04.04.2021 Aufrufe

Klangbrücken - SIFAT Heft 1/2021 - Leseprobe

Dieses Heft ist dem Klang gewidmet: wehend und vergänglich, durchdringend und zeitlos. Er stellt eine Verbindung her, zum anderen, zum eigenen Inneren, in die Transzendenz. Der Klang der Stimme, eines Instruments, in den Ritualen der Religionen ist letztlich nicht in seiner Wirkung berechenbar, seine Quellen nicht zu erfassen. Er verbindet mit etwas Unvorhersehbarem, ein Geschenk aus einer anderen Welt und doch ein Kind des Augenblicks, manchmal eine Sprache des Unsagbaren. In der Musik werden diese Energien der Klänge kultiviert und kommen doch unwiederholbar zum Ausdruck.

Dieses Heft ist dem Klang gewidmet: wehend und vergänglich, durchdringend und zeitlos. Er stellt eine Verbindung her, zum anderen, zum eigenen Inneren, in die Transzendenz. Der Klang der Stimme, eines Instruments, in den Ritualen der Religionen ist letztlich nicht in seiner Wirkung berechenbar, seine Quellen nicht zu erfassen. Er verbindet mit etwas Unvorhersehbarem, ein Geschenk aus einer anderen Welt und doch ein Kind des Augenblicks, manchmal eine Sprache des Unsagbaren. In der Musik werden diese Energien der Klänge kultiviert und kommen doch unwiederholbar zum Ausdruck.

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Musharaff Moulamia Khan: Meine musikalische Ausbildung in Indien<br />

Musharaff Moulamia Khan<br />

Meine musikalische Ausbildung in Indien<br />

Das Studium der Musik ist im Osten von ganz anderem Charakter, die Bindung<br />

zwischen Lehrer und Schüler ist viel intimer als im Westen, und dies<br />

beruht hauptsächlich darauf, dass die alte Musik Indiens nie aufgeschrieben<br />

wurde. Bevor er angenommen wird, bringt der Schüler seinem Meister eine<br />

Gabe von Früchten und Blumen. Der Meister seinerseits schenkt dem Schüler<br />

einige Süßigkeiten zu essen. Der Schüler bringt auch eine Schnur mit, die locker<br />

um sein Handgelenk gewickelt ist, und der Meister bindet sie fest. Weihrauch<br />

wird angezündet, und sein Duft, der das Gebet symbolisiert, gibt der kleinen<br />

Zeremonie einen mystischen Ton. Das Schenken von Früchten, Blumen und<br />

Süßigkeiten und das Binden der Schnur um das Handgelenk sind die äußeren<br />

Zeichen der Dankbarkeit des Schülers und dem Band der Vertrautheit, das nun<br />

zwischen Schüler und Lehrer von Anfang an besteht.<br />

Da die Musik nicht aufgeschrieben wurde, lernt sie der Schüler Note für Note<br />

in der Gegenwart des Lehrers. So bleibt ein Schüler beim gleichen Lehrer, bis<br />

er alles gelernt hat, was er von ihm lernen kann. Der Lehrer lehrt ihn auch<br />

seine eigenen Kompositionen, d.h. seine eigenen individuellen Vorstellungen<br />

und Interpretationen der alten Ragas und Themen. So wird das ganze Studium<br />

etwas Intimes, eine Beziehung der Freundschaft, des mitfühlenden Verständnisses<br />

und der Bindung. Es ist daher verständlich, dass ein Musiklehrer leicht auch<br />

zum Guru wird, zum Lehrer und Führer im Leben.<br />

Mein erster Musiklehrer, mein erster Guru, war mein älterer Onkel, der älteste<br />

Sohn von Moula Bakhsh, Murtuza Khan. Er war seinerseits der Schüler meines<br />

Vaters, als er noch ein Knabe war, und ich kann mich immer noch an den Tag<br />

erinnern, an dem mein Vater mich als Schüler bei ihm vorstellte. Ich war elf<br />

Jahre alt, und ich erinnere mich, dass es an einem Donnerstag war. Mein Vater<br />

wartete vor der Tür und horchte, bis er meinen Onkel üben hörte, dann gingen<br />

wir zusammen in sein Zimmer. Mein Vater hatte Blumen, Süßigkeiten und<br />

Weihrauch mitgebracht, und mit einer tiefen Verneigung vor meinem Onkel<br />

bot er sie ihm an, legte sie nahe zu seinen Füssen und stellte mich vor.<br />

„Meister, hier ist ein Schüler, wenn Du möchtest, nimm ihn bitte an“, sagte<br />

er und verneigte sich tief. Dies war eine Einweihung in den heiligen Bereich<br />

der Musik. Mein Onkel gab keine Antwort, und mein Vater zog sich zurück.<br />

Mein Onkel, völlig überrascht, war von dieser Handlung, den Worten und der<br />

respektvollen Haltung seines alten Meisters bis ins Tiefste berührt. Ihr müsst<br />

14 <strong>SIFAT</strong> 1 | <strong>2021</strong> – <strong>Klangbrücken</strong>

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