„ Solangeetwas ist, ist es nicht das,was es gewesen sein wird.Wenn etwas vorbei ist, ist mannicht mehr der, dem es passierte.Allerdings ist man dem näherals anderen.“2
So zitierte mein Vater Martin Walser in seinem eigenenBuch „Erinnerungen“. Wenn wir uns also erinnern,dann ist das immer eine andere Wirklichkeit als man sieerlebte, weil man selber ein anderer geworden ist. Jederkennt das, dass man in seinen Erinnerungen manchesschöner, vielleicht auch dramatischer macht als es wirklichwar. Und wenn man die Lebensumstände des Lebensnicht kennt, kann man sich auch kaum vorstellen,wie Menschen vor uns gelebt und empfunden haben. Esgilt aber auch andersherum: Im Leben unserer Vorfahrenkonkretisiert sich die Geschichte unseres Landes.Die Spuren der Menschen verwischen sehr schnell:Wir können uns noch an die Eltern erinnern, dasLeben der Großeltern ist uns in einigen Facetten nochbewusst, vieles davon wissen wir aber nicht und vomLeben der Urgroßeltern sind uns nur noch einigeÜberlieferungen bekannt. Nur wenn es einen Familienstammbaumgibt, dann kennen wir noch die Namen,die Lebensdaten, vielleicht auch noch deren Berufe,ansonsten ist aber deren Leben inzwischen fast völligvergessen. Und so ist es mit unserem Leben wie mit denSpuren im Sand wenn wir auftreten klar in der Kontur,unverwechselbar, schon bald aber noch nur in Umrissenerkennbar und schon bald hat der Wind unsere Spurenganz eingeebnet.Aber anders als bei den Spuren im Sand, bleibt von unsimmer etwas, wenn wir Kinder und Enkel und Urenkelhaben. Dann ist es eher wie das Wasser eines Baches,das in einen Fluss fließt und dieser Fluss fließt wieder ineinen größeren und so weiter, bis dass der große Stromin ein Meer mündet. Das Wasser des kleinen Baches istimmer im Wasser der größeren Flüsse und später auchnoch im Meer. Wirprägen mit unseremLeben unsere Kinderund Enkel und wirsind geprägt vomLeben unserer Eltern,Großeltern undUrgroßeltern. Wennman also etwas übersich erfahren will,verstehen will, warumman so ist, dannsollte man auchseine Vorfahren undihr Leben studieren.Deswegen habe ich dieses Büchlein zusammengestellt.Vielleicht könnt ihr euch im Leben eurer Vorfahren wiedererkennen.Ich konnte das Büchlein nur machen, weilmein Vater und mein Onkel Nikolaus schon sehr viel anMaterial über unsere Familie zusammengestellt hatten.Auch die kleinen Büchlein von meinem Bruder Klausüber Ina und Hans haben sehr geholfen. Wir stammenimmer von zwei Familien ab, der der Mutter und der desVaters. Und das verzweigt sich dann immer mehr. Ichhabe mich in meinem Buch nun darauf begrenzt, dasLeben meiner Großeltern und meiner Eltern zu dokumentieren.Vielleicht wird es einmal einen zweiten Bandgeben, in dem das Leben der Eltern und Großeltern vonWallo beleuchtet wird, vielleicht auch noch einen Bandmit Wallos und meinem Leben.Der Anlass für mein Vorhaben war der Tod meines Vaters.Er wurde sehr alt und ich konnte mir irgendwann garnicht mehr vorstellen, dass es ein Leben ohne ihn gibt.Nie war meine Beziehung zu ihm enger als in den letztenJahren vor seinem Tod. Und noch heute erwische ichmich immer wieder, wenn ich auf das Telefon schaue,um zu prüfen, ob er angerufen hat. In meinen Erinnerungenist er noch lebendig. Das ist ein schönes Gefühlund es wäre schön, wenn es euch nach der Lektüre diesesBüchleins ähnlich ergeht: Die Erinnerungen machendie Eltern und Großeltern und Urgroßeltern wieder einwenig lebendig. Plötzlich wird das Gestern wieder zumHeute, werden die Spuren wieder sichtbar. Und dann,dann könnte man sagen, dass die Vorfahren weiterleben,trotz ihres Todes. Dann verliert der Tod auch einwenig vom Schrecken der Unendlichkeit.„Bopa, erzähl mal eine Geschichte von früher“, so meineEnkel Bjarne und Linnea im gemeinsamen Sommerurlaubin St. Peter Ording 2020, wenn wir den langenWeg zum Strand machten. Das wurde dann der Titel desBüchleins.Angeregt zu diesem Buch hat mich unser FreundKlaus Wolf, der auch ein Familienbuch für seine Enkelgestaltet hat. Allen herzlichen Dank. Natürlich merktihr an diesem Buch, dass ich es als Geschichtslehrerzusammengestellt habe. Ich hoffe nun, dass es euchgefällt und vielleicht spürt ihr manchmal das Rauschendes Wassers eurer Vorfahren in euren Adern.Bodo Philipsen im Winter 20203