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RA 03/2024 - Entscheidung des Monats

Der Begriff des Barvermögens umfasst heutzutage das gesamte Geld, das sofort, also auch über eine Kartenzahlung, verfügbar ist. Wertpapiere fallen nicht unter den Begriff des Barvermögens. Vielmehr werden Wertpapiere durch den erweiterten Begriff des Kapitalvermögens mit abgedeckt, der das Barvermögen einschließlich weiterer Kapitalwerte in Geld beschreibt.

Der Begriff des Barvermögens umfasst heutzutage das gesamte Geld, das sofort, also auch über eine Kartenzahlung, verfügbar ist. Wertpapiere fallen nicht unter den Begriff des Barvermögens. Vielmehr werden Wertpapiere durch den erweiterten Begriff des Kapitalvermögens mit abgedeckt, der das Barvermögen einschließlich weiterer Kapitalwerte in Geld beschreibt.

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<strong>03</strong>/<strong>2024</strong><br />

ENTSCHEIDUNGDESMONATS<br />

ZIVILRECHT<br />

DerBegriff<strong>des</strong>„Barvermögens“ineinem<br />

Vermächtnis


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Stand: Februar <strong>2024</strong>


<strong>RA</strong> <strong>03</strong>/<strong>2024</strong><br />

Zivilrecht<br />

123<br />

Problem: Der Begriff <strong>des</strong> „Barvermögens“ in einem<br />

Vermächtnis<br />

Einordnung: Erbrecht<br />

OLG Oldenburg, Urteil vom 20.12.2023<br />

3 U 8/23<br />

EINLEITUNG<br />

„Bargeld lacht“, „nur Bares ist Wahres“ – so sangen die Alten in ihren Sprichworten.<br />

Die Zeiten ändern sich.<br />

SACHVERHALT<br />

Die K und die B sind neben einem weiteren Bruder die Kinder <strong>des</strong> verstorbenen<br />

Erblassers (E). Mit notariellem Testament vom 16.04.2018 setzte E die B<br />

als Erben ein. Zuvor wurde der K von E eine Immobilie mit Grundstücksübertragungsvertrag<br />

vom 15.12.2017 unentgeltlich im Weg der vorweggenommenen<br />

Erbfolge unter Anrechnung auf spätere Erb- und Pflichtteilsansprüche<br />

zugewandt. In § 3 <strong>des</strong> notariellen Testaments vom 16.04.2018 beschwerte E<br />

die B mit einem Vermächtnis zugunsten der K (Tochter CC) wie folgt: „Das bei<br />

Eintritt <strong>des</strong> Erbfalls vorhandene Barvermögen soll zu einem 1/3 Anteil an<br />

meine Tochter CC, geb. am TT.MM.1968, ausgezahlt werden.“ Das Kapitalvermögen<br />

<strong>des</strong> E (Depotwerte und Bankguthaben) belief sich auf insgesamt<br />

192.108,98 €, wobei das Kontovermögen insgesamt 152.778,88 €, Genossenschaftsanteile<br />

3.000 €, das Depotvermögen insgesamt 34.291,87 €, im<br />

Nachlass vorgefundenes Bargeld 70,15 € und das von der K aufgefundene<br />

und in Besitz genommene weitere Bargeld 1.968,08 € betrug. K ist der Auffassung,<br />

E habe unter dem Begriff „Barvermögen“ seine gesamten liquiden<br />

Mittel, insbesondere sämtliche Guthaben bei Kreditinstituten, Wertpapiere<br />

und Bargeld im engeren Sinne verstanden. Die B meinen hingegen, der<br />

Erblasser habe unter dem Begriff „Barvermögen“ lediglich das vorhandene<br />

Bargeld verstanden. K verlangt die Auszahlung <strong>des</strong> Kontovermögens, die Herausgabe<br />

<strong>des</strong> Bargel<strong>des</strong> sowie die Übertragung der Genossenschaftsanteile<br />

und <strong>des</strong> Depotvermögens zu einem Drittteil. Zu Recht, wenn es der K nicht<br />

gelungen ist, zu beweisen, dass E mit „Barvermögen“ auch sein Kapitalvermögen<br />

gemeint hat?<br />

LEITSATZ<br />

Der Begriff <strong>des</strong> Barvermögens<br />

umfasst heutzutage das gesamte<br />

Geld, das sofort, also auch über eine<br />

Kartenzahlung, verfügbar ist. Wertpapiere<br />

fallen nicht unter den Begriff<br />

<strong>des</strong> Barvermögens. Vielmehr werden<br />

Wertpapiere durch den erweiterten<br />

Begriff <strong>des</strong> Kapitalvermögens mit<br />

abgedeckt, der das Barvermögen<br />

einschließlich weiterer Kapitalwerte<br />

in Geld beschreibt.<br />

LÖSUNG<br />

A. Anspruch der K gegen B auf Auszahlung <strong>des</strong> Kontovermögens, die<br />

Herausgabe <strong>des</strong> Bargel<strong>des</strong> sowie die Übertragung der Genossenschaftsanteile<br />

und <strong>des</strong> Depotvermögens gem. § 2174 BGB<br />

K könnte gegen die B einen Anspruch auf Auszahlung <strong>des</strong> Kontovermögens,<br />

die Herausgabe <strong>des</strong> Bargel<strong>des</strong> sowie die Übertragung der Genossenschaftsanteile<br />

und <strong>des</strong> Depotvermögens aus einem Vermächtnis gem. § 2174 BGB<br />

zu einem Drittteil haben. Dies setzt zunächst voraus, dass die B in einem wirksamen<br />

Testament als Erben und die K als Bedachte eingesetzt wurden.<br />

I. Testierwille<br />

E hat in einem Testament die B als Erben und die K als Bedachte eingesetzt,<br />

mithin letztwillige Anordnungen von To<strong>des</strong> wegen getroffen. Folglich liegt ein<br />

Testierwille vor.<br />

Voraussetzungen der Wirksamkeit<br />

<strong>des</strong> Testamentes<br />

• Testierwille<br />

• Testierfähigkeit gem. § 2229 BGB<br />

• Höchstpersönliche Errichtung<br />

gem. §§ 2064, 2065<br />

• Einhaltung der Form<br />

• Keine Nichtigkeit gem. §§ 134,<br />

138 BGB<br />

• Keine Anfechtung gem. §§ 2078 ff.<br />

BGB<br />

• Kein Widerruf gem. §§ 2253 ff.<br />

BGB<br />

© Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG


124 Zivilrecht <strong>RA</strong> <strong>03</strong>/<strong>2024</strong><br />

II. Wirksames Testament<br />

An der Wirksamkeit <strong>des</strong> Testamentes bestehen keine Zweifel.<br />

III. Auslegung <strong>des</strong> Testierwillens<br />

Problematisch ist allein, was mit dem Begriff <strong>des</strong> Barvermögens gemeint ist.<br />

Hierzu ist gem. § 133 BGB der Erblasserwille zu ermitteln. Ausgangspunkt der<br />

Auslegung ist zunächst die Wortbedeutung.<br />

Unter „Barvermögen“ versteht der<br />

Senat <strong>des</strong> OLG grundsätzlich Bargeld<br />

und Kontoguthaben.<br />

Wertpapiere und Genossenschaftsanteile<br />

fallen grundsätzlich unter<br />

den Begriff <strong>des</strong> „Kapitalvermögens“.<br />

Der Bezug auf die ältere BGH-<br />

<strong>Entscheidung</strong> verdeutlicht: Die Auslegung<br />

<strong>des</strong> Erblasserwillens kann im<br />

Einzelfall auch ergeben, dass mit dem<br />

Barvermögen auch das Kapitalvermögen<br />

gemeint ist.<br />

Auch hier hätte sich eine solche<br />

Interpretation <strong>des</strong> Erblasserwillens<br />

im Wege der erläuternden Auslegung<br />

gem. § 133 BGB treffen<br />

lassen, jedoch blieb K diesbezüglich<br />

beweisfällig.<br />

Fazit: Zum Begriff <strong>des</strong> Barvermögens<br />

gehört das Kapitalvermögen <strong>des</strong><br />

Erblassers nur, wenn er auch dies im<br />

Testament gemeint hat.<br />

[32] Der Begriff <strong>des</strong> Barvermögens ist zur Überzeugung <strong>des</strong> Senats in der<br />

heutigen Zeit <strong>des</strong> überwiegend bargeldlosen Zahlungsverkehrs so zu verstehen,<br />

dass damit das Bargeld im engeren Sinne (vorliegend also das von<br />

der Klägerin aufgefundene und in Besitz genommene Bargeld in Höhe von<br />

1.968,08 € und das weitere im Nachlass vorgefundene Bargeld in Höhe von<br />

70,15 €) einschließlich der bei Banken befindlichen sofort verfügbaren<br />

Gelder zu verstehen ist. Die Verwendung von Bargeld im eigentlichen Sinne<br />

ist heute bei Weitem nicht mehr in dem Maße üblich, wie dies früher einmal<br />

der Fall war. Durch die vermehrte Kartenzahlung hat sich damit auch die<br />

Verkehrsanschauung <strong>des</strong> Begriffes „bar“ verschoben. Der Begriff <strong>des</strong><br />

Bargel<strong>des</strong> umfasst heutzutage das gesamte Geld, das sofort, also auch<br />

über eine Kartenzahlung, verfügbar ist. Wertpapiere fallen nicht unter<br />

den Begriff <strong>des</strong> „Barvermögens“. Vielmehr werden Wertpapiere durch<br />

den erweiterten Begriff <strong>des</strong> Kapitalvermögens mit abgedeckt, der das<br />

„Barvermögen“ einschließlich weiterer Kapitalwerte in Geld beschreibt.<br />

[39] Die <strong>Entscheidung</strong> <strong>des</strong> BGH vom 22.10.1975 (IV ZR 17/74) führt zu<br />

keinem anderen Ergebnis. Der der <strong>Entscheidung</strong> zugrundeliegende Fall<br />

ist mit der vorliegenden Konstellation nicht vergleichbar. Der Bun<strong>des</strong>gerichtshof<br />

hatte in der zitierten <strong>Entscheidung</strong> eine Auslegung <strong>des</strong> Berufungsgerichts<br />

gebilligt, die unter Barvermögen auf der GG Bank auch<br />

die dort befindlichen Wertpapiere ansah. Der Fall unterscheidet sich<br />

insoweit, als in dem dortigen Testament explizit die GG Bank genannt<br />

wurde, so dass alle dort befindlichen Vermögenswerte im Rahmen<br />

der Auslegung <strong>des</strong> Begriffs „Barvermögen“ im konkreten Fall mitumfasst<br />

waren. Vorliegend erfolgte jedoch keine konkrete Bestimmung <strong>des</strong><br />

„Barvermögens“ bei einer bestimmten Bank, auch wenn die HH ein Teil<br />

der genossenschaftlichen Finanzgruppe ist. Eine Vergleichbarkeit wäre<br />

allenfalls dann gegeben, wenn es im notariellen Testament geheißen<br />

hätte, dass „bei Eintritt <strong>des</strong> Erbfalls vorhanden Barvermögen bei der<br />

EE“, obgleich auch dann die Frage zu klären gewesen wäre, ob damit<br />

auch das Depot bei der HH mitumfasst wäre.<br />

[40] Zum „Barvermögen“ zählen damit das aufgefundene Bargeld in Höhe<br />

von 1.968,08 € und 70,15 € und das Bankguthaben bei der EE in Höhe von<br />

insgesamt 152.778,88 €, mithin insgesamt 154.817,11 €. Die Genossenschaftsanteile<br />

und Wertpapiere zählen nicht dazu. (...)<br />

Allerdings ist nicht am buchstäblichen Wortsinne haften zu bleiben. Im Wege der<br />

erläuternden Auslegung kann gem. § 133 BGB bewiesen werden, dass der Erblasser<br />

einen Sinn über die Wortbedeutung hinaus gemeint hat. Hierzu sind alle<br />

Beweismittel zulässig. K ist es aber nicht gelungen einen solchen Beweis zu führen.<br />

B. Ergebnis<br />

K kann von den B die Auszahlung eines Drittteils <strong>des</strong> Bargel<strong>des</strong> sowie <strong>des</strong> Kontovermögens<br />

aus dem Vermächtnis gem. § 2174 BGB verlangen, jedoch nicht<br />

die Übertragung eines Drittteils der Genossenschaftsanteile und Wertpapiere.<br />

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