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RA 03/2023 - Entscheidung des Monats

Dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz genügt es bei der Übereignung von Sachgesamtheiten, wenn eine räumliche Abgrenzung fehlt, ein Gattungsbegriff nur dann, wenn ein objektiver Dritter durch die Beherrschung des allgemeinen oder rechtlichen Sprachgebrauchs ohne äußere zusätzliche Erkenntnisquellen die Differenzierung sicher treffen könnte, welche Gegenstände übereignet wurden und welche nicht.

Dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz genügt es bei der Übereignung von Sachgesamtheiten, wenn eine räumliche Abgrenzung fehlt, ein Gattungsbegriff nur dann, wenn ein objektiver Dritter durch die Beherrschung des allgemeinen oder rechtlichen Sprachgebrauchs ohne äußere zusätzliche Erkenntnisquellen die Differenzierung sicher treffen könnte, welche Gegenstände übereignet wurden und welche nicht.

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<strong>03</strong>/<strong>2023</strong><br />

ENTSCHEIDUNGDESMONATS<br />

ZIVILRECHT<br />

SachenrechtlicherBestimmtheitsgrundsatz


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Stand: März <strong>2023</strong>


<strong>RA</strong> <strong>03</strong>/<strong>2023</strong><br />

Zivilrecht<br />

125<br />

Problem: Sachenrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatz<br />

Einordnung: Sachenrecht<br />

BGH, Urteil vom 16.12.2022<br />

V ZR 174/21<br />

EINLEITUNG<br />

Legte man den Bestimmtheitsgrundsatz <strong>des</strong> Sachenrechts im Falle der Übereignung<br />

von in Sachgesamtheiten befindlichen Sachen streng aus, müssten<br />

sich Veräußerer und Erwerber über je<strong>des</strong> einzelne Stück konkret einigen. Dass<br />

dies unausführbar ist, mussten auch einige Juristen, die zugleich Puristen<br />

waren, in den späten 50er Jahren einsehen. Eine moderne Volkswirtschaft<br />

bedarf nicht nur sicherer, sondern auch zügiger Mittel, um Eigentum zu übertragen.<br />

Also sieht man eine Bestimmtheit auch als gegeben an, wenn ein<br />

objektiver Dritter im Moment der Einigung ein übereignetes Stück als übereignet<br />

identifizieren könnte. Weil die Technik stark voranschreitet, müssen<br />

Gerichte das Recht hier immer wieder neu fortbilden. Der vorliegende Fall<br />

setzt der Praxis allerdings Grenzen.<br />

SACHVERHALT<br />

K und B handeln mit Flüssiggas. K ist aufgrund Verschmelzung Rechtsnachfolgerin<br />

der Firma VFG. Diese war u.a. von der „V. G und O. GmbH & Co. KG“<br />

(nachfolgend: VGO) im August 2005 gegründet worden. Mit Vertrag vom<br />

01.09.2005 verkaufte die VGO der VFG u.a. das zu den Wirtschaftsgütern <strong>des</strong><br />

Flüssiggasgeschäfts gehörende Sachanlagevermögen, zu dem gemäß Ziffer<br />

II.1.a) <strong>des</strong> Kaufvertrags u.a. Flüssiggastanks gehörten. Alle Flüssiggastanks, die<br />

an Endkunden vermietet und in deren Besitz waren, sollten durch Abtretung<br />

<strong>des</strong> Herausgabeanspruchs übereignet werden. Die Ziffer II. 1.a) enthielt keine<br />

weiteren Angaben zu den Tanks. Wegen der Beschreibung <strong>des</strong> Sachanlagevermögens<br />

wurde auf einen Anhang verwiesen, <strong>des</strong>sen Inhalt jedoch nicht<br />

festgestellt ist. Mit weiterem Vertrag vom 01.09.2005 verpachtete die VGO den<br />

Kundenstamm ihres Flüssiggasgeschäfts an die VFG. Der Kundenstamm war<br />

in einem Anhang zu dem Pachtvertrag beschrieben. Zu den dort genannten<br />

Kunden gehört S. Dieser hatte zuletzt 1999 mit der VGO einen Versorgungsvertrag<br />

unter Vereinbarung eines Fremdbefüllungsverbots geschlossen. Der<br />

dafür von der VGO gelieferte und in das Grundstück eingebaute Flüssiggastank<br />

sollte in deren Eigentum verbleiben und ist mit einem Eigentumsaufkleber<br />

versehen. B befüllte im Mai 2016 und im Juli 2017 diesen Tank. K verlangt von<br />

B, es zu unterlassen, ohne ihre Einwilligung in ihrem Eigentum stehende Flüssiggasbehälter<br />

zu befüllen oder befüllen zu lassen. Zu Recht?<br />

LEITSATZ<br />

1. Soll eine Gesamtheit von Gegenständen,<br />

die nicht räumlich<br />

zusammengefasst sind, unter Verwendung<br />

eines Gattungsbegriffs<br />

übereignet werden, ist der sachenrechtliche<br />

Bestimmtheitsgrundsatz<br />

nur dann gewahrt, wenn sich die<br />

Vertragsparteien bewusst und<br />

erkennbar über Merkmale einigen,<br />

aufgrund deren die übereigneten<br />

Gegenstände der Gattung individualisierbar<br />

sind (Abgrenzung zu<br />

BGH, Urteil vom 04.10.1993, II ZR<br />

156/92).<br />

2. Eine Einigung, nach der nur<br />

diejenigen Gegenstände einer<br />

bestimmten Gattung übereignet<br />

werden sollen, die der Veräußerer<br />

nicht näher bezeichneten<br />

Dritten überlassen hat, genügt<br />

für sich genommen den Anforderungen<br />

an den sachenrechtlichen<br />

Bestimmtheitsgrundsatz<br />

nicht (hier: Flüssiggastanks, die<br />

nicht näher bezeichneten Kunden<br />

überlassen worden sind).<br />

LÖSUNG<br />

A. Anspruch der K gegen B gem. § 1004 I BGB<br />

K könnte gegen B einen Anspruch aus § 1004 I BGB auf Unterlassung <strong>des</strong><br />

Befüllens der Flüssiggasbehälter haben. Dies setzt voraus, dass K Eigentümerin<br />

der Behälter ist, B als Störer das Eigentum der K in anderer Weise als durch<br />

Entziehung oder Vorenthaltung <strong>des</strong> Besitzes verletzt und K nicht gem. § 1004<br />

II BGB zur Duldung verpflichtet ist.<br />

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126 Zivilrecht <strong>RA</strong> <strong>03</strong>/<strong>2023</strong><br />

Die Übereignung gem. §§ 929, 931<br />

BGB setzt voraus:<br />

• Einigung zwischen Veräußerer<br />

und Erwerber<br />

• Dritter (D) im Besitz der Sache<br />

• Veräußerer tritt an den Erwerber<br />

seinen Herausgabeanspruch<br />

gegen D ab<br />

• Einigsein<br />

• Verfügungsberechtigung <strong>des</strong><br />

Veräußerers.<br />

Der BGH-Senat leitet die Begründung<br />

mit einer Beschreibung <strong>des</strong><br />

Bestimmtheitsgrundsatzes ein.<br />

Festlegung äußerer Abgrenzungskriterien<br />

Bei Sachgesamtheiten stellt sich die<br />

Frage, wie präzise diese Abgrenzungskriterien<br />

sein müssen. Besonders<br />

günstig sind räumliche Abgrenzungen,<br />

etwa bei der Übereignung<br />

eines Warenlagers. Dies ist aber nicht<br />

nötig, wenn die Parteien ein Kriterium<br />

festlegen, das eindeutige Subsumtionen<br />

zulässt.<br />

Der Senat erklärt anschaulich, warum<br />

das rechtliche Unterscheidungsmerkmal<br />

„Eigentum <strong>des</strong> Veräußerers“<br />

ohne äußere Erkenntnisquelle oder<br />

eine räumliche Abgrenzung nicht<br />

genügt.<br />

I. Eigentum der K an den T<br />

K wäre als Rechtsnachfolgerin der VGF Eigentümerin der Tanks, wenn zuvor die<br />

VGF Eigentümerin der Tanks gewesen wäre. Ursprünglich war die Firma VGO<br />

Eigentümerin. Diese könnte ihr Eigentum gem. §§ 929, 931 BGB auf die VGF<br />

durch Einigung und Abtretung der gegen die Kunden bestehenden Herausgabeansprüche<br />

übertragen haben. Eine dingliche Einigung ist ein dinglicher<br />

Vertrag, <strong>des</strong>sen korrespondierende Willenserklärungen auf die Übertragung<br />

<strong>des</strong> Eigentums gerichtet sind. Hier ist davon auszugehen, dass die Vertreter<br />

beide Firmen diese Erklärungen in Bezug aufeinander gem. § 164 I BGB mit<br />

Wirkung für die Firmen abgegeben haben. Fraglich ist jedoch die Bestimmtheit<br />

der Einigung.<br />

[10] Der Inhalt der Einigung gemäß § 929 Satz 1 BGB erschöpft sich - anders<br />

als das Verpflichtungsgeschäft - im Einigsein über die vereinbarte dingliche<br />

Rechtsänderung (...). Die Einigung gemäß § 929 Satz 1 BGB muss<br />

sich <strong>des</strong>halb auf eine individuell bestimmte Sache beziehen. Soll, wie<br />

hier, nicht lediglich eine einzelne Sache, sondern eine Sachgesamtheit<br />

übereignet werden, genügt die Einigung dem sachenrechtlichen<br />

Bestimmtheitsgrundsatz nur dann, wenn klar ist, auf welche einzelnen<br />

Gegenstände aus der Sachgesamtheit sich der Übereignungswille<br />

der Parteien erstreckt. Das bedeutet aber nicht, dass jeder einzelne<br />

Gegenstand genau bezeichnet werden muss. Nach der Rechtsprechung<br />

<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>gerichtshofs wird dem Bestimmtheitsgrundsatz auch dann<br />

ausreichend Rechnung getragen, wenn es infolge der Wahl einfacher<br />

äußerer Abgrenzungskriterien für jeden, der die Parteiabreden in dem<br />

für den Eigentumsübergang vereinbarten Zeitpunkt kennt, ohne Weiteres<br />

ersichtlich ist, welche individuell bestimmten Sachen übereignet<br />

worden sind (...).<br />

[11] Die Bestimmtheit einer Sachgesamtheit kann durch die Verwendung<br />

einer Sammelbezeichnung sichergestellt werden, nach der alle Gegenstände<br />

von der Übereignung erfasst sein sollen, die ein bestimmtes<br />

Merkmal erfüllen. Soll eine danach eindeutig zu kennzeichnende<br />

Gesamtheit vollständig oder eine qualitativ beschreibbare Teilmenge<br />

hiervon übereignet werden, bedarf es der räumlichen Abgrenzung nicht<br />

(...).<br />

[12] Nicht ausreichend ist hingegen die Bezugnahme auf ein rechtliches<br />

Unterscheidungsmerkmal, z.B. das Eigentum <strong>des</strong> Übertragenden. Sollen<br />

bei einer Übereignung einer Vielzahl von Gegenständen unter einer Sammelbezeichnung<br />

solche Gegenstände von der Übereignung ausgenommen<br />

werden, die zwar der Sammelbezeichnung unterfallen, aber nicht dem Veräußerer<br />

gehören, ist der Bestimmtheitsgrundsatz nicht gewahrt. Ein außenstehender<br />

Dritter kann nämlich nicht ohne außervertragliche Erkenntnisquellen<br />

(Warenbücher, Rechnungen) bestimmen, welche der Sammelbezeichnung<br />

unterfallenden Gegenstände dem Veräußerer gehören (...).<br />

[13] Auch Formeln, die nur mit Hilfe außervertraglicher Erkenntnisquellen<br />

geeignet sind, die übereigneten von den anderen Gegenständen zu unterscheiden,<br />

oder Kennzeichnungen durch rein funktionale Begriffe machen<br />

für einen Dritten nicht deutlich, welche Gegenstände übereignet werden<br />

sollen (...). Ist eine eindeutige Feststellung der zu übereignenden Gegenstände<br />

nicht auf andere Weise gewährleistet, z.B. bei Warenlagern mit<br />

wechselndem Bestand oder bei Beschränkung der Sicherungsübereignung<br />

auf eine nur quantitativ zu bestimmende Teilmenge der Sachgesamtheit,<br />

ist eine räumliche Abgrenzung erforderlich (...).<br />

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<strong>RA</strong> <strong>03</strong>/<strong>2023</strong><br />

Zivilrecht<br />

127<br />

[14] Gemessen daran genügt die Sammelbezeichnung „alle von der VGO an<br />

ihre Kunden überlassenen Flüssiggastanks“ für sich genommen den Anforderungen<br />

an den Bestimmtheitsgrundsatz nicht.<br />

[15] Das folgt entgegen der Ansicht der Revision allerdings nicht daraus,<br />

dass mit dieser Vereinbarung solche Flüssiggastanks von der Übereignung<br />

ausgenommen gewesen wären, die nicht im Eigentum der VGO gestanden<br />

hätten. Zwar war Kaufgegenstand <strong>des</strong> Vertrags vom 1. September 2005 das<br />

zu den Wirtschaftsgütern <strong>des</strong> Flüssiggasgeschäfts gehörende Sachanlagevermögen<br />

der VGO. Unter den bilanzrechtlichen Begriff <strong>des</strong> Sachanlagevermögens<br />

fallen nur diejenigen Gegenstände, die dem Bilanzpflichtigen<br />

gehören oder ihm jedenfalls wirtschaftlich zuzurechnen sind (§ 246 Abs. 1<br />

Satz 2 HGB; ...). Die Vertragsparteien haben in dem Kaufvertrag zur<br />

näheren Beschreibung der von der Einigung gemäß § 929 Satz 1 BGB<br />

erfassten Gegenstände aber nicht die Sammelbezeichnung „Sachanlagevermögen“,<br />

sondern die Sammelbezeichnung „Flüssiggastanks“<br />

gewählt. Damit sollten nach der tatrichterlichen Würdigung <strong>des</strong> Berufungsgerichts<br />

die Flüssiggastanks übereignet werden, die die VGO ihren<br />

Kunden überlassen hatte (...). Auf die Eigentümerstellung der Veräußerin<br />

sollte es dagegen nicht ankommen. Dann bereitet eine fehlende Eigentümerstellung<br />

unter dem Gesichtspunkt <strong>des</strong> Bestimmtheitsgrundsatzes<br />

keine Probleme (...). Insoweit geht es nicht um die Bestimmtheit der Übereignung,<br />

sondern um einen möglichen gutgläubigen Erwerb.<br />

[16] Die Sammelbezeichnung „alle von der VGO an ihre Kunden überlassenen<br />

Flüssiggastanks“ genügt jedoch für sich genommen <strong>des</strong>halb<br />

dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz nicht, weil nicht<br />

erkennbar ist, welche einzelnen Flüssiggastanks von der Übereignung<br />

erfasst sind.<br />

[17] Allerdings hat der II. Zivilsenat für die Sicherungsübereignung gemäß<br />

§§ 929, 930, 931 BGB entschieden, dass eine Einigungserklärung, nach der<br />

alle Gegenstände einer näher bezeichneten Gattung zur Sicherheit übereignet<br />

werden sollen, dem Bestimmtheitsgebot auch dann genügen kann,<br />

wenn die Gegenstände nicht räumlich zusammengefasst sind (...). Dies<br />

hat er jedoch, anders als der zu weit gefasste Leitsatz vermuten lässt,<br />

nicht allgemein, sondern nur für die Sicherungsübereignung von Containern<br />

einer genau bezeichneten Größe entschieden. Er hat dabei<br />

zugrunde gelegt, dass alle Gegenstände, die ein bestimmtes Merkmal<br />

erfüllen, übereignet werden, und dass es sich bei der Containergröße<br />

um ein bestimmtes Merkmal handelt.<br />

[18] Das bedeutet jedoch nicht, dass der Gattungsbegriff für sich genommen<br />

stets dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz entspricht. Ob eine<br />

Sammelbezeichnung erkennen lässt, welche konkreten Gegenstände<br />

von der Übereignung erfasst sein sollen, beurteilt sich nach ständiger<br />

höchstrichterlicher Rechtsprechung vielmehr danach, ob nach dem<br />

allgemeinen oder rechtlichen Sprachgebrauch für jeden, der die Parteiabreden<br />

in dem für den Eigentumsübergang vereinbarten Zeitpunkt<br />

kennt, ohne Weiteres ersichtlich ist, welche Einzelsachen damit<br />

gemeint sind (...). Welche individuellen Sachen einer Gattung übereignet<br />

werden sollen, ist für einen Dritten zwar ohne weiteres dann ersichtlich,<br />

wenn ein gesamter Lagerbestand veräußert wird. Soll dagegen - wie hier -<br />

eine Gesamtheit von Gegenständen, die nicht räumlich zusammengefasst<br />

sind, übereignet werden, ist der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz<br />

nur dann gewahrt, wenn sich die Vertragsparteien bewusst und erkennbar<br />

über Merkmale einigen, aufgrund deren die übereigneten Gegenstände der<br />

Begründung, warum die im Fall<br />

getroffene Formulierung nicht ausreichend<br />

ist, um dem Bestimmtheitsgrundsatz<br />

zu genügen.<br />

In einem vergleichbaren Fall genügte<br />

die Angabe einer Containergröße<br />

den Anforderungen an die<br />

Bestimmtheit.<br />

Eine Sammelbezeichnung muss<br />

so präzise sein, dass jeder, der den<br />

spezifischen rechtlichen oder allgemeinen<br />

Sprachgebrauch beherrscht,<br />

die Abgrenzung treffen könnte.<br />

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128 Zivilrecht <strong>RA</strong> <strong>03</strong>/<strong>2023</strong><br />

Die getroffene Vereinbarung genügt<br />

nicht, weil ein objektiver Dritter nur<br />

anhand zusätzlicher Unterlagen<br />

treffsicher einzelne Gastanks als<br />

übereignet oder nicht übereignet<br />

unterscheiden könnte. Der Besitz<br />

der Kunden ist ein zu unscharfes<br />

Kriterium.<br />

Gattung individualisierbar sind (...). So hat der IX. Zivilsenat die Bezeichnung<br />

von Sicherungsgut lediglich nach der Gattung („Bleche“, „Formstahl“,<br />

„Rohre“) selbst dann nicht als ausreichend angesehen, wenn der Lagerhalter<br />

und eine Order-Nummer genannt werden ...). Ob durch eine zusätzliche<br />

Beschreibung von Merkmalen das Bestimmtheitserfordernis erfüllt ist,<br />

ist eine Frage <strong>des</strong> Einzelfalls (...).<br />

[19] An einer solchen Individualisierung der übereigneten Flüssiggastanks<br />

fehlt es hier. Ein Dritter kann, weil die Tanks nicht räumlich<br />

zusammengefasst sind, der Gattungsbezeichnung „Flüssiggastanks“<br />

allein nicht entnehmen, welche Flüssiggastanks von der Übereignung<br />

erfasst werden sollen. Die sachenrechtliche Bestimmtheit wird auch<br />

nicht dadurch sichergestellt, dass von den Flüssiggastanks, die sich<br />

nicht auf dem Betriebsgelände der VGO befinden, nur solche übereignet<br />

werden sollten, die die VGO ihren Kunden überlassen hatte.<br />

Die Überlassung der Flüssiggastanks an Kunden der VGO ist kein<br />

bestimmtes Merkmal, mit dem die zu übereignende Menge der Flüssiggastanks<br />

qualitativ beschrieben wird. Für einen Dritten ist nämlich<br />

ohne Weiteres weder ersichtlich, ob es sich bei den unmittelbaren<br />

Besitzern von Flüssiggastanks um Kunden der VGO handelt, noch, ob<br />

die Tanks von der VGO überlassen worden sind. Insoweit ist die Vereinbarung<br />

vergleichbar mit derjenigen, die ein rechtliches Unterscheidungsmerkmal<br />

verwendet, was nicht ausreichend ist (vgl. oben Rn. 12). Eine<br />

Einigung, nach der nur diejenigen Gegenstände einer bestimmten Gattung<br />

übereignet werden sollen, die der Veräußerer nicht näher benannten<br />

Dritten überlassen hat, genügt für sich genommen den Anforderungen an<br />

den sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz nicht.<br />

Folglich ist die dingliche Einigung i. S. d. § 929 S. 1 BGB nicht wirksam getroffen<br />

worden. Mithin fand ein Eigentumserwerb der VGF gem. §§ 929, 931 BGB nicht<br />

statt. Also wurde auch K als Rechtsnachfolgerin nicht Eigentümer.<br />

C. Ergebnis<br />

K hat gegen B keinen Anspruch aus § 1004 I BGB auf Unterlassung <strong>des</strong> Befüllens<br />

der Flüssiggasbehälter.<br />

FAZIT<br />

Der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz wird nicht streng interpretiert.<br />

Jedoch genügt ihm bei der Übereignung von Sachgesamtheiten, wenn eine<br />

räumliche Abgrenzung fehlt, ein Gattungsbegriff nur dann, wenn ein objektiver<br />

Dritter durch die Beherrschung <strong>des</strong> allgemeinen oder rechtlichen Sprachgebrauchs<br />

ohne äußere zusätzliche Erkenntnisquellen die Differenzierung<br />

sicher treffen könnte, welche Gegenstände übereignet wurden und welche<br />

nicht.<br />

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