Rendschmidt nicht im<br />

Hauptwettbewerb an und überließen der einheimischen<br />

Lilly Kronberger kampflos den Titel.<br />

Um Benachteiligungen zu entgehen, starteten<br />

sie im als Rahmenwettbewerb durchgeführten<br />

„Senioren-Laufen“. Elsa Rendschmidt<br />

platzierte sich hinter Jenny Herz, aber vor<br />

dem neuen ungarischen Wunderkind Opika<br />

von Meray-Horvath. Beim „Damen-Kunstlaufen<br />

des Wiener Eislauf-Vereins“ am<br />

26.01.1909 erreichte sie trotz gleicher Platzziffer<br />

aber mit geringerer Punktzahl wie die<br />

erneute Siegerin Herz wieder den 2. Platz vor<br />

Meray-Horvath und Hübler. Für großes gesellschaftliches<br />

Aufsehen sorgte ihr Sieg in der<br />

Damenkonkurrenz der „<strong>No</strong>rdischen Spiele“ in<br />

Stockholm (<strong>06</strong>.-14.02.1909), als ihr der<br />

schwedische König Gustav V. den Ehrenpreis<br />

überreichte. Am Saisonfinale siegte Elsa im<br />

„Senioren-Damenkunstlaufen“ der Sportwoche<br />

im Berliner Eispalast in der Lutherstraße<br />

ohne Konkurrenz.<br />

Zweite WM-Medaille und erste<br />

Deutsche Meisterin<br />

Die Saison 1909 /1910 begann Elsa Rendschmidt<br />

mit einem überraschenden Debüt.<br />

Beim „Internationalen Kunstlaufmeeting“ im<br />

Berliner Eispalast (14./15.12.1909) ging sie mit<br />

Werner Rittberger in der Eiswalzer-Konkurrenz<br />

an den Start. Sie belegten bei diesem einmaligen<br />

Versuch hinter Ludowika Eilers / Walter<br />

Jakobsson den 2. Platz. Es folgten zwei Siege<br />

beim „Akademischen Kunstlaufen“ (21.01.1910)<br />

und bei der Premiere des „Damen-Kunstlaufens<br />

um den Gurschner-Preis“ (22.01.1910) jeweils<br />

in Wien. Bei ihrer letzten Teilnahme an „ISU-<br />

Damenmeisterschaften“ 1910 in Berlin konnte<br />

sie ihren Leistungszuwachs erneut nachweisen<br />

und mit nur 16 Punkten den Abstand zu Kronberger<br />

wesentlich reduzieren. Vor Heimpublikum<br />

erlief sie ihre zweite WM-Silbermedaille.<br />

Mit ihrer „ans Männliche erinnernden, fesselnden<br />

Vortragsweise“ hob sie sich deutlich vom<br />

tänzerisch-weichen Laufstil Kronbergers ab. Im<br />

Anschluss siegte Rendschmidt in der Damenkonkurrenz<br />

als Rahmenwettbewerb der Herren-<br />

EM 1910 in Berlin. Die vom Deutschen Eislauf-<br />

Verband im Jahr 1909 beschlossene Einführung<br />

offizieller Landesmeisterschaften für Damen ab<br />

1910 fiel auf Grund ungünstiger Witterung<br />

und interner Verbandsquerelen aus. Die Premiere<br />

erfolgte am 11.2.1911 in Olmütz (Olomouc).<br />

Dies veranlasste Elsa, noch eine Saison zu verlängern.<br />

Obwohl sie noch keinen Wettbewerb<br />

bestritt, gewann sie überlegen den ersten<br />

deutschen Meistertitel für Damen vor Grete<br />

Strasilla (Troppau). Am 19.02.1911 nahm sie<br />

noch einmal am „Internationalen Senioren-Damen-Kunstlaufen“<br />

der Sportwoche des Berliner<br />

Schlittschuh-Clubs teil und siegte vor Ludowika<br />

Eilers und der (späteren) Olympia-Silbermedaillengewinnerin<br />

von 1920 Svea <strong>No</strong>rén<br />

(Schweden). Mit einem Sieg beim „Internationalen<br />

Damenkunstlaufen“ in Hannover schloss<br />

sie die Saison erfolgreich ab.<br />

Berufseisläuferin in St. Moritz<br />

Im Dezember 1911 verkündeten die Tageszeitungen<br />

ihren Wechsel als Berufseisläuferin. Sie<br />

erhielt ein Engagement vom Internationalen<br />

Schlittschuh-Club von St. Moritz. Hier erteilte<br />

sie im Team von Bror Meyer (Schweden) Privatunterricht<br />

und trat in Schaulaufen auf den Eisplätzen<br />

der Engadiner Luxushotels auf. Sie gehörte<br />

zu den großen Sportstars dieser Epoche.<br />

Die „Berliner Illustrierte“, die Wiener „Sport im<br />

Bild“, die „Allgemeine Sportzeitung“ sowie zahlreiche<br />

andere Medien brachten sie aufs Titelblatt.<br />

Mit dem Ende von Elsas Amateurkarriere<br />

zog sich die gesamte Familie Rendschmidt vom<br />

Eissport zurück. Vater Max (sen.) beendete seine<br />

Laufbahn als internationaler Preisrichter. Er<br />

wertete u.a. bei den WM 1904 in Berlin, 1905<br />

in Stockholm, 1910 und 1911 in Berlin. Er gab<br />

zudem seine Ämter im Vorstand des Berliner<br />

Schlittschuh-Clubs auf. Der verdienstvolle<br />

Sportfunktionär zog 1913 zu seiner Tochter<br />

nach Hannover. Bruder Max (jun.), EM-Sechster<br />

19<strong>06</strong>, wurde 1913 Regierungsbaumeister und<br />

ab 1929 Magistratsoberbaurat. Nach seiner Promotion<br />

berief man ihn von 1933 bis 1937 zum<br />

Stadtbaudirektor von Berlin. In St. Moritz lernte<br />

Elsa im Winter 1912 den deutsch-jüdischen Unternehmer<br />

Siegfried (Fritz) Sander kennen. Er<br />

machte im mondänen Wintersportort jährlich 6<br />

Wochen Urlaub.<br />

Die Firma „S. Sander & Söhne“ betrieb u.a. die<br />

„Hannoverschen Schwellenwerke“, den Basaltsteinbruch<br />

Bramburg und mehrere Ziegeleien.<br />

1913 folgte die Heirat. Diese sollte sich für Elsa<br />

als ein finanziell ausgezeichneter Schachzug<br />

erweisen. Im Januar 1914 wurde Tochter Eva<br />

und im Juni 1916 Sohn Günter geboren. Mit<br />

der Eheschließung erfolgte der Rückzug ins Private<br />

und der Abschied vom Eis. Die Familie lebte<br />

in Hannover in einer Gründerzeitvilla in der<br />

Bernstraße. Fritz Sander diente im I. Weltkrieg<br />

als Soldat und konvertierte 1921 zum Protestantismus.<br />

Nach einem langwierigen Gerichtsprozess<br />

wurde die Ehe im Jahr 1929 geschieden.<br />

Das Gericht urteilte zu Lasten des Ehemannes,<br />

was Elsa ein beträchtliches Vermögen<br />

und damit ein sicheres Auskommen bis zu ihrem<br />

Tod garantierte. Ihr wurden zudem die Kinder<br />

zugesprochen. Sie nahm wieder ihren Mädchennamen<br />

an und bezog eine Mietwohnung in<br />

der Wißmann-Straße 1.<br />

Schicksal im II. Weltkrieg<br />

In der Zeit des Nationalsozialismus zeigte Elsa<br />

Rendschmidt, die durch ihre Familie und den internationalen<br />

Sportbetrieb weltoffen geprägt<br />

wurde, eine aus heutiger Sicht dunkle Seite. Bereits<br />

im <strong>No</strong>vember 1932 wurde sie Mitglied der<br />

NSDAP. Bei der Eröffnung der Olympischen Winterspiele<br />

1936 in Garmisch-Partenkirchen soll<br />

man Elsa am Tisch Hitlers sitzend gesehen haben.<br />

Als man sie 1942 aus der Partei ausschloss,<br />

weil sie wegen ihres familiären Hintergrunds die<br />

„Rassegrundsätze“ nicht vorbehaltlos vertreten<br />

könne, legte sie Rechtsmittel ein. Dieser Schritt<br />

erscheint schwer nachvollziehbar angesichts des<br />

Schicksals ihres Ex-Mannes Fritz Sander, der am<br />

12.04.1941 von der Gestapo verhaftet und ins<br />

KZ Sachsenhausen gebracht wurde, wo er am<br />

<strong>06</strong>.08.1941 offiziell an einer Embolie infolge<br />

einer Lungenentzündung verstarb. Ihr Enkelsohn<br />

Ulrich Sander sieht darin eine Überlebensstrategie,<br />

um ihre halbjüdischen Kinder<br />

zu schützen, denn nach der „Wannsee-Konferenz“<br />

im Januar 1942 war nunmehr auch diese<br />

Bevölkerungsgruppe gefährdet und konnte<br />

ins KZ deportiert werden. Am Ende des II.<br />

Weltkriegs arbeitete Elsa in der ausgelagerten<br />

Bibliothek des Oberkommandos der Wehrmacht<br />

im Lager <strong>No</strong>rd Hochwalde im ostpreußischen<br />

Meseritz (Międzyrzec Podlaski). Nach<br />

dem Krieg zog sie zu ihrem Sohn Günter, der<br />

aufgrund der Bombardements auf Hannover<br />

den Wohnsitz der Familie in ein leerstehendes<br />

Kutscherhaus im ehemaligen Werksgelände<br />

des Steinbruchs in Volpriehausen verlegte.<br />

Dort gründete er im Juni 1946 einen Maschinenhandel,<br />

aus welchem das Unternehmen<br />

SPÄNEX hervorging.<br />

Elsa Rendschmidt lebte bis 1969 in der Familie<br />

Sander. Sie verstarb am 09.10. des Jahres<br />

in einem Seniorenheim am Wohnort ihrer<br />

Tochter Eva in Celle. Ein Grab existiert nicht<br />

mehr. Am 01.02.20<strong>06</strong> erhielt ein Verbindungsweg<br />

zwischen der Glockenturmstraße, in der<br />

sich ab 1974 das Clubhaus des Berliner<br />

Schlittschuh-Clubs befand, und dem S-Bahnhof<br />

Pichelsberg ihren Namen. Diese Benennung<br />

soll an die Verdienste des einstigen<br />

Sportidols, das für die Entwicklung des Frauensports<br />

allgemein und des deutschen Dameneiskunstlaufens<br />

im Besonderen einen unschätzbar<br />

wichtigen Beitrag leistete, erinnern.<br />

Ihren Nachlass verwaltet ihr Enkel, Rechtsanwalt<br />

Ulrich Sander, von dem dankenswerter<br />

Weise die Fotos und Informationen zum familiären<br />

Hintergrund stammen. <br />

<br />

Dr. Matthias Hampe<br />

Elsa Rendschmidt<br />

in St. Moritz<br />

Eislaufgeschichte Elsa Rendschmidt


ISU Skating Awards<br />

ISU Award-Gewinnerin Eteri Tutberidge mit ihren Co-Trainern<br />

Sergei Dudakov (links) und Daniel Gleichengauz sowie Kamila Valieva<br />

(rechts) und Daria Usacheva in Tallinn, Foto: Tatjana Flade<br />

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