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RA 11/2023 - Entscheidung des Monats

Gibt der Mieter den Besitz am Mietobjekt auf und wirft er den Schlüssel zum Objekt in den Briefkasten des Vermieters, setzt er den Lauf der Frist des § 548 I 2 BGB in Gang, wenn der Vermieter den Schlüssel behält.

Gibt der Mieter den Besitz am Mietobjekt auf und wirft er den Schlüssel zum Objekt in den Briefkasten des Vermieters, setzt er den Lauf der Frist des § 548 I 2 BGB in Gang, wenn der Vermieter den Schlüssel behält.

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<strong>11</strong>/<strong>2023</strong><br />

ENTSCHEIDUNGDESMONATS<br />

ZIVILRECHT<br />

BeginnderVerjährungsfristgem.§548BGB


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Stand: Oktober <strong>2023</strong>


<strong>RA</strong> <strong>11</strong>/<strong>2023</strong><br />

Zivilrecht<br />

567<br />

Problem: Beginn der Verjährungsfrist gem. § 548 BGB<br />

Einordnung: Mietrecht<br />

OLG Hamm, Urteil vom 01.09.<strong>2023</strong><br />

30 U 195/22 (leicht abgewandelt)<br />

EINLEITUNG<br />

Die Sonderverjährungsvorschrift <strong>des</strong> § 548 BGB ist zum einen sehr kurz bemessen<br />

und hat zum anderen gravierende wirtschaftliche Konsequenzen. Deshalb<br />

verwundert es nicht, dass unter Juristen bei der Auslegung dieser Rechtsnorm<br />

um jede Wortbedeutung gerungen wird. Was die Worte „...Zeitpunkt, in dem<br />

er die Mietsache zurückerhält.“ in § 548 I 2 BGB im Einzelfall bedeuten, ist<br />

umstritten. Vorliegend geht es um die Frage, ob der gegen den Willen <strong>des</strong><br />

Vermieters erfolgte Einwurf <strong>des</strong> Schlüssels zum Objekt in den Briefkasten <strong>des</strong><br />

Vermieters durch den Mieter dieses Tatbestandsmerkmal konkludent ausfüllen<br />

kann, wenn zu diesem Zeitpunkt das Mietverhältnis noch nicht beendet ist.<br />

SACHVERHALT<br />

Mit Vertrag vom 17.06.2009 vermietete K eine Halle nebst Lagerbüro sowie<br />

außenliegende Stellplätze an die B. Beginn <strong>des</strong> Mietverhältnisses war der<br />

15.07.2009. Der Vertrag sollte für ein Jahr gelten und sich um jeweils ein Jahr<br />

verlängern, falls nicht drei Monate vor dem jeweiligen Jahresablauf eine Kündigung<br />

ausgesprochen wird. Am 28.03.2012 schlossen die Parteien einen<br />

schriftlichen Nachtrag zum Mietvertrag Darin wurden zusätzliche Gewerbeflächen<br />

an B vermietet. Im Nachtrag hieß es:<br />

„Das Mietverhältnis für die unter § 1.2.a. benannten Flächen beginnt am<br />

03.04.2012 für die Dauer von zunächst einem Jahr. Das Mietverhältnis für die<br />

bisher bereits angemieteten Flächen verlängert sich ebenfalls bis zu diesem Zeitpunkt.<br />

(...) Das Mietverhältnis für die dann insgesamt angemieteten Flächen<br />

verlängert sich nach Ablauf <strong>des</strong> ersten Jahres jeweils um 1 Jahr, falls nicht von<br />

einer Partei unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten vor Ablauf der Mietzeit<br />

gekündigt wird.“<br />

Im Jahr 2019 begehrte B ein Gespräch mit K um über die Abwicklung <strong>des</strong><br />

Mietverhältnisses nach einer seitens B im Jahr 2020 geplanten Kündigung<br />

zu sprechen. Am 10.03.2020 erklärte B gegenüber K die Kündigung zum<br />

nächstmöglichen Zeitpunkt. Mit Schreiben vom 18.03.2020 wies K darauf<br />

hin, dass das Mietverhältnis aufgrund der Kündigung erst zum 30.04.2021<br />

ende. Bis zum 31.12.2020 nutzte B das Mietobjekt weiter. An diesem Tag warf<br />

sie die Schlüssel in den Hausbriefkasten <strong>des</strong> K ein, was dieser mit Schreiben<br />

vom 07.01.2021 zurückwies. Mit Schreiben vom 09.06.2021 forderte K die B<br />

unter Androhung der Selbstvornahme auf, im Einzelnen benannte Mängel<br />

und Schäden bis spätestens zum 19.06.2021 zu beseitigen. Es steht fest,<br />

dass diese Mängel von B verursacht wurden und sie nicht auf vertragsgemäßem<br />

Gebrauch beruhen. Nach Fristablauf verlangte er mit Schreiben vom<br />

25.06.2021 die Zahlung von 47.292,62 € Schadensersatz wegen nicht vorgenommener<br />

Mängelbeseitigung. B erhebt die Einrede der Verjährung. Zu<br />

Recht, wenn die Forderung dem Grunde nach begründet ist?<br />

LEITSATZ<br />

Erhält der Vermieter den Besitz an<br />

dem Mietobjekt durch Einwurf der<br />

Schlüssel in seinen Briefkasten zurück<br />

und behält der Vermieter diese<br />

Schlüssel dann, beginnt die kurze<br />

Verjährungsfrist <strong>des</strong> § 548 Abs. 1 BGB<br />

mit Kenntnis <strong>des</strong> Vermieters von<br />

dem Schlüsseleinwurf auch dann<br />

zu laufen, wenn das Mietverhältnis<br />

noch nicht beendet und der Vermieter<br />

nicht rücknahmebereit ist<br />

(in Abgrenzung zum Urteil <strong>des</strong> BGH<br />

vom 12.10.20<strong>11</strong>, VIII ZR 8/<strong>11</strong>).<br />

Das Berufungsgericht hat sich mit<br />

der Frage, ob die Forderungen der<br />

Höhe nach begründet waren, nicht<br />

so auseinandergesetzt, dass die<br />

Feststellungen für unsere Aufbereitung<br />

tauglich wären. Es geht im<br />

Fall um die Frage <strong>des</strong> Beginns <strong>des</strong><br />

Laufs der Verjährungsfrist gem.<br />

§ 548 I 2 BGB. Aus diesem Grunde<br />

unterstellen wir die Begründetheit<br />

der Posten, differenzieren nicht zwischen<br />

der Verletzung leistungsbezogener<br />

Pflichten oder Rücksichtspflichten<br />

sowie etwaiger Ansprüche<br />

wegen rückständiger Mietzahlungen,<br />

gehen hier vielmehr von der<br />

Richtigkeit der Berechnungen aus<br />

und konzentrieren uns auf das für<br />

das Thema Verjährung Wesentliche.<br />

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568 Zivilrecht <strong>RA</strong> <strong>11</strong>/<strong>2023</strong><br />

LÖSUNG<br />

A. Anspruch <strong>des</strong> K gegen die B auf Zahlung von 47.292,62 € gem. §§ 280 I,<br />

241 II BGB<br />

K könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe<br />

von 47.292,62 € aus §§ 280 I, 241 II BGB haben.<br />

Zu den unterschiedlichen Schadensersatzansprüchen<br />

<strong>des</strong> Vermieters<br />

gegen den Mieter nach Rückgabe<br />

der Mietsache in mangelhaftem<br />

Zustand:<br />

• BGH <strong>RA</strong> 07/<strong>2023</strong>, 342 ff.<br />

• BGH <strong>RA</strong> 10/2019, 514 ff.<br />

• BGH <strong>RA</strong> 08/2018, 460 ff.<br />

Dort finden Sie die Abgrenzungen<br />

zwischen den leistungsbezogenen<br />

Pflichten, die nach erfolglosem<br />

Ablauf einer Nachfrist zur Leistung<br />

zum Anspruch auf Schadensersatz<br />

statt der Leistung aus §§ 280 I, III,<br />

281 I 1 BGB führen können sowie<br />

den Rücksichtspflichtverletzungen,<br />

die bei Rückgabe einer Mietsache in<br />

mangelhaftem Zustand ohne Fristsetzungserfordernis<br />

zum Anspruch<br />

<strong>des</strong> Vermieters aus §§ 280 I, 241 II<br />

BGB führen können.<br />

Klare Begriffsbestimmung durch<br />

den 30. Zivilsenat <strong>des</strong> OLG Hamm:<br />

Auf die Vertragsbeendigung kommt<br />

es nicht an. Es geht darum, ob der<br />

Vermieter faktisch in der Lage ist,<br />

Verschlechterungen und Veränderungen<br />

ungestört untersuchen zu<br />

können.<br />

Besitzaufgabe durch Verlassen <strong>des</strong><br />

Objekts und Einwurf <strong>des</strong> Schlüssels<br />

in den Hausbriefkasten<br />

Kenntniserlangung <strong>des</strong> K<br />

I. Anspruch entstanden<br />

Zwischen K und B bestand aufgrund <strong>des</strong> Mietvertrages ein Schuldverhältnis<br />

im Sinne <strong>des</strong> § 280 I BGB. Indem B das Objekt zwar gem. § 546 BGB zurückgegeben<br />

hat, das Objekt sich bei der Rückgabe in mangelhaftem Zustand<br />

befand, hat B gem. § 241 II BGB ihre Pflicht verletzt, auf die Rechte und Interessen<br />

<strong>des</strong> K Rücksicht zu nehmen. Indem die eingetretenen Schäden am<br />

Objekt nicht auf vertragsgemäßem Gebrauch beruhten, hat B auch gem.<br />

§ 538 BGB i.V.m. §§ 280 I 2, 276 BGB diese Pflichtverletzung zu vertreten. Die<br />

geltend gemachten Schäden beruhen kausal auf der Pflichtverletzung und<br />

wurden seitens K sachlich und rechnerisch richtig aufgelistet. Folglich ist ein<br />

Anspruch auf Zahlung von 47.292,62 € entstanden.<br />

II. Anspruch durchsetzbar<br />

Zu prüfen ist, ob der Anspruch auch durchsetzbar ist. Der Anspruch <strong>des</strong> K<br />

könnte gem. §§ 214, 548 BGB nämlich verjährt sein. B hat gem. § 214 BGB die<br />

Einrede der Verjährung erhoben. Fraglich ist, ob der Lauf der Verjährungsfrist<br />

<strong>des</strong> § 548 BGB abgelaufen ist. Dies wäre der Fall, wenn die Verjährungsfrist vorliegend<br />

spätestens gem. § 187 I BGB am 08.01.2021 in Lauf gesetzt worden<br />

ist. Dann endete der Lauf der Verjährungsfrist mit Ablauf <strong>des</strong> 08.06.2021. Dies<br />

wäre der Fall, wenn K die Mietsache am 07.01.2021 i.S.d. § 548 I 2 BGB dadurch<br />

zurückerhalten hätte, dass B nach dem Verlassen <strong>des</strong> Objekts den Schlüssel<br />

zum Mietobjekt in den Briefkasten <strong>des</strong> K geworfen hat. Eine solche Auslegung<br />

<strong>des</strong> § 548 I 2 BGB erscheint im vorliegenden Fall aus zwei Gründen problematisch:<br />

Zum einen hat K gegen dieses Verhalten der B protestiert. Zum anderen<br />

war das Mietverhältnis aufgrund der klaren vertraglichen Regelung nach der<br />

Kündigungserklärung der B zur Zeit <strong>des</strong> Schlüsseleinwurfs noch in Kraft.<br />

[55] Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 548 Abs. 1 S. 2 BGB mit dem Zeitpunkt,<br />

in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält.<br />

[56] Rückerhalt im Sinne <strong>des</strong> § 548 Abs. 1 S. 2 BGB ist nicht identisch mit<br />

Rückgabe im Sinne von § 546 BGB. Rückerhalt setzt grundsätzlich die unmittelbare<br />

Sachherrschaft (§ 854 BGB) <strong>des</strong> Vermieters und eine Besitzveränderung<br />

zu seinen Gunsten voraus. Entscheidend ist, dass der Vermieter<br />

die Mietsache auf Veränderungen und Verschlechterungen ungestört<br />

untersuchen kann und der Mieter mit Kenntnis <strong>des</strong> Vermieters den<br />

Besitz vollständig und unzweifelhaft aufgibt (...). Das gilt auch, wenn<br />

das Mietverhältnis erst nach Rückerhalt endet (...); die Beendigung <strong>des</strong><br />

Mietverhältnisses ist nicht Voraussetzung <strong>des</strong> Verjährungsbeginns (...).<br />

[57] Unstreitig hat die Beklagte die Schlüssel am 31.12.2020 in den Hausbriefkasten<br />

<strong>des</strong> Klägers eingeworfen und das Mietobjekt auch verlassen.<br />

Darin ist eine vollständige Besitzaufgabe zu sehen. Es steht nicht in<br />

Rede, dass die Beklagte etwa noch Zugang zu den Mieträumen hatte.<br />

[58] Der Kläger hat von der Besitzaufgabe Kenntnis erlangt, als er die<br />

Schlüssel am 07.01.2021 in seinem Hausbriefkasten vorfand. Da die<br />

Beklagte das Mietobjekt zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen hatte, war<br />

für den Kläger die vollständige Besitzaufgabe auch nicht zweifelhaft.<br />

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<strong>RA</strong> <strong>11</strong>/<strong>2023</strong><br />

Zivilrecht<br />

569<br />

[59] Dem Rückerhalt im Sinne <strong>des</strong> § 548 Abs. 1 S. 2 BGB steht im vorliegenden<br />

Fall nicht entgegen, dass der Kläger zu einer Rücknahme der<br />

Mietsache nicht bereit war.<br />

[60] In Rechtsprechung und Literatur werden zwar unterschiedliche Auffassungen<br />

dazu vertreten, unter welchen Voraussetzungen der Lauf der<br />

Verjährungsfrist nach § 548 Abs. 1 BGB beginnt, wenn der Mieter dem Vermieter<br />

anbietet, die Mietsache zurückzuerhalten, dieser sie jedoch nicht<br />

zurücknimmt.<br />

[61] Nach einer Auffassung sind die Bestimmungen über den Annahmeverzug<br />

heranzuziehen mit der Folge, dass der Lauf der Verjährungsfrist <strong>des</strong><br />

§ 548 Abs. 1 BGB ausgelöst werde, sobald der Mieter die erfüllungstaugliche<br />

Rückgabe der geräumten Mietsache anbiete (...).<br />

[62] Nach anderer Auffassung bleibt der Annahmeverzug mit der Rücknahme<br />

der Mietsache ohne Einfluss auf den Beginn der Verjährung nach<br />

§ 548 Abs. 1 BGB; vielmehr könne nur die tatsächliche Besitzaufgabe<br />

durch den Mieter (z.B. durch Schlüsseleinwurf bei dem Vermieter) den<br />

Lauf der Verjährungsfrist auslösen, weil erst dadurch der Vermieter die<br />

Möglichkeit der ungestörten Untersuchung der Mietsache erhalte, von der<br />

der Beginn der Verjährungsfrist abhänge (...).<br />

[63] Schließlich wird vertreten, dass es - unabhängig vom Vorliegen eines<br />

Annahmeverzugs - der Erlangung der unmittelbaren Sachherrschaft durch<br />

den Vermieter gleichstehe, wenn dieser sich selbst der Möglichkeit<br />

begebe, die unmittelbare Sachherrschaft auszuüben, etwa indem er<br />

ein Angebot <strong>des</strong> Mieters auf Übergabe der Schlüssel zurückweist (...).<br />

[64] Der Bun<strong>des</strong>gerichtshof hat die Beantwortung dieser Frage bislang<br />

offengelassen (...). Einer <strong>Entscheidung</strong> hierüber bedarf es auch vorliegend<br />

nicht.<br />

[65] Nach sämtlichen vorgenannten Ansichten beginnt die Verjährungsfrist<br />

nämlich jedenfalls mit Rückerhalt <strong>des</strong> Mietobjektes durch den Vermieter<br />

und Aufgabe <strong>des</strong> Besitzes an diesem durch den Mieter.<br />

[66] Nach den letztgenannten beiden Auffassungen hat die tatsächliche<br />

Besitzaufgabe durch die Beklagte den Lauf der Verjährungsfrist auslöst,<br />

weil der Kläger hierdurch die Möglichkeit der ungestörten Untersuchung<br />

der Mietsache erhalten oder er sich mit der Verweigerung der Besitzergreifung<br />

selbst dieser Möglichkeit begeben hat.<br />

[67] Soweit nach der erstgenannten Ansicht die Bestimmungen über<br />

den Annahmeverzug heranzuziehen sind, ergibt sich schon <strong>des</strong>halb kein<br />

anderes Ergebnis, weil nach dieser Rechtsauffassung sogar ein Verjährungsbeginn<br />

ohne Rückerhalt <strong>des</strong> Mietobjektes durch den Vermieter möglich<br />

sein soll. Davon abgesehen lagen aber auch die Voraussetzungen eines<br />

Annahmeverzugs vor. Die von dem Kläger angeführten Beschädigungen<br />

und nicht durchgeführten Arbeiten und Wartungen hätten allenfalls<br />

eine Schlechterfüllung der Rückgabeverpflichtung begründet, jedoch<br />

nicht schon eine Erfüllungsleistung an sich entfallen lassen. Der Kläger<br />

konnte die tatsächliche Inbesitznahme <strong>des</strong> Mietobjekts auch mit Blick<br />

auf das (lediglich) noch bis zum 04.06.2021 fortdauernde Mietverhältnis<br />

nicht berechtigt verweigern. Er war bereits gegenwärtig ohne<br />

weiteres dazu in der Lage, das Mietobjekt ungestört zu untersuchen, ohne<br />

dass eine Besitzposition der Beklagten verblieben war. Bis zum Mietende<br />

bestand kein erheblicher Zeitraum. Entgegenstehende schutzwürdige<br />

Belange <strong>des</strong> Klägers sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Da ein<br />

Vermieter jedenfalls in einer solchen Lage nicht den Eintritt der kurzen<br />

Verjährung zu Lasten <strong>des</strong> Mieters hinauszögern können soll, lässt sich der<br />

Zur Relevanz <strong>des</strong> Protestes <strong>des</strong> K<br />

Die Rechtsfrage ist umstritten!<br />

e.A.: Bereits der Annahmeverzug <strong>des</strong><br />

Vermieters gem. §§ 293 ff. BGB setzt<br />

den Lauf der Frist gem. § 548 I BGB<br />

in Gang.<br />

a.A.: Nur die tatsächliche Besitzaufgabe<br />

<strong>des</strong> Mieters löst den Lauf der in<br />

§ 548 I BGB geregelten Verjährungsfrist<br />

aus.<br />

Weitere Ansicht: Unabhängig vom<br />

Annahmeverzug löst bereits die Weigerung<br />

<strong>des</strong> Vermieters, die unmittelbare<br />

Sachherrschaft auszuüben,<br />

den Lauf der Frist <strong>des</strong> § 548 I BGB<br />

aus.<br />

Fehlen einer <strong>Entscheidung</strong> <strong>des</strong> BGH<br />

zur umstrittenen Rechtsfrage<br />

Weil alle Auffassungen vorliegend<br />

zum selben Ergebnis kommen, entscheidet<br />

der 30. Zivilsenat <strong>des</strong> OLG<br />

Hamm den Streit nicht.<br />

Die Schlechterfüllung der in § 546<br />

BGB begründeten Rückgabeverpflichtung<br />

führt bei Überschreitung<br />

der Grenze <strong>des</strong> § 538 BGB zum Schadensersatzanspruch<br />

<strong>des</strong> Vermieters<br />

gegen den Mieter aus §§ 280 I, 241<br />

II BGB. Die Schlechterfüllung lässt<br />

weder die Rückgabeverpflichtung<br />

entfallen, noch berechtigt sie den<br />

Vermieter zur Nichtannahme. Lehnt<br />

der Vermieter bei Mängeln am<br />

Objekt die Rücknahme ab, kommt er<br />

in Annahmeverzug.<br />

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570 Zivilrecht <strong>RA</strong> <strong>11</strong>/<strong>2023</strong><br />

Wichtige Abgrenzung zum Urteil<br />

<strong>des</strong> BGH vom 12.10.20<strong>11</strong>, VIII ZR<br />

8/<strong>11</strong>. In der BGH-<strong>Entscheidung</strong> hatte<br />

der Mieter den Schlüssel zum Objekt<br />

in den Briefkasten <strong>des</strong> zurückzugebenden<br />

Objekts geworfen. Im<br />

vorliegenden Fall warf B die Schlüssel<br />

in den Geschäftsbriefkasten <strong>des</strong> K.<br />

Ferner hat K die Schlüssel zum vollständig<br />

geräumten Objekt behalten.<br />

Erlangung <strong>des</strong> unmittelbaren Besitzes durch den Vermieter gleichsetzen,<br />

wenn er - wie aus den vorgenannten Gründen hier - davon absieht, die<br />

Mieträume in Besitz zu nehmen, obwohl er von der Besitzaufgabe durch<br />

den Mieter weiß und die Möglichkeit der Inbesitznahme hat (...).<br />

[68] Der Kläger vermag sich demgegenüber auch nicht mit Erfolg auf das<br />

Urteil <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>gerichtshofs vom 12.10.20<strong>11</strong> (VIII ZR 8/<strong>11</strong>) zu berufen.<br />

Zwar hat der Bun<strong>des</strong>gerichtshof in der <strong>Entscheidung</strong> ausgeführt, dass ein<br />

Vermieter ein Mietobjekt nicht auf Zuruf zurückzunehmen verpflichtet sei<br />

und den Besitz an selbigem auch nicht dadurch erhalte, dass die Schlüssel<br />

in den Briefkasten <strong>des</strong> Mietobjekts eingeworfen würden. Der maßgebliche<br />

Unterschied <strong>des</strong> vorliegenden Falls zu dem, der vom Bun<strong>des</strong>gerichtshof<br />

zu entscheiden war, liegt jedoch darin, dass der Kläger hier<br />

tatsächlich den Besitz an dem Mietobjekt zurückerhalten und dann<br />

im Übrigen auch behalten hat, da die Schlüssel in seinen Briefkasten<br />

und nicht lediglich in den <strong>des</strong> Mietobjekts eingeworfen wurden. Ob<br />

der Fall anders zu beurteilen wäre, wenn er umgehend die Schlüssel wieder<br />

der Beklagten hätte zukommen lassen, bedarf hier keiner <strong>Entscheidung</strong>.<br />

Denn dies hat der Kläger nicht getan, sondern allein der Beklagten mit<br />

Schreiben vom 07.01.2021 (...) mitgeteilt, dass der Einwurf der Schlüssel<br />

in seinen Briefkasten gegen seinen Willen erfolgt und er nicht empfangsbereit<br />

sei. Dabei ist es ihm nicht etwa darum gegangen, die Beklagte<br />

zu einer, was ihm ggf. zuzubilligen wäre, geordneten Rückgabe der Mietsache<br />

im Rahmen eines zu vereinbarenden Übergabetermins zu bewegen.<br />

Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat<br />

er vielmehr für den Fall einer vorbehaltlosen Entgegennahme der Schlüssel<br />

und Untersuchung der Mieträume einen Verlust seiner Mietansprüche für<br />

die Zeit bis zur Beendigung <strong>des</strong> Mietverhältnisses befürchtet. Diese Sorge<br />

war jedoch, wie nachfolgend noch auszuführen ist, nicht begründet.<br />

[69] Die Verjährungsfrist <strong>des</strong> § 548 Abs. 1 S. 1 BGB ist aus diesen Gründen<br />

spätestens am 08.01.2021 in Lauf gesetzt worden. Folglich endete die Verjährungsfrist<br />

mit Ablauf <strong>des</strong> 08.06.2021.<br />

Damit ist der Schadensersatzanspruch <strong>des</strong> K gegen B aus dem Mietverhältnis<br />

gem. §§ 280 I, 241 II BGB verjährt. Der Anspruch auf Zahlung der 47.292,62 €<br />

ist folglich nicht durchsetzbar.<br />

B. Ansprüche aus §§ 823 ff. BGB<br />

Nicht nur die vertraglichen Ansprüche wegen Veränderungen und Verschlechterungen<br />

der zum Gebrauch überlassenen Sache unterliegen der kurzen<br />

Verjährung, sondern sämtliche konkurrierenden Ansprüche aus unerlaubter<br />

Handlung oder aus dem Eigentum. Folglich sind auch Ansprüche <strong>des</strong> K gegen<br />

B aus den §§ 823 ff. BGB verjährt.<br />

C. Ergebnis<br />

K hat gegen B keinen Anspruch auf Zahlung der 47.292,62 €.<br />

FAZIT<br />

Gibt der Mieter den Besitz am Mietobjekt auf und wirft er den Schlüssel zum<br />

Objekt in den Briefkasten <strong>des</strong> Vermieters, setzt er den Lauf der Frist <strong>des</strong> § 548 I 2<br />

BGB in Gang, wenn der Vermieter den Schlüssel behält.<br />

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