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Man schrieb das Jahr 1907. In Köln am Rhein hatte Prinz Karneval wieder seinen Ein.

zug gehalten. Es war ein gemütliches Fest, dieser weltberühmte Kölner Karneval.

Die drei tollen Tage gehörten ganz und gar dem Volke, jedoch trafen sich viele Bürger

der Stadt schon Wochen vorher in den Sitzungen der Kölner Karnevalsgesellschaften,

um unter der vierfarbenen Narrenmütze in fröhlichem Kreise den Reden und Liedern

zu lauschen, die von der Bühne des Frohsinns dargeboten wurden.

In diesen Zeitabschnitt des Kölner Karnevals hinein knatterte der Riesenerfolg eines

harmlosen neuen Kölner Karnevalsliedes „Däm Schmitz sing Frau es durchgebrannt“ .

Ganz Köln und darüber hinaus das ganze Rheinland sang die Tragikomödie von der

durchgebrannten Frau Schmitz.

Ein ganz neuer Mann, den man bis dahin in den Sitzungen des Kölner Karnevals nur

wenig gekannt, hatte die berühmte Narrenbühne bestiegen und dieses Lied den Kölnern

beschert. Dieser Mann war Willi Ostermann, von dem man bis dahin eigentlich

nur das Lied vom Deutzer Schützenfest und einige andere Lieder aus kölnischem

Milieu gehört hatte.

Als Krätzchensänger mit einer ganz neuen und eigenen Vortragsweise hatte man

Ostermann noch nicht gekannt. Helle Freude löste sein neues Lied überall, wo es

erklang, aus. Die größte Freude aber herrschte in den Kreisen der Männer, in deren

Händen seinerzeit die Leitung des großen kölnischen Volksfestes lag. Wußten sie

doch, daß Willi Ostermann und seinem über Nacht zum Schlager gewordenen Lied

ein neuer Weg gewiesen worden war, der allein es ermöglichte, nunmehr dem ordinären

Gassenhauer das Lebenslicht auszublasen und dem harmlosen Kölner Karnevalsschlager

Platz zu machen. Der unerhörte Beifall, der ihm im Jahre 1909 für das

köstliche Familienidyll „Et Stina muß ’ne Mann han“ entgegenbrauste, stellt das vorhin

Gesagte ganz eindeutig unter Beweis. Ein Mann, der so wahrhaftig die Elternsorgen

der damaligen Zeit um die Verehelichung der Tochter in Liedform dem Volke

vermittelte, mußte schon die „Heiratsmärkte“ von Köln persönlich häufig besucht

haben, um in so trefflicher Weise die Gepflogenheiten der sich in Heiratsnöten befindlichen

Kölner Familien schildern zu können. So hat Willi Ostermann Jahr für Jahr

Erfolg an Erfolg gereiht. Es war eine Selbstverständlichkeit der Vorkriegszeit, daß der

Kölner Karneval mit den Klängen eines neuen Ostermann-Liedes eingeläutet wurde

und immer wieder hat er sich tragen und zu neuer Arbeit anfeuern lassen von der

alljährlichen Begeisterungswelle, die ihm entgegenbrandete.

Aber zweierlei darf mit Genugtuung festgestellt werden: Ostermann ist trotz der gewonnenen

ungewöhnlich großen Popularität stets ein bescheidener, schlichter Mensch

geblieben, und nie hat er die gerade Linie des harmlosen Textes verlassen. Nicht ein

einziges seiner außerordentlich zahlreichen Lieder kann auch nur in etwa zweideutig

ausgelegt werden. Seine Ablehnung der Zote war keine bewußte Methode, sondern

ein Spiegelbild seiner einfachen persönlichen Haltung, von der er auch dann nicht abwich,

wenn der Erfolg zweideutiger Konkurrenzschlager schon einmal den Anreiz

hierzu geben mochte.

Als im Jahre 1914 für lange Zeit der Kölner Karneval zum letzten Male gefeiert wurde,

war der Ruf Willi Ostermanns fest begründet. Damals schon stand er unbestritten auf

einsamer Höhe. Er war der Liebling des Kölner Volkes, der populärste Bürger Kölns.

Aber nicht etwa, daß Ostermann hierdurch seine Lebensgewohnheiten geändert und

vielleicht seine Popularität mit einer falschen Würde zur Schau getragen hätte; er hat

seine geradezu verbindliche Naivität stets bewahrt und nie aufgegeben, mochten auch

andere, höhere Ziele locken, aber hiernach ging sein Ehrgeiz niemals. Immer wieder,

wenn er für eine Zeitlang einem Ruf nach auswärts in die deutschen Gefilde und dar-

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