Die Mila Käsefibel
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DER KÄSE, DEN DIE VINSCHGER<br />
NIE FETT WERDEN LIEßEN.<br />
Im südlichen Tirol war die Butter<br />
meistens wichtiger als der Käse. Sie<br />
lieferte das Fett, das die Bauern bei<br />
der schweren Arbeit bitter nötig hatten.<br />
Der Käse war das, was übrigblieb,<br />
wenn man Butter machte. „Das war<br />
ein totaler Magerkäse“, erinnert sich<br />
Herbert Pinggera, der alte Bauer vom<br />
Fraggeshof in Stilfs im Vinschgau, dort,<br />
wo die Straße sich bis auf 2.700 Meter<br />
zum Stilfser Joch hinaufschlängelt.<br />
Mit einem Löffel haben die Senner das<br />
Fett von der frisch gemolkenen Milch<br />
geschabt. Für die Butter. „Wir haben<br />
den Rahm noch weggeblasen“, erinnert<br />
sich der Herbert.<br />
Er war erst zwölf, da musste er nach<br />
der Schule daheim beim Käsen helfen.<br />
Mit dem Lab – Herbert nennt<br />
ihn „Renn“ – sei das immer ein Risiko<br />
gewesen, erinnert er sich: „Wenn wir<br />
das Lab selber hatten, ist es gegangen.<br />
Wenn wir es von einem Händler<br />
gekauft haben, war es oft verschnitten.“<br />
Dann musste man oft eine Stunde<br />
warten, bis die Milch dick wurde.<br />
Verwertet wurde alles. Aus der Molke,<br />
die beim Käsen übrigblieb, wurde Ziger-Käse<br />
gemacht.<br />
Und was da nicht verbraucht wurde,<br />
kriegten die Schweine. Das war im Tal<br />
nicht anders als auf der Alm. „Aber<br />
man hatte etwas zu essen“, sagt Herbert.<br />
Dafür wurde aus der Talsennerei<br />
im Sommer sogar die Käsepresse mit<br />
auf die Alm geschleppt.<br />
Immer war es knapp. Aber die Erfahrung<br />
zeigte, dass man über die Runden<br />
kam, solange man der Tradition folgte.<br />
Als in den 1960er Jahren industriell<br />
gefertigtes Pulverlab das Naturlab<br />
verdrängte und auch noch die uralten<br />
Holzschüsseln gegen Inoxstahl ausgetauscht<br />
wurden, waren die Senner<br />
verzweifelt. Es wurde kein Käse mehr.<br />
„Denen haben ihre alten Bakterien<br />
gefehlt“, sagt Oswald Thöni, früher<br />
<strong>Mila</strong>-Käsemeister in Burgeis im Vinschgau<br />
und Berater vieler Vinschger Käsebauern<br />
(s.S.20). Mit idealen Bedingungen<br />
der Käseproduktion hatten<br />
die Senner keine Erfahrung. So war es<br />
eine Zeit lang leichter, sich auf das Ungewisse<br />
zu verlassen, als sich auf das<br />
neue Wissen der Käsereien unten im<br />
Tal einzulassen.<br />
HERSTELLUNG<br />
Der Vinschger lehnt sich an die Almtradition<br />
im Vinschgau an, die noch<br />
heute stark gepflegt wird. Früher war<br />
der Vinschger deshalb ein ausgesprochener<br />
Sommerkäse. Heute wird er<br />
das ganze Jahr über hergestellt. „Ein<br />
typischer Käse, wie er im Vinschgau<br />
früher gemacht wurde“, sagt der ehemalige<br />
Käsemeister Oswald Thöni. Der<br />
Vinschger ist ein Vollfettkäse, er nähert<br />
sich dem Hartkäse, weil er sehr trocken<br />
gekäst wird. Thöni: „Meistens war Almkäse<br />
ein Halbfettkäse. Über die Halbfettstufe<br />
ist nie einer hinausgekommen.“<br />
Der Vinschger wird aus Kuhmilch ohne<br />
Gentechnik und Kälberlab hergestellt.<br />
<strong>Die</strong> Höfe, auf denen die Milch gemolken<br />
wird, liegen nahezu alle über 800<br />
Meter Meereshöhe.<br />
Nach dem Schneiden der Gallerte wird<br />
das Bruch-Molke-Gemisch unter Molke<br />
in die Vorpresswanne abgefüllt und zu<br />
einem großen Kuchen gepresst. <strong>Die</strong>ser<br />
wird dann in kleine Stücke geschnitten,<br />
welche in die einzelnen Käseformen<br />
passen. Das Salzen erfolgt im Salzbad.<br />
Danach reift der Käse auf Fichtenholzbrettern.