DHPV Jahresbericht 2019
Der 2019 erstmal veröffentliche Jahresbericht gibt einen Einblick in die Vielzahl der Aufgaben, die in der Geschäftsstelle, in den Fachgruppen, vom wissenschaftlichen Beirat und vom Vorstand des Deutschen Hospiz- und PalliativVerbands (DHPV) bearbeitet worden sind. Schwerpunktthemen sind das hospizliche Ehrenamt und Fragen rund um die Suizidbeihilfe nach dem Urteil des BVerfG zu § 217 StGB.
Der 2019 erstmal veröffentliche Jahresbericht gibt einen Einblick in die Vielzahl der Aufgaben, die in der Geschäftsstelle, in den Fachgruppen, vom wissenschaftlichen Beirat und vom Vorstand des Deutschen Hospiz- und PalliativVerbands (DHPV) bearbeitet worden sind. Schwerpunktthemen sind das hospizliche Ehrenamt und Fragen rund um die Suizidbeihilfe nach dem Urteil des BVerfG zu § 217 StGB.
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Schwerpunkt Sterbehilfe
Schwerpunkt Sterbehilfe
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum § 217 StGB
Es droht die Entsolidarisierung der Gesellschaft
Das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der
Selbsttötung (§ 217 StGB) trat am 10. Dezember
2015 in Kraft. Hintergrund des Verbotes war die Diskussion
um fragwürdige Praktiken von Sterbehilfeorganisationen.
Ziel des Gesetzgebers war daher u.
a., der Entwicklung einer Normalisierung assistierter
Suizide entgegenzuwirken (BT 18/5373). Aus ethischen
und gesamtgesellschaftlichen Gründen sollte
der assistierte Suizid nicht als gleichberechtigte Behandlungsoption
angeboten werden. Die Abgeordneten
des Deutschen Bundestages haben sich nach
einer wohlerwogenen, keinem Fraktionszwang unterliegenden
Debatte für die Einführung des § 217 StGB
entschieden, um dem Schutz des Lebens und der
Autonomie besonders vulnerabler Personengruppen
vor Beeinflussung sowie sozialem Druck besondere
Geltung zu verschaffen. Zeitgleich wurde das Hospiz-
und Palliativgesetz (HPG, BT 18/5170) verabschiedet.
Als Gesamtkonzept zur Verbesserung der
Hospiz- und Palliativversorgung will es durch ein flächendeckendes
Angebot die Versorgung sterbender
Menschen an den Orten gewährleisten, an denen sie
ihre letzte Lebensphase verbringen möchten.
Gegen § 217 StGB wurde bereits kurz nach der
Einführung von den betroffenen Sterbehilfeorganisationen,
aber auch von Patient*innen und einigen
wenigen (Palliativ-)Mediziner*innen, Verfassungsbeschwerde
beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG)
in Karlsruhe eingelegt. Die mündliche Verhandlung
fand am 16. und 17. April 2019 statt. Nachdem der
DHPV durch das BVerfG bereits Gelegenheit zur
schriftlichen Stellungnahme erhalten hatte (Stellungnahme
des DHPV vom 10.04.2017), wurde Prof. Dr.
Winfried Hardinghaus, Vorsitzender des DHPV, gebeten,
sich im Verfahren insbesondere zu in der Praxis
geäußerten Suizidwünschen und zur Suizidprävention
zu äußern. Prof. Hardinghaus beschrieb auf der
Grundlage seiner langjährigen Tätigkeit als Palliativmediziner,
dass den schwerkranken und sterbenden
Patient*innen mit Wertschätzung, Gesprächen
– insbesondere auch über die (häufig ambivalent) geäußerten
Suizidwünsche – und einer guten palliativmedizinischen
Versorgung bis hin zu einer palliativen
Sedierung erfahrungsgemäß geholfen werden könne.
Er wies darauf hin, dass niemand bei einer ganzheitlichen,
zugewandten und fachlich kompetenten
Betreuung sowie hospizlichen Begleitung am Ende
seines Lebens unter Schmerzen und anderen belastenden
Symptomen leiden müsse. Dies verdeutlichte
er am Beispiel eines Patienten, der zunächst Beihilfe
zum Suizid wünschte und sich dann auf seine Betreuung
einließ, in welcher er später friedlich verstarb.
Herr Prof. Hardinghaus plädierte deshalb dafür, den
§ 217 StGB beizubehalten, da eine solidarische Gesellschaft
nicht vereinfachte Möglichkeit zum Suizid
benötige, sondern den weiteren konsequenten Ausbau
der Hospizarbeit und Palliativversorgung zu Hause,
im Krankenhaus sowie im Pflegeheim.
Bereits in der mündlichen Verhandlung kristallisierte
sich jedoch heraus, dass das BVerfG gewillt war, sich
den Argumenten der Befürworter einer Liberalisierung
der Beihilfe zum Suizid anzuschließen. Das BVerfG
war der Auffassung, dass durch die Einführung des
§ 217 StGB die Option des assistierten Suizides auf
eine lediglich theoretische Möglichkeit verengt werde.
Dies bestätigte sich bei der Urteilsverkündung
am 26. Februar 2020, bei der das BVerfG den § 217
StGB für verfassungswidrig und nichtig erklärte.
Der DHPV hat das Urteil mit Bestürzung und Bedauern
aufgenommen. Denn wenn der Suizid als
etwas Normales und die Suizidhilfe als eine gängige
sowie normale Form der Behandlung akzeptiert
wird, so droht auf lange Sicht die Entsolidarisierung
mit schwerstkranken und sterbenden Menschen in
unserer Gesellschaft. Nach dem Urteil des BVerfG
gilt es daher noch stärker als bisher, die Hospiz- und
Palliativangebote bekannter sowie verlässlicher zu
machen, Fristenregelungen und Schutzvorkehrungen
gegenüber einem möglichen Missbrauch mitzugestalten
sowie die Gesellschaft für diese drohende
Entsolidarisierung mit Leidenden und Sterbenden zu
sensibilisieren.
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