V.Mknowledge Koordination im Arbeitsschutz (2) Im zweiten Teil befasst sich Autor Falco Zanini mit dem Sonderfall der Baustellenverordnung. Im ersten Teil dieser Serie über die Koordination im Arbeitsschutz wurde die Koordination nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) als allgemeine, sich an alle Unternehmer richtende Pflicht besprochen. Wie dort dargestellt, müssen beim Zusammentreffen von mehr als zwei ausführenden Unternehmern (auch Einzelunternehmer) auf einer Veranstaltung diese beim Arbeits- und Gesundheitsschutz zusammenarbeiten und gegebenenfalls einen geeigneten Koordinator für die Arbeiten bestimmen. Idealerweise geht hier die Steuerung vom Bauherren als dem Hauptauftraggeber aus. Zusätzlich zu diesen allgemeinen Regelungen existiert eine sehr konkrete Anforderung an die Arbeitsschutz-Koordination bei Großprojekten im Bau, die seit vielen Jahren in der Bauwirtschaft erfolgreich umgesetzt wird und verpflichtend ist. Hierbei handelt es sich um die Baustellenverordnung (BaustellV) vom 10. Juni 1998, die eine EU-Richtlinie von 1992 konkretisiert. Diese war eine Reaktion auf die Erkenntnis, dass in Europa auf Baustellen 35% der Unfälle auf Planungsfehler, 28% auf mangelnde Organisation und 37% auf Fehler in der Bauausführung zurückzuführen sind und in Deutschland die Unfallhäufigkeit auf Baustellen mehr als doppelt so hoch ist, wie in der sonstigen gewerblichen Wirtschaft. Hier stellt sich die Frage, ob die in unserem Branchen-Sprech liebevoll als „Baustelle“ bezeichnete Produktion, bzw. der Auf- und Abbau derselben eine Baustelle im Sinne der BaustellV darstellt oder nicht. Nach den „Regeln zum Arbeitsschutz auf Baustellen“ (RAB), die die BaustellV konkretisieren, definiert sich die Baustelle als „Ort, an dem ein Bauvorhaben ausgeführt wird, bei dem eine oder mehrere bauliche Anlagen auf Veranlassung eines Bauherren errichtet, geändert oder abgebrochen (…) werden“. Die erwähnten „baulichen Anlagen“ wiederum „sind mit dem Erdboden verbundene aus (…) Bauteilen hergestellte Anlagen (einschließlich Gebäudetechnik). Eine Verbindung mit dem Erdboden besteht auch dann, wenn die bauliche Anlage durch eigene Schwere auf dem Boden ruht“. Der Begriff der baulichen Anlage begegnet uns wieder in den Versammlungsstättenverordnungen im § 1, der als einen der Anwendungsbereiche in Abs. 1, Nr. 2 definiert: „Versammlungsstätten im Freien mit Szenenflächen, deren Besucherbereich mehr als 1000 Besucher fasst und ganz oder teilweise aus baulichen Anlagen besteht“. Als bauliche Anlage gilt hier nach den Erläuterungen zur MVStättVO bereits die Einfriedung und die Abschrankung. Nach einschlägigen Behördeninformationen kann zumindest in einem Gebäude, z.B. einer Halle oder „Arena“, nicht ein weiteres Gebäude errichtet werden. Somit fällt hier die zwingende Erfordernis der Anwendung der BaustellV zunächst weg. Allerdings wurde der Verfasser anlässlich eines „Fachgesprächs“ mit einem Amt für Arbeitsschutz schon darauf hingewiesen, dass eine Koordination nach BaustellV in einer Arena, trotz sehr hohen Sicherheitsniveaus, wünschenswert gewesen wäre. Anders sieht es hingegen im offenen Gelände aus. Hier kann es je nach Sichtweise einer zuständigen Stelle durchaus angezeigt sein, eine Koordination nach der Verordnung durchzuführen. In der Praxis wird bei großen Produktionen im öffentlichen Bereich immer wieder auf diese Weise verfahren, genauso wie einzelne Großproduktionen auf Automobilmessen entsprechend vorgehen. Die zentrale Rolle bei der Koordination nach BaustellV spielt der Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator, kurz SiGeKo genannt. Dieser muss nach der BaustellV „geeignet“ sein. Dazu muss er über baufachliche, arbeitsschutzfachliche und spezielle Koordinatorenkenntnisse verfügen, sowie Erfahrung in Planung und Ausführung entsprechender Vorhaben besitzen. Die speziellen Kenntnisse kann sich ein zukünftiger Koordinator mittels zweier einwöchiger Kurse z.B. in einer Akademie der Verwaltungsberufsgenossenschaft aneignen. Alle Koordination beginnt zum frühestmöglichen Zeitpunkt, bzw. bei der Planung der Veranstaltung. Nur in dieser Phase kann ein Koordinator wirksam und rechtssicher tätig werden. Er muss außerdem unter anderem während der Ausführung zur Umsetzung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes - mit allen beteiligten Gewerken kommunizieren und deren Zusammenarbeit organisieren, - dabei die allgemeinen Grundsätze des Arbeitsschutzgesetzes berücksichtigen, - die Verantwortlichen der Fremdfirmen unterweisen - gegenseitige Gefährdungen und Gefahren vorausschauend ermitteln, - darauf achten, dass die Arbeitgeber und Unternehmer ohne Beschäftigte ihre Pflichten nach der Verordnung erfüllen, - diese Erkenntnisse in seine Arbeit oder wenn gefordert, den Sicherheits- und Gesundheitsschutz-Plan (SiGe-Plan) einarbeiten und den Plan ggf. fortschreiben Die Erfordernis des SiGe-Plans kann aus der Tabelle abgeleitet werden und Details zum SiGe-Plan finden sich in der RAB 31. Mit diesem wichtigen Hilfsmittel können Gefährdungen durch viele Beschäftigte oder die sogenannten gefährlichen Arbeiten frühzeitig erkannt und minimiert werden. Als zusätzlicher Effekt bei der Erledigung der genannten Aufgaben des SiGeKo wird es in der Regel zu Einspareffekten kommen. So können Sicherheitseinrichtungen (z.B. Life- Lines/Absturzsicherungen) als gemeinsam genutzte Einrichtungen beauftragt werden. Ebenso werden Abläufe Optimierung erfahren und Kosten können gesenkt werden. So z.B. nach der Erkenntnis, welche Gewerke Bedarf an Arbeitsmitteln und Einrichtungen (Stapler, Container) haben. Diese können dann kann zentral und nicht von jedem Gewerk einzeln bestellt werden. 30 <strong>VPLT</strong>.<strong>Magazin</strong>.<strong>54</strong> Die Erfordernis des SiGeko und der anderen Maßnahmen aus der Verordnung ergibt sich aus der oben stehenden Tabelle. Wann kommt denn nun der SiGeKo zum Einsatz? Das grundsätzliche Kriterium besteht neben der Tatsache des Errichtens einer baulichen Anlage in dem Zusammentreffen von Beschäftigten von mindestens zwei Arbeitgebern. Hier ist nochmal zu erwähnen, dass auch ein selbständiger Einzelunternehmer (Freelancer) sich nach der BGV A1, Abs. 1 selber einer Koordinierung unterwerfen muss. Ein besonderes Augenmerk muss der SiGeKo auch auf das zusätzliche Durchführen von gefährlichen Arbeiten legen. Als gefährliche Arbeiten gelten nach der BaustellV übrigens „Arbeiten, bei denen die Beschäftigten der Gefahr (…) des Absturzes aus einer Höhe von mehr als 7m ausgesetzt sind“, genauso wie „Arbeiten, bei denen die unmittelbare Gefahr des Ertrinkens besteht“ und „Arbeiten, bei denen Sprengstoff oder Sprengschnüre eingesetzt werden“. Der Koordinator hat zusätzlich die so genannte „Unterlage für spätere Arbeiten“ zu erstellen. Hierbei handelt es sich um ein Handbuch für einen späteren Betrieb, in dem Informationen zu sicherheitstechnischen Einrichtungen, Gefahrenstellen oder Besonderheiten bei Wartungs- oder Instandsetzungsarbeiten zusammengefasst werden. Wie bei anderen Pflichtenübertragungen auch, z.B. beim Meister, reicht es nicht aus, den SiGeKo zu benennen. Damit er ordnungsgemäß handeln kann, muss er schriftlich durch den Bauherren bestellt werden. Zusätzlich kann er auch noch mit direkter Weisungsbefugnis als „beauftragter Dritter“ ausgestattet werden, da er ansonsten nur bei gravierenden Verstößen direkt Weisungen erteilen kann. Auf diese Weise wird er zum direkten Vertreter des Bauherren. Besitzt er diese Befugnis nicht, kann er bei Verstößen gegen den Arbeitsschutz lediglich auf den Baubesprechungen oder direkt dem Bauherren Mitteilung machen, der dies dann wiederum weitergeben muss. Insgesamt betrachtet stellt die Koordination nach der Baustellenverordnung also nicht nur unter den genannten Bedingungen eine Pflicht an den „Bauherren“ dar. Vielmehr bieten sich wie schon im Text erwähnt interessante Möglichkeiten, Kosten und Mühen zu sparen und die „Baustelle“ nicht nur sicherer, sondern auch effizienter zu gestalten. Weiterführende Informationen zur Baustellenverordnung und einige Handlungshilfen finden sich auf den Webseiten www.baua.de, Stichwort „Baustellenverordnung“ und www.leitbild-gutekoordination.de Falco Zanini ist seit über 30 Jahren in der Veranstaltungsbranche tätig. Er arbeitet als Berater und Meister für Veranstaltungstechnik und als Fachkraft für Arbeitssicherheit für die Branche. Zusätzlich hat er die Qualifikation als Sicherheits- und Gesundheitskoordinator (SiGeKo) nach Baustellenverordnung. Er ist erreichbar unter info@falco-zanini.de
Leserreise „Backstage Shanghai“ zur Expo 2010 und zur Prolight + Sound 2010 in Shanghai 10. Oktober bis 16. Oktober 2010