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information & entwicklung<br />
Man ist nie zu alt:<br />
Die Technik und ich<br />
TROTZ DER WUNDER VON WISSENSCHAFT UND TECHNIK SIND DIE<br />
TIEFEN MENSCHLICHEN PROBLEME GEBLIEBEN (Dalai Lama)<br />
Babette Reineke<br />
Hannover, Deutschland<br />
Schaue ich heute auf mein Leben, ist<br />
mir, als blätterte ich in einem wundersamen<br />
Buch. Schier unglaublich,<br />
wie sich die Welt verändert<br />
hat! Unglaublich auch, dass mich nur<br />
noch ein läppisches Jahrzehnt von dieser<br />
magischen “Hundert“ trennt! Auch das<br />
ist ein Wunder und eine Gnade zugleich.<br />
Als mein Leben begann, drehte sich das<br />
Rad der Zeit noch gemächlicher und<br />
meist mit Handantrieb. Damals wurde<br />
noch alles mit der Hand gemacht, das<br />
Säen und das Ernten, das Feuer im Herd,<br />
ja sogar die Liebesbriefe! Die erste<br />
“Maschine“, die ich kennenlernte, war<br />
Mutters Nähmaschine, die noch “Hand &<br />
Fuß“ beanspruchte und deren vertrautes<br />
Rattern mich oftmals in den Schlaf<br />
begleitete. Später dann in der Schule,<br />
kam die Rechenmaschine, die gar keine<br />
Maschine war, sondern aus zehn verschiebbaren<br />
Holzperlenreihen in einem<br />
Holzgestell bestand. Ich mochte sie nicht.<br />
Zahlen waren nicht mein Fall. Viel lieber<br />
kritzelte ich Buchstaben auf meine Schiefertafel,<br />
an der ein Feuchtschwämmchen<br />
samt Trockentüchlein hing. Ich bevorzugte<br />
das Schreiben und Bäume wachsen<br />
nun mal nicht in den Himmel!<br />
Die Technisierung wuchs weiter, viel<br />
schneller als ich. Dank menschlichem<br />
Erfindergeist drehte sich das Rad des<br />
Lebens nun viel schneller und mit Elektrokraft.<br />
Diese brachte viel Erleichterung,<br />
besonders im Arbeitsalltag und auch<br />
mehr Freizeit und Wohlstand. Glücklich<br />
aber machte sie nicht! Denn mit dem<br />
Wohlstand wuchs auch die Lust auf<br />
mehr Profit: “Schneller, höher, weiter!“<br />
So das Motto. Doch Herz und Seele zu<br />
sehr an den Mammon zu hängen, ist<br />
von Übel. Davon konnte schon Meister<br />
Goethe, in seinen noch heute aktuellen<br />
Balladen, ein Liedlein singen: „Die Geister,<br />
die ich rief, ich werd sie nimmer<br />
los.“ Meiner Generation mag das noch<br />
in den Ohren klingen!<br />
Es erstaunt mich immer wieder, wie<br />
heutzutage schon die Kinder mit der<br />
Technik umgehen können. Als ich das<br />
erste Mal zu einem Telefon gerufen<br />
wurde, hielt ich prompt das falsche<br />
Ende des Hörers an mein Ohr. Unvorstellbar<br />
für die heutige Generation.<br />
Wenn mir heute Menschen auf der<br />
Straße begegnen, die nur auf ihr Handy<br />
schauen und schier in mich hineinrennen,<br />
da vergeht mir das Lachen!<br />
Kein Blick mehr für den anderen, für<br />
die Schönheit der Natur. Mir scheint,<br />
dass das Leben an diesen Menschen<br />
vorbeigeht.<br />
Ich weiß sehr wohl die Technik zu<br />
schätzen und erinnere mich noch gut,<br />
als wir in der Alten- und Krankenpflege<br />
erstmals einen Lifter einsetzen konnten.<br />
Was für ein Segen! Doch auch mit ihm<br />
mussten wir lernen, richtig umzugehen,<br />
28 | <strong>MÄRZ</strong> <strong>2021</strong>