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RA 09/2023 - Entscheidung des Monats

Wer anstelle des Verkäufers die Verkaufsverhandlungen führt, aufgrund einer Provision ein wirtschaftliches Interesse am Vertragsschluss hat, seitens des Käufers besonderes Vertrauen in Anspruch nimmt, kann als Sachwalter dem Käufer gem. §§ 280 I, 311 III 2, 241 II BGB auf Schadensersatz haften.

Wer anstelle des Verkäufers die Verkaufsverhandlungen führt, aufgrund einer Provision ein wirtschaftliches Interesse am Vertragsschluss hat, seitens des Käufers besonderes Vertrauen in Anspruch nimmt, kann als Sachwalter dem Käufer gem. §§ 280 I, 311 III 2, 241 II BGB auf Schadensersatz haften.

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<strong>09</strong>/<strong>2023</strong><br />

ENTSCHEIDUNGDESMONATS<br />

ZIVILRECHT<br />

Sachwalterhaftung<strong>des</strong>Kfz-Händlers


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Stand: August <strong>2023</strong>


452 Zivilrecht <strong>RA</strong> <strong>09</strong>/<strong>2023</strong><br />

ZIVILRECHT<br />

Problem: Sachwalterhaftung <strong>des</strong> Kfz-Händlers<br />

Einordnung: Schuldrecht, Kaufrecht<br />

OLG Koblenz, Urteil vom 16.05.<strong>2023</strong><br />

3 U 151/23<br />

LEITSATZ<br />

1. Ein Gebrauchtwagenhändler haftet<br />

als Vermittler eines Kaufvertrages<br />

aus Verschulden bei Vertragsschluss<br />

selbst, wenn der<br />

Kunde ihm ein besonderes,<br />

über die normale Verhandlungsloyalität<br />

hinausgehen<strong>des</strong><br />

Vertrauen entgegenbringt und<br />

erwartet, darin rechtlichen Schutz<br />

zu genießen. Dabei kommt dem<br />

Umstand, dass der Vermittler<br />

die gesamten Vertragsverhandlungen<br />

bis zum Abschluss <strong>des</strong><br />

Kaufvertrages im Rahmen seiner<br />

Tätigkeit als Kraftfahrzeughändler<br />

allein geführt hat, während der<br />

Kläger zu dem eigentlichen Verkäufer<br />

keinen Kontakt hatte,<br />

wesentliche Bedeutung zu.<br />

2. Bei Vertragsverhandlungen besteht<br />

für jeden Vertragspartner die<br />

Pflicht, den anderen Teil über<br />

solche Umstände aufzuklären, die<br />

den Vertragszweck (<strong>des</strong> anderen)<br />

vereiteln können und daher für<br />

seinen Entschluss von wesentlicher<br />

Bedeutung sind, sofern<br />

er die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung<br />

erwarten kann.<br />

Ein solcher, für den Käufer eines<br />

Gebrauchtwagens wesentlicher und<br />

damit die Aufklärungspflicht auslösender<br />

Umstand liegt vor, wenn<br />

der Eigentümer <strong>des</strong> Fahrzeugs<br />

nicht in der Zulassungsbescheinigung<br />

Teil II als Halter eingetragen<br />

ist und über keinen Wohnsitz im<br />

Inland verfügt (Weiterführung<br />

von BGH, Urteil vom 16.12.20<strong>09</strong>,<br />

VIII ZR 38/<strong>09</strong>).<br />

EINLEITUNG<br />

Das mit einem aufregenden Sachverhalt ausgestattete Urteil führt in die<br />

Haftung <strong>des</strong> so genannten „Sachwalters“ ein.<br />

SACHVERHALT<br />

B betreibt den Ankauf, Verkauf sowie die Vermittlung von (gebrauchten)<br />

Kraftfahrzeugen und hat sich auf den Import von US-Fahrzeugen spezialisiert.<br />

K erwarb am 19.04.2017 als Verbraucher ein gebrauchtes Kraftfahrzeug<br />

der Marke Chrysler zu einem Gesamtkaufpreis (inklusive Überführung, Zulassungskosten,<br />

Provision) von 15.689 €. Zuzüglich der Kosten einer Garantiezusatzversicherung<br />

i. H. v. 1.089 € zahlte K einen Betrag von 17.000 €. Die<br />

Verkaufsverhandlungen führte K ausschließlich mit einem Mitarbeiter der<br />

B, dem S. Das von K und der B, vertreten durch S, am 19.04.2017 im Rahmen<br />

der Fahrzeugübergabe unterzeichnete Formular über eine „verbindliche<br />

Bestellung eines gebrauchten Kraftfahrzeugs bei einem Vermittler“ weist<br />

B als Vermittlerin aus. Als Verkäufer ist „Kundenkartei 1 Kundennummer<br />

170019“ angegeben. Hinsichtlich <strong>des</strong> Fahrzeugs ist offengelegt, dass es sich<br />

um ein „Original US-Fahrzeug“ mit „repariertem Unfallschaden in den USA“<br />

mit „ursprünglichem Salvage-Title“ handelt. Zudem sieht das Bestellformular<br />

einen Gewährleistungsausschluss für „Sach- und Rechtsmängel“ sowie eine<br />

Verkürzung der entsprechenden Verjährungsfrist auf ein Jahr vor. Ein „Salvage-<br />

Title“ wird in den USA u.a. dann ausgefertigt, wenn das Fahrzeug von einer<br />

Versicherungsgesellschaft als Totalschaden eingestuft wurde. Das streitgegenständliche<br />

Fahrzeug war in den USA in einen Unfall verwickelt, wurde nach<br />

Litauen importiert, dort repariert und schließlich nach Deutschland überführt.<br />

In der Zulassungsbescheinigung Teil II war zum Zeitpunkt der Übergabe <strong>des</strong><br />

Fahrzeugs an K am 19.04.2017 als Halter ein I. Y., wohnhaft in H., eingetragen.<br />

Eine auf B lautende „Vollmacht zum Verkauf eines Kraftfahrzeugs“ vom<br />

18.02.2017, die K erst nachträglich übergeben wurde, weist einen P. M.,<br />

wohnhaft in V., Litauen, als Eigentümer und Verkäufer <strong>des</strong> Fahrzeugs<br />

aus. Hierüber wurde K von S bei Vertragsschluss nicht aufgeklärt. Aufgrund<br />

<strong>des</strong> anschließenden „Platzens“ <strong>des</strong> vorderen Stoßdämpfers entstanden<br />

K Reparaturkosten in Höhe von 967,02 €, welche die Garantieversicherung<br />

nicht übernahm. Im Jahr 2018 wurde K von der Stadtverwaltung T. aufgefordert,<br />

die Airbags überprüfen zu lassen und einen Nachweis über deren<br />

Funktionsfähigkeit vorzulegen, weil Ermittlungen ergeben hätten, dass aus<br />

den USA importierte Unfallfahrzeuge zum Teil erhebliche Mängel aufwiesen.<br />

Bei einer von K veranlassten Überprüfung durch eine Fachwerkstatt stellte sich<br />

heraus, dass die in seinem Fahrzeug verbauten Airbags unsachgemäß befestigt<br />

und mit der Fahrzeugbaureihe nicht kompatibel, mithin nicht funktionsfähig<br />

waren. Die Instandsetzung der Airbags kostete K weitere 10.735,86 €. K<br />

begehrt von B die Zahlung von 24.138,16 € Zug um Zug gegen Übergabe und<br />

Übereignung <strong>des</strong> Fahrzeugs. Die Summe errechnet sich aus dem Kaufpreis<br />

inkl. Nebenkosten in Höhe von 17.000 €, Reparaturkosten von 11.702,88 €,<br />

abzüglich einer Nutzungsentschädigung von 4.564,72 €. Es steht fest, dass<br />

K das Fahrzeug auch gekauft hätte, wenn statt der B eine in Deutschland<br />

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<strong>RA</strong> <strong>09</strong>/<strong>2023</strong><br />

Zivilrecht<br />

453<br />

gemeldete Person im Kfz-Brief eingetragen gewesen wäre, er jedoch den<br />

Vertrag nie geschlossen hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass<br />

eine in Litauen wohnhafte Person Eigentümerin <strong>des</strong> Kfz war. B beruft sich<br />

auf Verjährung Zu Recht?<br />

LÖSUNG<br />

A. Anspruch <strong>des</strong> K gegen die B auf Zahlung von 24.138,16 € Zug um Zug<br />

gegen Übergabe und Übereignung <strong>des</strong> Fahrzeugs gem. §§ 437 Nr. 3,<br />

280 I, III, 281 I 1 2. Fall, V BGB<br />

K könnte gegen B einen Anspruch auf Schadensersatz statt der ganzen Leistung<br />

auf Zahlung von 24.138,16 € Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung<br />

<strong>des</strong> Fahrzeugs gem. §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I 1 2. Fall, V BGB haben. Dies<br />

setzt voraus, dass zwischen K und B ein Kaufvertrag gem. § 433 BGB zustande<br />

gekommen ist. Dies erscheint von vornherein fraglich, indem im Kaufvertrag<br />

B eindeutig nur als Vermittler und eine andere Person als Verkäufer bezeichnet<br />

ist. Nur wenn ein Umgehungsgeschäft im Sinne <strong>des</strong> § 476 IV BGB (entspricht<br />

§ 475 I 2 BGB in der gem. Art. 229 § 39 EGBGB im Jahr 2017 gültigen Fassung<br />

<strong>des</strong> BGB) vorläge, könnte ein Kaufvertrag zwischen K als Käufer und B als Verkäufer<br />

anzunehmen sein.<br />

[38] Im Einzelfall kann zwar eine Umgehung <strong>des</strong> für den Verbrauchsgüterkauf<br />

bezweckten Verbraucherschutzes anzunehmen sein, wenn das<br />

Vermittlergeschäft missbräuchlich dazu eingesetzt wird, ein in Wahrheit<br />

vorliegen<strong>des</strong> Eigengeschäft der Beklagten zu verschleiern. Nach der ständigen<br />

Rechtsprechung <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>gerichtshofs, der sich der Senat<br />

anschließt, kommt hierbei eine entscheidende Bedeutung der Frage zu,<br />

wie bei wirtschaftlicher Betrachtung die Chancen und Risiken <strong>des</strong><br />

Gebrauchtwagenverkaufs zwischen dem bisherigen Eigentümer <strong>des</strong> Fahrzeugs<br />

und der Beklagten als Fahrzeughändler verteilt sind. Hat der Händler<br />

etwa ein Gebrauchtfahrzeug, das er „im Kundenauftrag“ weiterveräußert,<br />

dergestalt in Zahlung genommen, dass er dem Eigentümer<br />

<strong>des</strong> Fahrzeugs einen bestimmten Min<strong>des</strong>tverkaufspreis für das Altfahrzeug<br />

garantiert und ihm beim Kauf eines Neuwagens den entsprechenden<br />

Teil <strong>des</strong> Kaufpreises für das Neufahrzeug gestundet hat, so ist bei<br />

der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise von einem Ankauf<br />

<strong>des</strong> Altfahrzeugs durch den Händler auszugehen mit der Folge, dass er<br />

beim Weiterverkauf <strong>des</strong> Gebrauchtwagens als <strong>des</strong>sen Verkäufer anzusehen<br />

ist und das gleichwohl gewählte Agenturgeschäft nach § 475<br />

Abs. 1 Satz 2 BGB a. F. keine Anerkennung finden kann (...).<br />

[40] Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte das wirtschaftliche Risiko<br />

<strong>des</strong> Verkaufs <strong>des</strong> von dem Kläger erworbenen Gebrauchtwagens hätte<br />

tragen sollen, hat der Kläger weder konkret vorgetragen noch sind sie sonst<br />

für den Senat ersichtlich. Insbesondere fehlt es an einer Einstandspflicht<br />

der Beklagten für einen bei dem Weiterverkauf zu erzielenden Min<strong>des</strong>tpreis.<br />

(...) Das wirtschaftliche Risiko <strong>des</strong> Verkaufs lag jedenfalls bei dem Verkäufer<br />

und nicht bei der Beklagten.<br />

K schloss den Vertrag nicht mit B,<br />

vielmehr trat B als Vertreter <strong>des</strong><br />

Eigentümers auf, kassierte hierfür<br />

allerdings eine Provision. Nur wenn<br />

ein Umgehungsgeschäft vorläge,<br />

wäre ein Kaufvertrag zwischen K<br />

und B anzunehmen.<br />

Das OLG bezieht sich auf die <strong>Entscheidung</strong><br />

<strong>des</strong> BGH, Urteil vom<br />

26.01.2005, VIII ZR 175/04, welche<br />

für die Rechtsprechung zum Umgehungsgeschäft<br />

beim so genannten<br />

Agenturgeschäft grundlegend ist.<br />

Sie sollte jedem Examenskandidaten<br />

bekannt sein.<br />

In seinem Urteil vom 26.01.2005, VIII<br />

ZR 175/04 hatte der BGH danach differenziert,<br />

wer das wirtschaftliche<br />

Risiko bei der Verwertung <strong>des</strong> in<br />

Zahlung genommenen Gebrauchtwagens<br />

trägt. Zieht der Unternehmer<br />

einen Fixbetrag vom Neuwagenpreis<br />

ab, trägt er das wirtschaftliche Risiko<br />

der Weiterverwertung, was ihn trotz<br />

<strong>des</strong> Auftretens als Vertreter zum Verkäufer<br />

<strong>des</strong> Gebrauchtwagens macht<br />

und ihn gegenüber dem Käufer <strong>des</strong><br />

Gebrauchtwagens, wenn dieser ein<br />

Verbraucher ist, nach den §§ 474 ff.<br />

BGB streng haften lässt. Nur wenn<br />

der Altwageninhaber und Neuwagenkäufer,<br />

den Altwagen durch den<br />

Neuwagenverkäufer auf eigenes<br />

Risiko verkaufen in seinem Auftrag<br />

verkaufen lässt, liegt eine Stellvertretung<br />

vor.<br />

Folglich ist ein Kaufvertrag zwischen K und B nicht zustande gekommen.<br />

Damit hat K gegen B keinen Anspruch auf Schadensersatz statt der ganzen<br />

Leistung aus §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I 1 Fall 2 BGB.<br />

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454 Zivilrecht <strong>RA</strong> <strong>09</strong>/<strong>2023</strong><br />

B. Anspruch <strong>des</strong> K gegen B auf Zahlung von 24.138,16 € Zug um Zug<br />

gegen Übergabe und Übereignung <strong>des</strong> Fahrzeugs aus culpa in contrahendo<br />

gem. §§ 280 I, 311 III 2, 241 II BGB<br />

I. Schuldverhältnis i. S. d. § 311 III 2 BGB<br />

Dann muss zwischen K und B ein rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis<br />

i. S. d. § 311 III 2 BGB zustandegekommen sein.<br />

Das OLG bezieht sich auf diese<br />

<strong>Entscheidung</strong>: BGH, Urteil vom<br />

16.12.20<strong>09</strong>, VIII ZR 38/<strong>09</strong>.<br />

§ 311 III 2 BGB verlangt die Inanspruchnahme<br />

„besonderen Vertrauens“<br />

sowie ein „erhebliches<br />

Beeinflussen“ <strong>des</strong> Vertragsschlusses<br />

oder <strong>des</strong>sen Inhalts. Sind diese Voraussetzungen<br />

gegeben, greift die<br />

„Sachwalterhaftung“, welche den<br />

Sachwalter aus c.i.c. haften lässt.<br />

Hier liegt das erhebliche Beeinflussen<br />

schon dadurch vor, dass ausschließlich<br />

B, bzw. sein Mitarbeiter<br />

S, den Vertragsinhalt verhandelte,<br />

während der Eigentümer nie in<br />

Erscheinung trat.<br />

Diese Sachwalterhaftung rechtfertigt<br />

sich auch dadurch, dass B eine<br />

Provision kassiert hat und damit ein<br />

eigenes wirtschaftliches Interesse<br />

am Vertragsschluss hatte.<br />

[43] Nach der Rechtsprechung <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>gerichtshofs, der sich der Senat<br />

anschließt, haftet der Gebrauchtwagenhändler als Vermittler <strong>des</strong> Kaufvertrages<br />

aus Verschulden bei Vertragsschluss selbst, wenn der Kunde ihm ein<br />

besonderes, über die normale Verhandlungsloyalität hinausgehen<strong>des</strong><br />

Vertrauen entgegenbringt und erwartet, darin rechtlichen Schutz zu<br />

genießen. Dabei kommt dem Umstand, dass der Vermittler die gesamten<br />

Vertragsverhandlungen bis zum Abschluss <strong>des</strong> Kaufvertrages im<br />

Rahmen seiner Tätigkeit als Kraftfahrzeughändler allein geführt hat,<br />

während der Kläger zu dem eigentlichen Verkäufer keinen Kontakt hatte,<br />

wesentliche Bedeutung zu (...).<br />

[45] Die Beklagte, vertreten durch den Mitarbeiter S., hat mit dem Kläger<br />

die gesamten Vertragsverhandlungen bis zum Abschluss <strong>des</strong> Kaufvertrags<br />

einschließlich der Übergabe <strong>des</strong> Fahrzeugs geführt. Der Kläger<br />

hatte keinen Kontakt zu dem Eigentümer und damit wahren Verkäufer<br />

<strong>des</strong> Fahrzeugs. Dieser war ihm zum Zeitpunkt <strong>des</strong> Kaufvertragsschlusses<br />

lediglich als eine Nummer in der Kundenkartei der Beklagten offenbart<br />

worden. Ein weiteres Indiz für das besondere Vertrauen, das die Beklagte für<br />

sich in Anspruch genommen hat, sind zudem ihre (damaligen) Werbeaussagen<br />

auf der Homepage (...). Dort warb die Beklagte mit ihrer großen,<br />

achtjährigen Erfahrung auf dem Gebiet <strong>des</strong> Fahrzeugimports aus den<br />

USA, einer Ausstellungsfläche von 4.000 qm, einer ständigen Verfügbarkeit<br />

von ca. 60 Fahrzeugen und dem gebotenen „Rundum-Service“.<br />

Der Kläger konnte daher davon ausgehen, dass die Beklagte hinsichtlich<br />

<strong>des</strong> von ihm geplanten Erwerbs <strong>des</strong> Fahrzeugs der Marke Chrysler, Modell<br />

„Town & Country“, welches für den US-Markt konzipiert wurde und in<br />

dieser Form in Deutschland nur nach einem Import erhältlich ist, besonderes<br />

vertrauenswürdig ist.<br />

Folglich nahm B beim Vertrag zwischen K und dem Verkäufer besonderes<br />

Vertrauen in Anspruch und beeinflusste den Vertragsschluss erheblich. Ein<br />

rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis i. S. d. § 311 III 2 BGB liegt vor.<br />

II. Pflichtverletzung gem. § 241 II BGB<br />

B muss eine Rücksichtspflicht i. S. d. § 241 II BGB verletzt haben. Gem. § 241 II<br />

BGB sind die Parteien im Rechtsverkehr zur Rücksichtnahme auf die Rechte,<br />

Rechtsgüter und Interessen der anderen Partei verpflichtet. Daraus folgen<br />

auch Aufklärungspflichten. Eine solche könnte hier verletzt sein.<br />

[47] Nach der gefestigten Rechtsprechung <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>gerichtshofs, der<br />

sich der Senat anschließt, besteht bei Vertragsverhandlungen für jeden<br />

Vertragspartner die Pflicht, den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären,<br />

die den Vertragszweck (<strong>des</strong> anderen) vereiteln können und<br />

daher für seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er<br />

die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten kann. Ein solcher,<br />

für den Käufer eines Gebrauchtwagens wesentlicher und damit die<br />

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<strong>RA</strong> <strong>09</strong>/<strong>2023</strong><br />

Zivilrecht<br />

455<br />

Aufklärungspflicht auslösender Umstand soll u. a. vorliegen, wenn<br />

der Verkäufer das Fahrzeug selbst kurz zuvor von einem sogenannten<br />

„fliegenden Zwischenhändler“ erworben hat. Denn ohne einen entsprechenden<br />

Hinweis gehe der Käufer davon aus, dass der Vertragspartner<br />

das Fahrzeug von demjenigen übernommen habe, der als letzter Halter in<br />

dem Kraftfahrzeugbrief eingetragen ist. Habe der Verkäufer das Fahrzeug<br />

kurze Zeit vor dem Weiterverkauf selbst von einer dritten Person erworben,<br />

liege der Verdacht nahe, dass es während der Besitzzeit <strong>des</strong> Voreigentümers<br />

zu Manipulationen am Kilometerzähler oder einer sonstigen<br />

unsachgemäßen Behandlung <strong>des</strong> Fahrzeugs gekommen sei. Die Verlässlichkeit<br />

der Angaben <strong>des</strong> Verkäufers zum Fahrzeug werde dadurch<br />

grundlegend entwertet (...).<br />

[49] In der dem Kläger ausgehändigten Zulassungsbescheinigung Teil<br />

II (...) war ein I. Y., wohnhaft in Deutschland als Halter <strong>des</strong> Fahrzeugs eingetragen.<br />

Eigentümer <strong>des</strong> Fahrzeugs zum Zeitpunkt <strong>des</strong> Kaufvertragsschlusses,<br />

wie sich auch aus der entsprechenden, auf die Beklagte lautenden<br />

Vermittlervollmacht (...) ergibt, war jedoch unstreitig ein P. M.,<br />

Litauen. Die Eintragung in der Zulassungsbescheinigung Teil II stammt<br />

vom 07.02.2017. Die Vermittlervollmacht datiert auf den 18.02.2017.<br />

Innerhalb <strong>des</strong> wenige Tage umfassenden Zeitraums zwischen dem<br />

07.02.2017 und dem 18.02.2017 und damit kurz vor dem Kauf <strong>des</strong> Fahrzeugs<br />

durch den Kläger am 19.04.2017 muss mithin entweder ein Eigentumswechsel<br />

stattgefunden haben, oder der Eigentümer M. überließ<br />

das Fahrzeug dem I. Y zur Zulassung in Deutschland, wobei die (vertragliche)<br />

Beziehung zwischen diesen Personen für die Überlassung unklar<br />

bleibt. Allein dieser Umstand ist bereits geeignet, die Verlässlichkeit<br />

der Angaben der Beklagten zu dem Fahrzeug zu entwerten. Hinzu<br />

kommt, dass der in der Zulassungsbescheinigung Teil II als Halter eingetragene<br />

Y. über einen deutschen Wohnsitz verfügt, während der<br />

Eigentümer M. in Litauen wohnhaft ist. Hinsichtlich einer etwaigen<br />

(gerichtlichen) Durchsetzung von Ansprüchen aus dem Kaufvertrag<br />

ist dies mit erheblichen Risiken für den Kläger verbunden. Über diese<br />

der Beklagten bekannte Tatsache, dass der Eigentümer und damit Verkäufer<br />

<strong>des</strong> Fahrzeugs - anders als die Zulassungsbescheinigung Teil II<br />

nahelegt - nicht über einen Wohnsitz in Deutschland verfügt - hätte sie als<br />

Vermittlerin den Kläger daher ebenfalls ungefragt aufklären müssen. Dies<br />

gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Kläger davon ausging, dass<br />

das Fahrzeug ohne Umweg aus den USA nach Deutschland importiert<br />

und dort repariert worden sei.<br />

[50] Daran ändert die grundsätzliche Kenntnis <strong>des</strong> Klägers von dem<br />

Umstand, dass es sich bei dem Kaufgegenstand um ein aus den USA importiertes<br />

Unfallfahrzeug handelte, nichts. Im Gegenteil: Gerade bei einem<br />

solchen Fahrzeug ist die Fahrzeughistorie, insbesondere die Eigentumsfrage,<br />

für den Kaufentschluss von entscheidender Bedeutung,<br />

um beurteilen zu können, wo der Unfallschaden unter Einhaltung<br />

welcher Qualitätsstandards repariert wurde.<br />

Indem S den K über diesen Umstand nicht aufgeklärt hat, liegt eine Aufklärungspflichtverletzung<br />

i. S. d. § 241 II BGB vor.<br />

Gebrauchtwagenkäufe sind immer<br />

mit dem erheblichen Risiko behaftet,<br />

ein so genanntes „Montagsauto“,<br />

<strong>des</strong> Preises der silbernen Zitrone<br />

würdig, zu erwerben. Wird ein<br />

bereits durch einen Unfall beschädigter<br />

Gebrauchtwagen importiert,<br />

besteht diese Gefahr in gesteigertem<br />

Maße. Umso mehr ist man<br />

als Käufer darauf angewiesen, dass<br />

die zur Verfügung gestellten Informationen<br />

dann auch tatsächlich<br />

stimmen. Wer möchte schon einen<br />

Rechtsstreit im Ausland führen?<br />

Sehr interessant: Das Gericht ruft<br />

dem Käufer kein „selbst schuld“ zu,<br />

sondern erachtet ihn als besonders<br />

schutzwürdig!<br />

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456 Zivilrecht <strong>RA</strong> <strong>09</strong>/<strong>2023</strong><br />

Erfüllungsgehilfe gem. § 278 BGB<br />

Der Schaden besteht im Abschluss<br />

eines nachteiligen Vertrages.<br />

Wichtig: Die c.i.c. - Haftung wird<br />

hier nicht vom Sachmängelgewährleistungsrecht<br />

verdrängt, weil<br />

der Gegenstand der Aufklärung –<br />

Wohnsitz <strong>des</strong> Eigentümers – nichts<br />

mit einer dem Kfz anhaftenden<br />

Beschaffenheit zu tun hat.<br />

III. Vertretenmüssen<br />

Eine Aufklärung durch S hätte gem. § 276 BGB der objektiv im Verkehr erforderlichen<br />

Sorgfalt entsprochen. Indem S mit Wissen und Wollen der B in deren<br />

Pflichtenkreis tätig war, ist S Erfüllungsgehilfe der B. Gem. § 278 BGB muss sich<br />

B das Verschulden <strong>des</strong> S zurechnen lassen. Damit hat B die Pflichtverletzung<br />

zu vertreten.<br />

IV. Ersatzfähiger, kausal auf der Pflichtverletzung beruhender Schaden.<br />

Indem hier feststeht, dass die fehlende Aufklärung über die Eigentümerstellung<br />

einer in Litauen wohnhaften Person ursächlich dafür war, dass K<br />

den für ihn nachteiligen Kaufvertrag abgeschlossen hat, war die festgestellte<br />

Pflichtverletzung war auch ursächlich für den seitens K geltend gemachten,<br />

richtig berechneten Schaden. K muss gem. § 249 I BGB so gestellt werden, wie<br />

er ohne den für ihn nachteiligen Vertrag stünde.<br />

V. Kein Ausschluss der Haftung<br />

Fraglich ist, ob ein Anspruch aus culpa in contrahendo ausscheidet, weil im<br />

Anwendungsbereich <strong>des</strong> Sachmängelgewährleistungsrechts ein Rückgriff auf<br />

diese Grundsätze nicht zulässig wäre.<br />

[63] Denn Gegenstand der geschuldeten Aufklärung ist vorliegend kein<br />

Beschaffenheitsmerkmal. Die Abweichung zwischen Halter und Eigentümer<br />

verbunden mit dem ausländischen Wohnsitz <strong>des</strong> Eigentümers stellt<br />

keine dem Fahrzeug anhaftende Beschaffenheit und damit auch keinen<br />

Sachmangel dar (...).<br />

VI. Keine Verjährung gem. § 214 BGB<br />

B hat sich gem. § 214 BGB auf die Verjährung berufen. Fraglich ist aber, ob die<br />

Verjährungsfrist gem. §§ 187 I, 188 II, 195, 199 I BGB abgelaufen ist.<br />

Der Schluss <strong>des</strong> Jahres 2017 in<br />

dem sich die Pflichtverletzung und<br />

ereignete und der Schaden eintrat,<br />

ist ein Zeitpunkt. Gem. § 187 I BGB<br />

wird der 31.12.2017 nicht mitgezählt.<br />

Die Verjährung beginnt<br />

am 01.01.2018. Gem. § 188 II BGB<br />

endet sie am 31.12.2020 um 24 Uhr.<br />

Anwalts Liebling sind Mandanten,<br />

die wie hier am 29.12. um Klageeinreichung<br />

bitten, um den Ablauf der<br />

Verjährungsfrist gem. §§ 204 I Nr. 1,<br />

2<strong>09</strong> BGB zu hemmen.<br />

[73] Der Anspruch (...) unterliegt der Regelverjährung (...).<br />

[74] Vorliegend konnte die Verjährungsfrist frühestens mit dem Schluss<br />

<strong>des</strong> Jahres 2017 beginnen (§ 199 Abs. 1 BGB). Die Verjährung betrug<br />

drei Jahre (§ 195 BGB) und wäre damit frühestens mit dem Ablauf <strong>des</strong><br />

Jahres 2020 eingetreten. Durch die Klageeinreichung am 29.12.2020 unter<br />

gleichzeitiger Einzahlung <strong>des</strong> Gerichtskostenvorschusses und die Zustellung<br />

„demnächst“ an die Beklagte am 11.01.2021 wurde die Verjährung rechtzeitig<br />

gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 167 ZPO).<br />

Folglich ist der Anspruch nicht verjährt.<br />

C. Ergebnis<br />

K hat gegen B einen Anspruch auf Zahlung von 24.138,16 € Zug um Zug gegen<br />

Übergabe und Übereignung <strong>des</strong> Fahrzeugs aus culpa in contrahendo gem.<br />

§§ 280 I, 311 III 2, 241 II BGB i, V. m. § 249 I BGB.<br />

FAZIT<br />

Wer anstelle <strong>des</strong> Verkäufers die Verkaufsverhandlungen führt, aufgrund einer<br />

Provision ein wirtschaftliches Interesse am Vertragsschluss hat, seitens <strong>des</strong><br />

Käufers besonderes Vertrauen in Anspruch nimmt, kann als Sachwalter dem<br />

Käufer gem. §§ 280 I, 311 III 2, 241 II BGB auf Schadensersatz haften.<br />

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