stahl + eisen 03/2021 (Leseprobe)
PRODUKTE UND WERKSTOFFE // WEITERE THEMEN: u.a. Nickelfreies Stahlpulver für schräge Schnitte, Automatisierungslösungen für effiziente Metallbearbeitung, China-Kolumne: Verschärftes Übernahmetempo, aus Wissenschaft + Technik: Schlüsselwege zur CO2-Senkung, Modellrechnung von Kreditversicherer: "Versteckte" Insolvenzen, Blechschere mit Dampfantrieb
PRODUKTE UND WERKSTOFFE // WEITERE THEMEN: u.a. Nickelfreies Stahlpulver für schräge Schnitte, Automatisierungslösungen für effiziente Metallbearbeitung, China-Kolumne: Verschärftes Übernahmetempo, aus Wissenschaft + Technik: Schlüsselwege zur CO2-Senkung, Modellrechnung von Kreditversicherer: "Versteckte" Insolvenzen, Blechschere mit Dampfantrieb
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Nr. 3 | März <strong>2021</strong><br />
Magazin für die Herstellung und Verarbeitung von Eisen + Stahl<br />
Schlüsselwege<br />
zur Dekarbonisierung<br />
Stahltemperaturführung<br />
mit künstlicher Intelligenz<br />
Multitalent<br />
im Einsatz<br />
Stahl bietet vielseitige Verwendungsmöglichkeiten
MEERtorque ®<br />
MEERtorque ® Antrieb<br />
MT 630<br />
Schmieden von Kegelrädern<br />
EIN INNOVATIVES ANTRIEBSKONZEPT FÜR DIE MASSIVUMFORMUNG<br />
Höhere Produktivität. Längere Lebensdauer.<br />
Weniger Emissionen und Kosten.<br />
Mit dem MEERtorque ® -Antrieb setzt SMS neue<br />
Maßstäbe im Gesenkschmiedebereich. Entfall der<br />
Bremse und ein nahezu reibfreies Zuschalten der<br />
Kupplung bewirken eine signifikante Senkung des<br />
Energieverbrauchs – und zwar im zweistelligen<br />
Prozentbereich.<br />
Gemeinsam schaffen wir einen Mehrwert entlang<br />
der Wertschöpfungskette.<br />
Leading partner in the world of metals<br />
SMS group GmbH<br />
Ohlerkirchweg 66<br />
41069 Mönchengladbach<br />
Telefon: +49 2161 350-1450<br />
closeddieforging@sms-group.com<br />
www.sms-group.com
Liebe Leserinnen & Leser,<br />
Aktuelle Nachrichten<br />
finden<br />
Sie zwischen den<br />
Ausgaben auf<br />
<strong>stahl</strong><strong>eisen</strong>.de. Sie<br />
sind Social-Mediaaffin?<br />
Auf Twitter<br />
finden Sie uns als<br />
@<strong>stahl</strong><strong>eisen</strong>_de.<br />
der Blick in die Glaskugel war schon immer mit einer gewissen<br />
Unsicherheit behaftet, aber in Zeiten wie diesen gibt es doch eine<br />
Gewissheit: Die Kompassnadel der politischen Führung in Deutschland<br />
zittert unruhig hin und her – die Salami-Taktik bei den immer wieder<br />
um kurze Zeiträume verlängerten „Lock-Downs“ ist nur ein Beispiel. Wie<br />
soll sich da eine Rückkehr zur Normalität planen lassen? Die europäische<br />
Fachkonferenz ESTAD ist vom Juni in den August gerutscht, die 6. Auflage der Steel<br />
in Cars and Trucks (SCT) vom Mai in den September und die Coiltech in Ulm vom Mai gleich ins<br />
kommende Jahr. Wenigstens finden Digital-Events wie geplant statt, auch wenn sie das<br />
persönliche Networking kaum ersetzen können.<br />
Mitte März versammelte die Online durchgeführte Jahrestagung „Zukunft Stahl“ des<br />
Handelsblatts (einen Bericht finden Sie auf <strong>stahl</strong><strong>eisen</strong>.de) an einem Tag die Spitzenkräfte der<br />
Branche als Referenten. „Der Stahl ist im Kern der Seismograph dafür, ob industrielle<br />
Transformation gelingen kann“, so Hans Jürgen Kerkhoff, Chef der Wirtschaftsvereinigung Stahl.<br />
Auf die Politik sollte man dabei aber nicht hoffen, wie Armin Laschet kurz zuvor klarmachte.<br />
Klimaschutz müsse auch ohne Staat gehen und Staatsbeteiligungen an notleidenden<br />
Unternehmen würden keine Geschäftsmodelle retten, erklärte der NRW-Ministerpräsident.<br />
Finanzielle Unterstützung stellte er zwar trotzdem in Aussicht, aber Gisbert Rühl von Klöckner<br />
sieht das eher skeptisch. Wenn sich jeder auf den Staat verlasse, könne es passieren, dass die<br />
Transformation zu langsam ablaufe, lautete sein Verdikt.<br />
Kurz vor Drucklegung ging auch die „METAV Digital“ des VDW zu Ende – einen Bericht finden Sie<br />
auf den Seiten 30 und 31. Ansonsten lege ich Ihnen gerne auch die Titelstrecke ans Herz und den<br />
ersten Beitrag in der Rubrik Wissenschaft + Technik. In dem einen Fall finden Sie u.a. den Beitrag<br />
unseres Redakteurs Niklas Reiprich, der die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten des Werkstoffs<br />
Stahl (Seiten 16 –19) beleuchtet. In dem anderen Fall skizziert Dr. Hans Bodo Lüngen,<br />
geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Stahlinstituts VDEh, die Wege der europäischen<br />
Stahlerzeuger zur Dekarbonisierung.<br />
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.<br />
Torsten Paßmann, Chefredakteur<br />
<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de März <strong>2021</strong> 3
STAHL<br />
EISEN<br />
Inhalt 3 | <strong>2021</strong><br />
Cover:<br />
Der vielseitige Werkstoff Stahl<br />
bewährt sich nahezu überall.<br />
Quelle: Ørsted/Sky Pictures<br />
NEWS<br />
TERMINE<br />
6 Wirtschaft + Industrie<br />
u.a. mit SMS group, thyssenkrupp Steel Europe und<br />
Salzgitter<br />
10 Klima + Umwelt<br />
u.a. mit ArcelorMittal, Paul Wurth und Rogesa<br />
12 Additive Fertigung<br />
u.a. mit Trumpf, Formnext und Porsche<br />
TITELTHEMA: WERKSTOFFE<br />
UND PRODUKTE<br />
16 Ein Multitalent im Einsatz<br />
Stahl bietet vielseitige Verwendungsmöglichkeiten<br />
16<br />
Multitalent<br />
im Einsatz<br />
Stahl bietet vielseitige<br />
Verwendungsmöglichkeiten<br />
20 Gehrungsbandsäge für schräge Schnitte<br />
Stahlhändler Klöckner erweitert mit „Kastomiwin“ das<br />
Angebot als Fertigungsdienstleister<br />
23 Nickelfreies Stahlpulver für medizinische<br />
Anwendungen<br />
Deutsche Edel<strong>stahl</strong>werke stellen neuen austenitischen<br />
Spezial<strong>stahl</strong> vor<br />
24 Geglühter Automaten<strong>stahl</strong> mit besonderen<br />
Eigenschaften<br />
Steeltec setzt auf maßgeschneiderte Stahllösungen<br />
POLITIK<br />
MÄRKTE<br />
24 thyssenkrupp Steel Europe forciert<br />
„Strategie 20-30“ mit Großauftrag<br />
Um- und Neubau von Kernaggregaten an den<br />
Standorten Duisburg und Bochum<br />
27 Verbesserte Platzierung im globalen<br />
Ranking<br />
Überblick über die türkische Stahl- und Eisenindustrie<br />
28 „Keine namentliche Vermischung von<br />
Gruppe und Business Unit“<br />
Interview mit Dr. Florian Geiger, CEO Steeltec<br />
30 Automatisierungslösungen für effiziente<br />
Metallbearbeitung<br />
Fachmesse METAV fand erstmals als digitales<br />
Event statt<br />
34 Impulspapier zur Klimaneutralität 2050<br />
Zwölf konkrete Anregungen an die Politik<br />
70<br />
Blechschere mit<br />
Dampfantrieb<br />
Seltene historische Konstruktion wurde als<br />
Modell neu aufgebaut<br />
36 Stahlmangel in Europa: Verstärkter Blick<br />
auf eigene Reserven<br />
Prognosen eines Stahlhändlers zur Marktlage <strong>2021</strong><br />
38 Verschärftes Übernahmetempo<br />
China-Kolumne von Fabian Grummes<br />
39 Deutsche Industriekonjunktur zeigt sich<br />
grundsätzlich robust<br />
Aktuelle Meldung aus dem BMWi<br />
4 März <strong>2021</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de
WISSENSCHAFT<br />
TECHNIK<br />
45 Schlüsselwege zur CO 2 -Senkung<br />
Die relevanten Wege, um CO2-Emissionen in der<br />
Eisen- und Stahlindustrie in Europa zu mindern<br />
54 Präzise Stahltemperaturführung mit<br />
künstlicher Intelligenz<br />
ArcelorMittal Duisburg setzt für eine präzise<br />
Temperaturführung auf die KI-Software SST<br />
Temperature Optimization AI<br />
56 Elektrisch angetriebener Plattformwagen<br />
befördert Blank<strong>stahl</strong><br />
Maschinenbauer passt Flurförderfahrzeuge auf<br />
Bedürfnisse eines Stahl-Veredelers an<br />
24<br />
thyssenkrupp Steel Europe forciert<br />
„Strategie 20-30“ mit Großauftrag<br />
Um- und Neubau von Kernaggregaten an den Standorten<br />
Duisburg und Bochum<br />
RECHT<br />
FINANZEN<br />
60 Organisches Wachstum ohne die Bank<br />
Soyka Rohrverbindungen setzt zur Finanzierung auf<br />
ein Fintech<br />
62 BIP in vier Volkswirtschaften rückläufig,<br />
Insolvenzen auch<br />
Modellrechnung von Kreditversicherer deckt<br />
„versteckte“ Insolvenzen auf<br />
BERUF<br />
KARRIERE<br />
64 Organisationale Resilienz<br />
Ein Konzept zur Selbsthilfe am Beispiel von Kaltwalzwerken<br />
und Gießereien<br />
66 Bei Change-Vorhaben aufdie Stimme der<br />
Mitarbeiter hören<br />
Wer lösungsorientierte Rückmeldungen bevorzugt,<br />
muss aktiv den Dialog annehmen<br />
STYLE<br />
STORY<br />
70 Blechschere mit Dampfantrieb<br />
Seltene historische Konstruktion von Alfred Trappen<br />
wurde als Modell neu aufgebaut<br />
71 Älteste Wehrwalze dreht sich wieder<br />
Stahlbauer saniert erfolgreich ein Industriedenkmal<br />
45 Schlüsselwege zur CO 2-Senkung<br />
Wie sich Europas Stahl- und Eisenindustrie<br />
dekarbonisieren lässt<br />
IMMER<br />
EWIG<br />
3 Editorial<br />
9 Termine<br />
40 Länder + Anlagen<br />
68 VDEh-Personalia<br />
72 People<br />
74 Vorschau + Impressum<br />
<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de März <strong>2021</strong> 5
NEWS<br />
TERMINE<br />
Wirtschaft<br />
Industrie<br />
Meilenstein in der Boxbay-Pilotanlage<br />
DP World, globaler Hafenbetreiber und<br />
Logistikanbieter mit Sitz in Dubai, hat im<br />
Rahmen des Joint Ventures Boxbay gemeinsam<br />
mit dem Anlagenbauer SMS<br />
group im Hafen Jebel Ali ein neuartiges<br />
Hochregallager errichtet und nun erfolgreich<br />
die ersten 10 000 Containerbewegungen<br />
absolviert. Bei Boxbay handelt es<br />
sich um ein patentiertes automatisiertes<br />
Containerumschlagsystem, bei dem Container<br />
auf bis zu elf Ebenen in einer Rahmenkonstruktion<br />
aus Stahl eingelagert<br />
werden. Dabei bietet es mehr als die dreifache<br />
Kapazität eines konventionellen<br />
Lagers, so dass die Grundfläche von Terminals<br />
um bis zu 70 Prozent reduziert<br />
werden kann. Das System ist für einen<br />
automatisierten Betrieb ausgelegt und<br />
ermöglicht – ohne jegliches Umstapeln<br />
– den direkten Zugriff auf jeden einzelnen<br />
Container. Der Bau der Pilotanlage<br />
mit 792 Containerstellplätzen an Terminal<br />
4 im Hafen von Jebel Ali in Dubai<br />
wurde im Juli 2020 abgeschlossen.<br />
Ilsenburger kühlt Grobbleche<br />
mit „X-Roll MultiFlex-Quench“ von SMS<br />
Die Ilsenburger Grobblech GmbH hat vor kurzem erfolgreich das erste Blech im Wärmebehandlungsofen<br />
1 erwärmt und auf der neuen „X-Roll MultiFlex-Quench“ (MFQ)<br />
der SMS group gekühlt. Die MFQ-Anlage ist Bestandteil einer neuen, energieeffizienten<br />
Wärmebehandlungslinie, die SMS an das Tochterunternehmen des Salzgitter-Konzerns<br />
geliefert hat. SMS hat mit der „X-Roll MFQ“ eine innovative Kühltechnologie am<br />
Markt etabliert, die deutlich mehr Möglichkeiten als konventionelle Kühlungen bietet.<br />
Mittels umschaltbarer Druckbereiche können alle Kühlstrategien von extrem<br />
langsamer Abkühlung bis hin zum Abschrecken mit frei wählbaren Kühl-Stopp-Temperaturen<br />
realisiert werden. Die variablen Einstellungen ermöglichen im Vergleich<br />
mit konventionellen Quetten die Darstellung eines deutlich umfangreicheren Produktportfolios.<br />
Die hydraulische Klemmung der Bleche durch Rollenführungen stellt<br />
– insbesondere bei dünnen Blechen – eine optimale Planheit sicher. Zum gesamten<br />
Lieferpaket der SMS group gehören auch zwei Rollenherdöfen, der neue Richtmaschinentyp<br />
„X-Roll MultiFlex – Leveller T“ und eine Strahlanlage, eine Konservierungslinie<br />
und eine Wasseraufbereitungsanlage.<br />
Die neue „X-Roll MultiFlex-Quench“ der<br />
SMS group bietet mehr Möglichkeiten als<br />
konventionelle Kühlungen.<br />
Transporeon baut Zusammenarbeit mit thyssenkrupp<br />
Steel Europe aus<br />
Dank Echtzeit-Tracking (Real-Time Visibility – RTV) kann thyssenkrupp Steel Europe in seiner Logistik künftig die Position jedes Transports<br />
einsehen und steuern – auch außerhalb der Ladezone. Präzise ermittelte Ankunftszeiten ermöglichen es, die Prozesse deutlich vorausschauender<br />
zu planen als bisher und „just-in-time“ abzuwickeln. So können unnötige Wartezeiten vermieden und Kosten minimiert werden,<br />
beispielsweise durch nicht genutzte Kräne, die auf LKW warten. Dynamisch kann ein neues Zeitfenster vergeben werden, falls sich ein<br />
LKW verspätet. Möglich wird das durch die intensivierte Zusammenarbeit mit der global tätigen Logistik-Plattform Transporeon. Bereits<br />
seit 12 Jahren nutzt thyssenkrupp Steel Europe die Services des Ulmer Unternehmens, um Zeitfenster bei der Be- und Entladung von LKW<br />
zu buchen. Mit dem Ausbau der Kooperation sollen über 500 Stahltransporte täglich über Logistikplattform abgewickelt werden.<br />
Quellen: SMS group; GFG Alliance; Schuler<br />
6 März <strong>2021</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de
SHS-Gruppe setzt im Einkauf auf<br />
B2B-Plattform Metalshub<br />
Um den Einkauf ihrer Stahlwerksrohstoffe effizienter zu gestalten und auch Compliance-Vorgaben komfortabel umzusetzen, setzt<br />
die SHS-Gruppe (Saar<strong>stahl</strong> und Dillinger) auf die digitale B2B-Plattform von Metalshub. Die langfristig angestrebte Kooperation soll<br />
das Management der Supply Chain weiter vereinfachen, den Einkauf effizienter machen und die Beschaffung flexibler gestalten,<br />
um auch auf externe Einflüsse reagieren zu können. Seit Jahresbeginn schreiben daher die Stahlerzeuger Dillinger und Saar<strong>stahl</strong><br />
ebenso wie Tochtergesellschaften eine Vielzahl ihrer benötigten Stahlwerksrohstoffe über die Plattform aus. Eigenen Angaben zufolge<br />
haben schon mehr als 1 000 Unternehmen seit dem Start von Metalshub auf der Plattform registriert.<br />
Konsortium plant wasserstoffbasierte DRI-Anlage<br />
Gemeinsam mit der SHS Stahl-Holding-<br />
Saar und dem luxemburgischen Anlagenbauer<br />
Paul Wurth prüft die Liberty Steel<br />
Group den Bau und Betrieb eines wasserstoffbasierten<br />
Stahlwerks in industriellem<br />
Maßstab in der französischen Küstenstadt<br />
Dünkirchen. Das Konsortium strebt eine<br />
2-Millionen-Tonnen-Anlage für direktreduziertes<br />
Eisen (DRI) mit eingebauter Wasserstoff-Elektrolyse<br />
mit einer Kapazität von<br />
1 GW an. Die DRI-Anlage wird zu Beginn<br />
DRI und heiß brikettiertes Eisen (HBI) mit<br />
einer Mischung aus Wasserstoff und Erdgas<br />
als Reduktionsmittel nutzen, um dann<br />
nach Fertigstellung der Elektrolyse-Produktionseinheit<br />
zu 100 % auf Wasserstoff<br />
umzustellen. Das produzierte DRI/HBI<br />
wird hauptsächlich im Elektrolichtbogenofen<br />
von Liberty Ascoval in Frankreich<br />
Verwendung finden. Überschüsse werden<br />
in den integrierten Stahlwerken von Liberty<br />
in Ostrau und Galati sowie in Deutschland<br />
in den Werken von Dillinger und<br />
Saar<strong>stahl</strong> (beide SHS-Gruppe) verwendet.<br />
Liberty Steel arbeitet seit Anfang 2020 mit<br />
Paul Wurth und SHS an der technischen<br />
und wirtschaftlichen Machbarkeit dieses<br />
Projekts. Nachdem sich die ersten Machbarkeitsstudien<br />
als erfolgreich erwiesen<br />
haben, haben die Partner im Februar eine<br />
Absichtserklärung unterzeichnet, die zwei<br />
Phasen umfasst. In der ersten, voraussichtlich<br />
zwölf Wochen dauernden ersten Phase<br />
wird die Genauigkeit der kommerziellen<br />
und technischen Machbarkeit des Projekts<br />
verbessert, in der anschließenden<br />
Neben dem Werk von Alvance Aluminium<br />
in Dünkirchen, das wie Liberty Steel zur<br />
GFG Alliance gehört, soll die neue Anlage<br />
entstehen.<br />
zweiten Phase wird die erforderliche technisch<br />
wie finanzielle Detailtiefe definiert,<br />
um das Projekt effektiv umzusetzen.<br />
ABP Induction modernisiert Anlage bei Olbersdorfer Guß<br />
Die in der Nähe von Zittau ansässige Olbersorfer Guß GmbH setzt auf ABP Induction, um mit einer modernisierten Anlage u.a. flexibler<br />
auf Anfragen reagieren zu können. Erweitert und modernisiert wird eine Anlage, bestehend aus zwei Induktionsöfen ITMK 6.000<br />
(3 t) mit 2 500 kW (250 Hz) und Twin-Power Thyristor-Umrichtern. Für die Modernisierung wurden ein neuer Trafo, die digitale Umrichtersteuerung<br />
DICU3 und der Schmelzprozessor Prodapt Enterprise vorgesehen. Ebenfalls Teil der Modernisierung ist der Umbau auf eine<br />
Zweikreis-Anlage mit Luft-/Wasser-Kühler, um der Erhöhung der Anlagenleistung gerecht zu werden. Wichtig ist dem Unternehmen auch<br />
die Erweiterung der bestehenden Ofenanlage durch einen dritten MF-Tiegelofen vom Typ FS 15 (Pmax. 800 kW), angeschlossen über ein<br />
Ofenstrom-Umschaltgerüst. Der Ofen wurde angeschafft, um kleinere Chargengrößen für Spezialstähle fertigen zu können. Die Montage<br />
und Inbetriebnahme soll im Wesentlichen im Zeitraum der Betriebsruhe Ende Juli/Anfang August <strong>2021</strong> stattfinden.<br />
16 000-Tonnen-Anlage für thyssenkrupp Gerlach<br />
Voraussichtlich ab 2022 wird thyssenkrupp Gerlach die Produktion<br />
von Schmiede-Teilen auf einer Farina-Presse von Schuler aufnehmen.<br />
Die Innenmontage für die 16 000 Tonnen starke Anlage – eine<br />
der größten mechanischen Maschinen weltweit – im italienischen<br />
Suello wurde im Februar abgeschlossen; nach dem Testlauf haben<br />
sich die Komponenten mit einem Gesamtgewicht von 1 700 Tonnen<br />
auf den Weg zum Schmiedewerk im saarländischen Homburg gemacht.<br />
Die Farina-Anlagen der Baureihe GLF verfügen über ein<br />
neuartiges direktes Antriebskonzept ohne Pleuel. Den Konstrukteuren<br />
von Schuler und Farina gelang es dadurch, die Maschinenhöhe<br />
im Vergleich zu herkömmlichen Pressen zu reduzieren. Ein Ergebnis<br />
der Optimierung auf das Warmschmieden ist unter anderem<br />
eine sehr hohe Pressensteifigkeit und somit ein deutlich verminderter<br />
Gratanteil an den Schmiedestücken.<br />
Die Farina-Anlagen der Baureihe GLF verfügen über ein<br />
neuartiges direktes Antriebskonzept ohne Pleuel.<br />
<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de März <strong>2021</strong> 7
TITELTHEMA: PRODUKTE UND WERKSTOFFE<br />
Überblick<br />
Die innovative<br />
Alles andere<br />
als ein „altes Eisen“:<br />
So sichert der Werkstoff<br />
die Zukunftsfähigkeit<br />
wichtiger Wirtschaftszweige<br />
14 März <strong>2021</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de
Welt des Stahls<br />
Als einer der wichtigsten<br />
Werkstoffe unserer Zeit<br />
bewährt sich Stahl in den unterschiedlichsten<br />
Anwendungen. Produzenten<br />
und Händler gleichermaßen befinden<br />
sich dabei in einem kontinuierlichen Wandel,<br />
indem sie sich flexibel an die hohen Anforderungen und<br />
strikten Vorgaben weltweit essenzieller Wirtschaftszweige anpassen.<br />
Wie es der Branche gelingt, die Zukunftsfähigkeit letzterer<br />
zu sichern, lesen Sie auf den folgenden Seiten in unserer aktuellen<br />
Titelstrecke.<br />
Quelle: studiovin/shutterstock.com<br />
<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de März <strong>2021</strong> 15
TITELTHEMA: PRODUKTE UND WERKSTOFFE<br />
Überblick<br />
Nicht nur für die Karosserie im<br />
Automobilbau ist Stahl ein beliebter<br />
Werkstoff. An Bedeutung gewinnt das<br />
Material auch bei neuen Antriebskonzepten<br />
in der Elektromobilität.<br />
Ein Multitalent im Einsatz<br />
Die vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten des Werkstoffs im Überblick<br />
AUTOR: Niklas Reiprich<br />
niklas.reiprich@<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de<br />
DARUM GEHT‘S: Die innovative Welt des<br />
Stahls eröffnet unterschiedlichen Branchen<br />
neue Möglichkeiten für kostengünstigere,<br />
leistungsfähigere oder extremere<br />
Konzepte. In welchen wichtigen<br />
Bereichen der Werkstoff derzeit eingesetzt<br />
wird und wie er dort seine sowohl<br />
wirtschaftlich als auch ökologisch hohe<br />
Bedeutung entfaltet, zeigt dieser Beitrag.<br />
Das Anwendungsspektrum von Stahl<br />
ist bekanntlich breit gefächert. So<br />
hat der Werkstoff etwa eine wahrlich<br />
„tragende“ Rolle in der Bauindustrie<br />
inne und ist zudem in der – vor allem hierzulande<br />
wichtigen – Automobilbranche<br />
kaum wegzudenken. Vielfältig zum Einsatz<br />
kommt er darüber hinaus in all jenen<br />
Bereichen, die unter extremen Bedingungen<br />
funktionieren müssen – in fundamentaler<br />
Weise beispielsweise in Offshore-<br />
Windparks, die unabdingbar für die Wende<br />
hin zu erneuerbaren Energien unabdingbar<br />
sind. Das macht deutlich: Die Verwendung<br />
des Stahls ist in erster Linie von seinen<br />
jeweiligen Eigenschaften abhängig.<br />
Zunehmend flexible Baulösungen<br />
gefragt<br />
Im Bauwesen zum Beispiel positioniert<br />
sich Stahl in seiner Anwendung seit jeher<br />
an der Spitze. In Deutschland betrug der<br />
Anteil der Branche am bundesweiten Stahlbedarf<br />
zuletzt rund 35 Prozent, wie die<br />
Wirtschaftsvereinigung (WV) Stahl in ihren<br />
aktuellen „Fakten zur Stahlindustrie“<br />
veröffentlichte. Die praktische Welt des<br />
Bauens verändert sich dabei nahezu kontinuierlich:<br />
„Bei Infrastrukturprojekten<br />
wie Brücken, Bahnhöfen und Parkhäusern,<br />
im modernen Gewerbe-, Geschoss- und<br />
Verwaltungsbau sowie bei Sportstätten<br />
sind zunehmend flexible Baulösungen mit<br />
leichten, weitspannenden Tragwerken und<br />
energieeffizienten Fassadensystemen gefragt“,<br />
erklärt Hans Allkämper, zuständig<br />
für die Anwendungstechnik in der WV<br />
Stahl. All diese Eigenschaften, fügt Allkämper<br />
hinzu, vereine der Werkstoff Stahl.<br />
Neben der reinen Funktion einer ansprechenden<br />
Gestaltung und zahlreichen ökonomischen<br />
Aspekten müssen Bauwerke<br />
darüber hinaus die Anforderungen an das<br />
nachhaltige Bauen erfüllen. Gelungen ist<br />
diese Synthese wichtiger Eigenschaften<br />
etwa beim neuen Produktions- und Verwaltungsgebäude<br />
der „Königlichen Niederländischen<br />
Münze“, das vor kurzem vom<br />
belgischen Branchenverband Infosteel mit<br />
dem Stahlbaupreis ausgezeichnet wurde.<br />
Bei dem Bauprojekt galt die Sicherheit<br />
als sehr wichtiger Teil der Umsetzung, da<br />
in dem Gebäude wertvolle Münzen und<br />
Medaillen hergestellt werden. So handelt<br />
es sich bei der Architektur im Wesentlichen<br />
um einen Betonsafe. Ummantelt ist<br />
dieser jedoch mit einer Fassade aus sogenanntem<br />
„Granite Silky Shine-Stahl“, für<br />
dessen Produktion die Architekten den<br />
Stahlhersteller ArcelorMittal auswählten.<br />
Sie besteht aus Isis 55-120/7-Profilblechen,<br />
die von der Specials-Abteilung von Arcelor-<br />
Mittal Construction im niederländischen<br />
Tiel gefertigt wurden. Das Unternehmen<br />
habe das Produkt mit einem Finish von 80<br />
Glanzeinheiten (gloss units, GU) geliefert,<br />
so Levi Kleinjan, Projektberater von ArcelorMittal<br />
Construction Niederlande. „Normalerweise<br />
wird organisch beschichteter<br />
Stahl mit einer Beschichtung zwischen 30<br />
und 40 GU hergestellt, also ist das außergewöhnlich.“<br />
Für das majestätische Gold,<br />
in dem die Fassade erscheint, haben die<br />
Projektpartner ebenfalls eine spezielle Lösung<br />
gefunden. „Wir wussten, dass es besonders<br />
wichtig war, die richtige Farbe zu<br />
finden“, sagt der zuständige Architekt, W.<br />
Allen Zimmerman, der weiter betont: „Deshalb<br />
haben wir ArcelorMittal um ein Hochglanzfinish<br />
gebeten, um das Spiel von Licht<br />
und Schatten auf dem Gebäude und die<br />
Reflexionen im Wasser zu maximieren.“<br />
Weil die dreieckigen Bleche jeweils in einem<br />
anderen Winkel zu ihren Nachbarprofilen<br />
stehen, erscheint die Fassade zudem<br />
in einem spektakulären 3D-Effekt.<br />
Umweltfreundliche Fassade aus<br />
Hochglanz-Stahl<br />
Die glänzende Fassade ist mit einer Unterkonstruktion<br />
aus Magnelis-beschichtetem<br />
Stahl von ArcelorMittal Europe – Flat Products<br />
am Betongebäude befestigt. Nach<br />
Angaben des Unternehmens verfügt der<br />
Quelle: Jenson/Shutterstock<br />
16 März <strong>2021</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de
Quelle: SWAD Video<br />
Exkurs: Aufbau einer Brennstoffzelle<br />
Werkstoff über eine sehr dichte Oberfläche,<br />
die das darunter liegende Stahlsubstrat<br />
vor Korrosion schützt, auch an Schnittkanten.<br />
Die Metallbeschichtung könne<br />
herkömmliche nachverzinkte Beschichtungen<br />
ersetzen, die für Fassadenelemente<br />
wie Konsolen verwendet würden. Außerdem<br />
weise Stahl eine geringere Wärmeleitfähigkeit<br />
als beispielsweise Aluminium<br />
auf. Magnelis enthalte auch weniger Zink<br />
als herkömmliche verzinkte Lösungen, was<br />
den Zinkabfluss in den Boden reduziere.<br />
Neben solch ökologischen Aspekten der<br />
Gebäudekonstruktion ist auch der Bezug<br />
zu den Menschen wichtig, macht Zimmerman<br />
deutlich: „Um eine nachhaltige Welt<br />
zu schaffen, müssen wir sicherstellen, dass<br />
Produktions- und Logistikeinrichtungen in<br />
der Nähe des Wohnortes der Menschen<br />
liegen. Dafür müssen wir Gebäude so bauen,<br />
dass Störungen für die Bewohner auf<br />
ein Minimum reduziert und die Nachhaltigkeit<br />
in ihrem Leben verbessert werden.“<br />
Durch die Verwendung einer Stahlfassade<br />
habe der Arbeitsaufwand vor Ort minimiert<br />
werden können. „Mit der Granite<br />
Silky Shine-Fassade konnte fast alles außerhalb<br />
der Baustelle vorgefertigt werden. Es<br />
war sauberer und leiser, und reduzierte die<br />
Störfaktoren für die Bevölkerung vor Ort“,<br />
so Zimmerman. „Diese Umweltaspekte<br />
sind sehr wichtig und werden in der Zusammenarbeit<br />
zwischen Architekten und<br />
Stahllieferanten oft übersehen.“ Schließlich<br />
könne durch den Einsatz einer Stahlfassade<br />
ein zweites Leben für das Gebäude<br />
ins Auge gefasst werden. So könne diese<br />
Zimmerman zufolge leicht geändert und<br />
vollständig recycelt werden. „Stahl bietet<br />
Einzigartigkeit, ohne die Universalität des<br />
Gebäudes zu beeinträchtigen.“<br />
Automobilindustrie: Trend zur<br />
Neo-Ökologie<br />
Ein Brennstoffzellen-Element besteht aus zwei Kammern, die durch eine feine Membran<br />
getrennt sind. Der linken Kammer wird Wasserstoff (H2) zugeführt, der rechten<br />
Sauerstoff (O 2 ). Der Wasserstoff wird auf der Anodenseite (in der Abb. Links) unter<br />
Entwicklung eines Katalysators in zwei Protonen (+ geladen) und in zwei Elektronen<br />
(- geladen) aufgespalten). Der Clou: Die Protonen (H+-Ionen) können über Poren der<br />
Membran auf die rechte Kathodenseite wandern. Gleichzeitig bildet die Membran<br />
einen elektrischen Isolator für die Elektronen, die deshalb nicht passieren können. Sie<br />
müssen einen Umweg nehmen: Aufgrund des Potenzialunterschiedes – der durch die<br />
Protonenwanderung von der linken zur rechten Seite entsteht – fließen sie über einen<br />
äußeren Stromkreis ebenfalls zur Kathode auf der rechten Seite. An der Kathode wird<br />
der zugeführte Sauerstoff durch die Aufnahme von Elektronen reduziert und bildet<br />
mit den H+-Ionen Wasser (H 2 O). In der Folge wird Energie freigesetzt, die als elektrische<br />
Energie genutzt werden kann – zum Beispiel für den Antrieb eines Elektromotors.<br />
Werden viele dieser Brennstoffzellen zusammengefasst, entsteht ein Zellstapel,<br />
der sogenannte „Stack“. In Automobilen werden Stacks mit etwa 400 solcher Zellen<br />
eingesetzt.<br />
Veranschaulichung des Brennstoffzellenelements<br />
Quelle: Waelzholz<br />
Das Gebäude der „Königlichen Niederländischen<br />
Münze“ begeistert mit einer<br />
facettenreichen Fassade aus profilierten<br />
und vorlackierten Stahlblechen von ArcelorMittal<br />
– und erhielt dafür jüngst den<br />
Stahlbaupreis von Infosteel.<br />
Nicht nur beim nachhaltigen Bauen, auch<br />
für eine nachhaltige Mobilität spielt Stahl<br />
eine zentrale Rolle. Denn: Zukünftig sollen<br />
Fahrzeuge leicht, sicher, umweltverträglicher<br />
und zu alldem bezahlbar sein. Die<br />
Zulieferer der Automobilindustrie erkennen<br />
derzeit eine industrielle Neuausrichtung<br />
hin zur sogenannten „Neo-Ökologie“,<br />
wie Frank Heidelberger, Marketingleiter<br />
bei Salzgitter Flach<strong>stahl</strong>, im Interview feststellte.<br />
Definitorisch äußert sich dieser in<br />
der flächendeckenden Neuausrichtung der<br />
gesellschaftlichen Werte hinsichtlich<br />
Nachhaltigkeit und Effizienz, die sich Heidelberger<br />
zufolge insbesondere in der Entwicklung<br />
von neuen Antriebskonzepten<br />
der Elektromobilität widerspiegelt. „Diese<br />
beginnen bei Hybridfahrzeugen und führen<br />
über rein batteriegetriebene Fahrzeuge<br />
bis hin zur wasserstoffbasierten Energieversorgung<br />
mittels Brennstoffzelle“, so<br />
Heidelberger. Dass letztere als Alternative<br />
zur Batterietechnik in elektrifizierten<br />
Fahrzeugen nun an Bedeutung gewinnt,<br />
hat auch das Unternehmen Waelzholz erkannt.<br />
Das Band<strong>stahl</strong>-Spezialist ist der Auffassung,<br />
bei Brennstoffzellen für die Elektromobilität<br />
komme es auf eine hohe Effizienz<br />
an, verbunden mit einer kompakten<br />
Bauweise.<br />
Zentraler Werkstoff für<br />
elektrische Antriebe<br />
Für diese Nutzung liefert Waelzholz nach<br />
eigenen Angaben hochwertige Präzisionsbandstähle<br />
an Pioniere der mobilen Brennstoffzellenanwendungen.<br />
„Mit unseren<br />
Werkstoffen für Bipolarplatten von Brennstoffzellen<br />
mobiler Anwendungen bewegen<br />
wir uns im Spannungsfeld von Effizienz,<br />
Dicke, Stabilität und Umformbarkeit“,<br />
skizziert Jan Ullosat, Werkstoffingenieur<br />
bei Waelzholz, die Anforderungen an die<br />
Stähle für diesen Einsatzbereich. Sogenannte<br />
Stacks – die Zellstapel der Brennstoffzellen<br />
– verfügen in Automobilen über<br />
etwa 400 Zellen, um die nötige Leistung zu<br />
erbringen. Die Zellen werden mit Bipolarplatten<br />
voneinander getrennt, sodass jede<br />
Zelle auf der linken und rechten Seite über<br />
je eine Bipolarplatte samt zweier Bleche<br />
<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de März <strong>2021</strong> 17
POLITIK<br />
MÄRKTE<br />
Klima<br />
Klimaneutralität 2050 – Empfehlungen<br />
der Industrie an die Politik<br />
Thinktanks erstellen Unternehmen wie Salzgitter und thyssenkrupp Steel Europe ein<br />
Impulspapier mit zwölf konkreten Anregungen<br />
AUTOR: Torsten Paßmann<br />
torsten.passmann@<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de<br />
DARUM GEHT’S: In einem mehrmonatigen<br />
Dialog mit Industrieunternehmen<br />
Ende 2020 haben Agora Energiewende,<br />
die Stiftung 2° und Roland Berger ein<br />
Impulspapier erarbeitet. Sie wollen damit<br />
den rechtlichen und politischen<br />
Rahmen aufzeigen, der es der Industrie<br />
ermöglicht, bis spätestens 2050 klimaneutral<br />
zu werden – und gleichzeitig im<br />
internationalen Wettbewerb zu bestehen.<br />
Neben Stahlerzeugern und anderen<br />
milliardenschweren Konzernen war<br />
auch das führende Elektrolyse-Unternehmen<br />
Sunfire beteiligt.<br />
Für die Industrie ist der Weg zur Klimaneutralität<br />
kein Selbstläufer,<br />
sondern ein gewaltiges Transformationsprojekt.<br />
Um im Wettlauf um internationale<br />
Technologieführerschaft vorne<br />
mitspielen zu können, braucht es schnellstmöglich<br />
verlässliche Rahmenbedingungen,<br />
die richtungssichere Investitionen ermöglichen.<br />
Das sind zwei grundlegende Aussagen<br />
im 68 Seiten umfassenden Impulspapier<br />
„Klimaneutralität 2050: Was die<br />
Industrie jetzt von der Politik braucht“, das<br />
federführend von dem Thinktank Agora<br />
Energiewende erstellt und Ende Februar<br />
vorgestellt wurde. Um dieses Transformationsprojekt<br />
erfolgreich abzuschließen,<br />
bedürfe es daher einen Mix von zwölf Instrumenten<br />
entlang der industriellen Wertschöpfungskette,<br />
heißt es weiter. Damit<br />
soll sicherstellt werden, dass die Transformation<br />
hin zu Klimaneutralität auf verschiedenen<br />
Ebenen Anreize erfährt und<br />
gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der<br />
Industrie in der Breite gewährleistet wird.<br />
Fünf Empfehlungen für Energie<br />
und Rohstoffe...<br />
Für den Bereich „Energie, Rohstoffe & Infrastruktur“<br />
(upstream) kommt das Impulspapier<br />
zu fünf Handlungsempfehlungen:<br />
Ausbau Erneuerbare Energien, wettbewerbsfähige<br />
Stromkosten, Aufbau einer<br />
H 2 -Wirtschaft, zirkuläre Wirtschaft sowie<br />
CCU und CCS (Carbon Capture Usage bzw.<br />
Carbon Capture Storage). Um auf dem Weg<br />
zum komplett klimaneutralen Strom 2050<br />
ein gutes Stück voranzukommen, müssten<br />
die Ausschreibungsmengen im EEG erhöht<br />
werden und bis 2<strong>03</strong>0 mindestens 140 GW<br />
zusätzliche Leistung an Wind und Solar<br />
neu installiert werden. Auch braucht es<br />
den Ausbau und die Modernisierung von<br />
mehr als 7 500 Kilometern Übertragungsnetz<br />
und von mehr als 130 000 Kilometern<br />
Verteilernetz.<br />
Um Wohlstand und Arbeitsplätze am<br />
Industrie- und Exportstandort Deutschland<br />
auf dem Weg in die Klimaneutralität nicht<br />
zu gefährden, braucht die deutsche Industrie<br />
auch langfristig international wettbewerbsfähige<br />
Stromkosten. Langfristig notwendig<br />
wäre daher eine grundlegende<br />
Reform des Systems der Steuern, Abgaben<br />
und Umlagen auf Energie, die sich an der<br />
CO 2 -Intensität der Energieträger orientiert.<br />
Als zentraler Bestandteil davon sollte die<br />
EEG-Umlage abgeschafft und anderweitig<br />
finanziert werden.<br />
...sowie Infrastruktur<br />
Säulen der technologischen<br />
Industrietransformation hin zu<br />
Klimaneutralität<br />
Der Aufbau der „grünen“ Wasserstoffwirtschaft<br />
muss national wie international<br />
vorangetrieben werden, da der kosteneffizienteste<br />
Aufbau der Infrastruktur an bestimmte<br />
Standorte wie die Nordsee, in Südeuropa<br />
und Nordafrika gebunden ist. Bis<br />
dedizierte Wasserstoffleitungen gebaut<br />
und die Gasnetze umgerüstet sind, soll<br />
auch „blauer“ und „türkiser“ Wasserstoff<br />
zur Beschleunigung des Markthochlaufs<br />
beitragen.<br />
Um die zirkuläre Wirtschaft zu stärken<br />
bzw. deren Ausbau zu beschleunigen, sollen<br />
etwa fiskalische Anreize und regulatorische<br />
Vorgaben das „Downcycling“ von<br />
Produkten verhindern und das Recycling<br />
für gleichwertige Anwendungsfälle unterstützen.<br />
Durch sektorenübergreifende Initiativen<br />
und internationale Plattformen<br />
gelte es, den Austausch von Akteuren zu<br />
stärken.<br />
Für nicht vermeidbare Emissionen aus<br />
Industrieabgasen gilt es, diese in klima-<br />
Nationale wie internationale Anstrengungen stehen gleichberechtigt<br />
nebeneinander<br />
Quelle: Agora Energiewende, Stiftung 2°, Roland Berger<br />
34 März <strong>2021</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de
neutralen, insbesondere langlebigen, Produkten<br />
weiter zu nutzen (CCU) oder zu<br />
speichern (CCS). Um die Akzeptanz der<br />
Bevölkerung für den Einsatz von CCU/CCS<br />
zu gewährleisten, brauche es die „Wiederbelebung<br />
einer breit angelegten öffentlichen<br />
Debatte“, zudem sollte für die<br />
Entwicklung einer nationalen und<br />
europäischen CO 2 -Infrastruktur ein Netzentwicklungsplan<br />
(NEP) erstellt werden.<br />
Zwei Empfehlungen für die<br />
Produktion...<br />
Im Bereich „Produktion“ (midstream) wird<br />
angeregt, die breite Anwendung von<br />
Schlüsseltechnologien durch „Carbon Contracts<br />
for Difference“ (CfD) vorantreiben,<br />
also durch einen Mehrkostenausgleich.<br />
Damit sollen Vermeidungskosten (insbesondere<br />
OPEX) für die Industrie planbar<br />
und langfristig ausgeglichen werden. Bei<br />
Produktionsverfahren mit hohem CO 2 - Einsparpotenzial<br />
bei gleichzeitig hohen CO 2 -<br />
Vermeidungskosten denken die Studienautoren<br />
insbesondere an die Eisendirektreduktion<br />
in der Stahlindustrie.<br />
Bei der Förderung von Forschung und<br />
Innovation sowie von Effizienztechnologien<br />
wird angeregt, einerseits noch ausstehende<br />
Grundlagenforschung anzuschieben,<br />
um die Entwicklung weiterer vielversprechender<br />
Verfahren zu fördern, und<br />
andererseits die Innovation für bereits<br />
existierende spezifische Technologiekonzepte<br />
und effiziente Querschnittstechnologien<br />
zu beschleunigen. So soll es in frühen<br />
Stadien der Technologieentwicklung<br />
Innovationszuschüsse geben und ab dem<br />
Demonstrationsstadium könnten Förderungen<br />
schrittweise durch andere Instrumente<br />
wie Sonderabschreibungen ersetzt<br />
werden.<br />
...und eine für den Absatz<br />
Als achter Aspekt wird explizit für den<br />
Absatz (downstream) angeregt, die Nachfrage<br />
nach klimaneutralen Technologien/<br />
Produkten durch Anreize und Vorgaben zu<br />
fördern. Ein Punkt ist dabei die Einführung<br />
von EU-weiten grünen Produktlabels, welche<br />
die CO 2 -Intensität der verwendeten<br />
Materialien berücksichtigen. Ein anderer<br />
Baustein: Durch staatliche Anreize, zum<br />
Beispiel Prämien, sollte für ausgewählte<br />
klimaneutrale Endprodukte die Verwendung<br />
von klimaneutralen Materialien angeregt<br />
werden. Mittelfristig könnte durch<br />
eine Abgabe auf Endprodukte auf Basis des<br />
CO 2 -Gehalts der Materialien der Kostennachteil<br />
von CO 2 -armen Produkten ausgeglichen<br />
und so Kaufanreize geschaffen<br />
werden.<br />
12 Handlungsempfehlungen für<br />
die Politik<br />
Der Instrumentenmix, um Klimaneutralität 2050 zu erreichen, deckt<br />
die gesamte industrielle Wertschöpfungskette ab<br />
Vier übergreifende Anregungen<br />
Zu den acht Handlungsempfehlungen für<br />
einzelne Phasen werden in dem Impulspapier<br />
vier Punkte genannt, die übergreifend<br />
für alle Bereiche der Wertschöpfungskette<br />
gelten: die Weiterentwicklung der<br />
CO 2 -Bepreisung und Sicherstellung von<br />
Carbon-Leakage-Schutz, die Herstellung<br />
gleicher Wettbewerbsbedingungen (alias<br />
„Level Playing Field“) für kleine und mittlere<br />
Unternehmen, die Erschließung von<br />
Exportmärkten durch frühe Entwicklung<br />
und Vermarktung von Schlüsseltechnologien<br />
sowie die Etablierung der Klimaneutralität<br />
im Zentrum des Regierungshandelns<br />
und die Modernisierung ressortübergreifender<br />
Steuerung.<br />
Hintergrund und Download<br />
Fazit und Ausblick<br />
„Im Austausch mit den Unternehmen sei<br />
den Studienautoren „einmal mehr klar<br />
geworden“, Patrick Graichen, Direktor von<br />
Agora Energiewende, dass die Industrie<br />
„händeringend auf verlässliche Rahmenbedingungen“<br />
warte, um in klimaneutrale<br />
Technologien investieren zu können. Aktuell<br />
stünden die Unternehmen „zwischen<br />
Baum und Borke“, denn alte fossile Technologien<br />
seien „kommende Investitionsruinen“<br />
und für „neue innovative Technologien<br />
fehlt das Geschäftsmodell“, ergänzt<br />
er. Aufgabe der Politik sei es daher, „Verlässlichkeit<br />
und Planungssicherheit für die<br />
Industrieunternehmen zu schaffen, damit<br />
sie in klimaneutrale Technologien investieren<br />
können“, sagt Sabine Nallinger, Vorstand<br />
der Stiftung 2°. Entsprechend formulieren<br />
die Autoren in ihrem Impulspapier<br />
auch, dass die Weichen für Klimaneutralität<br />
„schnellstmöglich“ gestellt werden sollten<br />
– und zwar mit ersten Maßnahmen<br />
noch in dieser Legislaturperiode. Als Beispiel<br />
nennen sie eine weitere Novelle des<br />
Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Gleich zu<br />
Beginn der nächsten Legislaturperiode solle<br />
ein „Klimaschutz-Sofortprogramm“ die<br />
Transformation hin zu Klimaneutralität<br />
deutlich beschleunigen.<br />
Die Agora-Studie „Klimaneutrales Deutschland“ (2020) wurde als Wachstums-Szenario<br />
angelegt – u.a. mit einem jährlichen BIP-Wachstum von +1,3%, dem Erhalt der<br />
Industriestruktur und einer Investitionsoffensive. Der Input aus der<br />
Industrie wurde im Rahmen von vier Workshops im Zeitraum September<br />
bis Dezember 2020 eingeholt. Beteiligt haben sich neben<br />
der Salzgitter AG und thyssenkrupp Steel Europe u.a. BASF, Bayer,<br />
HeidelbergCement, Siemens Energy, Sunfire und Wacker Chemie.<br />
Die Studie (68 Seiten, PDF) lässt sich über den QR-Code oder<br />
<strong>stahl</strong><strong>eisen</strong>.de/agora herunterladen.<br />
Quelle: Agora Energiewende, Stiftung 2°, Roland Berger<br />
<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de März <strong>2021</strong> 35
POLITIK<br />
MÄRKTE<br />
Länder<br />
Anlagen<br />
Stahlstandort der Compañia<br />
Siderúrgica Huachipato (CSH)<br />
in Chile<br />
8<br />
5<br />
<br />
BAHRAIN<br />
SULB und SMS digital<br />
wollen Energieeffizienz in<br />
Bahrain-Werk optimieren<br />
SULB und SMS digital arbeiten<br />
bei der Potenzialerfassung für<br />
Energieeinsparungen im integrierten<br />
SULB-Stahlwerk in<br />
Bahrain eng zusammen. Neben<br />
SMS group sind dessen in<br />
Brasilien ansässige Firma Vetta<br />
und Midrex Technologies<br />
mit Sitz in North Carolina,<br />
USA, Partner des Projekts.<br />
2020 initiierte SULB das Energieaudit-Projekt<br />
mit der Unterstützung<br />
von Tamkeen, einer<br />
Behörde, die Industrie<br />
und Unternehmen in Bahrain<br />
unterstützt. Ziel des Projekts<br />
ist die Verbesserung der Energieeffizienz<br />
durch eine Steigerung<br />
der betrieblichen Effizienz<br />
der Anlage und die vollständige<br />
Nutzung der<br />
Sekundärenergie und Restwärme.<br />
Die langfristige Strategie<br />
zur Reduzierung der THG-<br />
Emission wird ebenfalls erläutert.<br />
Um diese Ziele zu<br />
erreichen und sich erfolgreich<br />
am globalen Markt zu positionieren,<br />
hat SULB ein Beratungsprojekt<br />
mit den oben genannten<br />
SMS-Unternehmen<br />
abgeschlossen. SULB betreibt<br />
ein integriertes Stahlwerk in<br />
Hidd, Bahrain. Dieser Stahlkomplex<br />
deckt die gesamte<br />
Produktionskette ab, von der<br />
Direktreduktion bis hin zu<br />
fertig gewalzten Produkten.<br />
Ein wesentlicher Bestandteil<br />
der Anlage ist die flexible<br />
Kombi-Gießanlage, die für die<br />
Herstellung einer Vielzahl von<br />
Gießformen und -größen ausgelegt<br />
ist, von Rohlingen bis<br />
zu schweren Vorprofilen.<br />
2011 lieferte SMS die komplette<br />
Ausrüstung für das Stahlwerk<br />
schlüsselfertig als Minimill<br />
mit einer Jahreskapazität<br />
von 850.000 Tonnen Stahl.<br />
2012 wurde eine MIDREX-Direktreduktionsanlage<br />
mit einer<br />
Kapazität von 1,5 Mio. t in<br />
den Komplex aufgenommen.<br />
2<br />
CHILE<br />
Paul Wurth will chilenisches<br />
Bergbau- und<br />
Stahlunternehmen<br />
dekarbonisieren<br />
Die Unternehmen Compañia<br />
Siderúrgica Huachipato (CSH)<br />
und Paul Wurth Italia wollen<br />
gemeinsam das chilenische<br />
Bergbau- und Stahlunternehmen<br />
CAP in eine CO 2 -arme Prozessroute<br />
überführen. Vor kurzem<br />
vereinbarten die Partner,<br />
eine Machbarkeitsstudie für<br />
eine technologische Roadmap<br />
zu erstellen. Der Fahrplan sieht<br />
unter anderem Maßnahmen<br />
vor, die bereits kurzfristig zu<br />
einer Verringerung des CO 2 -<br />
Fußabdrucks der von CSH betriebenen<br />
Werke führen sollen.<br />
Hierzu gehören den beteiligten<br />
Unternehmen zufolge der Einsatz<br />
erneuerbarer Energien<br />
und die Nutzung von Wasserstoff<br />
in Kombination mit hocheffizienten<br />
Technologien. Der<br />
Transformationsprozess, so<br />
heißt es in einem gemeinsamen<br />
Statement, werde bei CSH<br />
zu einem wachsenden Angebot<br />
an grünen Stahlprodukten führen.<br />
Thomas Hansmann, CTO<br />
und COO bei Paul Wurth, erklärt:<br />
„In Chile sehen wir optimale<br />
Voraussetzungen für einen<br />
wachsenden Einsatz von<br />
erneuerbaren Energien und<br />
Wasserstoff sowohl im Bergbau<br />
als auch in der Stahlherstellung.<br />
Ich bin überzeugt,<br />
dass wir mit dem gebündelten<br />
technologischen Know-how<br />
und den betrieblichen Erfahrungen<br />
beider Unternehmen<br />
hocheffiziente Lösungen für<br />
eine CO 2 -neutrale Herstellungsroute<br />
entwickeln werden.”<br />
3<br />
CHINA<br />
SMS group liefert erste<br />
eigene Schmiedelinie<br />
nach China<br />
Anhui Anhuang Machinery<br />
mit Sitz in Anqing, in der chinesischen<br />
Provinz Anhui, hat<br />
die SMS group mit der Lieferung<br />
einer vollautomatischen<br />
Gesenkschmiedelinie für Kolben<br />
beauftragt. Damit werde<br />
der Anhui Anhuang einer der<br />
ersten Automobilzulieferer auf<br />
dem Gebiet der Massivumformung<br />
in China sein, der Kolben<br />
für Pkw und Lkw vollautomatisiert<br />
fertigen könne, so die<br />
SMS group. Für letztere ist der<br />
Auftrag nach eigenen Angaben<br />
„die erste Referenz einer Gesenkschmiedelinie<br />
für Kolben<br />
im Reich der Mitte“. Die zu liefernde<br />
2.500-t-Schmiedelinie<br />
besteht aus einer vollautomatischen<br />
Exzenter-Gesenkschmiedepresse<br />
der Bauart MP 2500<br />
sowie einer Induktionserwärmung<br />
Elo-Forge L von SMS<br />
Elotherm zur Erwärmung der<br />
Schmiederohlinge. „In China<br />
wächst die Nachfrage nach Automotive-Teilen<br />
ungebremst.<br />
Mit der Investition in die komplette<br />
Schmiedelinie von der<br />
SMS group können wir flexibel<br />
auf gestiegene Marktanforderungen<br />
reagieren und gleichzeitig<br />
unseren Kunden eine<br />
hohe Qualität sichern“, sagt Leming<br />
Huang, President bei Anhui<br />
Anhuang Machinery.<br />
Vollautomatische Schmiedelinie der SMS group mit<br />
Hubbalkenautomatik, Gesenksprühanlage und einem<br />
Werkzeughalter sowie Induktionserwärmung<br />
2<br />
Quelle: SMS group; Paul Wurth/SMS group; Andritz<br />
40 März <strong>2021</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de
7<br />
<br />
4<br />
6<br />
3<br />
9<br />
Jiangsu Lihuai Iron &<br />
Steel vertraut auf Kocks<br />
3-Walzen Technologie<br />
Jiangsu Lihuai Iron & Steel<br />
(Huaigang Special Steel, HSS)<br />
hat dem Unternehmen Friedrich<br />
Kocks in Hilden einen<br />
Auftrag zur Lieferung eines<br />
4-gerüstigen RSB 500++ erteilt.<br />
Die neue Anlage kommt<br />
als Fertigblock hinter der<br />
6-HV-gerüstigen Zwischenstraße<br />
zum Einsatz und soll Stäbe<br />
in einem Abmessungsbereich<br />
von 70 bis 160 mm Durchmesser<br />
produzieren. Kocks zufolge<br />
handelt es sich bereits um<br />
den dritten Block dieser Art,<br />
der bei HSS in Betrieb gehen<br />
wird. Das biete dem chinesischen<br />
Stahlhersteller fortan<br />
die Möglichkeit, hochqualitativen<br />
Stab<strong>stahl</strong> in den verschiedensten<br />
Losgrößen zu<br />
produzieren.<br />
Xinxing Ductile Pipe implementiert<br />
Stampftechnik<br />
von Paul Wurth<br />
Im Rahmen eines Kooperationsvertrages<br />
über Stampftechnik<br />
mit der Shandong<br />
Province Metallurgical Engineering<br />
(SDM) soll Paul<br />
Wurth Ingenieurleistungen<br />
für den Bau von zwei neuen<br />
Koksofenbatterien mit<br />
Stampftechnik bei Xinxing<br />
Ductile Pipe erbringen. Die<br />
Batterien umfassen jeweils 69<br />
Öfen mit einer Ofenhöhe von<br />
6,73 m und sind für eine<br />
Bruttoproduktion von 1 940<br />
Mio. t Koks pro Jahr ausgelegt.<br />
Das Projekt ist Teil des<br />
Umweltprogramms der chinesischen<br />
Regierung zur Reduzierung<br />
der von Kokereien<br />
verursachten Emissionen. Die<br />
Umweltleistung der Batterien<br />
soll durch die Installation des<br />
Sopreco-Systems von Paul<br />
Wurth zur individuellen<br />
Ofendruck-Regelung und Reduzierung<br />
flüchtiger Emissionen<br />
verbessert werden. Die<br />
Inbetriebnahme der Anlage<br />
erwarten die Partner für das<br />
dritte Quartal <strong>2021</strong>.<br />
INDIEN<br />
Modell der Paul Wurth-Kohle-Stampftechnik<br />
4<br />
Walz-, Glüh- und Beizlinie von<br />
Andritz<br />
Andritz liefert neue<br />
Walz-, Glüh- und Beizlinie<br />
für Jindal Stainless<br />
Der Technologiekonzern Andritz<br />
erhielt von Jindal Stainless,<br />
Indien, den Auftrag zur<br />
Lieferung einer neuen Walz-,<br />
Glüh- und Beizlinie (DRAP-L).<br />
Die neue Linie verfügt über<br />
eine Jahreskapazität von rund<br />
700 000 Tonnen kaltgewalzten<br />
Edel<strong>stahl</strong>s der Serien 200, 300<br />
und 400. Die Inbetriebnahme<br />
der Linie ist für Ende 2022 geplant.<br />
Der Liefer- und -Leistungsumfang<br />
von Andritz<br />
umfasst die mechanische Ausrüstung,<br />
drei Inline-S6-High-<br />
Walzwerke, den Ofen- und<br />
Beizteil, ein Dressiergerüst sowie<br />
die Automatisierung des<br />
kompletten Prozessteils.<br />
Durch die neue Konfiguration<br />
soll die Linie die Kapazität erhöhen<br />
und die Qualität verbessern.<br />
5<br />
ITALIEN<br />
Duferco Steel fokussiert<br />
neue Maßstäbe bei Herstellung<br />
von Stahlträgern<br />
Duferco Steel mit Sitz in Brescia,<br />
Italien, hat die SMS<br />
group mit der Lieferung eines<br />
neuen Mittel<strong>stahl</strong>walzwerks<br />
beauftragt. Mithilfe der neuen<br />
Anlage will der Duferco-Konzern<br />
künftig in der Lage sein,<br />
jährlich 1,5 Millionen Tonnen<br />
Langprodukte zu produzieren.<br />
„Ziel ist es, neue Standards im<br />
Kundenservice zu setzen sowie<br />
die gesamte Prozesseffizienz<br />
zu maximieren und zum<br />
Best-Cost-Producer in Europa<br />
zu werden“, erklärt Antonio<br />
Gozzi, President der Duferco<br />
Italia Holding. „Unser Ziel ist<br />
es, eine nachhaltigere Produktion<br />
zu schaffen, die die<br />
höchsten Standards hinsichtlich<br />
Umweltverträglichkeit<br />
und Sicherheit erfüllt." Die gesamte<br />
Energieversorgung des<br />
neuen Werks soll mit erneuerbaren<br />
Energien abgedeckt<br />
werden. Zu diesem Zweck<br />
habe Duferco ein sogenanntes<br />
„Power Purchase Agreement“<br />
(PPA) unterzeichnet, so die<br />
SMS group. Letztere wolle zudem<br />
ihre Lösung „Data Factory“<br />
implementeieren, die die<br />
Grundlage für die Digitalisierung<br />
des gesamten Produktionsprozesses<br />
bilde.<br />
NLMK Verona bestellt<br />
70-t-VOD-Anlage bei<br />
Tenova<br />
Das Unternehmen NLMK Verona<br />
hat Tenova einen Auftrag<br />
für die schlüsselfertige<br />
Lieferung einer 70-t-Vakuum-<br />
Entgasungsanlage (VOD) mit<br />
Level-1- und Level-2-Automatisierung,<br />
einer Entschlackungsmaschine<br />
und Zusatzeinrichtungen<br />
erteilt. Sie soll<br />
die bestehende Produktionslinie<br />
erweitern, zu welcher derzeit<br />
ein Elektrolichtbogenofen,<br />
zwei Pfannenöfen, eine<br />
Vakuumentgasungsanlage,<br />
eine Stranggussanlage und<br />
eine Blockgussanlage gehören.<br />
Tenova zufolge soll das<br />
neue Aggregat nun die Gesamtproduktion<br />
von vakuumbehandeltem<br />
Stahl und die<br />
Produktpalette von VOD-behandeltem<br />
Stahl erhöhen.<br />
„Die steigende Nachfrage<br />
nach qualitativ hochwertigem<br />
Stahl macht die Vakuumbehandlung<br />
zu einem wesentlichen<br />
Schritt im sekundärmetallurgischen<br />
Prozess“, erklärt<br />
Tenova dazu. Nach dessen Angaben<br />
zeichnen sich die Vakuum-Entgasungsanlagen<br />
des<br />
Unternehmens „durch eine effektive<br />
Entfernung von Wasserstoff,<br />
Sauerstoff und/oder<br />
Kohlenstoff“ aus.<br />
6<br />
RUSSLAND<br />
Neues HBI-Projekt im<br />
russischen Zheleznogorsk<br />
Das Unternehmen Mikhailovsky<br />
HBI, das gemeinsam von<br />
USM und Mikhailovsky GOK<br />
(Metalloinvest) gegründet<br />
<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de März <strong>2021</strong> 41
POLITIK<br />
MÄRKTE<br />
Roh<strong>stahl</strong>herstellung<br />
Roh<strong>stahl</strong>erzeugung nach Regionen<br />
Januar <strong>2021</strong><br />
Millionen Tonnen<br />
% Veränderung<br />
Januar 21/20<br />
Afrika 1,2 -7,9<br />
Asien und Ozeanien 119,0 6,3<br />
GUS 9,2 4,5<br />
EU (27) 12,2 -0,4<br />
Europa außer EU 4,4 11,2<br />
Mittlerer Osten 3,6 1,5<br />
Nordamerika 9,6 -7,0<br />
Südamerika 3,8 11,4<br />
Total 64 countries 162,9 4,8<br />
Top Ten der <strong>stahl</strong>produzierenden Länder<br />
Januar <strong>2021</strong><br />
Millionen Tonnen<br />
% Veränderung<br />
Januar 21/20<br />
China 90,2 e 6,8<br />
Indien 10,0 7,6<br />
Japan 7,9 -3,9<br />
USA 6,9 -9,9<br />
Russland 6,7 e 6,5<br />
Südkorea 6,0 4,9<br />
Türkei 3,4 12,7<br />
Deutschland 3,3 6,0<br />
Brasilien 3,0 10,8<br />
Iran 2,7 e 10,2<br />
Die 64 in der Tabelle zusammengefassten<br />
Länder machten 2019 etwa 99 Prozent der<br />
gesamten weltweiten Roh<strong>stahl</strong>produktion<br />
aus. Regionen und Länder, die unter die<br />
Tabelle fallen:<br />
• Afrika: Ägypten, Libyen, Südafrika<br />
• Asien und Ozeanien: Australien, China,<br />
Indien, Japan, Neuseeland, Pakistan,<br />
Südkorea, Taiwan (China), Vietnam<br />
• GUS: Weißrussland, Kasachstan, Moldawien,<br />
Russland, Ukraine, Usbekistan<br />
• Europäische Union (27)<br />
• Europa, Sonstiges: Bosnien-Herzegowina,<br />
Mazedonien, Norwegen, Serbien, Türkei,<br />
Vereinigtes Königreich<br />
• Naher Osten: Iran, Katar, Saudi-Arabien,<br />
Vereinigte Arabische Emirate<br />
• Nordamerika: Kanada, Kuba, El Salvador,<br />
Guatemala, Mexiko, USA<br />
• Südamerika: Argentinien, Brasilien, Chile,<br />
Kolumbien, Ecuador, Paraguay, Peru,<br />
Uruguay, Venezuela<br />
e - geschätzt. Die Rangliste der Top-10-Erzeugerländer basiert auf dem Gesamtwert seit Jahresbeginn.<br />
Ab sofort erhältlich:<br />
Handbuch der europäischen<br />
Eisen- und Stahlwerke<br />
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44 März <strong>2021</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de
WISSENSCHAFT<br />
TECHNIK<br />
Dekarbonisierung<br />
SCHLÜSSEL-<br />
WEGE ZUR<br />
CO 2 -SENKUNG<br />
Dieser Beitrag skizziert die relevanten Wege, um CO 2 -Emissionen in der Eisen- und<br />
Stahlindustrie in Europa zu mindern.<br />
Quelle: Dr. Hans Bodo Lüngen<br />
<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de März <strong>2021</strong> 45
WISSENSCHAFT<br />
TECHNIK<br />
Dekarbonisierung<br />
AUTOR: Dr.-Ing. Hans Bodo Lüngen,<br />
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied,<br />
Stahlinstitut VDEh<br />
www.vdeh.de<br />
DARUM GEHT’S: Die „Schlüsselwege“<br />
zur CO 2 -Minderung der Stahlindustrie<br />
können unter den beiden Begriffen<br />
„Smart Carbon Usage“ (SCU) und „Carbon<br />
Direct Avoidance“ (CDA) zusammengefasst<br />
werden. SCU beinhaltet<br />
u.a. auf Basis von Kohlenstoffträgern<br />
zur Eisenerzreduktion neben inkrementellen<br />
Maßnahmen bei der konventionellen<br />
Hochofen-Konverter-<br />
Route auch die CO 2 -Minderung durch<br />
Anwendung von sogenannten „endof-pipe“<br />
Technologien wie CCS (CO 2<br />
Capture and Storage) und CCU (Carbon<br />
Capture and Usage). Zu CDA zählen<br />
die auf Schrott basierende Elektroofenroute<br />
und die auf Eisenerz basierende<br />
Stahlerzeugungsroute<br />
Direktreduktion-Elektroofen unter<br />
Verwendung von Erdgas und/oder<br />
Wasserstoff als Reduktionsmittel,<br />
also die vollständige Vermeidung des<br />
Einsatzes von Kohle oder Koks zur Reduktion<br />
der Eisenerze. Die Anwendung<br />
von CCU bei der konventionellen<br />
Hochofen-Konverter-Route, d.h.,<br />
die Umwandlung der Prozessgase in<br />
Chemierohstoffe, sowie die Einführung<br />
der Direktreduktion mit Wasserstoff<br />
und anschließendem Erschmelzen<br />
des Eisenschwamms (DRI=Direct<br />
Bild 1: Prozessstufen zur<br />
Stahlherstellung in Europa [3]<br />
Reduced Iron) im Elektrolichtbogenofen<br />
führen zu einem Bedarf an großen<br />
Mengen Wasserstoff und CO 2 -<br />
freier elektrischer Energie.<br />
Der Rat der Europäischen Union<br />
hat schon 2011 eine Roadmap<br />
zum Erreichen einer konkurrenzfähigen<br />
„low-carbon economy“ in<br />
Europa bis 2050 beschlossen. Daraus<br />
geht hervor, dass die europäische Industrie<br />
ihre CO 2 -Emissionen bis zum Jahr<br />
2050 im Vergleich zu 1990 um 80 bis<br />
95 % absolut verringern muss. Am 28.<br />
November 2018 hat die EU-Kommission<br />
im Lichte des UN-Klimaabkommens von<br />
Paris eine langfristige strategische Vision<br />
für eine klimaneutrale Wirtschaft<br />
für 2050 veröffentlicht. Das Ziel der Klimaneutralität<br />
bis 2050 ist mit dem Europäischen<br />
Green Deal vom 11. Dezember<br />
2019 bekräftigt worden und soll in<br />
einem Europäischen Klimagesetz verankert<br />
werden.<br />
Eine solche weitreichende Dekarbonisierung<br />
stellt für die gesamte Industrie<br />
eine enorme Herausforderung dar. Die<br />
EU-Stahlindustrie steht schon seit Jahren<br />
an vorderster Front mit zahlreichen<br />
R&D-Projekten bei der Entwicklung von<br />
CO 2 Breakthrough Technologien. Eine<br />
umweltfreundliche, innovative und konkurrenzfähige<br />
Stahlindustrie spielt eine<br />
entscheidende Rolle zur Erfüllung der<br />
langfristigen Klimaziele. Gleichzeitig<br />
muss die europäische Stahlindustrie im<br />
weltweiten Vergleich konkurrenzfähig<br />
sein.<br />
Vor diesem Hintergrund hatte der<br />
europäische Stahlverband EUROFER das<br />
Stahlinstitut VDEh beauftragt, eine<br />
„Steelroadmap“ aus dem Jahre 2013 [1] ,<br />
an der seinerzeit der VDEh auch beteiligt<br />
war, zu aktualisieren. Die Arbeiten<br />
zu der Studie wurden von März bis Dezember<br />
2018 durchgeführt und wesentliche<br />
Ergebnisse bei den 4. European<br />
Steel Technology and Application Days<br />
im Juni 2019 in Düsseldorf vorgestellt [2] .<br />
1. CO 2 -Emissionen der Verfahren<br />
zur Stahlerzeugung<br />
In Bild 1 sind die in Europa zur Stahlherstellung<br />
angewendeten Prozessstufen<br />
dargestellt.<br />
Bei der Hochofen-Konverter-Route<br />
entstehen die CO 2 -Emissionen in Höhe<br />
von 1880 kg/t Roh<strong>stahl</strong> direkt in den Produktionsprozessen<br />
Kokerei, Sinteranlage,<br />
Hochofen, Konverter und den nachfolgenden<br />
Prozessen Gießen und Umformen.<br />
Den wesentlichen Anteil an diesen<br />
CO 2 -Emissionen hat im Prinzip der Hochofenprozess.<br />
Hier entsteht durch die Reduktion<br />
der Eisenerze mit Kohlenstoff<br />
bzw. Kohlenstoffmonoxid (CO) unvermeidbar<br />
CO 2 . Der im Hochofen chemisch<br />
genutzte Kohlenstoff wird dann bei der<br />
energetischen Verwendung des kohlenstoffmonoxid-<br />
und kohlenstoffdioxidhaltigen<br />
Hochofengases und bei der Weiterverarbeitung<br />
des kohlenstoffhaltigen<br />
Roh<strong>eisen</strong>s als Kohlenstoffdioxid (CO 2 ) in<br />
die Atmosphäre emittiert. Bei der Hochofen-Konverter-Route<br />
wird im Hochofen<br />
ein flüssiges, ca. 1500° C heißes Roh<strong>eisen</strong><br />
erzeugt, das schon weitgehend von den<br />
Gesteinsanteilen (Gangart) der Eisenerze<br />
über eine Schlacke befreit wurde. Die<br />
dabei anfallende Hochofenschlacke wird<br />
in der Regel zu Hüttensand granuliert,<br />
der bei der Zementherstellung als Ersatz<br />
für Portlandklinker eingesetzt wird und<br />
dort zu erheblichen CO 2 -Einsparungen<br />
führt. Ein Betrieb des Hochofens ohne<br />
Koks ist aus physikalischen Gründen<br />
nicht möglich. Der Koks garantiert die<br />
Aufrechterhaltung der Durchgasung<br />
(Permeabilität) im Bereich der Erweichungs-<br />
und Schmelzzone der Eisenerze<br />
im Hochofen (kohäsive Zone), er ermöglicht<br />
die Drainage im Gestell für Roh<strong>eisen</strong><br />
und Schlacke und er bildet ein Stützgerüst<br />
für die Möllersäule oberhalb der<br />
kohäsiven Zone. [18]<br />
Die Prozessgase der Kokerei, des<br />
Hochofens und des Konverter<strong>stahl</strong>werks<br />
46 März <strong>2021</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de
Bild 2: Systemgrenzen zur Ermittlung<br />
des CO 2 -Fußabdruckes der EU 28 Stahlindustrie<br />
[2]<br />
werden u. a. für die Erzeugung von elektrischer<br />
Energie in nachgeschalteten<br />
Kraftwerken verwendet, wobei auch das<br />
in den Gasen enthaltene CO durch Verbrennung<br />
als CO 2 emittiert wird. Diese<br />
Route ist in der Versorgung mit elektrischer<br />
Energie autark.<br />
Bei der schrottbasierten Elektroofenroute<br />
entsteht nur ein Teil der CO 2 -Emission<br />
bei den Produktionsprozessen. Der<br />
Großteil der CO 2 -Emissionen kommt von<br />
der CO 2 -Last der fremd bezogenen elektrischen<br />
Energie für die Prozesse, da die<br />
Elektroofenroute selbst keine energetisch<br />
verwertbaren Prozessgase erzeugt.<br />
Die CO 2 -Emission dieser Route liegt bei<br />
einer CO 2 -Last der elektrischen Energie<br />
von 300 g/kWh bei 410 kg/t Roh<strong>stahl</strong>.<br />
Wasserstoff ist bei der Eisenerzreduktion<br />
als Vorstufe zur Stahlherstellung das<br />
einzige alternative Reduktionsmittel<br />
zum Kohlenstoffmonoxid. Bei der Direktreduktion<br />
von Eisenerzen wird schon in<br />
der betrieblichen Praxis seit Anfang der<br />
1970er Jahre wasserstoffreiches Erdgas<br />
als Reduktionsmittel zur Reduktion der<br />
Eisenerze eingesetzt. Dabei wird zum<br />
Beispiel unter Einsatz eines Schachtofens<br />
Eisenschwamm, international als DRI<br />
(Direct Reduced Iron) bezeichnet, erzeugt.<br />
Dem DRI wurde zwar weitgehend<br />
der Sauerstoff der Eisenerze entzogen,<br />
aber es fällt im festen Zustand an und<br />
enthält noch die Gangartbestandteile der<br />
Eisenerze. Die Weiterverarbeitung zu<br />
Roh<strong>stahl</strong> mit Schmelzen und Schlackenmetallurgie<br />
erfolgt im Elektrolichtbogenofen.<br />
Die CO 2 -Emission dieser Route<br />
liegt bei 993 kg/t Roh<strong>stahl</strong>.<br />
2. CO 2 -Emissionen der EU 28<br />
Stahlindustrie in 2015 im<br />
Vergleich zu 1990<br />
Die spezifischen und die gesamten CO 2 -<br />
Emissionen der EU 28 Stahlindustrie<br />
wurden zunächst für 1990 berechnet,<br />
um für das Bezugsjahr 1990 eine repräsentative<br />
Größe zu erhalten. Zudem<br />
wurden die CO 2 -Emissionen für die Jahre<br />
2010 und 2015 berechnet, um die<br />
schon erreichten Verminderungen der<br />
CO 2 -Emissionen im Vergleich zu 1990 zu<br />
ermitteln.<br />
Die Systemgrenzen für die Berechnung<br />
der CO 2 -Emissionen der Stahlindustrie<br />
in Europa wurden so festgelegt,<br />
dass die bei den Prozessen entstehenden<br />
CO 2 -Emissionen direkt in die Bilanz eingehen<br />
(Scope I), Bild 2. Die bei der energetischen<br />
Nutzung der Prozessgase der<br />
integrierten Route entstehenden CO 2 -<br />
Emissionen sind also schon in der Bilanz<br />
der jeweiligen Prozessstufe enthalten.<br />
Bei der schrott- und auch der DRI- basierten<br />
Elektroofenroute geht mit dem<br />
Verbrauch an fremd bezogenem Strom<br />
dessen CO 2 -Emission als indirekte Emissionen<br />
in die Bilanz ein (Scope II).<br />
Zum Vergleich wurden teilweise in<br />
bestimmten Szenarien die CO 2 -Emissionen<br />
fremd bezogener Materialien, wie<br />
z. B. Eisenerzpellets oder fremd bezogenes<br />
DRI, in der Bilanz berücksichtigt<br />
(Scope III). Prozessgase der integrierten<br />
Route werden zur Erzeugung elektrischer<br />
Energie und von Wärme genutzt<br />
und decken den Bedarf der Route (Annahme<br />
der Selbstversorgung). Hierfür<br />
werden in der Bilanz auch keine Gutschriften<br />
berücksichtigt. Ebenso wurde<br />
auch nicht der Aspekt der CO 2 -Minderung<br />
durch den Einsatz granulierter<br />
Hochofenschlacke in der Zementherstellung<br />
als Gutschrift gewertet, um<br />
Doppelberechnungen zu vermeiden.<br />
Die Ergebnisse der Berechnungen<br />
w<strong>eisen</strong> den nach der Produktion gewichteten<br />
jährlichen Durchschnitt der spezifischen<br />
CO 2 -Emissionen bezogen auf die<br />
Bild 3: Ergebnisse der Ermittlung der<br />
CO 2 -Emissionen der Europäischen<br />
Stahlindustrie in 1990, 2010 und 2015 [2]<br />
<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de März <strong>2021</strong> 47
WISSENSCHAFT<br />
TECHNIK<br />
Produkte<br />
Erzeugnisse und Verfahren<br />
für den Umgang mit Stahl<br />
Von zuverlässiger Beleuchtung in Werkshallen, ruhigem Arbeiten auch bei lauter Produktion,<br />
minimiertem Maschinenstillstand und sich auszahlender Anlagenmodernisierung<br />
Klare Sicht im extremen<br />
Umfeld<br />
Mit einem neuen Portfolio an industriellen<br />
Leuchten widmet sich ASD LED Lighting<br />
dem Einsatz in extremen Produktionsumgebungen<br />
Das Unternehmen ASD LED Lighting hat<br />
drei neue Leuchtentypen entwickelt, die<br />
sich hinsichtlich der hohen Temperaturanforderungen<br />
unter anderem in<br />
Härtereien, Gießereien, dem Anlagenbau<br />
und der additiven Fertigung eignen<br />
sollen. Die LED-Module TGL HT bzw.<br />
Extrem und HPL Extrem zeichnen sich<br />
nach Angaben des Herstellers durch ein<br />
praxiserprobtes Thermomanagement<br />
sowie ein robustes, 100-prozentig dichtes<br />
Aluminiumgehäuse samt Abdeckung<br />
aus, das vor Feuchtigkeit,<br />
Schmutz, Öl, Chemikalien und UV-<br />
Strahlung schützt. Der Hochleistungsstrahler<br />
HPL Extrem etwa wird ASD zufolge<br />
mit „längstlebigen, in Keramik<br />
gefassten Highpower-Modulen“ betrieben,<br />
die eine geeignete Lösung für den<br />
Mehrschichtbetrieb in schwierigsten<br />
Temperaturumgebungen von -40°C bis<br />
+ 110°C darstellen. Insbesondere bei extremer<br />
Hitze mache sich eine abgekoppelte<br />
Netzteileinheit bezahlt, die über<br />
ein 20 Meter langes Kabel in sicherer<br />
Entfernung angebracht werden könne.<br />
Der Hallenstrahler HPL<br />
Extrem soll in Produktionsumgebunden<br />
mit extremer<br />
Hitze eine resistente und langlebige<br />
Beleuchtung liefern.<br />
Die Shopfloor Box Agile – hier im Einsatz bei Heraeus – verfügt über die Maße<br />
106 x 106 x 238 cm (außen) sowie 90 x 90 x 204 cm (innen).<br />
Zudem liefen die Module des HPL-Strahlers<br />
nicht dauerhaft unter hoher Spannung,<br />
sondern seien zu maximal 50<br />
Prozent bestromt. Das wirke sich positiv<br />
auf die Nutzungsdauer aus, sind sich die<br />
Entwickler bei ASD sicher. Diese liegt<br />
nach deren Angaben bei mindestens<br />
100 000 Betriebsstunden, sodass sie bei<br />
einem 24/7-Einsatz „mindestens anderthalb<br />
Jahrzehnte normgerechtes Licht<br />
bei hoher Effizienz“ liefern.<br />
AS LED Lighting<br />
www.as-led.de<br />
Ruhe bei hoher<br />
Lärmbelastung<br />
Um während der lauten Metallverarbeitung<br />
schallgeschützt arbeiten zu können,<br />
hat Heraeus nun eine „Shopfloor Box Agile“<br />
von Officebricks im Einsatz<br />
Smarte vernetzte Maschinen setzen immer<br />
mehr Prozesse automatisch um und<br />
erfordern neben Steuerung und Überwachung<br />
auch Datenverarbeitung und<br />
-analyse. Wie diese neuen Aufgaben in<br />
unmittelbarer Nähe der Produktion in<br />
Ruhe ausgeführt werden können, demonstriert<br />
nun der Metallverarbeiter<br />
Heraeus aus Hanau: das Unternehmen<br />
testet derzeit die Kabine „Shopfloor Box<br />
Agile“ von Officebricks. Weil die CNC-<br />
Fräsen und Drehbänke in der Produktionsstätte<br />
sehr laut sind – der Pegel liegt<br />
bei 80 bis 85 Dezibel – bietet diese nach<br />
Angaben des Herstellers „einen kompletten<br />
Schallschutz“, insbesondere um Gespräche<br />
in normaler Lautstärke führen<br />
zu können. „Die Mitarbeiter bei Heraeus<br />
nutzen die Shopflor Box für die schnelle<br />
Abstimmung mit anderen Abteilungen:<br />
zum Telefonieren, für Skype-Konferenzen<br />
oder um ungestört am Laptop arbeiten<br />
zu können“, erläutert Officebricks<br />
eine Funktion der Kabine. Dafür ständen<br />
digitale Schnittstellen wie Steckdose,<br />
LAN-Verbindung und USB-Anschluss bereit.<br />
Zudem integriere der abgeschirmte<br />
Raum eine Lüftung, die auch den leichten<br />
Öl-Nebel in der Halle fernhalte. „Die<br />
Quellen: ASD LED Lighting; Officebricks; Enemac; Rösler Oberflächentechnik; Steuler<br />
58 März <strong>2021</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de
Service<br />
DIE RUBRIK PRODUKTE basiert auf Mitteilungen von Unternehmen über Erzeugnisse und Verfahren, die für die<br />
Herstellung und Verarbeitung von Stahl von Interesse sind. Die Redaktion übernimmt weder eine Gewähr für die sachliche<br />
Richtigkeit noch gibt sie ein Werturteil ab. Sie möchten auch in dieser Rubrik veröffentlichen? Dann schicken Sie Ihre<br />
Meldung unserem Redakteur Niklas Reiprich. Sie erreichen ihn via redaktion@<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de.<br />
Industrie wird stetig automatisiert und<br />
digitalisiert. Der Mensch erhält in diesem<br />
Gefüge eine neue Rolle, die sich räumlich<br />
in ebenso agilen Konzepten niederschlagen<br />
muss“, resümiert Dr. Peter Smeets,<br />
Geschäftsführer von Officebricks. Industrie<br />
4.0 funktioniere ihm zufolge nur<br />
dann erfolgreich, wenn sicher gearbeitet<br />
werden könne – dabei spiele auch der<br />
Wohlfühlfaktor eine Rolle.<br />
Durch ihr „Y“-förmiges Wurfschaufeldesign<br />
bieten Gamma-Turbinen<br />
Rösler zufolge<br />
einen Mehrwert hinsichtlich<br />
Strahlleistung und -qualität.<br />
Officebricks<br />
www.officebricks.de<br />
Auskleidungskonzepte<br />
für die CO 2 -reduzierte<br />
Stahlerzeugung<br />
Mit „H 2 Change“ bietet Steuler Refractory<br />
Linings Zustellkonzepte nach Maß für die<br />
Direktreduktionsprozesse von morgen.<br />
Die Eisen und Stahlindustrie befindet<br />
sich in einem rasanten Wandel: Es geht<br />
um nicht weniger als die Zukunftssicherung<br />
der Industrie bei gleichzeitigem<br />
Ausbremsen des Klimawandels. Ähnlich<br />
wie in den frühen Jahren der Direktreduktion<br />
gibt es aktuell eine Vielzahl an<br />
Initiativen, Entwicklungen sowie Pilotanlagen<br />
zur wasserstoffbasierten Direktreduktion.<br />
Welche Prozesse sich<br />
durchsetzen werden, ist noch offen. In<br />
diesem Entwicklungsprozess positioniert<br />
sich der Feuerfest-Spezialist Steuler<br />
als Konstante, der sein Knowhow zur<br />
Entwicklung und Beherrschung dieser<br />
Feuerfeste Auskleidung der Gaseinlass-<br />
Ebene eines Direktreduktions-Schachtofens<br />
Prozesse einbringt. Das Unternehmen<br />
bietet Sicherheit durch jahrzehntelange<br />
Erfahrung in der Auskleidung und Weiterentwicklung<br />
konventioneller DR-Anlagen<br />
sowie wasserstoffbasierter Prozesse.<br />
Der Komplettanbieter beachtet die<br />
speziellen Anforderungen der H 2 -Atmosphäre<br />
an die feuerfeste Auskleidung.<br />
Speziell entwickelte SiO 2 -arme hochtonerdehaltige<br />
Auskleidungen, abgestimmt<br />
bis hin zur Porenstruktur, kommen hier<br />
zum Einsatz. Ebenso wichtig ist die konzeptionelle<br />
Auslegung der Anlage, welche<br />
im frühen Dialog mit den Kunden<br />
entsteht. Steuler versteht sich als Technologiepartner<br />
der Stahlindustrie, der<br />
mit „H 2 Change“ seine führende Position<br />
als Hersteller innovativer Auskleidungskonzepte<br />
für die CO 2 -reduzierte<br />
Stahlerzeugung unterstreicht.<br />
Steuler<br />
www.steuler-linings.com<br />
Nachrüsten statt Neukauf<br />
Mit Blick auf technisch veraltete Strahlanlagen<br />
rät Rösler Oberflächentechnik zu<br />
seiner Modernisierungslösung „TuneUp“<br />
Häufig stehen bestehende Strahlanlagen<br />
vor der Problematik, aktuelle Anforderungen<br />
nicht mehr erfüllen zu können.<br />
Eine neue Maschine ist jedoch nicht<br />
zwangsläufig erforderlich, meint das<br />
Unternehmen Rösler Oberflächentechnik,<br />
das mit seiner Marke „TuneUp“<br />
eine herstellerunabhängige Modernisierung<br />
anbietet. Mithilfe eines auf den<br />
individuellen Bedarf des Betreibers<br />
maßgeschneiderten Technik-Upgrades<br />
sei es Rösler zufolge möglich, Kapazität,<br />
Qualität, Verfügbarkeit und Energieeffizienz<br />
zu erhöhen, Betriebskosten zu<br />
senken sowie die Anlage an gesetzliche<br />
Vorgaben anzupassen. Eine vorab durchgeführte<br />
anlagenspezifische und verbindliche<br />
Amortisationsberechnung, die<br />
nach Angaben Röslers auf einer genauen<br />
Zustandsanalyse basiert, sorge dabei<br />
für hohe Investitionssicherheit. „Zahlreiche<br />
Projekte der letzten Jahre zeigen,<br />
dass der ‚Return on Investment‘ (Kennzahl<br />
zur Messung der Rendite; Anm. d.<br />
Red.) beispielsweise bei einem Turbinentausch<br />
aufgrund der erzielten Kosteneinsparungen<br />
bereits nach zwölf bis 15<br />
Monaten erreicht wird“, betont dazu<br />
Michael Motschenbacher, Teamleiter bei<br />
TuneUp. Ein Kriterium dafür sei das<br />
vielfältige Angebot an Strahlturbinen:<br />
Letzteres reiche von Ein- und Zweischeibenturbinenrädern<br />
bis zu Hochleistungsturbinen<br />
in sogenannter „Gamma“-Technologie,<br />
die sich vor allem<br />
durch Wurfschaufeln in patentiertem<br />
„Y“-Design mit berechnetem Krümmungswinkel<br />
auszeichne. Darüber hinaus<br />
könnten die Turbinenkomponenten<br />
in unterschiedlichen Werkstoffen wie<br />
beispielsweise Guss, Werkzeug<strong>stahl</strong> und<br />
Hartmetall sowie Kombinationen aus<br />
diesen Materialien aufgeführt werden.<br />
Rösler Oberflächentechnik<br />
www.rosler.com<br />
<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de März <strong>2021</strong> 59
RECHT<br />
FINANZEN<br />
Unternehmensfinanzierung<br />
BIP in vier Volkswirtschaften<br />
rückläufig, Insolvenzen auch<br />
Modellrechnung von Kreditversicherer Coface zeigt die Zahl der „versteckten“ Insolvenzen<br />
DARUM GEHT’S: Staatlich verordnete „Lock-downs“ (mit allen<br />
ihren Konsequenzen) einerseits und vielerorts Zurückhaltung<br />
bei investiven Ausgaben führen laut Lehrbuch eigentlich zu einem<br />
Anstieg der Insolvenzen. In den vier größten Volkswirtschaften<br />
des Euro-Raums waren sie 2020 jedoch deutlich rückläufig.<br />
In einer Modellrechnung kommt der Kreditversicherer<br />
Coface zu dem Schluss, dass die Insolvenzen lediglich „versteckt“<br />
sind.<br />
Corona hat die vier größten Volkswirtschaften des Euro-<br />
Raums stark getroffen, aber im vergangenen Jahr dort nicht<br />
zu einem Anstieg der Insolvenzen geführt. Grund sind<br />
massive staatliche Interventionen. Diese haben nach einer Modellrechnung<br />
des Kreditversicherers Coface in Deutschland bis zu 3<br />
950 Insolvenzen für das Jahr 2020 erst einmal verhindert.<br />
In der Regel bedeutet ein Rückgang der Wirtschaftsaktivität<br />
einen Anstieg der Unternehmenspleiten. Tatsächlich ging die Zahl<br />
der Insolvenzen 2020 jedoch in Frankreich um 38% im Vergleich<br />
zum Vorjahr zurück, in Italien um 32% und in Spanien und<br />
Deutschland um jeweils 15%. „Der Grund sind staatliche Hilfsprogramme<br />
in einem nie dagewesenen Umfang“, sagt Coface-<br />
Volkswirtin Christiane von Berg. Das führt zur Frage, ob die Insolvenzen<br />
in den genannten Ländern tatsächlich verhindert oder<br />
lediglich aufgeschoben wurden? Zur Beantwortung dieser Frage<br />
Unternehmensinsolvenzen<br />
im Euro-Raum 2020<br />
Laut Coface verdecken die offiziellen Zahlen das<br />
wahre Geschehen<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0 %<br />
-10 %<br />
-20 %<br />
-30 %<br />
-40 %<br />
-50 %<br />
simulierte Insolvenzen<br />
„versteckte“ Insolvenzen<br />
19 %<br />
34 %<br />
44 %<br />
tatsächliche Insolvenzen<br />
39 %<br />
6 % 7 %<br />
6 %<br />
-15 % -15 %<br />
-38 %<br />
-32 %<br />
21 %<br />
Spanien Frankreich Italien Deutschland<br />
Die Addition von im Modell errechneten und rückläufigen<br />
Insolvenzen ergibt die Summe der „versteckten“ Insolvenzen<br />
hat Coface ein Modell berechnet, das die Veränderung der Solvenz<br />
von Unternehmen in insgesamt sechs Branchen betrachtet, die<br />
für ca. 80% aller Insolvenzen in einem Euro-Raum-Land stehen.<br />
Berücksichtigt wurden unter anderem die Zahlen zum Unternehmensumsatz<br />
in den jeweiligen Branchen sowie die Nutzung von<br />
Kurzarbeit, Kreditgarantien und im Falle von Frankreich des Solidaritäts-Fonds.<br />
Erheblicher Anstieg steht im Raum<br />
Die simulierte Insolvenzschätzung ergibt für Deutschland 2020<br />
einen Anstieg der Insolvenzen um 6% im Vergleich zum Vorjahr.<br />
Tatsächlich fiel die Zahl der Insolvenzen um 15%. Diese Differenz<br />
beschreibt Coface als „versteckte Insolvenzen“. Im Fall von<br />
Deutschland wären dies 21% gemessen an der Anzahl 2019 und<br />
somit rund 3.950 ausgebliebene Insolvenzen. Für Frankreich ermittelt<br />
das Modell 22 500 „versteckte Insolvenzen“, für Italien<br />
sind es 4 100 und für Spanien 1 600.<br />
Ausblick<br />
Gleichwohl kann Coface trotz der Modellrechnung nicht vorhersagen,<br />
ob sich die Mehrheit oder gar alle der versteckten Insolvenzen<br />
im Jahr 2020 im laufenden Jahr manifestieren. Es sei üblich,<br />
dass Gerichte von einem Anstieg der Insolvenzanträge überwältigt<br />
werden, was zu einer Überlastung des Insolvenzsystems führt. Als<br />
anderen Einflussfaktor führen die Kreditversicherer die Bereitschaft<br />
der Banken an, über Ländergrenzen hinaus Kredite auszureichen,<br />
wenn die Banken eines Landes die Kreditvergabestandards<br />
verschärfen.<br />
tp<br />
Entwicklung BIP und<br />
Insolvenzen<br />
Die Zahlen zeigen die Entwicklung gegenüber<br />
dem jeweiligen Vorjahr<br />
Entwicklung<br />
BIP<br />
Entwicklung<br />
Insolvenzen<br />
2009 2020 2009 2020<br />
Deutschland -5,7% -4,9% 11,6% -15,0%<br />
Frankreich -2,9% -8,2% 20,4% -37,8%<br />
Italien -5,3% -8,9% 29,0% -32,1%<br />
Spanien -3,8% -11,0% 78,8% -14,4%<br />
Anders als 2009, als das BIP rückläufig war und die Anzahl<br />
der Insolvenzen zunahm, gab es 2020 in den vier größten<br />
EU-Volkswirtschaften weniger Insolvenzen.<br />
Quellen: Statistische Bundesämter, Coface; Statistikämter, Datastream, Coface<br />
62 März <strong>2021</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de
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STYLE<br />
STORY<br />
Modellbau<br />
Alfred Trappens Blechschere mit Dampfantrieb weist bei<br />
den Messern eine deutlich erkennbare Hakennase auf,<br />
die in späteren Ausführungen nie wieder zu finden war.<br />
Den Anstoß<br />
zu diesem<br />
Modell gab<br />
eine Handskizze<br />
in<br />
einem Buch<br />
von 1919.<br />
Blechschere mit Dampfantrieb<br />
Seltene historische Konstruktion von Alfred Trappen wurde als Modell neu aufgebaut<br />
AUTOR: Gerd Bavendiek*<br />
www.balancier.eu<br />
DARUM GEHT‘S: Auch im Ruhrgebiet ist<br />
der Maschinenbauingenieur Alfred Trappen<br />
(1828-1908) heute kaum bekannt.<br />
Das mag daran liegen, dass er sich ganz<br />
auf seine Arbeit konzentrierte und nicht<br />
öffentlich tätig war. Im 1919 erschienenen<br />
Buch „Ein Jahrhundert deutscher<br />
Maschinenbau“ zum runden Jubiläum<br />
der DEMAG wurde er als hervorragender<br />
Konstrukteur gewürdigt, der mit der<br />
Ausrichtung der Firma auf das Hüttenwesen<br />
auch wirtschaftlich erfolgreich<br />
war. Gerd Bavendiek hat eine Skizze<br />
Trappens als Modell nachgebaut.<br />
Der Maschinenbauingenieur Alfred<br />
Trappen hatte ab 1851 für rund 40<br />
Jahre als Konstrukteur und technischer<br />
Leiter die Maschinenfabrik Kamp &<br />
Co. in Wetter an der Ruhr geprägt. Diese<br />
war aus den Mechanischen Werkstätten<br />
Harkort & Co. hervorgegangen und wurde<br />
später zur Märkischen Maschinenbau-Anstalt<br />
umfirmiert, ehe sie 1910 in der DE-<br />
MAG (Akronym für DEutsche Maschinenbau<br />
AktienGesellschaft) aufging.<br />
Trappens Maschine im Vergleich<br />
Die Skizze Trappens ist undatiert und ohne<br />
weitere Hinweise. Es ist nicht klar, ob eine<br />
solche Schere ausgeführt worden ist. Meine<br />
Datierung in die 1850er Jahre resultiert<br />
einzig daraus, dass Trappen seine sechsjährige<br />
(sic!) Lehrzeit 1851 beendete und<br />
aus dem Jahr 1864 eine große Blechschere<br />
bekannt ist, die für das Walzwerk Schulz,<br />
Knaudt & Co. in Essen gebaut wurde. Dabei<br />
handelt es sich um eine imposante Maschine<br />
von über 40 t Gewicht, angetrieben von<br />
einer Dampfmaschine mit 400 mm Zylinderdurchmesser<br />
und 550 mm Hub. Bleche<br />
bis 900 mm Breite konnten geschnitten<br />
werden. Im Vergleich dazu ist die von Trappen<br />
skizzierte Maschine simpel.<br />
Details zum Modell<br />
Mein Modell ist im Maßstab 1:16. Für den<br />
einseitig wirkenden Zylinder habe ich den<br />
Bremszylinder eines VW T3 mit 24 mm<br />
Bohrung benutzt. Alles was überflüssig<br />
war, habe ich weggefräst, die Bohrungen<br />
mit Gewinde versehen, dann Stopfen (auch<br />
aus Guss) gefertigt und mit Loctite 648<br />
eingesetzt. Den Schieberkasten habe ich<br />
weich angelötet und dann die Zylinderbohrung<br />
nachgeläppt. Der Kolben besteht<br />
aus Messing, die Kolbenstange ist wie bei<br />
einem Verbrennungsmotor im Zylinder<br />
angelenkt.<br />
In Trappens Skizze kann man den üblichen<br />
Muschelschieber erkennen, weitere<br />
Details bleiben aber unklar. In solchen Situationen<br />
muss man sich als Modellbauer<br />
vom Original lösen und eine modellgerechte<br />
Lösung finden, die auch im gewählten<br />
Maßstab funktioniert. Für mich war das<br />
ein Rundschieber, der über mehrere weitere<br />
Bauteile angesteuert wird. Die Erleichterung<br />
war groß, als der Mechanismus sich<br />
als funktionsfähig erwies.<br />
Ein durchgehendes Fundament trägt<br />
eine Platte für den Zylinder, die Kurbelwellenlager<br />
und die massiv ausgebildeten<br />
Hauptlager für den Scherenarm, ein sehr<br />
charakteristisches Bauteil. Bei den Messern<br />
lag mir daran, die in der Skizze deutlich<br />
erkennbare Hakennase nachzubilden, obwohl<br />
eine solche Ausführung später nie<br />
wieder zu finden war.<br />
Der Tisch ist vom Rest der Maschine<br />
völlig getrennt entstanden. Ich kann mir<br />
vorstellen, dass das auch beim Original so<br />
war. Von Dampfhämmern ist bekannt,<br />
dass die Schabotte (der untere Bär) vom<br />
Rest des Hammers entkoppelt war.<br />
Das Modell in der Praxis<br />
Das Modell hat schon auf einigen Ausstellungen<br />
gezeigt, dass es schneiden kann -<br />
zwar kein Blech, aber immerhin Papier. In<br />
meinem Youtube-Kanal balancier.eu kann<br />
man sich davon überzeugen. Anders als dort<br />
zu sehen, gibt es mittlerweile auch ein stirnseitiges<br />
Gegenmesser. Wenn man nur genug<br />
Papier schneidet, nutzt jedoch auch beim<br />
verwendeten Werkzeug<strong>stahl</strong> die Schneidkante<br />
ab. Das Angebot eines befreundeten<br />
Modellbauers die Messer zu härten, habe ich<br />
daher gerne angenommen. So ist dieses Modell<br />
einer sehr frühen Arbeitsmaschine aus<br />
dem Ruhrgebiet wieder funktionsfähig und<br />
kann ein nicht so bekanntes Einsatzgebiet<br />
der Dampfkraft illustrieren.<br />
* Der Artikel erschien in seiner ursprünglichen Fassung zuerst in<br />
Ausgabe 5/2020 der Zeitschrift „Maschinen im Modellbau“.<br />
Synopsis der Dampfmaschine<br />
Gerd Bavendiek ist ein Spezialist für<br />
Dampfmaschinen und Modellbau.<br />
Er betreibt mit dampfforum.info das<br />
wohl größte deutschsprachige Forum<br />
seiner Art und hat 2018 das Buch<br />
„Synopsis der Dampfmaschine: der<br />
Weg von der Feuermaschine bis<br />
zum Turbosatz 1712-1917“ veröffentlicht.<br />
Das Werk führt auf 300 Seiten<br />
wichtige Daten aus der Geschichte<br />
der Dampfmaschine mit anderen Ereignissen<br />
aus der Technikgeschichte<br />
zusammen auf. Ein regionaler Schwerpunkt<br />
liegt dabei auf Deutschland und<br />
der Region Ruhrgebiet. Mehr Informationen<br />
unter www.balancier.eu.<br />
Quelle: privat<br />
70 März <strong>2021</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de
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