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RA 03/2021 - Entscheidung des Monats

Im „Gutachterfall“ des BGH (RA 2014, 353, VIII ZR 275/13) erkannte der BGH für den Verbrauchsgüterkauf § 439 II BGB als Anspruchsgrundlage an. Käufer sollten, unabhängig davon, ob der Verkäufer den Mangel zu vertreten hatte, einen Anspruch auf Erstattung von Gutachterkosten haben. Später erweiterte der BGH seine Rechtsprechung beim Verbrauchsgüterkauf auf Anwaltskosten (Urteil vom 24.10.2018, VIII ZR 66/17). In der vorliegenden Entscheidung geht das LG Saarbrücken über diese BGH-Urteile hinaus.

Im „Gutachterfall“ des BGH (RA 2014, 353, VIII ZR 275/13) erkannte der BGH für den Verbrauchsgüterkauf § 439 II BGB als Anspruchsgrundlage an. Käufer sollten, unabhängig davon, ob der Verkäufer den Mangel zu vertreten hatte, einen Anspruch auf Erstattung von Gutachterkosten haben. Später erweiterte der BGH seine Rechtsprechung beim Verbrauchsgüterkauf auf Anwaltskosten (Urteil vom 24.10.2018, VIII ZR 66/17). In der vorliegenden Entscheidung geht das LG Saarbrücken über diese BGH-Urteile hinaus.

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<strong>RA</strong> <strong>03</strong>/<strong>2021</strong><br />

Zivilrecht<br />

113<br />

ZIVILRECHT<br />

Problem: Anspruch auf Transportkostenerstattung gem.<br />

§ 439 II BGB<br />

Einordnung: Schuldrecht, Kaufrecht<br />

LG Saarbrücken, Urteil vom 22.01.<strong>2021</strong><br />

13 S 130/20<br />

EINLEITUNG<br />

Im „Gutachterfall“ <strong>des</strong> BGH (<strong>RA</strong> 2014, 353, VIII ZR 275/13) erkannte der BGH<br />

für den Verbrauchsgüterkauf § 439 II BGB als Anspruchsgrundlage an. Käufer<br />

sollten, unabhängig davon, ob der Verkäufer den Mangel zu vertreten hatte,<br />

einen Anspruch auf Erstattung von Gutachterkosten haben. Später erweiterte<br />

der BGH seine Rechtsprechung beim Verbrauchsgüterkauf auf Anwaltskosten<br />

(Urteil vom 24.10.2018, VIII ZR 66/17). In der vorliegenden <strong>Entscheidung</strong> geht<br />

das LG Saarbrücken über diese BGH-Urteile hinaus.<br />

SACHVERHALT<br />

Verbraucher K erwarb beim gewerblichen Autoverkäufer B am 12.07.2019 einen<br />

gebrauchten Pkw. Bei einer Fahrt während eines Türkeiurlaubes trat am Fahrzeug<br />

am 22.07.2019 ein Motorschaden auf. B verlangte die Vorstellung <strong>des</strong> defekten<br />

Fahrzeugs an seinem Geschäftsbetrieb in Deutschland, lehnte aber eine Kostenübernahme<br />

für die Überführung <strong>des</strong> Kfz aus der Türkei ab. Nach einer Vorstellung<br />

<strong>des</strong> Fahrzeugs bei einer Werkstatt in der Türkei ließ K das Fahrzeug auf seine<br />

Kosten zur Werkstatt <strong>des</strong> B überführen. Dieser tauschte den Motor aus. K verlangt<br />

Zahlung seiner Transportkosten in Höhe von insgesamt 2.354,31 €. Er behauptet,<br />

während der Fahrt sei es zu einem Knall bei 120 km/h gekommen. Anschließend<br />

sei der Motor außer Betrieb gewesen. B wehrt sich mit der Behauptung, im Motor<br />

habe sich Wasser befunden, was darauf hindeute, dass dieser heiß gefahren<br />

worden sei. Er sei nicht verpflichtet, über die Abholung vom Wohnort <strong>des</strong><br />

Klägers hinaus Transportkosten zu ersetzen. Andernfalls liefe dies auf eine unzumutbare<br />

Belastung mit weltweiten Transportkosten hinaus. Zu Recht, wenn B<br />

nicht beweisen kann, dass sich Wasser im Motor befunden hat?<br />

LEITSATZ<br />

Lässt der Käufer sein mangelhaftes<br />

Fahrzeug zur Werkstatt <strong>des</strong> Verkäufers<br />

überführen, weil dieser das<br />

Fahrzeug selbst überprüfen und den<br />

Mangel beseitigen will, kann er die<br />

dazu erforderlichen Transportkosten<br />

vom Verkäufer gemäß § 439 Abs. 2<br />

BGB auch dann ersetzt verlangen,<br />

wenn jener angesichts der großen<br />

Entfernung zum Ort, an dem sich<br />

der Mangel gezeigt hat, einen erbetenen<br />

Vorschuss für die Transportkosten<br />

verweigert hat.<br />

LÖSUNG<br />

A. Anspruch auf Zahlung der Transportkosten gem. §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB<br />

K könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung von 2.354,31 € aus einem<br />

Schadensersatzanspruch gem. §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB haben.<br />

I. Kaufvertrag<br />

K und B schlossen am 12.07.2019 einen Kaufvertrag über den PKW.<br />

II. Sachmangel zur Zeit <strong>des</strong> Gefahrübergangs<br />

Mit der Übergabe <strong>des</strong> PKW ging die Gefahr gem. § 446 S. 1 BGB auf K über.<br />

Fraglich ist, ob zu diesem Zeitpunkt ein Sachmangel im Sinne <strong>des</strong> § 434 BGB<br />

am PKW vorgelegen hat. Aufgrund <strong>des</strong> Motorschadens kommt ein Sachmangel<br />

gem. § 434 I 2 Nr. 2 BGB in Betracht. Fraglich ist, wie es sich auswirkt,<br />

dass nicht feststeht, ob ein Bedienungsfehler wie Überhitzung <strong>des</strong> Motors oder<br />

ein schadhaftes Teil den Schaden verursacht hat. Analog § 363 BGB obliegt<br />

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114 Zivilrecht <strong>RA</strong> <strong>03</strong>/<strong>2021</strong><br />

eigentlich dem Käufer die Darlegung <strong>des</strong> Mangels. Etwas anderes würde<br />

gelten, wenn § 477 BGB im Falle einer innerhalb eines Zeitraums von 6 Monaten<br />

seit Gefahrübergang aufgetretenen Mangelerscheinung eine Darlegungs- und<br />

Beweislastumkehr anordnen würde. Dann würde im Zweifel vermutet, dass ein<br />

Mangel im Sinne <strong>des</strong> § 434 BGB bereits zur Zeit der Übergabe vorhanden war.<br />

An der Verbrauchereigenschaft <strong>des</strong> K<br />

bestehen hier ebenso wenig Zweifel<br />

wie an der Unternehmereigenschaft<br />

<strong>des</strong> B.<br />

e.A.: Käufer muss einen Grundmangel<br />

darlegen, ursprüngliche BGH-Rechtsprechung<br />

seit Urteil vom 02.06.2004,<br />

VIII ZR 329/<strong>03</strong><br />

Urteil <strong>des</strong> EuGH C-497/13 („Faber“),<br />

<strong>RA</strong> 2015, 355<br />

a.A.: Aktuelle BGH-Rechtsprechung<br />

seit dem Urteil vom 12.10.2016,<br />

VIII ZR 1<strong>03</strong>/15, <strong>RA</strong> 2017, 1 ff.<br />

B hat die Mangelvermutung nicht<br />

widerlegen können.<br />

1. Verbrauchsgüterkauf gem. § 474 BGB<br />

Dies setzt einen Verbrauchsgüterkauf im Sinne <strong>des</strong> § 474 BGB voraus. B handelte<br />

ausschließlich in Ausübung der gewerblichen Tätigkeit und ist folglich<br />

gem. § 14 BGB Unternehmer. K schloss den Vertrag ausschließlich zu privaten<br />

Zwecken und ist gem. § 13 BGB Verbraucher. Es handelt sich beim PKW um<br />

eine bewegliche Sache. Ein Verbrauchsgüterkauf liegt vor.<br />

2. Mangelerscheinung innerhalb von 6 Monaten seit Gefahrübergang<br />

Der Motorschaden trat 10 Tage nach der Übergabe auf. Fraglich ist, ob der<br />

Vortrag einer Mangelerscheinung genügt, um das Vorliegen eines Mangels zu<br />

vermuten. Man kann nämlich der Auffassung sein, dass aufgrund der Formulierung<br />

in § 477 BGB „zeigt sich ein Mangel“ die Verpflichtung <strong>des</strong> Käufers<br />

bestünde, einen Grundmangel darzulegen und zu beweisen. Dem steht aber<br />

Art. 5 III der Richtlinie 1999/44/EG entgegen. Danach muss der Verbraucher<br />

weder den Grund der Vertragswidrigkeit noch den Umstand beweisen, dass<br />

deren Ursprung dem Verkäufer zuzurechnen ist.<br />

Deshalb genügt bereits der Vortrag einer Mangelerscheinung innerhalb der<br />

ersten 6 Monate seit Gefahrübergang, um die Vermutung eines Mangels bei<br />

Gefahrübergang auszulösen. Eine solche liegt mit dem Motorschaden vor.<br />

Fraglich bleibt, ob B mit dem Vortrag, im Motor sei Wasser festgestellt worden,<br />

diese Mangelvermutung gem. § 477 a. E. widerlegt hat.<br />

[7] Zu Recht ist das Erstgericht zunächst davon ausgegangen, dass der<br />

gekaufte BMW einen für den Nacherfüllungsanspruch erforderlichen<br />

Mangel i.S.d. § 434 BGB aufwies. Bei einem wie hier zwischen einem Unternehmer<br />

und einem Verbraucher geschlossenen Verbrauchsgüterkauf i.S.d.<br />

§ 474 Abs. 1 BGB wird das Vorliegen eines Mangels im maßgeblichen Zeitpunkt<br />

<strong>des</strong> Gefahrübergangs gem. § 477 Halbs. 1 BGB vermutet, wenn sich<br />

an der Kaufsache innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang ein<br />

mangelhafter Zustand (Mangelerscheinung) – wie hier in Gestalt eines<br />

Motorschadens – gezeigt hat (...). Soweit das Erstgericht der unter Beweis<br />

gestellten Behauptung <strong>des</strong> Beklagten, im Motor hätten sich erhebliche<br />

Wassermengen befunden, was für ein Fahren trotz steigender Motortemperaturen<br />

bis in den roten Bereich spreche, nicht nachgegangen ist, ist dies<br />

angesichts der selbst nach Darstellung der Beklagten offenbar nicht<br />

auszuschließenden Möglichkeit, dass der Motorschaden gleichwohl<br />

auf einen Mangel zurückzuführen ist, nicht zu beanstanden und wird<br />

auch von der Berufungserwiderung nicht in Frage gestellt.<br />

Folglich ist hier von einem Sachmangel i.S.d. § 434 I 2 Nr. 2 BGB bei Gefahrübergang<br />

auszugehen.<br />

Der Verkäufer kennt regelmäßig<br />

nicht den Zustand der Teile innerhalb<br />

<strong>des</strong> Motors.<br />

III. Vertretenmüssen<br />

B muss den Mangel gem. § 276 BGB zu vertreten haben. Aufgrund der Schilderung<br />

<strong>des</strong> K war vor dem Motorschaden ein Knall aus dem Motorraum zu<br />

hören. Für ein Verschulden <strong>des</strong> B liegen keine Anhaltspunkte vor.<br />

K hat gegen B keinen Schadensersatzanspruch aus §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB.<br />

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<strong>RA</strong> <strong>03</strong>/<strong>2021</strong><br />

Zivilrecht<br />

115<br />

B. Anspruch auf Aufwendungsersatz gem. § 439 II BGB<br />

K könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung der Transportkosten in Höhe<br />

von 2.354,31 € aus § 439 II BGB haben. Dies setzt einen Nacherfüllungsanspruch<br />

<strong>des</strong> K gegen B aus §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB voraus, ferner, dass der<br />

Leistungsort bei B liegt und schließlich, dass § 439 II BGB eine eigenständige,<br />

verschuldensunabhängige Anspruchsgrundlage ist.<br />

I. Anspruch K gegen B aus §§ 437 Nr. 1, 439 I 1. Alt. BGB<br />

Die Voraussetzungen <strong>des</strong> Nacherfüllungsanspruchs, nämlich Kaufvertrag,<br />

Gefahrübergang, Sachmangel zur Zeit <strong>des</strong> Gefahrübergangs wurden bejaht.<br />

Ausschlussgründe sind nicht ersichtlich.<br />

1. Leistungsort der Nacherfüllung<br />

Fraglich ist aber, ob der Leistungsort der Nacherfüllung bei B liegt. Zur Zeit <strong>des</strong><br />

Auftretens <strong>des</strong> Motorschadens befand sich die Sache in der Türkei. Der Verkäufer<br />

hat seinen Geschäftssitz in Deutschland. Ein Anspruch auf Erstattung<br />

der Transportkosten <strong>des</strong> PKW aus der Türkei nach Deutschland setzt voraus,<br />

dass sich bei B der Leistungsort der Nacherfüllung befindet.<br />

[9] Der Ort, an dem die Nacherfüllung zu erbringen ist, richtet sich nach der<br />

Rechtsprechung <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>gerichtshofes im Kaufrecht nach der allgemeinen<br />

Vorschrift <strong>des</strong> § 269 Abs. 1, 2 BGB, wonach bei einem Fehlen vertraglicher<br />

Vereinbarungen über den Erfüllungsort auf die jeweiligen Umstände, insbesondere<br />

auf die Natur <strong>des</strong> Schuldverhältnisses, abzustellen ist und dass dann,<br />

wenn sich hieraus keine abschließenden Erkenntnisse gewinnen lassen, der<br />

Erfüllungsort letztlich an dem Ort anzusiedeln ist, an welchem der Schuldner<br />

zur Zeit der Entstehung <strong>des</strong> Schuldverhältnisses seinen Wohn- oder Geschäftssitz<br />

hatte (…). Damit wäre hier mangels anderweitiger Anhaltspunkte der<br />

Ort der Niederlassung <strong>des</strong> Beklagten als Nacherfüllungsort anzunehmen.<br />

[10] Allerdings ist die Richtlinie 1999/44/EG (…) (Verbrauchsgüterkaufrichtlinie)<br />

bei der rechtlichen Bewertung eines Verbrauchsgüterkaufs zu<br />

berücksichtigen. Der EuGH hat insoweit klargestellt, dass Art. 3 Abs. 3<br />

der Richtlinie zwar keine Regelung über den Erfüllungsort enthält, dass<br />

aber das nationale Gericht verpflichtet ist, die nationalen Vorschriften<br />

zum Erfüllungsort so auszulegen, dass diese mit dem Ziel der Richtlinie<br />

vereinbar sind. Danach muss der Erfüllungsort für eine unentgeltliche Herstellung<br />

<strong>des</strong> vertragsgemäßen Zustands binnen einer angemessenen Frist<br />

ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher geeignet<br />

sein, wobei die Art <strong>des</strong> Verbrauchsgutes sowie der Zweck, für den der<br />

Verbraucher das Verbrauchsgut benötigt, zu berücksichtigen sind.<br />

[11] Ob sich vor diesem Hintergrund der Erfüllungsort, wie das Erstgericht<br />

annehmen will, vorliegend auf den Belegenheitsort <strong>des</strong> defekten Fahrzeugs<br />

verlagert hatte, ist zumin<strong>des</strong>t zweifelhaft. Zwar bedeutete eine Nacherfüllung<br />

am Sitz <strong>des</strong> Verkäufers hohe Transportkosten und nicht unerheblichen Organisationsaufwand<br />

für den Kläger (…). Jedoch ist zu beachten, dass im<br />

deutschen Recht die Unannehmlichkeit aus der Transportverpflichtung,<br />

die sich – wie hier – aus der großen Entfernung und der Sperrigkeit <strong>des</strong><br />

Kaufgegenstands für den Käufer ergibt, dadurch ausgeglichen wird,<br />

dass dem Käufer – anders als dies die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie vorsieht<br />

– ein Vorschussanspruch hinsichtlich der Transportkosten zusteht<br />

(§§ 439 Abs. 2, 475 Abs. 4 BGB). Dementsprechend liegt ein taugliches Nacherfüllungsverlangen<br />

<strong>des</strong> Käufers auch dann vor, wenn seine Bereitschaft,<br />

die Kaufsache zum Ort der Nacherfüllung zu verbringen, nur wegen der<br />

Nach der Rechtsprechung <strong>des</strong> BGH<br />

richtet sich die Bestimmung <strong>des</strong> Leistungsortes<br />

nach § 269 I BGB. Regelmäßig<br />

liegt er beim Verkäufer, BGH,<br />

Urteil vom 19.07.2017, VIII ZR 278/16<br />

(Gebrauchtwagen); BGH, Urteil vom<br />

19.12.2012, III ZR 96/12 (Kauf eines<br />

gebrauchten Motorkajütbootes mit<br />

Trailer).<br />

Urteil <strong>des</strong> EuGH vom 23.05.2019,<br />

C-52/18 („Fülla“): Nationale Regelungen<br />

zum Erfüllungsort müssen so<br />

ausgelegt werden, dass sie mit dem<br />

Ziel der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie<br />

vereinbar sind.<br />

Argumente für den Leistungsort am<br />

Belegenheitsort der Sache<br />

Argumente für den Leistungsort am<br />

Niederlassungsort <strong>des</strong> Verkäufers: Der<br />

Vorschussanspruch aus §§ 439 II, 475 IV<br />

BGB<br />

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116 Zivilrecht <strong>RA</strong> <strong>03</strong>/<strong>2021</strong><br />

Die Parteien dürfen sich auch nachträglich<br />

über den Leistungsort einigen,<br />

Palandt/Grüneberg, BGB, § 269 Rn 16.<br />

Das LG Saarbrücken erklärt, worin es<br />

eine solche Einigung sieht.<br />

ausgebliebenen Vorschussleistung <strong>des</strong> Verkäufers nicht umgesetzt wird (…).<br />

[12] Die Frage kann in<strong>des</strong> letztlich offenbleiben. Denn auch wenn die Nacherfüllung<br />

am Belegenheitsort hätte erbracht werden müssen, bleibt es<br />

den Parteien überlassen, sich auch noch nachträglich auf einen abweichenden<br />

Leistungsort zu einigen (…). So läge es hier. Indem der Kläger<br />

das Angebot <strong>des</strong> Beklagten, das Fahrzeug vor Ort zu untersuchen und zu<br />

reparieren, angenommen hat, haben sich die Parteien auf den Sitz <strong>des</strong><br />

Beklagten geeinigt. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte<br />

von vorneherein die Übernahme der Transportkosten abgelehnt hatte.<br />

Denn weil der Beklagte schon nach seinem eigenen Vortrag nicht bereit<br />

gewesen war, das Fahrzeug am Belegenheitsort zu reparieren oder von<br />

dort abzuholen, bestand für den Kläger nur die Möglichkeit, die Nacherfüllung<br />

gem. §§ 437 Nr. 3 BGB i.V.m. §§ 440, 280 BGB nach Nachfristsetzung<br />

zu verweigern und die Kosten einer Reparatur vor Ort im Wege <strong>des</strong> Schadensersatzes<br />

geltend zu machen, oder sich – wie geschehen – auf die<br />

Nacherfüllung am Ort <strong>des</strong> Verkäufers einzulassen und die Frage der Transportkostentragung<br />

streitig zu belassen.<br />

Also lag der Leistungsort beim Verkäufer in Deutschland.<br />

Kritisch: Lorenz, NJW 2014, 2319;<br />

Schwab, JuS 2015, 361; Hellwege<br />

AcP 206 (2006), S. 136 ff.<br />

Grundlegend: BGH, <strong>RA</strong> 2014, 353,<br />

VIII ZR 275/13<br />

Schutz <strong>des</strong> Verkäufers über §§ 439 IV,<br />

475 IV BGB<br />

2. § 439 II BGB als verschuldensunabhängiger Anspruch<br />

Gegen den Charakter <strong>des</strong> § 439 II BGB als eigenständige, verschuldensunabhängige<br />

Anspruchsgrundlage ist vorgetragen worden, dass sein Sinn und<br />

Zweck in der Kostenzuweisung innerhalb <strong>des</strong> Nacherfüllungsanspruchs<br />

besteht und dass eine verschuldensunabhängige Haftung das System <strong>des</strong><br />

§ 437 Nr. 3 BGB missachtet.<br />

Für eine Anwendung <strong>des</strong> § 439 II BGB als Anspruchsgrundlage in den Fällen<br />

eines Verbrauchsgüterkaufs spricht entscheidend neben der richtlinienkonformen<br />

Auslegung <strong>des</strong> Nacherfüllungsanspruchs (s.o.), dass nach dem Willen<br />

<strong>des</strong> Gesetzgebers § 439 II BGB den § 476 BGB a.F. ersetzen sollte.<br />

Somit liegen die Voraussetzungen <strong>des</strong> § 439 II BGB vor.<br />

[13] War der Kläger daher berechtigt, das Fahrzeug zur Nacherfüllung zum<br />

Sitz <strong>des</strong> Verkäufers zu verbringen, war jener nach § 439 Abs. 2 BGB zur Übernahme<br />

der Transportkosten verpflichtet. Soweit der Beklagte meint, eine<br />

solche Kostentragungspflicht sei ihm nicht zumutbar, weil sie darauf hinauslaufe,<br />

dass er selbst die Transportkosten von entlegensten Orten auf der Welt<br />

zu ersetzen habe, verkennt er, dass der Verkäufer vor unzumutbarem Nacherfüllungsaufwand<br />

geschützt ist, indem er die Nacherfüllung bei unverhältnismäßig<br />

hohen Kosten verweigern kann (§ 439 Abs. 4 BGB). Dies gilt eingeschränkt<br />

auch für den Verbrauchsgüterkauf, wobei der Verkäufer hier die<br />

Nacherfüllung nicht vollständig verweigern, aber den Ersatz von unverhältnismäßig<br />

hohen Aufwendungen auf einen angemessenen Betrag beschränken<br />

kann (§ 475 Abs. 4 BGB).<br />

C. Ergebnis<br />

K hat gegen B einen Anspruch auf Zahlung der Transportkosten aus § 439 II<br />

BGB in Höhe von Rückzahlung der 2.354,31 €.<br />

FAZIT<br />

Nach Gutachter- und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gewährt § 439 II<br />

nach Ansicht <strong>des</strong> LG Saarbrücken nun auch Transportkosten.<br />

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WISSEN was<br />

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EXAMENSTREFFER<br />

aus der <strong>RA</strong> und den Crashkursskripten<br />

Für einen schnellen Überblick der Examenstreffer aus <strong>RA</strong> und Crashkursskript (CK)<br />

unsere aktuelle Aufstellung für Sie:<br />

EXAMENSTREFFER ZIVILRECHT<br />

Januar <strong>2021</strong> 2. Ex., Z II HE <strong>RA</strong> 06/20, 281; CK ZR, Az.: VIII ZR 18/19<br />

Januar <strong>2021</strong> 2. Ex., AW HE <strong>RA</strong> 12/20, 617<br />

Oktober 2020 1. Ex., Z III HE <strong>RA</strong> 06/17, 291<br />

September 2020 2. Ex., Z II HE <strong>RA</strong> 09/16, 454; <strong>RA</strong> 01/18, 17; CK ZR, Az.: IX ZR 305/16<br />

August 2020 1. Ex., Z I HE, RP, SN, SA <strong>RA</strong> 01/10, 25; <strong>RA</strong> 04/10, 211; CK ZR, Az.: XII ZR 108/17<br />

August 2020 1. Ex., Z III SN <strong>RA</strong> 10/13, 709; <strong>RA</strong> 08/14, 389; CK ZR, Az.: VII ZR 241/13<br />

August 2020 1. Ex., Z I TH <strong>RA</strong> 10/13, 709; <strong>RA</strong> 08/14, 389; CK ZR, Az.: VII ZR 241/13<br />

Juni 2020 1. Ex., Z II HE <strong>RA</strong> 01/17, 10; <strong>RA</strong> 12/17, 617; CK ZR, Az.: VIII ZR 211/15, VIII ZR 271/16<br />

Juni 2020 2. Ex., Z IV RP, BW <strong>RA</strong> 02/17, 65; CK ZR, Az.: 17 U 52/16<br />

Juni 2020 1. Ex., Z HE <strong>RA</strong> 01/17, 10; CK ZR, Az.: VIII ZR 211/15, VIII ZR 117/12<br />

EXAMENSTREFFER ÖFFENTLICHES RECHT<br />

August 2020 1. Ex., ÖR I TH <strong>RA</strong> 06/18, 426; CK TH, Az.: 1 BvF 1/13<br />

August 2020 1. Ex,, ÖR II SA <strong>RA</strong> 12/19, 644; CK SA, Az.: 15 A 4753/18<br />

August 2020 1. Ex., ÖR I SA <strong>RA</strong> 07/20, 365; CK SA, Az.: 1 BvR 2835/17<br />

August 2020 1. Ex., ÖR I SN <strong>RA</strong> 08/17, 426; CK SN, Az.: 15 A 3048/15<br />

August 2020 1. Ex., ÖR I HE, RP CK HE/RP, Az.: 1 BvR 16/13<br />

August 2020 1. Ex., ÖR I HE, RP <strong>RA</strong> 12/19, 644; CK HE/RP, Az.: 15 A 4753/18<br />

Mai 2020 1. Ex., ÖR I NRW <strong>RA</strong> 07/19, 369; CK NRW, Az.: 5 B 543/19<br />

Feb/März 2020 1. Ex., ÖR I NRW, RP, HE <strong>RA</strong>-Telegramm 01/17, 5; CK NRW/RP/HE, Az.: 1 BvR 458/10<br />

Feb/März 2020 1. Ex., ÖR I NRW, RP, HE <strong>RA</strong> <strong>03</strong>/18, 146; CK NRW/RP/HE, Az.: 3 EO 544/17<br />

Dezember 2019 1. Ex., ÖR I NRW <strong>RA</strong> 09/17, 477; CK NRW, Az.: 1 BvR 2222/12, 10 C 4/15<br />

Dezember 2019 1. Ex., ÖR I NRW <strong>RA</strong> 12/17, 645; CK NRW, Az.: 1 S 1470/17<br />

EXAMENSTREFFER ST<strong>RA</strong>FRECHT<br />

Januar <strong>2021</strong> 2. Ex., SR II HE, NRW <strong>RA</strong> Telegramm 12/20, 129<br />

September 2020 1. Ex., SR BY <strong>RA</strong> 01/18, 48; <strong>RA</strong> 10/19, 545; CK SR, Az.: 2 StR 154/17, 3 StR 333/18<br />

September 2020 2. Ex., SR HE, NRW <strong>RA</strong> <strong>03</strong>/20, 157<br />

Juni 2020 1. Ex., SR HE <strong>RA</strong> 01/20, 48<br />

Januar 2020 2. Ex., SR NRW, HE <strong>RA</strong> 01/18, 48; <strong>RA</strong> 10/19, 545; CK SR; Az.: 2 StR 154/17, 3 StR 333/18<br />

Oktober 2019 2. Ex., SR NRW, RP <strong>RA</strong> Telegramm 01/19, 6<br />

August 2019 1. Ex., SR NRW, HE, RP <strong>RA</strong> 11/17, 605; <strong>RA</strong> 09/18, 493; CK SR; Az.: BGH, 2 StR 130/17<br />

August 2019 1. Ex., SR HE, RP <strong>RA</strong> 04/17, 217; CK SR; Az.: 4 RVs 159/16<br />

Juli 2019 2. Ex., SR HE, NRW, NDS <strong>RA</strong> 07/16, 385<br />

Mai 2019 2. Ex., SR HE, NRW <strong>RA</strong> Telegramm 08/18, 68<br />

Stand: März <strong>2021</strong><br />

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