16 TITELSTORY <strong>planet</strong> <strong>toys</strong> ZEITLOS MODERN Holzspielzeug gilt seit jeher als pädagogisch wertvolles Spielmittel mit Nachhaltigkeitsfaktor. Seine Stärke ist aber gleichzeitig auch seine Schwäche, jedenfalls aus Sicht einer Höher-schneller-weiter-Philosophie. Seit ein paar Jahren dreht sich der Wind aber wieder in Richtung „back to the roots“. Fragen an den neuen Vorsitzenden der Fachgruppe Holzspielzeug und Product Manager BRIO, Sebastian Kornblum, sowie Sven Grimm, Chef von Grimm’s.
TITELSTORY <strong>planet</strong> <strong>toys</strong> 17 Herr Kornblum, die Spielwarenbranche kann auf ein erfolgreiches Jahr zurückblicken. Wie gut ging es Ihren Mitgliedern? Sebastian Kornblum: Wenn ich mich bei den Mitgliedern umhöre, stelle ich überwiegend fest, dass sie sehr solide durch dieses schwierige Jahr gekommen sind. Die Nachfrage nach Holzspielwaren war 2020 ungebrochen hoch und ist es immer noch. Hierbei handelt es sich in unseren Augen nicht um einen kurzfristigen Corona-Effekt, sondern um einen langfristigen Trend. Sind Sie sicher? S.K.: Die Aussage, dass Eltern beim Kauf von Spielwaren für ihre Kinder vermehrt auf Faktoren wie Nachhaltigkeit und Natürlichkeit schauen, ist nicht neu. Der Markt zeigt gerade überdeutlich, dass dies nicht nur eine Marketing-Aussage, sondern tatsächlich so ist. Gleichzeitig gibt es teils massive Verschiebungen in den Vertriebskanälen, worauf die Mitgliedsunternehmen reagieren müssen. Außerdem ist die Sicherstellung der Produktion und Logistik unter Corona-Bedingungen eine Kraftanstrengung, vor allem für kleinere Hersteller. Alles in allem lässt sich aber sagen: Die Mitglieder der Fachgruppe meistern die Krise bisher ausgesprochen gut. Und was sagt Sven Grimm zur Situation? Sven Grimm: Generell ist eine nach wie vor starke Nachfrage nach Spielzeug aller Art zu beobachten, was nicht verwundert. Aufgrund der Tatsache, dass die meisten Kinder und Familien sehr viel zu Hause sind, muss für Beschäftigung der Kinder gesorgt werden. Durch den Lockdown hat sich der Beschaffungsweg wie in vielen anderen Branchen mehr und mehr Richtung Versandhandel verlagert. Wie groß ist Ihre Sorge vor einem Fachhandelssterben? S.K.: Die aktuelle Situation für den Fachhandel könnte schlimmer nicht sein. Viele Händler mit sehr überzeugenden stationären Konzepten stehen vor den Trümmern ihrer Existenz. Was wir aber auch sehen, sind stationäre Händler, die gerade in dieser Krise den Kontakt zu ihren Kunden intensivieren. Kunden werden lokal über Social Media angesprochen, die Bestellung erfolgt telefonisch, und die Ware wird noch am gleichen Tag ausgeliefert. Also mit mehr Service die Kunden zurückholen? S.K.: Ich wohne in einem Dorf ohne Spielwarenladen. Hätten wir einen Händler vor Ort, würde ich nur noch dort bestellen. Für den Endkunden schneller als Amazon Prime, für den Händler günstiger und im lokalen Bereich eine super Möglichkeit zur Kundenbindung. Auf diese Art bleibt der stationäre Handel in der Poleposition, wenn es darum geht, Eltern von qualitativ hochwertigen Produkten zu überzeugen. Es ist aber nicht so, dass die Mitglieder der Fachgruppe die letzten Jahre den Dornröschenschlaf gehalten haben, was die Online-Präsenz angeht. Die Hersteller sind inzwischen viel weiter, als manche vielleicht vermuten. S.G.: Die Entwicklung beobachten wir mit großer Sorge, wenngleich wir sie vermutlich nicht aufhalten werden. Bleibt zu hoffen, dass möglichst viele Fachhändler den Atem haben, die Pandemie zu überstehen, und dass sich danach wieder neue Chancen für neue Konzepte im Fachhandel ergeben – Stichwort: Mietpreisverfall in den Innenstädten. Parallel wird aber vonseiten der Hersteller sicherlich auch nach Möglichkeiten gesucht, das Einkaufserlebnis in der digitalen Welt zu einem sinnlich-visuellen Erlebnis zu machen. Zwischen Holzspielzeugherstellern und Fachhandel besteht eine enge Beziehung. Ist das einer der Gründe, warum sie „starke bis leichte negative Auswirkungen“ der Pandemie auf das Geschäft erwarten, wie eine Studie des DVSI Ende Januar ergab? S.K.: Diese Zahlen stehen im Gegensatz zu dem, was die Mitgliedsunternehmen berichten. S.G.: Also ich kann das für unsere Firma so nicht bestätigen. Unsere Produkte erfreuen sich weltweit trotz der Pandemie einer hohen Nachfrage. Stärker denn je wird über Web-Shops und Social-Media-Marketing bei Herstellern nachgedacht. Bleibt auch den Holzspielwarenherstellern nur die Flucht nach vorne? S.K.: Wieso Flucht nach vorne? Das würde ja bedeuten, dass sich die Holzbranche bisher mit Händen und Füßen gegen die Digitalisierung der Handelslandschaft gewehrt hätte. Schon heute sind digitale Geschäftsmodelle omnipräsent, wenn auch in unterschiedlichen Abstufungen. Wo liegen denn aktuell die Herausforderungen? S.K.: Die Herausforderung liegt in der Professionalisierung der Abläufe. Hier haben die größeren Mitgliedsunternehmen der Fachgruppe sicherlich einen Vorsprung gegenüber den kleineren. Die Fragen sind jedoch meist die gleichen: Wie spreche ich den Endkunden am besten online an? Was ist meine Zielgruppe? Nach welchen Keywords sucht diese? Was muss ich investieren, damit sich das überhaupt »Die Holzspielwarenbranche ist hier in vielerlei Hinsicht Vorreiter, ökologisches Handeln mit Weitsicht liegt hier sozusagen in den Genen.« SEBASTIAN KORNBLUM Vorsitzender Fachgruppe Holzspielzeug lohnt? Investiere ich in Google Adwords, oder setze ich auf Social Media? Reichweitenstarke Influencer oder spezialisierte Mami- oder Papi-Blogger? Wenn meine Produkte bei Amazon sind, wie stelle ich dort eine vernünftige Produktdarstellung sicher? Fragen, mit denen man sich beschäftigen muss und deren Beantwortung Geld und Ressourcen erfordert. S.G.: Die Pandemie beschleunigt sicherlich Vorgänge, die sonst eben langsamer stattgefunden hätten. Ich würde es nicht als Flucht nach vorne bezeichnen, aber die Kommunikationswege haben sich verändert. Früher hat der Hersteller überwiegend mit dem Händler und der Händler dann mit dem Endkunden gesprochen – ich nenne das Push-Marketing. Der Endkunde hat gekauft, was der Händler anbot. Durch Social Media sprechen nun alle miteinander und der Endkunde weiß oft schon ganz genau, was er will, und geht auf den Handel zu. Das erfordert natürlich ein ganz anderes Verhalten im Handel und bei Herstellern. Viele Hersteller beabsichtigen, den stationären Handel zu unterstützen. Was kommt von den Mitgliedern Ihrer Fachgruppe? Mit Ihren Mehrwertaktionen haben Sie ja eine Benchmark gesetzt.